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Der Kritiken-Empfehlungs-Thread

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Kommentar von NWZed unter Iasanara: Iasanara - Die Assassine der Königin, Buch 1 (Romane).

Pädagogisch gesagt: Hier wird bespielhaft gezeigt, was bei Fantasyliteratur alles falsch gemacht werden kann - und zwar auf allen Ebenen: Sprache / Vokabular, Grammatik, Stil, Logik, Charaktere, Struktur, Klischees, fehlender Weltenbau / Setting, Autorenkommentar vs Erzähler (i.e. Erklärbär), unfreiwillige Komik durch mangelnde Sprachkompetenz und unsaubere Bearbeitung, etc pp. Diese Kritik ist wie ein Leitfaden zum How not to write ..., und das so ganz nebenbei am laufenden Text gezeigt.

Unpädagogisch gesagt: Der Komm ist wesentlich unerhaltsamer als der OP, und erzählt mit sehr viel mehr Fantasie und Esprit eine Geschichte, die mehr Sinn & Verstand hat als das Original. Und macht einfach Spaß - leistet das, was der OP nicht schafft (obwohl das Original selbst schon purer Slapstick ist.)

https://www.wortkrieger.de/showthre...ne-der-K%F6nigin-(Buch-1)&p=699930#post699930 Vollzitat, falls der Post - wegen Fanfiction oder sonstwas - gelöscht werden sollte:

Guten Morgen, Iasanara. Fantasy ist genau mein Ding, darum schaue ich mir heute mal deine Welt ein bisschen an. Schauen wir mal.

Obwohl es sich um eine wolkenlose Mondwanderung handelte, konnte die kleine Gruppe der Kerdraren den Mond wie auch die Sterne nicht erkennen. Sie waren in höchster Eile, da ihre Stammesführer kurz vor der Geburt ihres Nachkommen stand. Es vergingen bereits mehrere hunderte Mondzyklen, seit ein Kind im Volk der Kerdraren geboren wurde. Dieser lang erwartete Spross wird noch dazu Nachfahre von der Ältesten sowie mächtigsten Elfendynastie sein.
*Ding* Oh, das? Wundere dich nicht darüber. Das ist mein Klischeezähler, der klingelt, wenn ihm Fantasyklischees über den Weg laufen. Das ist eins.

den Prekicon
*Ding #2* Ach, das übliche EindeutignichtPferd. Am Ende ist es ein Pferd mit etwas spitzeren Ohren oder ein anderes Viech, das etwas zu groß geraten ist. Eh.

Die Raubkatzen ähnlichen Reittiere
Ich hab bei deinen Elfen den totalen Nachtelfenflair. Bisher erinnert mich das alles in World of Warcraft. Prekicone klingt ganz nach einem Nachtsäbler, das ständige Gelaber vom Mond, fehlen nur noch ein paar Orcs, die den Wald abholzen.

beobachtete eine kleine Schar Orcs
Oh, for the love of ... *Ding #3*

Blazetons
Sind das die EindeutignichtWargs?

Der Herzog
Ist der Herzog auch ein Orc? Weil ich nicht glaube, dass die Orcs ein Adelssystem für äußerst sinnvoll halten. Na ja, vielleicht sind deine Orcs in der Beziehung anders als die wütenden Barbarenhorden, die sie sonst immer sind. Jetzt bin ich tatsächlich mal gespannt.

Aber es heißt, dass Kerdraren Meister der Finsternis sind,
Elfen sind wie immer agil und verdammt gut im Schleichen. *Ding #4*

Anmerkung am Rande: Jafaan und Rogdul haben einen ganz unterschiedlichen Klang, was die Namensherkunft anbelangt. Jafaan klingt eher nach Wüste, Rogdul nach 08/15-Haudrauf.

verpflichtete sich Rogdul, die ihm übertragenen Aufgabe erfolgreich auszuführen.
Der Satz ist schlecht. Du musst uns nicht nochmal sagen, dass Rogdul die Aufgabe wohl erfolgreich ausführen möchte - das nehme ich als Leser mal ganz stark an. Was hätte es denn für einen Sinn, wenn er da mit der Intention rangeht, es nicht zu schaffen?

Er ritt mit seinen Freunden
Das sind keine Freunde, sondern Kameraden - oder hat er seinen ganzen Freundeskreis mit zum Überraschungsangriff eingeladen und die stehen gerade hinter ihm und heben die Humpen?

Neidisch schloss Magdul zu Rogdul auf.
Das neidisch kann raus. Es macht in dem Satz nichts, außer uns vorkauen, was Magdul empfindet. Das möchte ich aber gerne sehen und nicht gesagt bekommen. Show, don't tell.

Mit meiner Körpergröße noch dazu Fülle ist es keine Kunst, euch Grünschnäbel, unter den Tisch zu saufen.
Pure Exposition. "Ich bin groß und erfahren!" Das sagt er doch jetzt nur für den Leser - das ist kein glaubhafter Dialog, sondern reine Informationsübermittlung.

Leise lachend, sodass die Elfen nicht auf sie aufmerksam wurden, ritt die Gruppe wieder Richtung Süden.
Ich stelle mir gerade vor, wie das so vier Orcs im Wald herumkichern, während ihre Reittiere auf Zehenspitzen gehen. Im Hintergrund läuft das Thema vom rosaroten Panther.

„Nach oben schaffte es Rakash auch, aber leider musste er unverhofft durch ein Fenster wieder nach unten.“
Der Satz kommt aus dem Nichts. Ich habe keinen Bezug, worüber der Typ redet. Wer zum Teufel ist Rakash?

„Wer den Schaden hat, muss sich um den Spott nicht zu sorgen. Ihr seid mir auch wahre Freunde. Anstatt ihr mich vorwarnt, oder den gehörten Gatten ablenkt, habt ihr dem Schauspiel genüsslich zugesehen.“
Sag mal, redet da jeder für sich selbst? Eben ging es ums Saufen, dann ist Rakash aus dem Fenster geflogen und jetzt stehen die Orcs gemeinsam im Schlafzimmer einer Tussi, die von irgendeinem Kerl genagelt wird.

dass die Landung aus dem zweiten Stockwerk nicht ohne Schrammen vonstattenging.
Natürlich nicht. Wenn er nur Schrammen abbekommen hat, kann er sich noch glücklich schätzen! Wer aus der Höhe auf dem Arsch landet, kann sich auch gern mal das Becken brechen.

Unser Kind wird wie vorausgesagt
Die-Geburt-unseres-Kindes-wurde-von-irgendeinem-Scheiß-vorhergesagt-Klischee. *Ding #5*

Nie habe ich zu hoffen gewagt, dass wir dieses kostbare Geschenk bekommen.
Wat? Warum nicht? Es wurde doch vorhergesagt! Prophezeiungen sind in Fantasywelten immer so was wie der Wetterbericht mit erschreckend hoher Erfolgsquote.

Die dunkle Magie wird sehr stark in diesem Kind sein, wenn schon bei der Geburt kein natürliches Licht strahlt.
Dunkle Magie ist in meinen Augen immer etwas Schlechtes. Sind deine Elfen Anhänger von C'thulhu?

„Dennoch habe ich ein ungutes Gefühl, etwas Böses lauert auf uns.“
"Ungutes Gefühl" ist ein anderer Ausdruck für Metawissen. Wir müssen schließlich lernen, dass die Figur es drauf hat.

einen unwiederbringlichen Schaden zufügte.
Das klingt ja so, als ob das etwas Schlechtes wäre. Unwiederbringlich ist hier nicht das richtige Wort, denn das klingt so, als würden die das gerne mehrfach wiederholen.

„Nein, ich habe so ein Gefühl, dass wir den Namen von dem Kind erfahren werden. In dem Moment in dem es, dass erste Mal in unseren Armen liegt.“
Ja, genau, so reden Frauen in den Wehen, denn das ist der schönste Moment der gesamten Schwangerschaft. In der Realität sieht das ungefähr so aus:

"AAAAAAH! *huff puff huff puff* WAS HASTN DU MIR DA ANGETAN. HOL DAS DA RAUS! GRAAAAAH ICH HALTS NET MEHR AUS!"

„Ihr Männer könnt es euch gar nicht vorstellen, was es heißt, eine immer größer werdende Kugel vor sich herzutragen.“
*Ding #6*
Keine Angst, ich werde Ducura bieten stehen zu bleiben, überdies ein Lager aufzubauen
Diese Zeile ist fürchterlich. So redet wirklich keiner. So drücken sich Leute aus, die sich für schlau halten und denken, dass ihre Sätze clever klingen, wenn sie Worte wie "überdies" benutzen.
Eine Geburt ist etwas Natürliches, viele Elbenkinder bewältigten es vor uns.“
1. Sinds hier auf einmal Elben.
2. Was meint er genau? Dass viele Elbenkinder bereits Kinder bekommen haben? Wie soll ich mir das vorstellen? Das klingt irgendwie falsch.

„Irgendetwas oder jemand verbirgt sich im Wald. Sie sind uns nicht günstig gestimmt.“
Also, die Elfen hören sich allesamt an, als wären es Studenten im ersten Semester. Du gibst dir Mühe, deine Elfen erhaben klingen zu lassen, aber dazu fehlt dir schlicht und ergreifend die sprachliche Finesse.

erklärte Ducura gehetzt
Wenn man gehetzt ist, hört man sich nicht so an. Und natürlich verbirgt sich etwas im Wald. Im Wald leben Viecher, die sich vor Eindringlingen verstecken. Das könnte ein wenig präziser sein, denn sonst hört es sich an, als würden die bei jedem Eichhörnchenfurz anhalten und ein Lager errichten. Ich stelle mir gerade vor, dass alle zehn Meter ein komplettes Lager steht.
"Das war glücklicherweise ein Fehlalarm!"
"Dann setzt auf. Weiter gehts!"
*Ein Vogel singt*
"ABSTEIGEN! HAUT DIE BÄUME DA UM! BAUT EIN LAGER! ES NÜTZT JA ALLES NICHTS! Da ist was im Wald!"

„Ich befürchte, dass es zu einem Gefecht kommt. Daher solltet ihr probieren in die gegengesetzte Richtung zu fliehen, aus dem der Angriff kommen wird.“
Woher kommt diese Befürchtung? Momentan gibt es kein einziges Zeichen für einen Angriff und die Aussage stützt sich auf pures Autorenwissen. Außerdem ist sein Plan völlig sinnlos. Wenn der Angriff aus dem Gebüsch links kommt, rennen die in Busch rechts, oder was? Genau, denn da ist der Weg richtig schön uneben und gerade richtig für eine schwangere Frau. Es ist gänzlich unmöglich, einfach die Straße hinab zu hetzen, während alle anderen durchs Kämpfen abgelenkt sind. Nein, es gibt in diesem Fall nur eine Möglichkeit: Rein ins Gestrüpp, im besten Fall ist da noch ein hoher Berg, auf den man klettern muss und eine Höhle, in der drei angefressene Bären liegen, denen irgendein blondes Weib den Brei weggefressen hat. Versuchen wir es gar nicht erst mit Logik, rein ins Gestrüpp, das ist die einzige Möglichkeit. Das Gelaber derwegen dunkler Magie ist auch nur dahergesagt, so was nützt einem doch im Kampf nichts, also ab in den Busch! Herrje, ich rege mich schon wieder zu sehr darüber auf. Ich sollte erstmal weiter lesen.

Daher kann ich euch niemanden zum Schutz mitgeben ohne die Verteidigungslinie zu schwächen.“
Wenn sie zu wenige sind, kriegen sie auch keine vernünftige Verteidigungslinie hin. Stell dir vor, da bricht ein Regiment aus dem Wald und die stehen da zu fünft. Wie lange soll das gut gehen? Ich sags dir: Die werden einfach über den Haufen gerannt. In dem Fall siegt Quantität.

Sie spürte sofort, dass es sich dabei um einen Abschiedskuss für immer handelte
*Ding #6* Wieder pures Metawissen. Hier erzählt uns der Autor etwas - wie spürt man denn einen Abschied für immer? Wenn es das geben würde, könnte man verdammt viele Unfälle verhindern, weißt du? Dann würde man dem Mann oder der Frau einfach sagen "Hey, geh nicht aus dem Haus, sonst verreckst du".

Verflucht, macht euch langsam auf den Weg, zornig sah Ducura wieder in Richtung des Gebrülles.
Auch das wäre komplett sinnlos. Dann spaltet sich nämlich einfach ne Gruppe vom Regiment ab und nimmt die Verfolgung auf. Offenbar sind die Orcs ja in unverschämt hoher Anzahl da, also würde die Haupteinheit davon nicht mal was merken. Dafür, dass die angeblich die Meister der Schatten sind, benehmen die sich wie Anfänger.

„Der Elf mit dem Schwert ist meiner!“
Hat die restliche Einheit keine Schwerter? Sind die mit zwei Meter langen Salzstangen losgeritten oder wie kann ich mir das vorstellen? "Der Elf mit dem Schwert" ist nämlich auch wieder ein Satz, der auf dem aufbaut, was der Autor uns erzählt hat - also können die Figuren hören, was vom Erzähler gesagt wird? Du musst deutlicher zwischen Erzählerwissen und Figurenwissen trennen. Das ist eine unglaublich wichtige Sache beim Schreiben. Deine Leser können ruhig ein wenig mehr wissen, denn dann wirds spannender für sie, wenn deine Charaktere mit einer Sache konfrontiert werden, über die der Leser Bescheid weiß.

Immer schneller liefen die felllosen, hundeähnlichen Bestien.
Ich habs gewusst.

Ohne Vorwarnung durchbrachen sie die Waldgrenze
Ja, hätten sie vorher ihren Angriff mit einer Sirene ankündigen sollen? Natürlich kommen die ohne Vorwarnung. Das ist ein Überraschungsangriff, keine nachgestellte Szene aus dem Bürgerkrieg.

Diese Mondwanderung war für einen Überfall wie gemacht. Warum waren wir nur so arrogant zu denken, dass es niemand wagen würde uns anzugreifen
Genau. Es ist schließlich weithin bekannt, dass ein dunkler Wald der richtige und der sicherste Ort für eine Schwangere ist. Ich wäre im Traum nie darauf gekommen, dass es dort zu Überfällen kommen kann. Da hört man schließlich nie was von!
Denn was der Regiments-Herzogs schon befürchtete, einige der Kerdrare woben Magie.
Gerade Orcs sollten im Umgang mit Magiern keine Probleme haben. Reitet auf die zu, die komisch herumlallen und alberne Dinge mit den Händen machen, rauf aufs Fressbrett und solange zuhauen, bis der Mund sich nicht mehr bewegt. Was die sich immer alle so haben mit den Magiern. Magie ist ein mächtiges Werkzeug, wenn es richtig eingesetzt wird. In einer Schlacht, bei der der Magier mitten im Getümmel steht, ist dieser Vorteil nichts wert.

die ihm fast gleichzeitig angriffen.
*Ding #7* Warum nur FAST? Alle drauf auf den, nicht um den herumtänzeln. Was soll denn das? Er kann nicht in zehn Richtungen gleichzeitig parieren, dafür hat er nicht genug Arme! JESSES! Ist es denn echt so schwer, einmal fähige Kämpfer in einer Schlacht zu haben?

Nach einiger Zeit bemerkte er, dass die Angreifer nicht mit voller Kraft auf ihn einschlugen, er das Opfer eines perfiden Plans wurde.
Was, aber wozu? Warum erschlagen sie den Kerl nicht einfach? Das ist kein perfider Plan, das ist Dummheit! Es heißt doch nicht umsonst, dass man den Stärksten zuerst fällen sollte. Das mindert die Moral und die Gefahr.

Das kann nicht sein! Sie sahen es von Anfang an auf Kaendos und meiner Schwester ab, sonst hätten sie nicht ihre Gruppe entzweit.
Dabei war der Plan so ausgefuchst wie brillant! Wie konnten sie den durchschauen? Das ist doch Hexerei!

liefen sie unerwartet links und rechts bei einem Baum vorbei.
Na klar - rennen die sonst in jeden Baum rein, den sie sehen? Außerdem: Was ist daran unerwartet? Das ist en Wald. Dort hat man mit der Anwesenheit von Bäumen zu rechnen.

„Wir kommen nicht schnell genug voran. Ich setze mich vor dich, dann können wir wieder Boden gut machen.“
Was? Wieso? Warum? Da könnte er auch sagen, dass er im Handstand weiterreitet.

Was für eine ungeheure Kraft in den Wurf steckt,
Der Schädel des EindeutignichtNachtsäblers wurde gespalten. Da steckt Kraft drin, aber gut, dass uns das nochmal auf die Nase gebunden wird. Sonst wären wir nicht drauf gekommen. Es hätte ja auch sein können, dass das Tier ungünstig zu Boden gegangen ist.

****

Jetzt reichts aber auch mal. Da steige ich aus. Tut mir leid, aber die Geschichte ist nicht gut. Sie ist voller Fehler - grammatikalisch und erzählerisch. Das macht es echt schwierig, der Handlung zu folgen oder zu entschlüsseln, was die Leute da eigentlich von mir wollen. Die vielen Kommanfehler sorgen dafür, dass man beim Lesen den Faden verliert, die Dialoge lesen sich zäh und die Erzählstimme hat im Grunde nichts Interessantes beizutragen. Sie kaut uns sehr viel vor, so geschieht alles "mit x", damit sich der Autor keine Mühe machen muss, eine Szene deutlicher zu zeichnen.

In die Handlung selbst bin ich nicht richtig reingekommen. Die ist überall, aber nicht fokussiert. Wer ist der Hauptcharakter? Wem folge ich eigentlich? Ach, jetzt ist jemand tot. Hä? Wer war das eigentlich? Zu den Dialogen habe ich dir in den Ausschnitten genug gesagt: Die sind nicht glaubwürdig, nicht gut geschrieben und bedürfen einer dringenden Generalüberholung. Dein erstes Ziel sollte es sein, den ganzen Text verständlich zu schreiben. Danach kann man sich immer noch um die Restfehler kümmern, ab er in diesem Zustand kann das nicht bleiben.

Das klingt jetzt so harsch wie es gemeint ist, denn du hast gute Intentionen: Du möchtest die Leute mit deiner Fantasiewelt so sehr begeistern wie sie dich begeistert. Bisher gelingt dir das aber nicht - es macht keinen Spaß, darüber zu lesen. Es ist anstrengend. Ich kenne die Leute nicht und nur weil sie ein paar Schlücke aus ihrem Leben vor sich hinrülpsen, baue ich keine Verbindung zu ihnen auf. Vielleicht ist das einfach der falsche Einstiegspunkt für die Geschichte? Ich weiß nicht. Gefallen hat es mir überhaupt nicht. Da musst du ran und etwas Verwertbares daraus machen, denn bis hier hin ist das nicht gut.

 

Ich finde, TeddyMaria erklärt in ihrem Kommentar hier sehr anschaulich, warum man als Autor ausufernde Beschreibungen lieber vermeiden sollte und in welchen Fällen Beschreibungen sinnvoll sind und gezielt eingesetzt werden können. Es lohnt sich, das mal durchzulesen, auch wenn man mit Fantasy weniger anfangen kann und deshalb die Geschichte nicht unbedingt anklicken würde, daher dachte ich mir, ich mache an dieser Stelle mal darauf aufmerksam.

Darüber hinaus ist der Kommentar sehr konstruktiv und ermutigend formuliert.

Works for me. :)

Hallo, @BassMonster

Und ein herzliches Willkommen bei den Wortkriegern.

Auch ich habe hier mit Fantasy angefangen und sofort festgestellt, was daran schwierig ist: Wenn man sich eine ganze Welt ausgedacht hat, muss man, zumindest im Rahmen einer Kurzgeschichte, zwei Versuchungen widerstehen: 1) Den Leser/inne/n alles erklären, weil man glaubt, dass sie es sonst nicht verstehen. 2) Den Leser/inne/n wirklich kein Detail vorenthalten, weil man davon selbst so begeistert ist.

Das ist hart, aber diese beiden Dinge NICHT zu tun, ist entscheidend, wenn Du Deine Leser/innen im Rahmen einer Kurzgeschichte in Deine Welt zu entführen.

Was passiert in Deiner Geschichte? Ein Typ geht durch einen Palast und ruft dann was. Dazwischen ärgert er sich über lauter Dinge, die in der Vergangenheit passiert sind, aber nichts davon findet im Aktiv statt. Auch wenn wir das drinbehalten, könntest Du Deine Geschichte um mindestens ¾ kürzen, denn …

Ich zähle mal durch.

Deine Geschichte hat 2.558 Wörter. Davon sind 1.035 Wörter (also fast die Hälfte des Textes!) die Beschreibung einer Rüstung und restlicher Kriegerausstattung. Ich dachte ja, @Dave A übertreibt ein bisschen ... Wahnsinn. Ich komme gleich darauf, warum das, abgesehen davon, dass es offensichtlich völlig absurd ist, ein schreiberisches Problem ist. Weitere 431 Wörter entfallen auf die Beschreibung der Ratsmitglieder. D.h., Du hast 1.466 Wörter (das ist mehr als die Hälfte des Textes), die Teil reiner Beschreibung sind.

Was ist das Problem an reinen Beschreibungen? Um eine Geschichte spannend aufzubauen, muss sie sich ständig in Handlung befinden. D.h., bestenfalls passiert die ganze Zeit irgendwas. Das merken wir uns kurz, denn ich habe ja schon gesagt, dass die meisten Dinge, die in Deiner Geschichte passieren, nicht im Aktiv passieren. Was zum Problem dazugehört, aber in eine etwas andere Richtung geht.

Sobald Du anfängst, etwas zu beschreiben, hält die Handlung an. In dem Augenblick, in dem Du Dich 1.035 Wörter lang über eine Rüstung und die Ausstattung eines Kriegers auslässt, passiert nichts. Deine Figuren, die Handlung, sie stehen still. Die Hälfte des Textes warte ich darauf, dass der Autor wieder auf „Play“ drückt, weil er für die Beschreibung des Kriegers schnell auf „Pause“ gehauen hat. Das ist, als würdest Du einen spannenden Film sehen, nehmen wir an ..., weil's jeder kennt ..., Harry Potter. Plötzlich kommt jemand rein, drückt auf Pause und erläutert Dir die technischen Hintergründe des Films. Was würdest Du denken? Was würdest Du mehr wollen, als dass diese Person ihre Klappe hält und endlich auf "Play" drückt? Das ist nicht gut. Mal ganz davon ab, dass ich gar nicht weiß, was die Rüstung überhaupt mit der Handlung zu tun hat. Für die Handlung sind all diese Informationen überflüssig. Hier habe ich das Gefühl, Du hast Fehler 2 gemacht, Dir nämlich was Tolles ausgedacht und uns damit überhäuft.

Aber alles, was Du schreibst, muss innerhalb der Handlung (nicht innerhalb der Welt) einen Sinn haben. Beschreibungen nur um der Beschreibung willen stoppen die Handlung. Eine Beschreibung ist dann angezeigt, wenn sie einen Charakter charakterisiert. Ich weiß aber nicht einmal, wer dieser Krieger ist. Wenn Du schreibst: „Romus trug eine Rüstung, gefertigt von den besten Schmieden der Angolus, den Speer in der Hand“, dann erfahre ich: Ah, Romus ist ein kampfbereiter Krieger und wahrscheinlich auch sehr hochrangig. Und dadurch erfahre ich mehr über Deinen Charakter, und die Handlung stoppt nicht. Mal ganz davon ab, dass ich überhaupt nicht weiß, wer in Deiner Geschichte zur Hölle diese Rüstung trägt, also nur spekuliere, dass es sich um Romus handelt, würde dieser eine Satz in meinen Augen völlig genügen. Die restlichen 1.019 Wörter kannst Du dann rauskürzen.

Der zweite Kritikpunkt, den ich noch habe, ist, dass in der aktiven Handlung eben nur Folgendes passiert: Typ durchquert einen Palast, öffnet eine Tür und ruft etwas. In einer Geschichte sollte sich möglichst viel Handlung vor den Augen der Leser/innen abspielen. Nur so sind sie in der Lage, sich die Dinge vorzustellen, die Du erzählst. Dieses „sich vor den Augen der Leser/innen/ abspielen“ möchte ich mal „aktive Handlung“ nennen. In Deiner Geschichte ereignen sich viele Dinge im Passiv: Sie haben sich ereignet, ohne dass wir Zeug/inn/en dieses Ereignisses sind, und davon wird kurz berichtet.

Was Du nun tun müsstest, wäre, aus dieser passiven Handlung aktive Handlung zu machen, sie für die Leser/innen erfahrbar zu machen. Nicht aus der Vergangenheitsperspektive davon berichten.

Ehrlich gesagt, puh, bin ich froh, nicht in Deiner Haut zu stecken. Denn ich weiß nicht genau, wie man das machen kann. Entweder, Du beginnst genau wie hier und arbeitest dann ständige Rückblenden ein, aber eben richtige Szenen, keine Erwähnung. Das ist wichtig: Eine Geschichte muss größtenteils szenisch sein. Deine Geschichte ist größtenteils berichtend. Dadurch wird das alles weniger erfahrbar, denn es wird nur erwähnt, nicht vom Prot im Augenblick der Geschichte erlebt. Und er muss es erleben, damit ich als Leserin es erleben kann.

Eine bessere Möglichkeit wäre, uns diese Ratssitzung der Angolus zu zeigen. Viel besser wäre, das Ereignis zu zeigen, das den Krieg aller Wesen im Rat auslöst. Ich habe keine Ahnung, was das sein kann, und ich befürchte ein bisschen, dass Du es auch nicht weißt. Aber das ist Dein Bier.

Zusammenfassend sei gesagt, dass ich es auf jeden Fall zu würdigen weiß, wie viele Ideen Du in diesen Text gesteckt hast. Allerdings müssen reine Ideen hinter der Handlung zurücktreten. Das ist immer wieder schade, aber wenn Du einen Text nur mit Weltenideen vollstopfst und dabei auf Handlung verzichtest, wird außer Dir kaum jemand etwas damit anfangen können. Denn wenn ich eine Welt sehen will, in der nichts passiert, baue ich mein Playmobil-Dorf wieder auf. Da liebe ich ja die Statik. Meine Schwester hat dann mit Handlung immer alles kaputtgemacht. Aber eine Geschichte ist etwas anderes als ein Playmobil-Dorf: Sie muss sich in ständiger Bewegung befinden.

Übrigens finden sich im Text zahlreiche Zeichensetzungs- und Rechtschreibfehler. Ich bin da normalerweise sehr wild drauf, aber heute … Und da es Deinem Text in meinen Augen guttun würde, Du würdest ihn komplett umschreiben, lohnt es sich auch nicht richtig. Ich sage nur schon mal: Bevor Du einen Text hier hochlädst, solltest Du ihn sorgfältig Korrekturlesen. Schreibe den Text. Lese ihn Korrektur. Lege ihn ein paar Tage weg. Lese nochmal Korrektur. Gebe ihn einer anderen Person zum Korrekturlesen. Lege ihn nochmal ein paar Tage weg. Lese ihn laut. Dann lade ihn hoch. Es ist Dein Baby. Es braucht Liebe, um den messerscharfen Kommentaren der Wortkrieger gerecht zu werden. Auch für Dich selbst solltest Du das tun, denn wir kommen schneller zu Inhalt und Stil und mehr Leute werden Deine Texte lesen, wenn Du sie nicht mit RGZ-Fehlern abschreckst.

Also: Keine Sorge, das wird. Kopf hoch und make it work!

Beschreibende Grüße,
Maria

 

Ich möchte gerne den Beitrag von @ernst offshore empfehlen: hier. Nicht nur, weil ich eigentlich jeden Beitrag von Ernst empfehlen könnte, sondern auch, weil dies ein besonders toller ist. Der "Durchschnittsleser" schreibt nicht nur sehr amüsant, er macht auch gut vor, wie man eine Situation händelt, vor der ich als Kommentatorin meistens ratlos stehe (und dann lieber meinen Mund halte): Wenn ein/e Autor/in versucht, etwas, das eher unbeholfen wirkt, als "Stilmittel" anzupreisen. Damit geht Ernst echt bewundernswert um. Quasi ein Lehrstück für Kommentator/inn/en. ;)

Und eben spaßig zu lesen.

Ich würde dir gerne die sämtlichen Stilmittel erklären

Tu dir keinen Zwang an, Bheniamyn, ich lasse mich gerne belehren. Von der Theorie des Schreibhandwerks habe ich nämlich echt keine Ahnung, im Grunde bin ich nur Leser.

Und wenn du etwas lautstark verkünden lässt, beauftragst du indirekt deinem Körper dies zu tun. Erzähl mir nicht, dass du die Phrase nicht kennst "Ich ließ meine Zunge über die Lippen lecken"

Wenn du mir weismachen willst, dass die Sätze „Er lässt etwas tun.“ und „Er tut etwas.“ für dich dasselbe aussagen, muss ich das einfach so zur Kenntnis nehmen und kann im Grunde nicht viel dagegen sagen.
Allerhöchstens, dass das Beispiel, mit dem du deine Sichtweise begründen willst, denkbar schlecht gewählt ist. Damit es als äquivalentes Beispiel taugt, müsstest du das markierte Satzobjekt weglassen. Erst dann nämlich würde es dem von mir gestern beanstandeten Satz entsprechen.
Ich leckte über die Lippen - Ich ließ über die Lippen lecken. Okay, auch das mag für dich meinetwegen semantisch gleichbedeutend sein, ich kann dir nur sagen, dass es das für mich - den Durchschnittsleser, den Mann von der Straße quasi - eben nicht ist.
In aller Regel lese ich Sätze so, wie sie geschrieben sind. Wenn sie nun auf auffällige Art meinem (zugegeben subjektiven) Sprachempfinden zuwiderlaufen, hab ich mehrere Möglichkeiten sie zu rezipieren:
Wenn ich zum Beispiel diesen Satz lese:

[er] lässt lautstark seine Bestellung verkünden.

… verstehe ich ihn zuallererst so, wie er dasteht: Dass nämlich irgendwer irgendwen etwas tun lässt. Und weil ich nicht davon ausgehe, dass es die Bestellung ist, die veranlasst wird, zu verkünden - wie man den Satz genaugenommen auch lesen könnte - nehme ich natürlich an, es hier mit mindesten zwei Personen zu tun zu haben.
Wenn ich dann allerdings beim Weiterlesen draufkomme, dass es sich doch nur um eine Person handelt, dass ich den Satz also falsch verstanden habe, muss ich ihn natürlich noch einmal lesen. (Was nie gut ist.)
Und was denke ich mir beim nochmaligen Lesen?
Da denke ich mir das Nächstliegende: Offenbar hat der Autor bei der Wahl des Verbs danebengegriffen. In Wahrheit meinte er vermutlich: Der Typ lässt lautstark seine Bestellung vernehmen, bzw. hören. (Was strenggenommen stilistisch auch nicht das Gelbe vom Ei wäre.)
Und als Nächstes denk ich mir natürlich sofort: Warum schreibt er das überhaupt so schrecklich kompliziert und nicht einfach z.B.: Der Typ bestellt lautstark seinen Kaffee.
Aber ganz sicher denke ich mir nicht: „Oh, der Autor ist aber sprachkreativ. In Wahrheit ist es nicht der Typ, der bestellt, sondern dessen Körper.“
Und jetzt kommst du mir mit: „Das ist ein Stilmittel.“ :confused:
Worauf ich dir sage, dass sich ein „Stilmittel“ aus sich selbst heraus erschließen sollte, dass man als Leser auch ohne Anleitung des Autors kapieren will, was warum wie gemeint ist. Wenn ein Stilmittel mit falscher Begriffswahl verwechselt werden kann, ist es für mich kein besonders taugliches Stilmittel.
Und ich wage jetzt einfach mal zu behaupten, dass der Mehrzahl der Leser bei diesem Satz Ähnliches durch den Kopf geht wie mir, dass vielleicht einer von hundert schon beim erstmaligen Lesen die von dir intendierte Lesart wählt.
Und genauso ist es mit dem „Er hatte … / Ich hatte …“ gleich zu Beginn. Ich trau mich wetten, dass beinahe jeder, sobald er erkennt, dass er es mit einem Ich-Erzähler zu tun hat, noch einmal zurücklesen muss - was, wie gesagt, nie gut ist - und das Pronomen „er“ schließlich für einen Schlampigkeitsfehler hält. Was es in meinen Augen als Stilmittel ebenfalls disqualifiziert.

Im Grunde könnte ich jetzt Satz für Satz so durchgehen, aber ehrlich gesagt … also ich weiß nicht, irgendwie vermittelst du in deinen Antworten den Eindruck, dass du an dem Text ohnehin nicht mehr großartig arbeiten willst.

Einen kleinen Ratschlag will ich dir zumindest noch geben: Du solltest dich unbedingt über die Kommaregeln schlau machen. Momentan ist deine Kommasetzung echt katastrophal.

offshore

 
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Ich möchte den Kommentar von @Jimmysalaryman zum Text von @TeddyMaria empfehlen, weil es sich dabei (auch) um Ausführungen darüber handelt, wie man - innerhalb der von TeddyMaria gewählten narrativen Struktur - Geschichten erzählt. Zentrale Ideen (Auswahl bedeutsamer Szenen, Intimität, Verhältnis von erzählter Zeit zur erlebten Zeit, Perspektive, Vertrauen in den Leser) werden nicht nur benannt, sondern auch am Text konkretisiert und mit Beispielen aus der Literatur verdeutlicht. Die Kritik bewegt sich innerhalb der Grundanlage des Textes, bleibt daher immanent und wird dadurch im eigentlichen Sinn konstruktiv. Ein Kommentar, der allen weiterhilft, die sich mit der Frage nach dem Aufbau von Texten beschäftigen, die beim Leser einen bleibenden Eindruck hinterlassen sollen.

 

Von mir gibt's heute eine Empfehlung zu @Peeperkorns Kommentar unter meiner Geschichte (die Eigenwerbung jetzt mal mitgekauft) Freundschaftsspiel.

Es dürften nicht allzuviele sein, die sich genau am selben Punkt ihres Schreibens befinden oder überhaupt ähnliche Probleme haben. Aber wenn Peeperkorns Kommentar auch nur eine/n Schreiber/in so anregt wie mich, dann hat sich das hier gelohnt ... Ich denke, zum Beispiel für dich @kiroly könnte das interessant sein ...
Konkret geht es darum, wie man von einem eher eigenwilligen Schreiben zu mehr handwerklicher Freiheit kommt; aber vor allem um die Aufgabe, am Ende den Weg auch wieder zurückzufinden. Ich denke, in anderer Form dürften das die einen oder anderen hier schon mal erlebt haben.

Nochmal vielen Dank, Peeperkorn!

 

Möchte gerne die Kommentare von @Carlo Zwei unter meiner Geschichte "Das Schloss" empfehlen, weil ich das Gefühl habe, dass sie sehr hilfreich sind für diejenigen, die an ihrer sprachlichen Präzision feilen wollen.

Entscheidend war für mich hier die Erklärung zur Reifizierung, über die ich erst einmal gründlich nachdenken musste. Besten Dank @Carlo Zwei!

 
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Ich empfehle den Kommentar - bzw. seinen zweiten im Thread - von @zigga unter der Geschichte "Die Struktur von Kartoffelbrei", weil er sehr klar, prägnant, objektiv und an sehr guten, knappen Beispielen erläutert, was auf dieser Plattform seit Jahren nötig ist, auseinanderzufrickeln: Ist alles, was man - im Sinne von 'aufzählen' - erzählen kann, automatisch eine Erzählung?

Damit hängt die Frage zusammen, ob alles, was in der Realität passiert, zu Prosa taugt. Ich habe schon sehr viele Ansätze gelesen, die das zu erklären versuchten, aber zigga hat hier imA einen wunderbaren Argumentationsbogen geschlagen, der die wichtigsten Aspekte anspricht.

Ein Kommentar, der v.a. neuen Mitgliedern eine große Hilfe sein könnte.
Ich halte mich in der Debatte für durchaus objektiv, weil ich mich bei den meisten - nicht allen! - Alltagstexten ohnehin frage, warum ich das lesen sollte. Eben u.a. aus den Gründen, die zigga so schön anführt. Zudem ist sein Komm locker und unterhaltsam zu lesen, klingt nicht wie eine Belehrung.

Komm #7, 30.11.2021

Servus,

Also mit dieser Anmerkung habe ich direkt mehrere Schwierigkeiten. Erstens beträgt die erzählte Zeit nur ca. 1,5 Stunden. Zoomt man nicht gerade in eine Art Extremsituation hinein, ereignet sich in so einer kurzen Zeit einfach nichts, was man mit einem "roten Faden" durchziehen müsste
Aber das ist doch kein Argument, Henry. Wenn die 1,5h ereignislos verstreichen würden, würden sie nicht für einen literarischen Text nützen. Es gibt ja genug Beispiele, was alles in 1,5h für wichtige Dinge passieren können in Literatur/Film. Es muss auch im Außen nichts Dramatisches passieren, wenn in der Innenwelt deines Prots wichtige Dinge passieren. Aber das findet hier, meiner Lesweise nach, ebenfalls nicht statt. Ich stimme da nicht überein.

Der rote Faden ist die Zeit, die Chronologie der Ereignisse, die vorbeiziehen.
Da machst du es dir ein wenig zu einfach. Der rote Faden ist die Chronologie der Ereignisse, die vorbeiziehen? Da könnte im Grunde alles als roter Faden verkauft werden. Die einzelnen Elemente müssen für mich schon irgendeine Art von Zusammenhang aufweisen, damit man das als roten Faden als Leser spüren kann.

Es geht hier also um banalsten Alltag.
Frage: Eignet sich das für Literatur im weitesten Sinne? Ich sage: nein. In der Form nicht. Außer, du verknüpfst die einzelnen Elemente mit etwas Verbindendem. Hier sind die Elemente zu losgelöst voneinander, zu beliebig, sie sagen mir als Leser nichts über den Prot und sind damit redundant.

Zweitens ist der Protagonist ja in einer Klinik, sprich in einer Krisensituation.
Richtig! Das habe ich auch nicht angeprangert. Das ist ein Teil, von dem ich meinte, da könntest du doch was draus machen. Das ist ein Setting, von dem du authentisch erzählen kannst, das hast du hier ja bewiesen, aber in jetziger Form weist der Text keinen roten Faden auf, ich bleibe dabei. Ein roter Faden bedeutet auch nicht 08/15-Erzählung nach Baukastenprinzip, das kann alles sein, die Form ist offen und ich mag selbst keine 08/15-Teile, aber du solltest dich darauf konzentrieren - meinem Verständnis nach -, was du erzählen möchtest. Und wenn der Punkt ist, den Prot vorzustellen und ihn zu zeigen, ist das mehr als genug roter Faden. Aber das ist im vorliegenden Text aktuell nicht der Fall, weil der Prot bis auf das Ende nichts von sich preisgibt, nur zynische Kommentare und Beobachtungen macht und von sich gibt. Nee, ich stimme nicht zu.

In solchen Situationen fehlt gerade der rote Faden, die Orientierung, das soll der Text spiegeln.
Und was ist der Zweck dessen? Man kann Orientirungslosigkeit in einer Story zeigen, natürlich, das wurde ja auch schon oft in Story/Film getan, das ist auch sau spannend. Aber doch nicht, indem du den Text vor sich hin plätschern und ziellos sein lässt. Du kannst wieder Oh Boy nehmen, das kennt man, denke ich, da wird auch mit Ziellosigkeit gespielt. Und dort ist es extrem spannend, weil die einzelnen Elemente der Erzählung mit einem Grundkonflikt verknüpft sind und man den Erzähler von Szene zu Szene besser kennen lernt, er sich dem Zuschauer gegenüber immer weiter öffnet. Dein Prot bleibt hier verschlossen, von Szene zu Szene gleich viel, bis zur Endszene, wo er sich ein wenig öffnet, aber meinem Empfinden nach auch nicht genug, v.a. nicht genug für die komplette Story.

Es wäre geradezu absurd, eine Figur in einer Psychiatrie sehr konsistent und geplant handeln zu lassen.
Das habe ich auch nicht verlangt. Es gibt nicht darum, wie sich die Figur in der totalen Zeit verhält, sondern wie du als Erzähler sie dem Leser zeigst, welche Ausschnitte aus ihrem Alltag und Leben du dem Leser geordnet rüber gibst. Nimm Berlin Calling. Da ist er auch in einer Psychiatrie. Wird dort gezeigt, wie er eine Person nach der anderen beobachtet? Ah, hier der Metzger! Und der möchte den Kartofflebrei. Und der hier einen Kaffee trinken gehen. Nee, da werden auch Szenen genommen, die auch den Alltag beschreiben, das ist ja wichtig, aber die werden knapp gehalten und so miteinander verbunden, dass in der gesehenen Zeit des Zuschauers immer wieder interessante Dinge passieren, in denen sie den Prot besser kennenlernen und in dem die Handlung und die Konflikte der Erzählung vorangetrieben werden.

Drittens - und das ist eine grundsätzliche Sache, darum wurden der rote Faden bzw. "Handlung" in all meinen Texten vermisst bislang - erlebe ich selbst einfach sehr selten rote Fäden im echten Leben.
Das ist kein Argument. Das echte Leben ist keine Literatur, my friend. Würde man das "echte Leben" so verfilmen, wie jedermann es kennt, wäre es extrem langweilig und banal, bei Osama bin Ladin genauso wie bei dir und bei mir. Eine Erzählung will etwas über das echte Leben aussagen und es zeigen, aber es ist immer spannender als das echte Leben und sei es, weil die wichtigen und außergewöhnlichen Situationen der Protagonisten zusammengestellt und von einer äußeren Kraft - dem Regisseur oder Autor - angeordnet werden.

Und ich möchte beim Schreiben schon stark mein eigenes Lebensgefühl ausdrücken.
Das kannst du ja auch und solltest du. Dagegen sage ich absolut nichts, versteh mich nicht falsch. Es ist immer wieder extrem spannend, wie Leute ihr Lebensgefühl in Text ausdrücken, in fremde Welten hinein schauen lassen. ABER! :D Das alles in einem Rahmen, der konsumierbar für den Leser ist sollte meiner Meinung nach weit oben auf der Liste stehen. Man soll sich nicht verbiegen und nicht vollkommen nach Baukasten erzählen, aber gewisse erzählerische Tricks und Kniffs sind doch kein Verbrechen an der Wirklichkeit. Das hier, was ich aufreiße, ist eine technische Frage: Wie baut man eine gute, lesenswerte Erzählung auf? Erzählung ist dabei ein offener Begriff für mich, du kannst auch einen avantgardistischen Ich-Erzähler in neuerfundener Sprache oder sonst etwas erzählen lassen. Aber es muss doch Zug haben und um etwas gehen, ansonsten springen dir die Leser reihenweise ab.

Darum fühlt es sich für mich immer fast schon nach Vergewaltigung der Dinge an, wenn ich in Texte "Handlung" hineinbringe. Ich habe da wirklich starke Widerstände in mir.
Du hast die Dinge hier bereits in eine Handlung gebracht. Der Prot macht dies, dann das. Du hast deine Welt, wie du sie wahrnimmst, auch bereits literarisiert und somit zu großen Teilen fiktionalisiert. Die "echte Welt" wirst du nie in Text gegossen bekommen. Das ist unmöglich. All die Gedanken, Querverweise im Hirn, Wahrnehmungen. Ein geschriebener Text ist immer ein Destillat und eine Fiktionalisierung. Man kann die Fiktionalisierung aber so ausrichten, dass sie das eigene Lebensgefühl oder der eigenen Vorstellung, wie die Welt deiner Figuren aussehen soll, am größtmöglichen ausdrückt. Hiergegen sag ich absolut nichts! Versteh das nicht falsch. Ich begrüße das und habe Bock drauf, das zu lesen und wie du die Welt siehst und wahrnimmst. Von dem Ideal solltest du nicht abkommen. Aber, nachdem Texte sowieso immer fiktionalisiert und künstlich sind, solltest du - und das ist mein Punkt - diesen Umstand annehmen, und mit dem Werkzeug des Storytelling wenigstens (!) einen roten Faden einfügen. Das ist für mich das mindeste. Hier in dem Text wäre das für mich, dass du die Figuren, die er begegnet, durchgehen würdest und dir überlegen würdest, was hat wirklich Bedeutung. Wie kann ich die Depression und Hilflosigkeit des Prots zeigen? Klar gern auch den Zynismus, aber nicht über 98% des Textes, das ist, als ob du eine Geschichte über einen Krebskranken in einem Krankenhaus spielen lässt, und 98% der Zeit beschwert er sich über das Essen. Das mag in einer Szene gut funktionieren und den Prot beschreiben, aber so ausgedehnt verliert man als Leser das Interesse, weil man eigentlich wissen will: WIE VERDAMMT GEHST DU MIT DEINER KREBSERKRANKUNG UM? :D
Hier ist das bei mir dasselbe! WIE VERDAMMT GEHST DU MIT DEINER DEPRESSION UM? WARUM BIST DU SO? WAS MACHT DAS MIT DIR?
Stattdessen wird mir vom Metzger erzählt, wie Stühle gerückt werden,
der Architekt mit dem Bumskopf verschüttet ein Glas Saftgetränk. „Mist!“ Viel mehr passiert nicht.
Die Figur Jürgen, aber auch das allgemeine Verhalten der Leute sollten andeuten, wie sich die Menschen in dieser Situation fühlen und was sie dorthin geführt hat.
Das ist kein Bashing meinerseits, ich möchte dir nur meine Punkte deutlicher machen, weil ich das Gefühl habe, sie sind nicht richtig rübergekommen, wie ich sie meinte.
Hier: Für mich ist nicht rübergekommen, wie Jürger oder andere sich dort fühlen, nimm es mir nicht übel. Ich sehe, wie sie sich bewegen, aber ich spüre das Leid der Leute und die Depressionen und Ängste nicht. Hier würde ich gerne mehr über die Leute wissen, was sagen, denken sie? Weinen sie, wenn sie über diverse Dinge sprechen?Zeige mir die Traurigkeit, erzähle mir, wer sie sind, anstatt sie mir nur in banalen Situationen, wie sie Stühle verrücken oder Essen weitergeben, zu zeigen.

Ich wollte eine Art Zoo zeichnen, vielleicht sogar ein Panoptikum, jedenfalls eine Szene, die vor eigenartigen Charakteren und Figuren wimmelt.
Und für welchen Zweck?
Erstens sind die Figuren, die auftauchen, nicht greifbar für mich. Ich habe als Leser nicht das Gefühl, sie kennengelernt zu haben. Dafür tauchen sie viel zu schnell auf und ich erfahre nichts Wesentliches über sie. Wer sind sie? Weswegen sind sie depressiv? Ist eine Frau dabei, die ihr Kind hat sterben sehen? Oder ein Mann, der auch Oxys seine Frau verprügelt hat und das bereut? Ich war mal auf einer Art Anti-Aggressionstraining, da war ein Mann mit chronischen Rückenschmerzen, der von seinem Vater als Junge immer verprügelt wurde. Wenn er draußen auf der Straße bis zu einem gewissen Punkt gereizt wurde, ging ein Schalter bei ihm um und er hat die Leute richtig heftig kaputt geschlagen. Deswegen war er da. Wir saßen in einem Halbkreis und er stand mit dem Therapeuten vorne. Der Therapeut mit einem Boxsack in der Hand. Der Therapeut hat den Kerl so sehr - mit Ansage - gereizt und beleidigt, dass der Kerl wirklich umgekippt ist und das Teil heftig bearbeitet hat. Er wollte ihn zu dem Punkt bringen, an dem er die Kontrolle verliert, damit er lernt, damit umzugehen. Ich finde, wenn man so etwas sieht und auch als Leser in einer Story sieht, lernt man Menschen kennen. Wenn man wirklich ihr Leid sieht und ihre Probleme und die Hintergrundgeschichte hört. Ich hätte den Gewalttyp jetzt auch lediglich beschreiben können, wie er mir am morgen am anderen Ende des Tisches gegenüber gesessen hat und dass er irgendwie einen Buckel hatte und ständig Tischtennis spielen wollte. In welcher der beiden Beschreibungen bekommst du ein besseres, echteres Bild von ihm?

Der Text übt für mich auch starke Systemkritik und das findet gerade im Zynismus bzw. Spott seinen Ausdruck.
Starke Systemkritik durch den Zynismus und Spott deines Prots. Sorry, das sehe ich nicht und habe ich beim Lesen nicht gespürt. Das ist zu abstrakt. Er kritisiert ja auch nicht das System Psychiatrie oder Gesellschaft mit seinem Zynismus, es geht gegen einzelne, random Leute. Nee, das sehe ich nicht.

Nur mal angenommen, der Prot wäre nicht "wirklich" zynisch - "Zynismus" hat übrigens mal jemand sehr treffend als "enttäuschten Moralismus" bezeichnet -, und er versteckt sich nur dahinter: Warum soll er nicht an einer Stelle in seinem Leben stehen, wo er das nicht erkennt?
Aber wir als Leser/Zuschauer müssen das erkennen. Ansonsten bleibt es auf der banalen Ebene. Es gibt eine ganze Reihe an zynischer Figuren in Erzählungen. Nehmen wir mal Frank in Pusher (1996). Er ist auch zynisch und noch abgebrühter als dein Prot, aber als Zuschauer erkennt man auch das Leid und die Einsamkeit und Trostlosigkeit dahinter. Es bleibt nie nur bei reinem Zynismus. Man versteht, was sich dahinter verbirgt, und zwar immer eine Enttäuschung? Die Enttäuschung muss man aber in der einzelnen Erzählung, in der man sich als Leser gerade befindet, mitbekommen und spüren. Das als Leser selbst reinzubringen ist zu viel verlangt und viel zu spekulativ, das muss mir der Autor schon zeigen, er muss die Arbeit machen.

Das meinte ich oben: Du als Leser hast das alles doch scheinbar aus dem Text herausgelesen - warum fehlt da was?
Nein, ich hab das hinein spekuliert, wie gesagt, du als Autor müsstest das erkennbarer gestalten, dahingehend bist du in der Pflicht, das vorzubereiten und aufzubereiten; hier empfinde ich meine Punkte als so spekulativ, dass ich nicht das Gefühl habe, jemand zeigt mir eine Welt, die ich zurückliegend entdecken darf, sondern ich muss herumdenken und mir dann die eigentliche Geschichte im Kopf selbst zusammenbasteln. So sollte es nicht sein.

Ich wehre mich irgendwie dagegen, Texte in eine Art "Standardform" von Konflikten, Entwicklungen, Wende- und Höhepunkten zu bringen, vor allem, wenn die Kernaussage, die ich machen wollte, vom Leser offensichtlich erkannt wird.
Das habe ich auch nie verlangt, dass es in einer Standartform stattfinden soll. Du kannst aber nicht jeglichen Konflikt, jeglichen roten Faden aus einem Text schmeißen und erwarten, dass das sehr gut funktioniert! Die Kernaussage habe ich spekulativ zusammengeschustert im Rahmen eines Kommentars, als privater Leser wäre ich früh ausgestiegen im Text, nimm es mir nicht übel. Ich sag das nur als ehrliches Feedback. Mir diese Dinge selbst zu erdenken ist nicht meine Aufgabe als Leser, das muss schon in einer befriedigenden Dosis vom Text kommen. Klar, wenn ein Text richtig fett ist und ich mir danach noch Sachen und Theorien dazu denke, ist das doch geil. Aber der Text muss mir schon was liefern, eine Grundsubstanz, auf der ich aufbauen und weitermachen kann.

Viele Grüße
zigga

 

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