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Der Irrtum

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29.11.2005
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Der Irrtum

Paul Steeler fühlte sich prächtig. Er war aufgekratzt und freute sich auf einen aufregenden Abend mit Catherine. Selbst die vom lärmenden Feierabendverkehr hoffnungslos verstopften Straßen konnten seine beschwingte Laune nicht stören. Er war ein glücklicher und zufriedener Mann, der sich durch eine bunte und schöne Welt bewegen durfte. Das Schicksal meinte es gut mit ihm. Während er bei einer der vielen Rotphasen an einer Ampel unbekümmert auf die nächsten paar Meter Weiterfahrt wartete, fiel ihm ein, dass Catherine wahrscheinlich keinen Sekt haben würde. Er hielt es für eine glänzende Idee, noch schnell irgendwo eine Flasche zu besorgen. Diesen Plan bereicherte er sogleich mit einem weiteren guten Einfall: Blumen! Herrliche Blumen für eine begehrenswerte Frau. Wann war er das letzte Mal mit einem prächtigen Strauß erschienen? Er sollte sich wirklich wieder mehr auf das Wesentliche konzentrieren und die Freude und den Genuss daran durch jedes sorgfältig ausgewählte Detail steigern. Heute war der ideale Tag für das Ausleben von Spontaneität, fand Paul, der seine Schritte sonst lieber mit Bedacht setzte. Bevor er Blumen und Sekt besorgte, konnte er eigentlich noch einmal kurz bei Catherine anrufen, einfach nur mal so, um sich daran zu erfreuen, dass es sie gab.

In der Nähe des Supermarktes fand er einen Parkplatz, und die Telefonzelle ganz in der Nähe war frei. Tage des Glücks schienen ihren eigenen, wohltuenden Rhythmus zu habe. Er wählte die vertraute Nummer und es war nicht besetzt. Es hätte wahrhaftig viele Möglichkeiten des Scheiterns geben können, gerade was diese einfachen Handgriffe des Lebens betraf, aber alles verlief glatt. In lässiger Haltung und mit entspanntem Grinsen vernahm er den Summton am anderen Ende der Leitung, der sich daheim bei Catherine in ein Klingeln verwandelte. Einmal, zweimal, dreimal ...

In diesem Augenblick pochte es von außen forsch an die Glastür. Erschrocken hängte Paul den Hörer ein und drehte sich um. Durch die Scheibe blickte er direkt in kantige, unfreundliche Gesichter zweier Männer, die ihn scharf musterten. Beide waren sie groß und kräftig. Sie trugen trotz der Hitze Anzug, Hut und Krawatte und wirkten bedrohlich. Zaghaft öffnete Paul die Tür einen Spalt. “Was wollen Sie denn? Sehen Sie nicht, dass ich gerade telefonieren will?“
Einer der beiden Fremden grinste, ohne dass sein Gesichtsausdruck dadurch irgendwie freundlicher wurde. “Ganz ruhig bleiben, Kumpel.“
“Sie werden die Telefonzelle jetzt verlassen und uns begleiten“, mischte sich der andere Mann ein. “Sollten dabei jedes Theater vermeiden.“
‘‘Was wollen Sie denn von mir?“
“Kommen Sie erst einmal mit uns. Unser Wagen parkt hier ganz in der Nähe. Wird sich dann schon alles klären. Bleiben Sie einfach ruhig und besonnen.“
Pauls Blick flackerte von einem zum anderen. “Aber um was geht es denn? Sie können mich doch nicht einfach so … mitnehmen?“
“Sollten wirklich genau das tun, was wir Ihnen sagen. Könnte sonst recht unangenehm für Sie werden. Würde Ihnen ganz bestimmt noch weniger gefallen.“
“Aber ich ...“
Paul wurde unsanft am Kragen gepackt. Grobe Pranken rissen ihn hoch, bis sein Gesicht auf Augenhöhe mit der düsteren Visage des größeren der beiden Männer war. Ein stumpfer Haiblick brachte ihn endgültig zum Schweigen. Tabakatem und der Geruch eines aufdringlichen Rasierwassers betäubten seine Sinne. Der Hai sah aus, als wolle er ihn auf der Stelle fressen. Er zeigte sein mörderisches Gebiss. “Jetzt hören Sie mir ganz genau zu, Kumpel, weil ich es Ihnen nur einmal sagen werde: Sie kommen jetzt mit. Ohne ‘wenn‘ und ‘aber‘. Sie werden sich ruhig und unauffällig verhalten. Und uns keinen Kummer machen, kapiert? Ich will ab sofort keine dämliche Frage mehr hören. Wenn Sie ordentlich parieren, dann wird es für uns alle nichts weiter als ein netter und gemütlicher Ausflug. Machen Sie aber irgendwelche Mätzchen, breche ich Ihnen sämtliche Knochen. War das jetzt soweit verständlich? Oder muss ich noch deutlicher werden?“
Paul schluckte schwer, sackte kraftlos in sich zusammen und atmete gepresst, weil der harte Griff ihm die Kehle zuschnürte. Als der Riese ihn endlich losließ, geriet er ins Stolpern, aber der andere Mann hielt eisern seinen Arm umklammert und bewahrte ihn vor dem totalen Zusammenbruch.
“Ich habe verstanden“, keuchte Paul. Dabei sah er sich verzweifelt um, ohne jedoch einen Ausweg aus dieser bedrohlichen Situation entdecken zu können. Es drängten sich zwar viele Menschen hastig an ihnen vorbei, aber sie nahmen keine Notiz davon, was sich hier bei der Telefonzelle abspielte. Sie sahen nichts. Sie wollten nichts sehen. Paul war allein, inmitten des Großstadttreibens. Allein und ohne jede Chance. Er versuchte, sich zur Ruhe zu zwingen. Würde er lauthals um Hilfe brüllen, würden die Passanten erst recht achtlos an ihnen vorbeihasten. Bloß nicht einmischen! An einen überraschenden Fluchtversuch war auch nicht zu denken. Dafür hatten sich die Fremden zu gut postiert. Wie eine Wand standen sie vor ihm, ihre Schatten deckten ihn völlig zu. Es sah nicht danach aus, als könnte er gegen sie ankommen, weder mit Kraft noch mit List. Und der Mann mit den Augen eines Hais schien ganz offensichtlich nur darauf zu warten, dass Paul ihm einen Grund für eine härtere Gangart lieferte. Oh nein, das war kein Spaß mehr. Ganz und gar nicht.

Der Tag verlor seinen Glanz. Auf einmal war die Stadt laut und dreckig, die Luft stickig, die Menschen hatten sich in herzlose Maschinen verwandelt. Das Leben war wieder grau und alltäglich geworden. Pauls Gedanken schrumpften auf einen Klumpen Angst zusammen. Seine Muskeln verkrampften sich und zitterten. “Eine Verwechslung ...“, stammelte er mit letzter Kraft. “Es wird sich bestimmt alles aufklären. Ich komme mit. Ich mache Ihnen keine Schwierigkeiten.“
Der Hai grinste breit, und sein Begleiter klopfte Paul anerkennend auf die Schulter. Dann hielten sie ihm Ausweise und Dienstmarken unter die Nase, gaben sich als Polizeibeamte zu erkennen und durchsuchten ihn routiniert nach Waffen. Der Hai leierte ihm mit monotoner Stimme seine Rechte vor und fragte ihn anschließend, ob er alles verstanden habe. Paul nickte, obwohl er gar nicht zugehört hatte. Willenlos folgte er den Männern, die ihn wie eine Puppe in die Mitte nahmen, um ihn bei einer falschen Bewegung sofort zerquetschen zu können. Beim Wagen angekommen, legten die Beamten Paul Handschellen an und drängten ihn unsanft auf die Rückbank. Paul zweifelte daran, es tatsächlich mit Polizisten zu tun zu haben, weil sie rücksichtslos und brutal vorgingen. Aber sie brachten ihn tatsächlich in ein Revier und schleiften ihn dort durch das nervöse Gewimmel eines normalen Dienstalltages, vorbei an klingelnden Telefonen, fluchenden Beamten, aufgeregten Zivilisten, klappernden Computertastaturen und schnurrenden Faxgeräten.
Paul hielt den Blick gesenkt, konzentrierte sich nur darauf, mit seinen Begleitern Schritt halten zu können. Verzweifelt ignorierte er die summende Atmosphäre. Menschenansammlungen dieser Größenordnung war er nicht gewöhnt. Das machte ihm Angst. Das Stimmengewirr erinnerte ihn an einen angriffslustigen Bienenschwarm. Bilder und Geräusche verschmolzen zu einem Wesen mit monströsen Ausmaßen, zu einer brodelnden und dampfenden Masse ohne Gesicht und Individualität.

Paul wurde in ein gläsernes Büro geführt. Hier fühlte er sich endlich etwas geschützter. Ein dicker, kahlköpfiger Mann sprang auf und musterte das Trio, wobei er an Paul zunächst wenig Interesse zeigte. Dessen Begleiter jedoch bedachte er mit sehr finsteren Blicken. Er wirkte wie eine menschliche Gewitterwolke. “Also?“, fragte er den Hai. “Ich erwarte Ihren Bericht, Detective Dexter.“
“Er ist pünktlich auf die Minute zum Termin bei der Telefonzelle aufgetaucht. So, wie unser Informant es angekündigt hatte. Zudem benahm er sich auffällig und seltsam. Alles sprach nach unserer Ansicht dafür, dass die Aktion CHARLIE, wie von Martinez beschrieben, angelaufen war. Und wir ...“
“Sie sollten nur observieren und weitere Befehle abwarten“, warf der Inspektor mit scharfer Stimme ein. “Statt dessen bricht plötzlich der Funkkontakt zu Ihnen ab.“
“Mussten ja den Wagen verlassen“, rechtfertigte sich Dexters Partner. “Hätten sonst die Zelle nicht ...“
“Und warum haben Sie nicht ordnungsgemäß die Zentrale informiert, als Sie den Wagen verließen?“
“Ging alles so schnell, Chief. Wollten keine Zeit verlieren. Hatten Angst, dass der Bursche uns durch die Lappen geht. Mussten sofort entscheiden und schnell handeln!“
Mit spöttischem Grinsen musterte der Inspektor Paul von Kopf bis Fuß. “Ein großartiger Fang, Männer. Wirklich einmalig. Brown und Dexter haben zugeschlagen. Alle Achtung. Hätten Sie sich allerdings vor Ihrem eigenmächtigen Handeln noch einmal über die Zentrale mit mir verständigt, dann hätten Sie erfahren können, dass die Aktion CHARLIE längst abgeblasen worden war. Der gute, alte Martinez, der hat uns alle mächtig verarscht. Der hat uns nur Scheiße erzählt. Und während wir an verschiedenen Stellen der Stadt hinter falschen Spuren herschnüffelten, hat das Heroin ganz woanders in aller Ruhe und ohne jede Störung den Besitzer gewechselt. Bloß haben die anderen Jungs wenigstens nicht den dummen Fehler begangen, einfach mal irgendwelche Unschuldigen zu verhaften, so wie ihr Hornochsen!“
“Ein Irrtum, wie ich schon sagte“, stieß Paul glücklich hervor, und die Freude ließ Kraft und Mut in ihn zurückströmen. “Ich habe mit der Sache nichts zu tun. Wirklich nicht.“ Er lachte hysterisch. “Heroin? Oh Gott. Ausgerechnet ich! Ich rauche ja noch nicht einmal. Ich bin völlig unschuldig.“
“Stimmt“, bestätigte der Inspektor trocken. “Und Sie werden sich gleich darüber freuen dürfen, wie schnell meine Männer Sie von diesen verdammten Handschellen befreien werden.“
Brown befolgte sofort den dezent verpackten Befehl. Der Hai gab sich allerdings noch nicht geschlagen. “Moment, Inspektor. Wir haben ihn ... ich meine, es war genau achtzehn Uhr, als ... Die Telefonzelle. Der Zeitpunkt. Das merkwürdige Verhalten des Burschen, bevor er ...; nun, das alles passte irgendwie zusammen, verstehen Sie? Sollten wir nicht …?“
“Vergessen Sie es einfach, Dexter. Sie haben den Falschen erwischt. Geht das nun endlich in Ihren Quadratschädel rein? Es war ein beschissener Irrtum. Warum wollen Sie diesen armen Mann unbedingt verhaften? Weil er zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort war? Weil er eine Telefonzelle um achtzehn Uhr betrat? Lassen Sie diesen Unglücksraben auf der Stelle frei, bevor wir irgendwelchen Ärger bekommen.“ Plötzlich leuchtete sein Gesicht vor Freundlichkeit. Väterlich legte er seinen dicken Arm um Pauls schmale Schultern. “Sie sind von meinen Jungs doch soweit gut behandelt worden, nicht wahr?“
Paul nickte heftig.
“Das hört man gern.“ Der Inspektor schaukelte ihn leicht hin und her. “Man hat sich also Ihnen gegenüber anständig und korrekt verhalten. Sie planen nicht, irgendwie gegen uns vorzugehen. Keine Beschwerde oder etwas in der Richtung?“
“Auf keinen Fall, Inspektor!“ Paul war die Erleichterung darüber, dass sich alles als Missverständnis erwiesen hatte, mehr als deutlich ins Gesicht geschrieben. Alles andere war ihm egal. “Irren ist doch menschlich.“

Es war ein gutes Gefühl, die Handschellen wieder loszusein und Brown, aber vor allen Dingen diesen großspurigen Dexter, so kleinlaut und schuldbewusst schwitzen zu sehen, wie zwei Jungen, die bei einem dummen Streich erwischt worden waren. Der Inspektor klatschte in die Hände. “Also, dann ist ja alles in Ordnung. Es ist gut, wenn sich Angelegenheiten unter Männern so einfach regeln lassen. Und eine Entschuldigung meiner Leute wird das harmonische Bild abrunden, möchte ich wetten.“
Dexter brummt irgendetwas, ohne Paul dabei anzusehen. Brown knuffte ihn aufgeräumt gegen den Oberarm, eine unverständliche Entschuldigung murmelnd.
Zum Abschied drückte der Inspektor Paul herzlich die Hand. “Diese wackeren Burschen sind Tag und Nacht für die Bürger der Stadt im Einsatz. Sie werden verstehen, dass es im Übereifer hin und wieder einmal zu kleinen Irrtümern kommen kann. Man sollte in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass alles letzten Endes nur mit dem edlen Ziel geschieht, unsere Straßen etwas ruhiger und sicherer zu machen.“
“Ich bin nicht nachtragend, Inspektor“, versicherte Paul. “Wirklich nicht. Darf ich jetzt gehen?“
“Aber sicher. Gehen Sie nur. Sie sind ein freier Mann. Frei wie ein kleines Vögelchen.“

Aufatmend verließ Paul das Polizeirevier. Alles war wieder gut. Alles war wieder gut. Alles war wieder gut. Durchatmen. Die Gedanken kontrollieren. Die Besinnung auf das Jetzt erzwingen. Die Wirklichkeit hatte den Albtraum als Irrtum entlarvt. Mit einem Taxi ließ er sich zu seinem Auto bringen. Für Sekt und Blumen war es jetzt leider zu spät, aber dennoch freute er sich auf Catherine. Vor gut einer Stunde hatte es noch so ausgesehen, als sei sein Leben völlig aus den Fugen geraten. Jetzt aber kehrte endlich wieder Normalität ein.

Er parkte den Wagen in einer Seitenstraße. Mittlerweile war es schon dunkel geworden. Mühsam wuchtete er die schwere Tasche aus dem Kofferraum. Zielstrebig bewegte er sich auf den Eingang zu. Einen Moment lang zögerte er. Dann kam ihm plötzlich eine launige Idee in den Sinn. Er drückte sehr lange auf die Klingel. Nach einer Weile meldete sich blechern und hörbar erstaunt Catherines Stimme.
“Mein Name ist Detective Dexter“, log Paul, wobei er Dexters harten und abgehackten Tonfall gekonnt imitierte. “Wir ermitteln gegen einen Burschen, der in letzter Zeit immer wieder Frauen telefonisch belästigt hat. Wir konnten ihn heute verhaften und haben ein kleines Notizbuch bei dem Kerl gefunden. In diesem Buch haben wir unter anderem auch Ihre Adresse und Telefonnummer entdeckt. Wir gehen nun all diesen Hinweisen nach. Sind Sie in der letzten Zeit telefonisch belästigt oder gar bedroht worden?“
“Das kann man wohl sagen“, entgegnete sie bitter. “Seit Wochen hat dieser Perverse immer wieder bei mir angerufen, hat teilweise Dinge gesagt ... oh, mein Gott, ich bin froh, dass Sie ihn erwischt haben.“
“Wären Sie bereit, mir in diesem Zusammenhang noch schnell ein paar Fragen zu beantworten? Das ist sehr wichtig, damit wir die Anklage hieb- und stichfest formulieren können. Sonst paukt ein cleverer Rechtsverdreher den Burschen morgen wieder raus.“
“Kommen Sie nur rauf, Detective Dexter.“ Sie klang sehr erleichtert. “Ich sage Ihnen alles, was ich weiß.“
Der Summer wurde betätigt und Paul stemmte mit lässigem Schwung die Haustür auf. Bedächtig machte er sich an den Aufstieg in den dritten Stock. Seit einiger Zeit hatte er den langweiligen und einsamen Alltag von Catherine Jackson akribisch ausgekundschaftet. Er wusste gut Bescheid. Sie lebte allein und zurückgezogen. Empfing nie Besuch. Wohnte in einem Haus und einer Gegend, in der sich keiner groß um den anderen kümmerte. Ideale Voraussetzungen für einen Besuch bei ihr.

Die Frau erwartete ihn bei geöffneter Tür. In ihrem verlebten Gesicht wirkte das warme Lächeln wie ein kurzer Sonnenstrahl an einem düsteren Regentag. Ihr Aussehen hatte ihr wirkliches Alter wohl um Jahre überholt. Ihre fleckigen Hände hielten den Bademantel über schlaffen Brüsten zusammen, während sie beiseite trat, um Paul den Weg in ihre Wohnung freizumachen. Er grinste sie auf die Art an, mit der er diesen verdammten Schlampen zu Beginn immer begegnete. Dabei berauschte er sich schon an der Vorstellung, sie bald in Stücke zu reißen, sich in ihrem Blut zu wälzen und den Gipfel seiner Erregung zu erreichen, während der letzte Funken Leben langsam aus ihren erstarrendem Augen wich.
Catherine schloss die Tür und faltete nervös die Hände. Sie musterte ihren Besucher mit einem Blick, der ihre Freude darüber kaum verbergen konnte, um diese Zeit endlich einmal etwas anderes zu sehen, als das Fernsehgerät. “Ich mach uns schnell eine Tasse Kaffee“, schlug sie aufgeregt vor und huschte beflissen davon.
“Das ist sehr nett von Ihnen.“ Paul stellte ächzend die schwere Tasche ab.
“Ich habe noch etwas Apfelkuchen im Haus“, hörte er ihre Stimme aus der Küche zwitschern. “Selbstgebacken. Dazu kann ich rasch etwas Sahne schlagen. Dauert wirklich nicht lange. Ich hoffe, Sie haben es nicht allzu eilig, Detective.“
Mit fahrigen Fingern zerrte Paul den Reißverschluss der Tasche auf. Darin war alles zu finden, was er für Abende wie diesen benötigte. Werkzeuge des Grauens. Liebevoll tätschelte er die vertrauten Geräte und fühlte, wie ihn eine wilde Vorfreude durchflutete.
“Sie haben doch ein wenig Zeit?“, rief Catherine aus der Küche unsicher.
“Aber sicher“, entgegnete er zufrieden. Natürlich hatte er Zeit. Die ganze Nacht.

 

Nett, Rick, diese Geschichte ist wirklich nett geschrieben. Kurzweilig und mit inzwischen für dich typischer Wendung führt sie den Leser in die Irre. Allerdings ist das eine ziemlich konstruierte Irre. Ich meine, als dein Prot verhaftet wird, da verhält er sich nicht wie ein Schuldiger, obwohl er doch denken müßte, die Polizei sei ihm auf die Schliche gekommen. Das hast du natürlich bewußt so geschrieben – damit man denkt, er ist wirklich nur Opfer entweder einer Verwechslung oder von Kriminellen. Das ist billig. Genauso billig ist es, daß sich die beiden Burschen erst verspätet als Polizisten ausgeben – der Leser sollte wohl denken, es sind Kriminelle. Auch die Entschuldigung des Chefs mit der angeblich im ungünstigen Moment abgeblasenen Aktion gegen Drogenhändler ist ein wenig an Haaren herbeigezogen. Aber das macht nichts mehr, schließlich kann dein Prot auch gekonnt Stimmen imitieren – insofern stellt sich die Frage gar nicht, als was hätte er sich bei Catherine vorgestellt, wenn er den Detektiv Dexter nicht kennengelernt hätte: Wahrscheinlich als Postbote oder Hausmeister oder eben als ein unbekannter Polizeibeamter. :D

Durch diese Konstruiertheit verliert die sonst gut geschriebene Geschichte – Anderes erwartet man bei dir eh nicht – erheblich an Relevanz. Okay, da sind ein paar Seitenhiebe auf uns alle, die wir lieber weggucken als einzugreifen, wenn etwas vor unseren Augen geschieht. Auch versteht man, daß dein Prot ob der Erleichterung über die Verwechslung nicht gegen die rüden Polizeimethoden protestiert und lieber alles auf sich beruhen läßt – so würde wahrscheinlich auch ein echter Unschuldiger reagieren.

Der Schluß – Dabei berauschte er sich schon an der Vorstellung, sie bald in Stücke zu reißen, sich in ihrem Blut zu wälzen und den Gipfel seiner Erregung zu erreichen, während der letzte Funken Leben langsam aus ihren erstarrendem Augen wich. – ist so überzogen, daß es schon wieder komisch ist: Ein kleiner Telefonsexbelästiger entpuppt sich als ein neuer Jack the Ripper. Prost, Mahlzeit.

Schade um dein Talent, Rick.

Dion

 

hallo rick

juhu, was neues von dir.

Die aufgekratzte Stimmung brannte wie Feuer in ihm
ach komm! abgedroschen. zudem fand ich es noch nie gut, denn was soll feuer denn auch sonst in ihm tun, anstatt zu brennen?

Er war ein glücklicher und zufriedener Mann, der sich durch eine bunte und schöne Welt bewegen durfte.
mit solchen sätzen macht man es sich immer zu einfach, finde ich. und es ist auch nicht im sinne guter literatur, finde ich. du musst die situation schon erschaffen und beschreiben, die diesen satz dann im kontext aussagt.

dass Catherine wahrscheinlich keinen Sekt hatte.
haben könnte oder so, aber nicht hatte

“Sollten dabei jedes Theater vermeiden.“
und sollten. klingt besser.

ach so, der spricht immer so. dann ist gut. gefällt mir.

Auf einmal war die Stadt laut und dreckig, die Luft stickig, die Menschen hatten sich in herzlose Maschinen verwandelt.
ich kann ihn in der stadt nicht lokalisieren, rick. die umgebung wird nicht beschrieben und bleibt blass, rick. so ist es schwer, sich die geschehnisse vorzustellen.

um ihn bei einer falschen Bewegung sofort zwischen sich zerquetschen zu können.
lass mal das zwischen sich weg

und schleiften ihn dort durch das nervöse Gewimmel eines normalen Dienstalltages, vorbei an klingelnden Telefonen, fluchenden Beamten, aufgeregten Zivilisten, klappernden Computertastaturen und schnurrenden Faxgeräten.

so erwarte ich das, rick. so ist es gut. so hat man eine vorstellung.


Das machte ihm Angst.
das passt jetzt nicht. sollte er sich nicht freuen, dass er es anscheindend wohl doch mit echten polizisten zu tun hat. zumindest sollte er erleuchtert sein, in einem polizeibüro zu sein.


Paul wurde in ein gläsernes Büro geführt. Hier fühlte er sich endlich etwas geschützter.
ja genau, da ist es ja. nur etwas zu spät.


Er wirkte wie eine menschliche Gewitterwolke.
daumen hoch. schöne formulierung. allerdings für die atmosphäre gerade etwas zu humoristisch.


dass die Aktion CHARLIE längst abgeblasen worden war. Der gute, alte Martinez, der hat uns alle mächtig verarscht. Der hat uns nur Scheiße erzählt. Und während wir an verschiedenen Stellen der Stadt hinter falschen Spuren herschnüffelten, hat das Heroin ganz woanders in aller Ruhe und ohne jede Störung den Besitzer gewechselt. Bloß haben die anderen Jungs wenigstens nicht den dummen Fehler begangen, einfach mal irgendwelche Unschuldigen zu verhaften, so wie ihr Hornochsen!“
ich galube nicht, dass er das alles so einfach vor dem prot erzählen würde. er würde wohl eher nur dexter in sein büro zitieren.
aber es wird dann wohl schwer, die geschichte zu erzählen. aber, tut mir leid, so funktioniert das nicht, ist unglaubwürdig. du brauchst einen auktorialerzähler, die zeitgleich erzählt, wie das gespräch zwischen dexter und chief vonstatten geht und der prot vor verschlossener tür weiterhin schwitzt.


wenn es nicht deine geschichte wäre, rick, hätte ich übrigens schon längst abgebrochen, da die idee, dieser zufall, dass ein passant mit einem observationsperson verwechselt wird, ist sehr sehr alt und überholt.
ich hoffe auf deine pointen!


Mit einem Taxi ließ er sich zu seinem Auto bringen.
nicht authentsich. die polizei muss ihn doch wenigstens zurück zu seinem auto fahren oder das taxi bezahlen. so funktioniert es nicht.


und dann ist da diese wendung, rick, wie erwartet. gut. das kozept eines richtigen thrillers. aus dieser sicht hast du alles besser gemacht, worin ich hier zuletzt versagt habe.

die perspektive: ich mag solche unreinen perspektiven, nicht komplett auktorial. der erzähler ist quasi ein arschloch, denn er verarscht den leser.

das es beabsichtigt ist, ist ja klar.

dion hatte schon gesagt, dass er sich hätte schuldiger fühlen müssen. du hast ja geschrieben, dass er gar nicht wusste, weswegen er jetzt mitgenommen wurde. das war ja schlicht und einfach falsch.

das wird hier noch eine gute und interessante diskussion nach sich ziehen, rick. ich freue mich schon. denn ich kann mich zwischen genial und totale sauerei nicht entscheiden.

besten Gruß

 
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Hallo Dion,

als erste Kritik unter Krimi/Spannung gleich etwas von dir zu lesen - damit habe ich gar nicht gerechnet.

Diese ist eine Schubladen-Geschichte, die ich etwas gekürzt und aufgearbeitet habe (Wahrscheinlich denkst du jetzt: Hätte er sie man lieber in der Schublade gelassen!). Hatte ich mal richtig Bock drauf. Natürlich ist das alles konstruiert, keine Frage. So lange es nicht gänzlich absurd und unwahrscheinlich erscheint, passt es vielleicht dennoch unter diese Rubrik. Ich find's nun gar nicht so an den Haaren herbeigezogen, muss es aber natürlich akzeptierten, wenn es so bei dir ankommt.

Ich hatte einfach mal Lust, mich mit einer reinen Unterhaltungsstory zu beschäftigen, und mich textlich mal nur auf dieses ganz spezielle Ziel zu konzentrieren. Ich wollte meinen Kopf mal frei bekommen von Metaphern und tiefsinnigen Stoffen. Mir macht das Laune. Bei dir ist es nun so gar nicht angekommen, das ist natürlich schade, aber nicht zu ändern.

Mein Talent (danke!) sehe ich durch solche Texte nicht gefährdet. Ich habe als freier Autor zeitweise für "Wahre Geschichte", "Roman-Stunde" und "Roman-Woche" gearbeitet, selbst solche Ausflüge bringen einen weiter. Handwerklich betrachtet auf jeden Fall - man darf es nur nicht zu exzessiv treiben.

Der Schluss ist natürlich extrem überzogen. Eigentlich die ganze Geschichte. So war es jedenfalls gemeint. Nichts wirklich zum ganz Ernstnehmen. Aber )hoffntlich) einigermaßen unterhaltsam.

Grüße von Rick

 

Hallo Aris,

während ich Dion antwortete kam deine Kritik - wir haben uns überschnitten. Nun muss ich zum Sport. Ich antworte später. Da gibt's natürlich viel zu sagen. Bis denne.

Grüße von Rick

 
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hab ich mir schon gedacht. sport? du überrascht mich doch immer wieder.

ja, lass dir mal was einfallen! und um den unterhaltungswert brauchst du dir keine gedanken zu machen! in dem sinne ist sie gelungen.

nur kann hier etwas sehr großartiges draus wachsen, rick.

edit: ach so: das WM spiel. sport!? das schau ich jetzt aber auch.

 
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Hallo Aris,

so, da bin ich wieder. Nicht zurück vom WM-Schauen, ich treibe selbst Sport - ist viel gesünder.

Zu deinen Kritikpunkten. Deine Optimierungsanregungen habe ich größtenteils übernommen. Danke!

Zu anderen Punkten möchte ich folgendes anmerken.

Er war ein glücklicher und zufriedener Mann, der sich durch eine bunte und schöne Welt bewegen durfte.

Zitat: mit solchen sätzen macht man es sich immer zu einfach, finde ich. und es ist auch nicht im sinne guter literatur, finde ich. du musst die situation schon erschaffen und beschreiben, die diesen satz dann im kontext aussagt.

Hier habe ich bewusst diesen einfachen und klaren Satz verwendet. Eine Zustandsbeschreibung. Sollte kurz und knackig rüberkommen. Das lang und verschnörkelt auszudrücken, hätte meiner Ansicht nach die Handlung verschleppt.

Das machte ihm Angst.

Zitat: das passt jetzt nicht. sollte er sich nicht freuen, dass er es anscheindend wohl doch mit echten polizisten zu tun hat. zumindest sollte er erleuchtert sein, in einem polizeibüro zu sein.

Ich finde aber es passt sehr gut. Ich hatte schon angedeutet, dass Paul Angst vor sehr vielen Menschen und der Enge hat (nicht zwingend vor der Polizei, aber angenehm können ihm da ja nun auch nicht sein). Insofern hielt ich das schon für stimmig. Wenn er dann ins Büro kommt, dann hat er Ruhe vor der Hektik. Und ist erleichtert.

Dass der Inspektor dann in Anwesenheit von Paul seine beiden Leute zusammenstaucht, ist vielleicht nicht unbedingt Polizeialltag, aber würde man z. B. bei Cop-Filmen Realitätsnähe erwarten, könntest du 99% der Stoffe in die Tonne treten. Ich finde, wenn's der Unterhaltung dient, dann sollten ein paar Freiheiten erlaubt sein. In dem Film "Leon, der Profi" könnte man auch kritisieren, dass Polizisten sich soooo nie verhalten würden. Trotzdem ist der Film ein absoluter Hammer! Von "Dirty Harry" will ich erst gar nicht anfangen.

Mit einem Taxi ließ er sich zu seinem Auto bringen.

Zitat: nicht authentisch. die polizei muss ihn doch wenigstens zurück zu seinem auto fahren oder das taxi bezahlen. so funktioniert es nicht.

Auch dieser Punkt ist für die Handlung eher unerheblich. Der Leser könnte sich auch seinen Teil denken. Natürlich bot der Inspektor Paul an, dass seine Männer ihn wieder zu seinem Auto fahren würden. Das hat Paul dankend abgelehnt. Er hatte die Begleitung von Brown und Dexter ausgiebig genossen, länger wollte er die wirklich nicht mehr um sich haben. "Machen Sie sich meintetwegen keine Umstände", könnte Paul gesagt haben. Wenn ich diese Situation klärend beschrieben hätte - das wäre stinklangweilig geworden.

Grundsätzlich sind die Verhaltensweisen von Paul nicht gänzlich nachvollziehbar, dass hat Dion auch schon kritisiert. Dass er sich z. B. nicht schuldig fühlt, als ihn die Polizisten aus der Telefonelle holen. Aber er ist halt so verkorkst, dass er diese Schuldgefühle in sich selbst gar nicht orten kann. Er ist nur verwirrt und der Situation nicht gewachsen. Warum sollte das nicht in seiner verwirrten Gedankenwelt so ablaufen.

Ansonsten, und das ist ja auch nicht unwichtig, hatte ich großen Spaß daran, diesen etwas ältern Text mal aufzuarbeiten. Ob er gute Unterhaltung bietet, kann ich selbst nicht beurteilen, deshalb habe ich ihn hier mal gepostet. Ich weiß natürlich, dass in der Rubrik "Krimi/Spannung" auch ein harter Wind weht. Nun, ich bin keine Spezialist für solche Stoffe. Vielleicht lerne ich auch in diesem Genre dazu. Darauf kommt's mir an.

Als totale Sauerei empfinde ich die Story jedenfalls nicht, da kann ich nur schwer hoffen, dass du am Ende nicht wirklich bei diesem vernichtenden Urteil landest.

Schönen Restsonntag und weiterhin viel Spaß.

Grüße von Rick

 

hallo Rick

freut mich, dass ich dir ein bischen helfen konnte.

ich würde schon schreiben, dass es ihm angeboten wurde, nachhause gefahren zu werden, und er dankend ablehnt. ist doch schnell gemacht. da les ich lieber länger und dafür ohne sinnfehler.
aber das musst du entscheiden. hast mit deinen ausführungen ja auch größtenteils recht.

leon der profi ist mein lieblingsfilm.

ich hatte gehofft, du schreibst mir was zu der hier gewählten perspektive. mit der komm ich nämlich noch nicht so ganz klar. das sehe ich entweder genial oder als totale sauerei. nicht die geschichte.

gruß

 
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Moin Aris,

Zitat: ich würde schon schreiben, dass es ihm angeboten wurde, nachhause gefahren zu werden, und er dankend ablehnt. ist doch schnell gemacht. da les ich lieber länger und dafür ohne sinnfehler.
aber das musst du entscheiden. hast mit deinen ausführungen ja auch größtenteils recht.

Okay, ich denk noch einmal darüber nach, vielleicht in einem kleinen Nebensatz.

Zitat: ich hatte gehofft, du schreibst mir was zu der hier gewählten perspektive.

Die ist eigentlich weitgehend auktorial, oder nicht? Scheinbar mit einer stellenweise leicht eingefärbten personalen Erzählweise. Das habe ich aber nicht bewusst so angelegt, sondern erst nach deiner Frage überhaupt anhand des Textes nachvollzogen. Außerdem musste ich "auktorial" erst mal nachschlagen, mit solchen Dingen habe ich mich noch nicht so intensiv beschäftigt.

Auf in die Woche. Was echte Spannung ist, werden wir hoffentlich Dienstag ab 16 Uhr erleben!

Grüße von Rick

 

Moin Rick!

Fangen wir damit an, was mir als Erstes aufgefallen ist: die Adjektive.
Im ersten Absatz funktioniert der exzessive Einsatz noch, wobei es auch dort für meinen Geschmack hart an der Grenze ist. Sätze wie

Paul schluckte schwer, sackte kraftlos in sich zusammen und atmete gepresst, weil der harte Griff ihm die Kehle zuschnürte.
sind jedoch einfach zu viel. Wenn wirklich kein Verb mehr für sich spricht - Stilmittel hin oder her - dann frage ich mich als Leser, ob das Verb dann wirklich das richtige für die beschriebene Situation ist. Außerdem nutzt es sich als Stilmittel ziemlich schnell ab.

Ansonsten funktioniert der Anfang. Gerade durch den leicht naiven, überschwänglichen Stil kommt der Prot und seine Stimmung glaubhaft rüber.

Der erste "Kniff" mit den sich zu spät vorstellenden Polizisten stört mich noch nicht sonderlich, einfach weil die Szene, meiner Meinung nach, wirklich gut geschrieben ist. Das beginnt bei der irrationalen Angst des kleinen Bürgers vor der Polizei und endet bei Browns Aversion gegen Personalpronomen.
Das gefällt mir, genauso wie die Szene im Polizeirevier.
Kurze Textanmerkung:

Aber sie brachten ihn tatsächlich in ein Revier und schleiften ihn dort durch das nervöse Gewimmel eines normalen Dienstalltages, vorbei an klingelnden Telefonen, fluchenden Beamten, aufgeregten Zivilisten, klappernden Computertastaturen und schnurrenden Faxgeräten.
Es ist nur eine Kleinigkeit, aber bei Zivilisten denke ich immer an das Militär. Vielleicht Bürger?

Die Pointe ist für meinen Geschmack einfach zu "viel".
Nicht nur inhaltlich schlägst du hier fast schon einen Haken zu viel nach dem aufgelösten Irrtum, vor allem der krasse Stilbruch in der Sprache als auch in den Gedanken des Prots schießt weit über das Ziel hinaus. So wirkt die Pointe, verglichen mit dem Rest der Geschichte, aufgesetzt.

Bis dahin funktioniert die Geschichte gut und kann mich inhaltlich wie stilistisch überzeugen, wobei der Inhalt eher bekannt, der Stil dafür umso besser ist.

J

 

moin rick

ja na hoffentlich. ist erstaunlich, was fußball für eine spannung mit sich bringt. aber weiter sind sie ja schon, wird also bestimmd nur so mitteläßig spannend.

ich grübele gerade viel über die verschiedenen perspektiven und deswegen hake ich hier so nach. deine geschichte kommt mir sehr gelegen. ist komisch: immer, wenn ich über bestimmte sachen explizit nachdenke, dann postest du eine geschichte, in der etwas heraussticht. wie einst schon mit den dialogen, für die ich jetzt auch ein herz gefunden habe.

denn der erzähler hier ist nicht auktorial, rick. denn er ist nicht allwissend. oder vielleicht schon, aber versteckt die wahrheit absichtlich. am anfang würde er einen triebtäter ja ganz ganz anders beschreiben, wenn er des wissens wäre, dass der prot einer ist.

ich weiß halt nicht, wie man diese perspektive nennt. ist für mich neu. dritte person einfach, klar. aber eben auktorial oder nicht, das ist hier die Frage. für mich.

und ich finde es auch sehr gut, wenn eine perspektive aus den schulformen narrativ, auktorial, dritte person usw heraushüpft. das ist moderne literatur. schon etwas länger modern.

du verarscht ja den leser mit dieser perspektive aufs extremste. du beschreibst in der einleitung eine person falsch. wenn du von vornherein weißt, dass es ein triebtäter ist, dann ist die person falsch beschrieben.

weißt du, worauf ich hinaus will?

aber ich finde das gut und interessant so, wie du es gemacht hast.

besten gruß

 

Hallo Rick,

obwohl ich ja auch ein Fan deiner Geschichte bin, hat diese bei mir nicht so richtig gezündet. Sie war durchaus angenehm und kurzweilig zu lesen, aber der letzte Funke hat mir hier noch gefehlt.
Ich werde dir erklären, woran das liegt, obwohl ich bei einigen Punkten beim Überfliegen schon gesehen habe, dass das auch anderen aufgefallen ist.

Bis zu der Stelle, als dein Prot. wieder von der Polizei freikommt, konnte ich ihn nicht richtig ernstnehmen. Seine Freunde las sich für mich nicht echt, ebenso seine Angst, als er geschnappt wird. Insofern habe ich von Anfang an geahnt, dass er sich am Ende als Mörder oder ähnliches herausstellen wird. Das war eher ein Gefühl, vielleicht auch, weil ich selbst etwas sehr entfernt ähnliches geschrieben habe und gerade am Anfang ähnlich geschrieben habe, weil ich meinen Prot. selbst nicht ernstgenommen habe. Ich hoffe, du verstehst was ich meine, ich fürchte, ich kann es nicht anders erklären.

Mit den beiden Polizisten nutzt du einen etwas billigen Kniff, um den Leser in die Irre zu führen. Finde ich nicht gut, weil du dem Leser damit quasi auf der Nase herumtanzt, ihnen falsche Tatsachen vorspielst und am Ende sagst: "Ätsch, das ist aber ganz anders".
Du solltest die Szene so umbauen, dass man am Anfang denkt, sie sind irgendwelche Entführer, während einem im Nachhinein auch klar werden kann, dass sie Polizisten sind.

Das der Inspektor vor deinem Prot. erzählt, was es mit der Aktion Charlie auf sich hat, halte ich auch für höchst unwahrscheinlich. Immerhin haben sie schon einen Fehler gemacht, indem sie ihn festgenommen haben - und dann stellen sie sich selbst noch blöder dar, indem sie erzählen, wie blöd sie sich bei der Festnahme des Kriminellen angestellt haben?! Bzw. dass sie ihn gar nicht festgenommen haben. Na ja.

Ich hoffe, du kannst mit meinen Anmerkungen etwas anfangen.

Liebe Grüße, Bella

 
Zuletzt bearbeitet:

@ Don Jorgo

Oh je, da ist sie wieder, meine längst überwunden geglaubte Adjektivitis. Da es aber ein älterer Text von mir ist (das soll jetzt keine Ausrede sein!), habe ich den Adjektivüberhang bei der Nachbearbeitung wohl teilweise übersehen. Ich geh da noch einmal sorgfältig durch. Als bewusstes Stilmittel waren sie wirklich nur für den Einstieg geplant.

„Zivilisten“ störte mich als Ausdruck auch immer irgendwie, aber „Bürger“? Ich muss da noch mal nachdenken, was passen könnte. Grundsätzlich hast du schon recht, mit deiner Anmerkung, klingt schon irgendwie nach einem militärischen Blickwinkel.

Tja, und dann ist dir die Pointe am Schluss zu viel. Das ist hart, denn nur mit ihr kann die Geschichte aus meiner Sicht überhaupt funktionieren, mit den drei Grundsituationen. Prot in Gefahr. Prot wird rehabilitiert und kommt frei. Prot wird selbst zur Gefahr. Das war der Plan. Ohne den Schluss ist die Geschichte es eigentlich nicht wert, überhaupt erzählt zu werden. Ob sie es mit dem Schluss ist, da bin ich mir jetzt natürlich auch nicht mehr so sicher. Danke fürs kommentieren.

@ Aris

nun, es handelt sich bei dieser Geschichte genau genommen um eine Mischform aus einer auktorialen und personalen Erzählsituation (das Wissen habe ich mir nachträglich angegoogelt). Möglicherweise hätte ich hier sauberer und präziser arbeiten müssen. Da sehe ich noch Arbeit für mich.

Ich stimme nicht mit dir darin überein, dass beim auktorialen, also dem allwissenden Erzählstil, ich als Erzähler verpflichtet wäre, den Lesern mein ganzes Wissen über den Prot anvertrauen zu müssen. Nein, das muss ich nicht. Das Regelbuch erlaubt mir sogar, die Leser in die Irre zu führen, sie zu narren, Ihnen ganz bewusst einiges an Wissen vorzuenthalten. Ich muss es eben nur gut und elegant gestalten – und das ist mir, so scheint es, nicht gelungen. Schade. Selbst mein Versuch, die ganze Story im Erzählstil leicht ironisch anzulegen, hat offensichtlich nicht funktioniert. Dann hätte man mir vielleicht mehr durchgehen lassen. Danke, Aris, habe wieder neue Perspektiven fürs Schreiben gewonnen!

@ bella

besonders lieben Dank für die erste Hälfte deines schmeichelhaften Einstiegssatzes. Danach ist jeder Verriss verzeihlich.

Ich habe deine Erklärung, warum du den Prot in seiner anfänglichen Angst und in seiner späteren Erleichterung nicht ernst nehmen konntest (meintest du damit mangelnde Glaubwürdigkeit?) tatsächlich nicht so ganz verstanden. Ich habe es so verstanden, dass der Prot für dich überhaupt nicht realistisch und eben glaubwürdig rüberkam. Aber welche Stellen im Text bewirken das? Oder liegt es wirklich daran, dass du mal selbst ein ähnliches Konzept verfasst hast? Ich bin da irgendwie unsicher, wo nachzuarbeiten wäre. Weiß man villeicht doch zu wenig vom Prot? Sind seine Verhaltensweisen schlecht beschrieben?

Der „billige“ Kniff mit den Polizisten würde meiner Meinung nach noch billiger werden, wenn ich es noch länger herauszögerte, dass sich die Beamten zu erkennen geben. Da es für den weiteren Verlauf der Story sowieso völlig unerheblich ist, WANN sie als Polizisten erkennbar werden, will ich den Zeitpunkt sogar noch vorziehen. Dion hatte das als eine bewusst angelegte falsche Fährte von mir gedeutet – war’s eigentlich gar nicht.

Das Gespräch des Inspektors mit seinen Untergebenen in Anwesenheit des Verdächtigen ist eine von vielen überzeichneten Situationen. Ich dachte, das funktioniert besser, aber irgendwie scheint der Tenor zu überwiegen, es müsste mehr Glaubwürdigkeit und Realität in die Geschichte. Obwohl ich die Situation in der jetzigen Form eigentlich für wirkungsvoller hielt und erst jetzt merke, dass dies so gar nicht hinhaut. Ich habe wohl zwei (drei natürlich!) Möglichkeiten. Die Handlung insgesamt noch mehr überzeichnen, oder die Polizeiszene realistischer ausarbeiten. Immerhin hat es nun schon mehrere LeserInnen gestört. Ich gehe in mich, versprochen. Und hoffe, ich kann die dritte Möglichkeit irgendwie vermeiden.

Danke für die Reaktionen, das hat mir sehr geholfen!

Grüße von Rick

 

und das ist mir, so scheint es, nicht gelungen.

doch ist es. die perspektive hat bei mir so funktioniert, wie sie geplant war.

es würde sich lohnen, dass hier noch mal sauberer durchzuschauen.

aber mir gefällt die geschichte doch, rick. hab ich aber auch schon gesagt.

und ich sagte auch, dass ich es mag, wenn das reglbuch überschritten wird.

 

hallo rick,

oh je, ich kann dir wirklich nicht genau erklären, wie ich das meine. ich hab gestern noch drüber nachgedacht.
am ehesten wirkt es auf mich, als wäre der prot als solcher unglaubwürdig - weder seine freude noch seine verzweiflung als er geschnappt wird, kam bei mir richtig an. das ist alles sehr gedämpft, als wolltest du dich selbst nicht so richtig auf ihn einlassen. nicht so, wie die deine protagonisten normalerweise charaterisierst, dass man sie verstehen kann. vielleicht liegt das daran, dass du ihn selbst nicht wirklich verstehst - bei mir war das zumindest damals das problem. ich hatte eine idee (es ging auch um massenmord) wollte sie unbedingt ausführen und der protagonist war quasi nur meine marionette. ja, ich hoffe, dass wird jetzt klarer. :)

 

Hallo Aris,

ja danke, dann bin ich ja doch irgendwie bei dir angekommen und unser Meinungsaustausch hat mich dazu angeregt, mich verstärkt mit Erzählperspektiven auseinanderzusetzen. Danke für diese stets kreativen Anstöße! Du hast deinen Versuch in dieser Rubrik gewagt - und bist gescheitert. Ich habe es nun ähnlich erlebt.

Dank auch an dich, bella, ich kann es nur erahnen, werde mich aber noch mal intensiver mit deiner grundsätzlichen Kritik auseinandersetzen. Meine jetzige Erkenntnis: Du meinst vielleicht, dass ich kein wirkliches Vertrauen, keine Bindung zu meinem Prot habe, ihn nicht wirklich angenommen und ihm keinen glaubwürdigen Charakter verliehen habe. Ich zweifle und grüble.

Meine frühere Ausrichtung war eigentlich immer bevorzugt Spannung/Krimi/Horror. Da wollte ich hinkommen. Meine Erkenntnis mittlerweile: Es ist einfach nicht meine Rubrik. Ich sollte das wahrscheinlich lieber lassen. Pointengeschichten? Bedingt. Ich gehe mal in mich.

Das wär's als Fazit. Ich werde dennoch mal eine Grundbearbeitung vornehmen. Vielleicht will ich zu viel? Aber wenn man schreibt, sollte man sich davor hüten, immer nur die bequemen und einfachen Wege zu gehen, oder?

Das war's dann erstmal.

Grüße von Rick

 

Frei wie ein kleines Vögelchen."
sozusagen vogelfrei ;)

Hi Rick,

wie immer in deinen Geschichten hast du eine Wendung eingebaut, wie immer bei deinen Geschichten habe ich sie durchschaut :)


SPOILER:
Genaugenommen hab ichs an diesem Satz druchschaut:

Während er bei einer der vielen Rotphasen an einer Ampel unbekümmert auf die nächsten paar Meter Weiterfahrt wartete, fiel ihm ein, dass Catherine wahrscheinlich keinen Sekt haben würde.
bzw in Zusammenhang mit den npoch folgenden ... na ja, aber die Geschichte ist trotzdem ziemlich gut, und es hat mir auch sehr gefallen, sie zu lesen :)

Vllt gerade wg ihrer Durchschaubarkeit - man fühlt sich dann am Ende gut, bestätigt ;)

Hau rein

Tserk

P.S: Fehlerliste kommt per PN.

P.S.S: Mal aufgefalln, dass ich nur Geschichten von dir kommentier, die ne Fehlerliste richtig rechtfertigen? ;)

 

Hallo Tserk,

danke für's Lesen und Kommentieren. Die Fehlerliste arbeite ich nach, sobald ich angemessen Zeit finde.

wie immer in deinen Geschichten (DAS STIMMT NICHT!) hast du eine Wendung eingebaut, wie immer bei deinen Geschichten habe ich sie durchschaut Wenn das man stimmt, behaupten kann man ja viel!

Dein Beispiel, wann es wusstest, also praktisch kurz nach der Überschrift, zeugt von großen seherischen Fähigkeiten. Die Geschichte hatte eigentlich einen ganz anderen Schluss. Nur den hab ich geändert. Wenn du am Anfang als schon meinen ZWEITEN Schluss vorausgeahnt hast, dann hätte ich mal den ersten lassen sollen, der hätte ja dann klappen müssen.

na ja, aber die Geschichte ist trotzdem ziemlich gut, und es hat mir auch sehr gefallen, sie zu lesen Danke sehr!

Vllt gerade wg ihrer Durchschaubarkeit - man fühlt sich dann am Ende gut, bestätigt Ich finde sowas ja immer stinklangweilig, wenn sich bestätigt, was ich längst vermutet habe.

P.S.S: Mal aufgefalln, dass ich nur Geschichten von dir kommentier, die ne Fehlerliste richtig rechtfertigen? Ja, zum Teufel, du hast Recht! Verdammt, woran liegt denn das nur? Sag du es mir! ich weiß es nicht.

Grüße von Rick

 
Zuletzt bearbeitet:

(DAS STIMMT NICHT!)
a waa ... es war jetz nur wg der Satzkonstruktur, schon Absicht, aber klar.
Dein Beispiel, wann es wusstest, also praktisch kurz nach der Überschrift, zeugt von großen seherischen Fähigkeiten. Die Geschichte hatte eigentlich einen ganz anderen Schluss. Nur den hab ich geändert. Wenn du am Anfang als schon meinen ZWEITEN Schluss vorausgeahnt hast, dann hätte ich mal den ersten lassen sollen, der hätte ja dann klappen müssen.
ja, hätte vermutlich geklappt, obwohl ich während dem Verhör KURZ!!! gedacht hab, er wärs am Ende doch, aber dann hab ich gedacht "a wa Rick macht so was Dreckiges net"
Ich finde sowas ja immer stinklangweilig, wenn sich bestätigt, was ich längst vermutet habe.
dann hab ichs falsch formuliert, sorry. Meinte, dass es als Bestätigung kommt, gutgemeint.
Ja, zum Teufel, du hast Recht! Verdammt, woran liegt denn das nur? Sag du es mir! ich weiß es nicht.
:) Eines der letzten Mysterien unserer Zeit ... vllt können wir es irgendwann mal lösen ...

Also, in der PN hast du ja gesagt, dass es net schroff oder so gemeint war - habs au net so aufgefasst :)

Hau rein
Tserk

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Rick,

erstmal Textkram:

Während er bei einer der vielen Rotphasen an einer Ampel unbekümmert auf die nächsten paar Meter Weiterfahrt wartete, fiel ihm ein, dass Catherine wahrscheinlich keinen Sekt haben würde.

Tage des Glücks schienen ihren eigenen, wohltuenden Rhythmus zu haben.

Als der Riese ihn endlich losließ, geriet er ins Stolpern

Beim Wagen angekommen, legten die Beamten Paul Handschellen an und drängten ihn unsanft auf die Rückbank.

um diese Zeit endlich einmal etwas anderes zu sehen[, ]als das Fernsehgerät.

Also, wenn die Geschichte nicht von dir wäre, hätte sie mich vielleicht überraschen können. So dachte ich bei der Verhaftung schon an einen Frauenmörder. ;) Das ist wie bei Krimi-Filmen, da weiß ich auch meistens die Lösung vorher. Deshalb finde ich es sauschwer, heute noch einen überraschenden, aber dennoch logischen Krimi zu schreiben.

Trotzdem, das Lesen war unterhaltsam.

Gruß, Elisha

 

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