Hallo Aris Rosentrehter!
Das ist nicht wirklich eine Geschichte.....
Nein, das ist mir eigentlich scheissegal, mir hat dein Text über die schwierige und nie perfekte Beziehung zwischen Eltern und Sohn gefallen. Wenn es dir Recht ist, und du kannst dich wohl kaum dagegen wehren,
würde ich gerne Absatz für Absatz durchgehen, da mir manchmal scheint, dass deine Bildhaftigkeit ein wenig mit dir durchgeht!
Das Esszimmer wie aus Ikeakatalog, welcher aufgeschlagen auf dem Tisch liegt. Der Tisch massiv, englisch massiv, drückt auf alte Dielen, welche sonnenerhellt zur gläsernen Schiebetür laufen, diese nur Sommerlicht hindurch lässt, nur positive Menschen, nur freundliche Energien, nur gute Stimmungen.
Das ist ein sehr guter erster Satz, da passt alles, man hat ein Bild aus "Schöner Wohnen" vor Augen! Nur würde ich einen Artikel vor „Ikeakatalog“ setzen: aus
dem Ikeakatalog.
Mit dem blühenden und gedeihenden Garten zerfließt die Einrichtung, die sich, wie ein Chamäleon der Umgebung, dem Jahreszeitencharakter anzupassen scheint.
Als ob man keine Barriere zwischen draußen und drinnen durchschreiten würde, so gleich riecht es im Garten wie auch im Zimmer nach Lavendel, die Geräusche von zwitschernden Vögeln scheinen im Innern nur noch gefiltert zu werden, und auch dort ist man vor Wespenstichen nicht sicher.
Hmm, wenn du damit meinst, dass die Einrichtung so gewählt ist, dass man den Übergang zwischen Innen und dem Garten außen nicht merkt, dann weiß ich nicht, ob „zerfließen“ das richtige Wort ist, bin mir nicht sicher. Denn es ist ja dann nicht eigentlich die Einrichtung, die zerfließt, sondern nur der Übergang zwischen Zimmer und Garten wird ununterscheidbar?!? Dann führst du einige Beispiele der Unterschiedslosigkeit zwischen Innen und Außen an, wobei das Zwitschern der Vögel da etwas heraus fällt, HIER, bei den Vögeln, ist also sehr wohl ein Unterschied da?
Den Besuchern wird gerne das geräumige Wohnzimmer gezeigt, das saubere Bad, die ästhetische Diele, auch ein Blick ins gemütliche Schlafzimmer ist erlaubt.
Ja: Hier fühlt man sich wie Gott in Frankreich.
Der ironische Unterton wird hier pointierter und kräftiger, aber sehr gelungen!
Manchmal und an schlechten Tagen erwacht im Dachstuhl ein Wesen hinter zugezogenen Vorhängen, kriecht unter seiner muffigen Decke hervor, zischt nur kurz in die Abenddämmerung hinein, und huscht durch die ästhetische Diele, oft auch Flur genannt, über die abendlich erblassenden Dielen auf einen der gut gepolsterten Stühle an dem englisch massiven Tisch, und klappt den Ikeakatalog zu, während sich der Garten so langsam schlafen legt.
Jetzt tritt der Störenfried dieser Idylle auf, auf dessen Seite offensichtlich auch der Erzähler steht. Das ist eine sehr anschauliche Stelle. Sehe den Jugendlichen, dem diese ganze Ästhetik am Arsch vorbei geht, und sie daher bedeutungslos werden lässt, deutlich vor mir.
Fehler: Stühle, an dem...
Er will es nicht zerstören, dieses Konstrukt penibler Liebe, diese facettenlose Einrichtung.
Schon ein Wort, ein falsches Atmen könnte alles zum Einstürzen bringen. Und das darf nicht passieren, nicht jetzt. Nicht jetzt, da sie sich gerade wieder schätzen gelernt haben, mit einander leben und kommunizieren können, in des Gegenübers Augen ohne Bisse der Vergangenheit schauen können.
„Bisse der Vergangenheit“ - sehr schön!! sehr sprechend!! Jetzt bekommt der Text inhaltliches Gewicht. Viel scheint schon vorher passiert zu sein, aber jetzt ist alles wieder beruhigt, aber nur um den Preis, dass sich der Sohn Gewalt antut:
Er drückt sie aus sich heraus, die Alltags- und Höflichkeitsfloskeln, das Ja und Danke und Amen und er zerschneidet elegant sein zartes Fleisch, die Kartoffeln, den Salat und die Blicke, die Worte, die schon im Klang Vorwürfe enthalten.
Innerlich zittert er. Wie gerne würde er den Teller durch die gläserne Schiebetür pfeffern, oder nur das Glas neben den Untersetzer abstellen.
Wieder sehr schöne Stelle! Dass er sein zartes Fleisch zerschneidet: was für eine geniale Doppeldeutigkeit! Aber danach wird dieses Bild irgendwie falsch: ER zerschneidet die Blicke und Worte, die wohl von den Eltern kommen? Zerschneiden nicht vielmehr DIESE ihn?? Ich stelle mir ja eher vor, dass er nur schweigend da sitzt. Und wenn ER die Worte und Blicke zerschneidet, WIE? Offenbar unterdrückt er ja jede Reaktion!?!
Sein Vater sitzt ihm Gegenüber, dieser Malocher, dieser schuftende Eigenheimbesitzer, der sich alles mit eigenen Händen aufgebaut hat, nichts hatte und jetzt auch noch immer viel zu wenig hat, nichts mehr, als ein wenig Glück, krampfhaft in vier Wände eingemauert, vor der bösen Außenwelt, regiert vom Teufel, durch Beton behütet, und schaufelt sich sein Essen ins Maul wie noch vor Stunden den Sand in den Betonmischer.
Seine Blicke pendeln wie mechanisch zwischen Messer und Gabel und seinem Sohn, für den er sich schämt und für den er die Worte wohlüberlegt schneidet wie die Kartoffeln, letzte Woche ausgemacht, das schon wieder zu lasche Fleisch und den Salat.
Wieder ist da etwas unpräzise! Das Glück ist vom Teufel regiert? Wenn es der gleiche Teufel ist, der am Ende gemeint ist, also der, der den Sohn regiert, dann hieße das, dass er alles tut für seinen Sohn, aber darunter leidet?? Oder meinst du einen anderen Teufel hier? Nämlich dass es der Teufel des perfekten Lebens ist, der Drang des Vaters, seiner Familie das materiell glückliche Leben zu schaffen, welcher sich in der perfekten Einrichtung des Hauses niederschlägt? Schön ist die Charakterisierung des Vaters durch dessen gieriges Essen und den Beton, darin zeigt sich gut seine Ausrichtung nach materiellen Werten. Unter „Worte schneiden“ kann ich mir wiederum nicht wirklich was vorstellen. Du meinst ja wohl, sorgfältig wählt, vielleicht wäre ja „wohlüberlegt AUSschneidet“ nicht schlecht!
Fehler: gegenüber - klein; „nichts mehr, als ein wenig Glück“ - nicht mehr als ein wenig Glück - ohne „s“ und ohne Komma
Mutter ist immer etwas traurig. Zusammen mit ihrem Mann bildet sie einen Winkel in dem Worte die nötige Tiefe und Klangkraft erhalten, ein geballter Hall garantiert ist.
Er wird auch der Elternwinkel genannt.
Auch hier geht das Bild nicht ganz auf! Ein Winkel schluckt eher den Hall, bringt die Töne eher zum Schweigen als zum Klingen! Überleg dir das nochmal! Obwohl mir das mit dem Winkel sonst gut gefällt!! Vielleicht sind sie ja eher ein „toter“ Winkel, in dem alles Tönende abstirbt! Aber ich weiß natürlich, dass du hier auch die vielen Worte meinst, die wie ein „geballter Hall“ dem Sohn entgegenprallen, oder?
falls du diese Geschichte mal laut lesen solltest: „erhalten, ein geballter Hall“ - wird sich, glaub ich, nicht gut anhören!
Fehler: ...Winkel, in dem Worte...
Eine zerteilte, aufgespießte und dampfende Kartoffel zirkuliert wie ein Dirigentenstab im Winkel, findet gelegentlich den Weg unter die Nase des Sohnes, welcher als einziges in diesem Raum nicht zu passen scheint, nicht im Katalog zu sehen ist, keine biologische Verbindung zu seinen Eltern zu sein scheint.
Du führst das Bild mit dem Klangerleben hier mit dem Dirigentenstab weiter. Aber eine weiche, runde Kartoffel, wenn auch aufgespießt soll wie ein Dirigentenstab sein? Nein, die würde schnell runterfliegen....
Fehler: als Einziges - groß; und: der Sohn kann NICHT eine biologische Verbindung zu seinen Eltern SEIN, sondern nur HABEN!
Der Sohn zweier Engel gehört dem Teufel, das steht fest. Du kannst wohlhabend geboren werden, oder hungernd, oder in Asien oder in Afrika, aber nicht als Engel.
Die Moral von der Geschichte ist also, dass perfekte Eltern niemals perfekte Kinder haben können, dass Kinder eben immer aus der Art schlagen? Und dass es immer Schmerz (siehe „zerschneiden“) gibt zwischen den Generationen...
Auch wenn ich hier vielleicht etwas pedantisch an deinen Text herangegangen bin, so soll nicht der Eindruck entstehen, dass es mir nicht gefallen hat! Dein Text hat was Allgemeingültiges auf besonders anschauliche Weise gezeigt und er hat einige sehr gelungene Stellen!
Viele Grüße
Andrea