Der Künstler
Auf einem Gebirgskamm sitzt ein Künstler und schaut ins grosse, weite Tal. Die glühende Abendsonne schickt die letzten Strahlen zwischen den Nadelbäumen hindurch und zeichnet feurige Bilder an die Bergflanken, die von Minute zu Minute die Farbe ändern und wie Schnee dahinschmelzen. Dann versinkt das Tal in der Dämmerung. Die Landschaft wirkt jetzt fast noch schöner als zuvor, mit den dunklen Grau-, Blau- und Grüntönen. Die Sinne des Künstlers laben sich an dieser köstlichen Schönheit und er vergisst vor Entzückung die Welt um sich herum.
Doch plötzlich beginnen sich die Bäume im Tal zu bewegen, neigen sich mal auf diese mal auf jene Seite, anfangs kaum merkbar, aber mit der Zeit immer stärker. Die Bäume bewegen sich jedoch nicht miteinander, sondern jeder für sich, als würde bei jedem Baum ein eigener Sturm toben, der den Baum immer mehr mit sich reisst. Dann beginnen sich die Bäume von der Stelle zu bewegen und gehen langsam umher, wie grosse, kräftige Gestalten.
Doch plötzlich sieht der Künstler klarer und er stellt erschrocken fest, dass diese Gestalten Räuber sind und gar keine Bäume. Das Tal ist übersät von Räubern, die zuvor offenbar ganz regungslos dagestanden sind und so wie Bäume ausgesehen haben. Sie gehen immer noch im Tal umher, beschleunigen mit jeder Minute ihren Schritt und werden immer hektischer. Es scheint als ob die wilde Räuberhorde etwas ganz Bestimmtes suche und immer nervöser werde, je länger die Suche ergebnislos andauert. Doch ganz plötzlich bleiben alle Räuber stehen, rühren sich nicht mehr und sehen fast wieder wie Bäume aus.
Aber nur einen Augenblick später, der Künstler will gerade tief durchatmen, setzen sich die Räuber wieder in Bewegung, jedoch nicht mehr ungeordnet und hektisch, sondern ruhig und geradewegs auf den Künstler zu. Dieser steht erschrocken auf und stellt zu seinem grossen Erstaunen fest, dass der Gebirgskamm, auf den er sich gesetzt hat, verschwunden ist und er nunmehr auf einem kleinen, kargen Hügel steht. Von allen Richtungen schreiten gemächlich, aber festen Schrittes die Räuber heran, die jetzt mehr wie Riesen ohne Köpfe aussehen. Der Künstler bleibt reglos stehen und wagt nicht zu atmen. Tausende Gedanken und Einfälle, auf die er sein ganzen Leben lang gewartet hat, schiessen ihm durch den Kopf. Die Räuber kommen immer näher, berühren ihn schon, drücken ihn. Der Künstler schnappt nach Luft, doch die Räuber drücken immer fester und ihre Gestalten verschmelzen immer mehr zu einer einzigen Masse, die den Künstler bald vollständig umschliesst.
Der Künstler glaubt die Sinnlosigkeit seines Kampfes zu erkennen und erstickt.