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Der Preis des Ruhmes

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08.06.2004
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Der Preis des Ruhmes

Für Marcel und die Gulyasbrüder

Dichte Nebelschwaden hingen über dem See. In der Nähe des schlammigen Ufers jagte ein Graureiher nach Fischen. Vorsichtig schlich der Vogel durch das Schilf, um seine Beute nicht zu warnen. Von Zeit zu Zeit blieb er stehen und stieß den Schnabel hinab ins Wasser. Das Plätschern hallte laut von den Felswänden wider, die den See von drei Seiten umgaben.
Jakob Jedlik stand etwas abseits am Waldrand und beobachtet teilnahmslos die Jagdbemühungen des Graureihers. Die Luft war kalt und feucht, und Jedlik fror in seinem dünnen Sommermantel. Stampfend ging er ein paar Schritte auf und ab.
"Wie lange sind sie schon da unten?", fragte Jedlik.
"Fast eine Stunde. Die ersten müssen bald ihre Flaschen wechseln", antwortete Oskar Fleischer, der auf einem umgekippten Baumstamm hockte und Pistazien aß.
Eine Zeit lang schwiegen die beiden. Ein Froschmann tauchte in der Mitte des Sees auf, sah sich kurz um und verschwand wieder in den dunklen Tiefen.
"Jakob, das gefällt mir nicht", sagte Fleischer schließlich, "gefällt mir überhaupt nicht." Er warf die Pistazienschalen ins Gebüsch und stand auf. "Das dauert alles viel zu lange."
"Der See ist tief. Und an einigen Stellen geht er weit in den Berg hinein", antwortete Jedlik.
"Hoffen wir's."
"Sie ist sich sicher, dass die Leiche hier ist."
Jedlik sah zum Streifenwagen hinüber. Die dicke, rothaarige Frau auf der Rückbank unterhielt sich mit einem der Streifenbeamten. Sie wirkte entspannt. Der Polizist sagte etwas und die dicke Frau lachte. Auf ihren Zähnen glänzte Lippenstift.
"Außerdem wusste sie von dem Muttermal", sagte Jedlik.
Wahrscheinlich hatte das den Ausschlag gegeben, dachte er. Das große, herzförmige Muttermal auf dem Rücken des Mädchens, das seit dreizehn Tagen verschwunden war.
"Und wenn sie doch nur eine Spinnerin ist?"
Jedlik dachte einen Augenblick über die Frage nach. Er wusste keine Antwort. Dann sah er den Taucher und dessen erhobener Daumen zerstreute alle Zweifel.
Als der bleiche, dünne Körper an Land getragen wurde, ging hinter den Tannen die Sonne auf. Der Horizont wurde heller und die ersten Strahlen brachen durch das Dickicht aus Zweigen und Stämmen. Schnell löste sich der Nebel auf.

Der Raum im siebten Stock des LKAs Hamburg war gerade groß genug für einen Konferenztisch und zehn Stühle. Neun der Plätze waren besetzt, als Jedlik und Fleischer den Raum betraten.
"Morgen zusammen. Ihr wurdet hoffentlich schon alle über die Neuigkeiten informiert?", begann Fleischer. Sein Blick wanderte kurz über die müden Gesichter. "Dann können wir ja anfangen."
Für einen Augenblick herrschte Stille in dem kleinen Raum.
"Jemand muss die Eltern benachrichtigen", sagte Jedlik schließlich. Er sprach leise, fast monoton.
Einige lange Sekunden verstrichen. Dann meldete sich am Ende des Tisches der Kollege, der diese Aufgabe meistens übernahm. Ein kurzes, dankbares Stimmengemurmel setzte ein.
"Gut. Wer hat mit der Gerichtsmedizin gesprochen?", fuhr Jedlik fort.
"Dr. Moradi weiß bereits Bescheid", antwortete eine junge Frau.
"Bis heute Mittag will ich seine erste Einschätzung, woran und vor allem wann das Mädchen gestorben ist. Sobald die Eltern da waren, soll er mit der Obduktion beginnen."
Die Frau nickte.
"Die Spurensicherung ist noch vor Ort", Jedlik nannte drei Namen aus der Runde, "Sie fahren bitte ebenfalls zum Fundort. Ich will wissen, wie das Mädchen dorthin gekommen ist, ob sie jemand gesehen hat. Fragen Sie in den umliegenden Dörfern nach, ob an dem See geangelt wird."
Jedlik wandte sich an den Kollegen am Tischende.
"Fragen Sie die Eltern bei der Gelegenheit gleich, ob Ihre Tochter Freunde oder Bekannte in der Gegend hatte." Er machte eine kurze Pause. "Um dreizehn Uhr geben wir eine Pressekonferenz. Wir gehen an die Öffentlichkeit, vielleicht ergibt sich ja etwas."
Jedlik setzte sich auf den freien Stuhl.
"Soweit alles klar?", fragte Fleischer. "Dann ran an die Arbeit. Wir haben lange genug auf diesen Moment gewartet."
Nach wenigen Sekunden waren Jedlik und Fleischer allein in dem kleinen Raum.
"Was hast du vor, Jakob?", fragte Fleischer.
"Ich fahre zu Frau Bohsen. Sie soll mir noch einmal erklären, woher sie wusste, wo wir das Mädchen finden würden."
"Du glaubst also nicht an ihre Gabe?"
"Ich weiß es nicht ..."
Jedlik starrte auf die glänzende Oberfläche des Konferenztisches.
"Ich dachte, die Bohsen sei raus aus dem Kreis der Verdächtigen?"
"Da hat auch noch keiner ernsthaft geglaubt, dass sie Recht haben könnte."
Jedlik stand auf.
"Viel Glück bei der Pressekonferenz. Und ruf mich an, wenn es etwas Neues gibt."

Als Jedlik auf den Ring 2 einbog, war der morgendliche Berufsverkehr immer noch nicht abgeebbt. Träge schob sich die Blechlawine auf der dreispurigen Straße Richtung Innenstadt und mit ihr viele müde, schlecht gelaunte Menschen, deren einziges Ventil die Hupe war.
Eine Zeit lang trieb Jedlik mit dem Strom der Büroangestellten und Verkäufer. Dann bog er ab und fuhr stadtauswärts.
Je länger die Fahrt dauerte, desto leerer wurden die Straßen. Die Bürogebäude wichen kleinen Reihenhäusern, dann kamen die Villen am nördlichen Stadtrand, später nur noch Felder und Wiesen, vereinzelt ein Bauernhof. Eine halbe Stunde später parkte Jedlik den Wagen in einer kleinen, sauberen Straße.

Eine dichte Hecke umschloss das Grundstück, nur zur Straße hin unterbrochen durch ein kleines Gartentor.
Daneben stand ein Mann in einem karierten Wollpullunder und schnitt überstehendes Gestrüpp ab. Die Heckenschere glänzte in der Sonne und der Mann ächzte vor Anstrengung. Dann ruckten die Schneideblätter zusammen und ein dicker Ast fiel zu Boden.
"Entschuldigen Sie", sagte Jedlik.
Der Mann im Pullunder fuhr erschrocken herum. Seine Oberlippe zitterte etwas, ein Schweißtropfen fiel herab.
"Ja? Was wollen Sie?"
"Ich möchte zu Frau Bohsen. Wissen Sie, ob sie zu Hause ist?"
"Haben Sie einen Termin?", fragte der Mann und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht.
"Nein, habe ich nicht."
"Tut mir Leid. Madame Bohsen empfängt heute keine Besucher. Kommen Sie morgen wieder."
"Ich denke, Sie wird für mich wohl eine Ausnahme machen", sagte Jedlik und holte seinen Polizeiausweis aus der Manteltasche.
"Ach, so ist das", sagte der Mann und seine Oberlippe begann wieder leicht zu zittern.

Der Garten jenseits der hohen Hecke wirkte sehr gepflegt. Es roch nach frisch gemähter Wiese, eine alte Frau pflanzte Stiefmütterchen. Ein Kiesweg führte zu dem einstöckigen Haus mit dem Spitzdach.
Jedlik folgte dem Mann durch die offene Haustür ins kühle Halbdunkel.
"Erwin, ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich nicht gestört werden möchte. Ist das denn so schwer ..."
Frau Bohsen trat in den Flur. Sie trug mehrere farbige Gewänder, durch die ihr Körper noch voluminöser wirkte. Als sie Jedlik erkannte, verformten sich die wulstigen Lippen zu einem Lächeln.
"Herr Kommissar! Schön, Sie zu sehen."
"Guten Tag, Frau Bohsen. Ich hoffe, ich komme nicht ungelegen."
"Papperlapapp, für Sie habe ich doch immer Zeit. Kommen Sie, kommen Sie."
Das Wohnzimmer glich einer Höhle. Die überfüllten Bücherregale reichten bis unter die Decke und die schweren Vorhänge vor der Fensterfront nahmen die Sicht nach draußen. Für einen Moment fühlte Jedlik sich eingeschlossen, gefangen. Er atmete tief durch und setzte sich auf ein kleines Sofa, nachdem Frau Bohsen ihm gegenüber Platz genommen hatte. Auf dem niedrigen Tisch zwischen ihnen stand ein Kaffeeservice und eine Schale mit Keksen.
"Sie erwarten Besuch?", fragte Jedlik.
"Ach das, ja, später kommen ein paar Leute von der Zeitung."
"Ihr Gärtner sagte mir schon, dass Sie heute viele Termine haben."
"Mein Gärtner?", Frau Bohsen sah ihn überrascht an. "Ach, Sie meinen Erwin. Nein, er ist nicht mein Gärtner. Eher ein Freund, der mir ein wenig hilft."
"Wie die alte Frau, die die Blumen einpflanzt?"
"Richtig. Aber erzählen Sie, Herr Kommissar, was führt Sie zu mir? Haben Sie den Mörder bereits gefasst?"
Sie lehnte sich nach vorne und der Sessel protestierte quietschend.
"Nein, noch nicht. Frau Bohsen, ich möchte noch einmal über Ihre Vision sprechen. Was haben Sie genau gesehen?"
"Habe ich Ihnen das nicht schon häufig genug erzählt? Aber Sie haben mir nie wirklich zugehört." Tadelnd hob sie den Finger. "Weil Sie mir nicht geglaubt haben, richtig? Na gut." Sie schloss die Augen. "Zuerst sah ich nur den Körper. Den blassen, toten Körper und die blauen Plastiksäcke, die ihn auf dem Grund hielten."
"Wie lag die Leiche?"
"Wie sie lag? Auf dem Rücken. Ja, ihre toten Augen schauten gen Himmel. Ich entfernte mich von dem Mädchen, tauchte langsam auf. Sie wurde immer kleiner bis die Dunkelheit sie verschluckte. Ich durchbrach die Wasseroberfläche und sah, wie sich der Mond auf dem See spiegelte. Immer höher flog ich, über die Spitzen der Tannen, bis ich in der Ferne die Lichter erblickte: links von mir die zwei kleinen und rechts das große, das den ganzen Nachthimmel erleuchtete." Sie öffnete die Augen. "Aber das habe ich Ihnen alles schon erzählt."
"Ja, das stimmt. Wir Polizisten müssen immer zweimal fragen."
Jedlik versuchte zu lächeln. Ihre Aussage hatte sich nicht verändert.
"Das macht doch nichts, ich freue mich über Ihren Besuch. Aber bitte entschuldigen Sie, ich bin eine schlechte Gastgeberin. Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?"
"Nein, vielen Dank. Ich muss auch weiter."
Jedlik erhob sich aus dem tiefen Polster. Es gab für ihn hier nichts mehr zu tun.
"Schade, Herr Kommissar, dann also bis zum nächsten Mal."
"Ja, bis zum nächsten Mal."

"Und das war alles?", fragte Fleischer, nachdem Jedlik seinen Bericht beendet hatte.
Jedlik nickte und Fleischer widmete sich wieder seinem Kotelett mit Pommes. Das Essen in der Kantine des LKAs war nicht gut, aber Fleischer immer hungrig.
"Eine dreiviertel Stunde hin, eine dreiviertel Stunde zurück. Jakob, manchmal verstehe ich dich nicht", sagte er, ohne aufzuschauen.
"Hat sich Dr. Moradi gemeldet?"
"Ja. Das Mädchen ist innerhalb der letzten achtundvierzig Stunden gestorben. Genaueres erst nach der Obduktion."
"Achtundvierzig Stunden erst?", Jedlik nippte an seinem Kaffee. "Todesursache?"
"Wahrscheinlich die Folgen einer schweren Schädelfraktur. Stumpfer Gegenstand, von vorne gegen die Stirn, mehrmals." Fleischer klopfte sich mit dem Teelöffel gegen die besagte Stelle. "Sicher ist sich Moradi aber nicht. Sie hat ziemlich üble Hämatome am Hals, könnte auch erwürgt worden sein."
Jedlik dachte eine Weile nach.
"Der Täter hat versucht, sie zu erwürgen, es aber nicht geschafft. Vielleicht hat sie sich gewehrt, vielleicht konnte er es auch einfach nicht. Es ist nicht leicht einen Menschen zu erwürgen, ihm in die Augen zu sehen, während er stirbt. Dann ist er wütend geworden, hat sich den erstbesten Gegenstand geschnappt, eine Taschenlampe oder einen Schraubenschlüssel, und auf sie eingeschlagen. Immer wieder, bis sie sich nicht mehr bewegt hat. Sie wurde nicht vergewaltigt, oder?"
"Nein", antwortete Fleischer kauend.
"Das war kein Unfall, keine Tat aus dem Affekt heraus. Das Mädchen sollte sterben. Es hilft nichts, wir müssen das Umfeld des Mädchens noch einmal unter die Lupe nehmen. Freunde, Verwandte, Bekannte, alle die ein Motiv haben könnten. Wie lief eigentlich die Pressekonferenz?"
"Nicht besonders. Die Geier haben sich geradezu auf die Story gestürzt. Wir werden morgen wohl auf allen Titelseiten stehen."
"Das habe ich befürchtet. Frau Bohsen gibt auch schon die ersten Interviews."
"Gut, dass du es erwähnst", Fleischer schob einen weißen Schnellhefter über den Tisch. "Wir haben schon einmal mit ihr zusammengearbeitet. Also, nicht wir direkt, sondern die Kollegen aus Kiel. Ist acht Jahre her, ging damals um eine Entführung. Die Kollegen sind nur so klug gewesen, Frau Bohsens Bedeutung bei der Lösung des Falls runterzuspielen, so dass sie in der Presse kaum zu Wort gekommen ist. Deshalb wussten wir bislang auch nichts davon, die Bohsen wird in den Berichten kaum erwähnt, nur in einem Artikel der Lokalzeitung."
"Ich schau mir das gleich mal an. Wir reden später weiter."

Die Parallelen waren offensichtlich. Ein junges Mädchen verschwindet. Die besorgten Eltern suchen nach ihr, rufen Freunde und Bekannte an. Nach einer schlaflosen Nacht gehen sie zur Polizei. Fotos werden an Streifenwagen verteilt, Waldstücke durchkämmt und die Bevölkerung um Mithilfe gebeten. Nichts passiert. Die Tage verstreichen und die Hoffung der Eltern schwindet, wird ersetzt durch Verzweifelung und dem unstillbaren Verlangen nach Gewissheit. Eine selbsternannte Hellseherin nimmt Kontakt zu ihnen auf, behauptet, sie wisse, wo ihre Tochter sei. Die Polizei ist misstrauisch, lehnt eine Zusammenarbeit zunächst ab, lässt die Frau sogar verhören. Doch die Eltern greifen auch nach diesem Strohhalm. Man fährt gemeinsam zu dem Ort, den die Hellseherin beschreibt, eine stillgelegte Fertigungshalle im Industriegebiet.
Jedlik blätterte langsam durch den Bericht. Die beiden Fälle glichen sich bis ins Detail. Der einzige Unterschied bestand darin, dass das Mädchen in Lübeck lebendig gefunden worden war. Der Fall war nie wirklich abgeschlossen worden, irgendwann hatten sich die Ermittlungen nur noch im Kreis gedreht.
Die letzte Seite des Schnellhefters war ein vergilbter Zeitungsausschnitt. Jemand hatte ihn mit penibler Genauigkeit auf ein Stück Pappe geklebt und eingeheftet. Jedliks Augen wanderten über die Überschrift und die ersten Zeilen. Als sie das Foto erreichten, übersprang sein Herz einen Schlag. Das Bild zeigte drei Menschen. Vater und Mutter, ihre Arme schützend um die Tochter gelegt. Alle wirkten sehr erschöpft, in den Gesichtern der Eltern spiegelt sich Erleichterung, das Mädchen starrte ins Leere. Jedlik erkannte den Mann auf dem Foto nicht, doch er erkannte das nervöse Lächeln und die Lippen, die selbst in dieser leblosen Momentaufnahme leicht zu zittern schienen.

"Das hier ist Erwin Baumann." Jedlik zeigte auf den Zeitungsausschnitt. "Ich will, dass er ab sofort überwacht wird. Das hat höchste Priorität. Ich glaube, er ist unser Mann."
Fleischer saß hinter seinem Schreibtisch und sah Jedlik fragend an.
"Und ruf bei der Staatsanwaltschaft an. Ich brauche zwei Haftbefehle. Einen für diesen Baumann und einen für Frau Bohsen", fuhr Jedlik fort.
"Was ist denn los, Jakob? Wovon sprichst du?"
"Die beiden Fälle gleichen sich bis ins kleinste Detail. Das kann kein Zufall sein. Außerdem ist dieser Baumann nicht nur der Vater des entführten Mädchens aus Kiel, nein, er schneidet außerdem seit acht Jahren die Hecke bei Frau Bohsen. Oskar, das stinkt alles ganz gewaltig."
"Es gibt schon gewisse Parallelen, aber vielleicht hat die Bohsen nur solche Visionen."
"Du meinst, sie hat sich auf verschwundene Mädchen spezialisiert? Geh nur für einen Augenblick davon aus, dass sie keine Hellseherin ist, dass sie keine Visionen hat. Nur für einen Augenblick. Und dann sag mir, woher sie wissen konnte, wo die Mädchen sind." Jedlik hörte das Blut in seinen Ohren rauschen. "Und wo wir gerade dabei sind, erkläre mir doch bitte, wie sie das Muttermal sehen konnte, wenn die Leiche auf dem Rücken lag. Sie hat mir ihre Vision etliche Male beschrieben, immer lag das Mädchen auf dem Rücken."
"Du meinst ..."
"Die Bohsen kann nicht die Mörderin sein, wir sind das oft genug durchgegangen. Er war es", Jedliks Finger presste sich wieder auf den Zeitungsausschnitt, "er hat das Mädchen für sie getötet."

Die untergehende Sonne warf lange Schatten, als Jedlik zum zweiten Mal an diesem Tag in der kleinen sauberen Straße parkte. Der Streifenwagen hielt direkt hinter ihm. Jedlik sprach kurz mit den beiden Polizeibeamten, bevor er den Garten betrat.
Sie wartete bereits auf ihn, stand lächelnd in der Haustür.
"Herr Kommissar, irgendwoher wusste ich, dass Sie noch einmal vorbeikommen würden. Allerdings habe ich nicht so früh damit gerechnet."
"Sie hatten also wieder eine Vision?", fragte Jedlik und jetzt lächelte er ebenfalls. Kein Katz-und-Maus-Spiel, dachte er. Sie wussten beide, worum es ging.
"Nennen wir es weibliche Intuition."
Wieder saßen sie im Wohnzimmer zwischen den hohen Bücherregalen und den schweren Vorhängen. Eine kleine Stehlampe erhellte einen Teil des Zimmers, der Rest blieb in der Dunkelheit verborgen. Frau Bohsens Sessel stand am Rande des Lichtkegels, so dass Jedlik ihre Gesichtszüge nur erahnen konnte.
"Warum das alles?", fragte er.
"Ist das wirklich wichtig?"
"Es ist das Einzige, was ich noch nicht verstehe."
"Ansehen, Macht, Ruhm. Nennen Sie es, wie Sie wollen. Aber beantworten Sie mir bitte auch eine Frage."
Jedlik nickte.
"Wie sind Sie mir auf die Schliche gekommen?"
"Das Muttermal. Sie konnten es nicht gesehen haben."
"Das ist alles? Eine reichlich dünne Beweisführung, Herr Kommissar." Ihre Stimme klang fast beleidigt. "Na ja, was soll's?" Sie zuckte mit den Schultern. "Wollen Sie mir denn gar nicht sagen, dass ich verrückt bin?"
"Darüber haben andere zu entscheiden."
"Sie glauben immer noch, dass Sie mich wirklich kriegen? Jetzt enttäuschen Sie mich aber."
"Meine Kollegen sind bereits bei Herrn Baumann. Früher oder später wird er reden. Und dann werden Sie vor Gericht gestellt."
"Rufen Sie ihn an, Ihren Kollegen. Na los, machen Sie schon."
Jedlik zögerte einen Moment, dann zog er das Handy aus der Tasche und wählte Fleischers Nummer. Bereits nach dem ersten Tuten meldete sich dieser.
"Jakob, wir sind zu spät gekommen. Er hat sich ...", Fleischers Stimme stockte kurz. "Er hat sich in den Mund geschossen. Mit einer Schrotflinte. Die Haustür war offen, deshalb bin ich einfach rein gegangen. In der Küche lag er dann. Ich wollte dich gerade anrufen ..."
Jedlik legte auf. Eine Zeit lang starrte er auf das dunkle Display. Als er den Kopf hob, sah er das breite Grinsen in der Dunkelheit.
"Womit haben Sie ihn erpresst?"
"Ich habe ihn nicht erpresst, er hat alles aus freien Stücken getan."
"Er hat wirklich an Sie geglaubt, stimmt's? An die Visionen und den ganzen Hokuspokus."
"Ich habe schließlich seine Tochter gerettet."
"Das Leben seiner Tochter für das einer anderen."
Jedlik stand auf. Es gab für ihn hier nichts mehr zu tun. Lange saß er noch in seinem Wagen, hörte Chopin und überlegte, was der unbekannte Entführer aus Kiel Frau Bohsen wohl geschuldet hatte und wie lange sich diese Spirale schon drehte.
Irgendwann kamen die Polizeibeamten zurück. Frau Bohsen lächelte auf dem Weg zum Streifenwagen.

 

Hallo Don Jorgo,

bei dem Titel erwartete ich eine schlecht überarbeitete fehlerhafte Lektüre. Das war mein Fehler, denn der der Genitiv von Ruhm kann sowohl Ruhmes als auch Ruhms sein. Ich muss allerdings sagen, dass ich die Version ohne e irgendwie runder finde.

Ansonsten war ich sehr angenehm überrascht, wie gut du diese Geschichte Korrektur gelesen hast. Da habe ich richtig aufgeatmet, eine Geschichte, die ich einmal nur lesen brauchte, um mich zu unterhalten.

Du baust die Spannung geschickt auf, die Atmosphäre finde ich prima und die Geschichte gefällt mir außerordentlich gut, auch wenn es natürlich ein Plot ist, wie man ihn sicher in diversen Krimiserien mit unterschiedlichen Kommissaren immer mal wieder serviert bekommen kann. Aber gerade beim Krimi ist es ja auch wirklich schwer noch innovative Plots zu haben. Insofern hat mich das auch nicht gestört.
Lediglich die Lösung war etwas zu früh klar. Da wäre eine Überraschung am Schluss schön gewesen.
Zwei Fehler sind mir dann doch noch aufgefallen:

Der kleine Mann hinter Jedlik hieß Oskar Fischer. Sein Blick wanderte über die Wasseroberfläche, während er mit schnellen Bewegungen einige Pistazien aufbrach.
"Jakob, das gefällt mir nicht", sagte Fleischer, "gefällt mir überhaupt nicht." Er schnippte die Schalen ins Gebüsch.
Heißt er nun Schlachter oder Angler? ;)
Und wo wir gerade dabei sind, erkläre mich doch bitte, wie sie das Muttermal sehen konnte, wenn die Leiche auf dem Rücken lag
auch wenn es wörtliche Rede ist, würde ich "erkläre mir doch bitte" vorziehen.

Lieben Gruß, sim

 

Moin Sim!

Über den Titel habe ich auch eine Zeit lang nachgedacht. Schließlich habe ich mich für " des Ruhmes" entscheiden, weil ich es vom Klang her einfach schöner fand. Allerdings hast du Recht, die Variante ohne "e" ist geläufiger. Vielleicht lasse ich es wirklich noch ändern.

Ansonsten war ich sehr angenehm überrascht, wie gut du diese Geschichte Korrektur gelesen hast.
Das freut mich. Ich versuche natürlich möglichst fehlerfreie Geschichten zu posten (sieht einfach besser aus), aber alle Fehler erwischt man eigentlich nie, wie deine beiden Beispielen ja auch anschaulich demonstrieren.
Ich habe allerdings auch verhältnismäßig lange an dieser Geschichte gearbeitet und dadurch manche Abschnitte wirklich dutzende Male durchgelesen. Außerdem ist Tamira auch noch ein, zwei Mal rüber gegangen.

Die Plots bei Krimis sind immer so eine Sache. Die Grenzen sind, zumindest bei der klassischen Variante, ziemlich eng bemessen: es gibt eine Leiche, einen Mörder, ein Motiv und einen Kommissar. Vereinfacht dargestellt lassen sich die meisten Krimis auf diese Eckpunkte reduzieren.
Vor allem hat mich an dieser Geschichte jedoch die Rolle der Hellseherin und die Art und Weise, wie sie die Fälle initiniert, gereizt.
Schade, dass die Lösung für dich schon so früh klar war. Es ist wirklich schwer, den Mittelweg zu finden. Ich hatte beim Schreiben immer die Sorge, dass zu viel von der Auflösung im Dunkeln bleiben könnte.

Danke auf jeden Fall für deinen Kommentar. Es freut mich wirklich, dass dir die Geschichte gefallen hat, auch weil ich ziemlich viel Energie in sie gesteckt habe.

Jorgo

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Don Jorgo,

prima Geschichte :thumbsup: . Hat mir sehr gefallen. Ich habe den Eindruck, dass da nicht zuviel und nicht zuwenig Information dasteht, um sie zu verstehen. Man kann gar nicht anders, als weiterzulesen: Ich musste einfach wissen, wie es weitergeht. Die Auflösung kommt m.E. ein klitzekleines bisschen zu schnell (ich hätte auch weitergelesen, wäre sie erst zwei Seiten später aufgetaucht!), aber wir sind ja bei Kurz-Geschichten.de :)

LG
Isha

 

Moin Isha!

Diese zu schnell erzählten Enden sind gewissermaßen eine schlechte Angewohnheit von mir. Ich weiß ehrlich gesagt auch nicht, woran es liegt, aber sobald sich eine Geschichte dem Ende nähert, neige ich dazu, dass Erzähltempo drastisch zu erhöhen. Ich arbeite auf jeden Fall daran.

Umso mehr freut es mich natürlich, dass meine Geschichte dich so gefesselt hat.
Ich danke dir, Isha, fürs Lesen und natürlich auch fürs Gutfinden.

Jorgo

 

Hi Don Jorgo,

woran arbeitest Du? Am Erzähltempo allgemein oder speziell jetzt auch bei dieser Geschichte? :) Sagen wir es so: der Erzählstil passt sich der Geschichte an - wenn es aufregend wird, wird die Geschichte "schneller". Aber Du baust mehr Spannung auf, wenn Du das Ende gerade dann etwas hinauszögerst und stattdessen den Leser zu schnellerem Herzschlag anregst :). Jedenfalls würde ich mich freuen, nochmal eine spannende Geschichte von Dir zu lesen.

LG
Isha

 

Moin Isha!

Am Erzähltempo allgemein oder speziell jetzt auch bei dieser Geschichte?
Sowohl als auch. Ich habe bei dieser Geschichte einfach versucht, nicht wieder den selben Fehler zu begehen, nämlich erst eine spannende Atmosphäre aufzubauen und dann alles zu schnell wieder einzureißen. Anscheinend ist mir das dieses Mal besser gelungen, auch wenn ich natürlich immer noch etwas in alte Schreibmuster zurückfalle.
Aber Du baust mehr Spannung auf, wenn Du das Ende gerade dann etwas hinauszögerst und stattdessen den Leser zu schnellerem Herzschlag anregst.
Genau das ist der Punkt, bei dem mir manchmal noch etwas die Ruhe fehlt, um die aufgebaute Spannung voll auszunutzen.

J

 

So Jorgo, endlich nehm ich mir mal die Zeit für deine Geschichte hier.

Jedlik in der kleinen, sauberen Straße.
Die Straße ist noch nicht bestimmt: in einer kleinen

Ich entfernte ich mich von dem Mädchen,
das zweite "ich" streichen

Es ist nicht leicht einen Menschen zu erwürgen, ihm in die Augen zu sehen,
"zu erwürgen und ihm dabei in die Augen" fänd ich besser

Jedlik erkannte den Mann auf dem Foto nicht, doch er erkannte das nervöse Lächeln und die Lippen, die selbst in dieser leblosen Momentaufnahme leicht zu zittern schienen.
sehr cool, dieser Moment des Verstehens in einem drin...

Also, von der erste Scene an, hat es mir schonmal sehr gut gefallen. Was du da schon für eine typische Krimi-stimmung erzeugst. Echt super. Und du schaffst es, diese Stimmung konsequent bis zum Ende durchzuhalten.
Ich denke, dieser Krimi ist dir hervoragend gelungen. Hat viel Spaß gemacht zu lesen.

Ike

 

Moin Ike!

Ich denke, dieser Krimi ist dir hervoragend gelungen. Hat viel Spaß gemacht zu lesen.
Danke, das geht wirklich runter wie Öl. Es zahlt sich also doch aus, wenn man sich noch intensiver mit der Geschichte auseinander setzt und noch etwas mehr Zeit in die Überarbeitung steckt.
Auch wenn von der Qualität her nach oben immer noch Platz ist, freue ich mich wirklich unheimlich, dass dir die Geschichte so gut gefallen hat.

Ach ja, über deine Textanmerkungen denke ich natürlich noch nach. Ich ruhe mich erst einmal auf meinen Lorbeeren aus.
Danke auf jeden Fall!

Jorgo

 

Hi Don Jorgo,

eine prima Geschichte. Es hat mich zwar nicht enttäuscht sie gelesen zu haben, doch bleiben für mich noch ein paar Dinge zu sehr im Dunkeln.

Am Wichtigsten finde ich hierbei einen der logischen Aspekte: Wieso kann Frau Bohsen es nicht selbst gewesen sein? Jadlik und Fischer unterhalten sich ziemlich am Ende darüber und ich finde es ein bisschen dünn, dass sie es nur deshalb nicht gewesen sein könne, weil die beiden diese Möglichkeit schon oft genug durchgegangen seien.
Nur mal ein Gedankenspiel: Bohsen möchte als Seherin anerkannt sein, entführt deshalb die Kinder und setzt sich mit den Eltern in Verbindung.
Nachdem nun Baumanns Tochter wieder aufgetaucht ist, sind die Eltern so dankbar, dass sie (nachdem die Tochter aus dem Haus ist) zu Frau Bohsen ziehen. Dazu müssen sie aber doch keineswegs wissen, dass die Entführung getürkt war, oder gar selbst so etwas tun.
Du löst es in deiner Geschichte anders auf, das oben Beschriebene, sollte nur ein Fingerzeig sein, dass man die Bohsen doch nicht vollkommen ausschließen kann.

Du bist einen anderen Weg gegangen, der mir recht gut gefallen hat. Die Lösung mit dem Muttermal finde ich an und für sich ebenfalls sehr gut, doch muss ich auch hier wieder ein wenig einschreiten, denn die Überführung anhand dessen, dass sie das Muttermal nicht sehen kann, ist ebenfalls ein wenig dünn. Sie gibt sich als Seherin aus; Hand in Hand mit dieser "Übernatürlichkeit" kann einfach auch Wissen einhergehen. Vielleicht muss sie also das Muttermal nicht gesehen haben, um zu wissen, dass es da ist.

Dies sind allerdings nur nebensächliche Gedanken, die mir bei der Geschichte in den Sinn kamen, und die ich dir nicht vorenthalten möchte. (Und die du vor allem nicht zwanghaft umsetzen musst! Vielleicht akzeptierst du sie einfach als Anregung.)

Den Stil fand ich sehr ansprechend. Vor allem den Anfang, der durch die kurzen (und zum Teil abgehackt wirkenden) Sätze ständig das Lesetempo drosselte und den Leser zum tieferen Eintauchen zwang. :)

Hier noch ein paar kleinere Anmerkungen zum Text:


Das Plätschern hallte laut von den Felswänden wieder
Der "Widerhall"; ergo beim wieder das e streichen.
Sie wirkte entspannt. Der Polizist sagte etwas und sie lachte. Auf ihren Zähnen glänzte Lippenstift.
:thumbsup:
Schnell löste sich der Nebel auf.
Der Satz gefällt mir persönlich gar nicht gut. Da er eh am Ende des Abschnittes steht, könntest du hier in meinen Augen ruhig tiefgründiger werden. Z.B.: "... Zweigen und Stämmen. Der Nebel verflog."
Wer also in nächster Zeit Urlaub eingereicht hat
Sinngemäß nicht korrekt, da das Einreichen ja die Handlung ist, die erst zum Urlaub führt; also entweder "für die nächste Zeit" oder "in nächster Zeit Urlaub eingeplant".
"Soweit alles klar?", fragte Fleischer.
"Na gut, dann ran an die Arbeit. Wir haben lange genug auf diesen Moment gewartet."
Hier würde ich einen eingeschobenen Satz noch bevorzugen, wie "... fragte Fleischer. Zustimmendes Nicken und Gemurmel." o.ä.
und mit ihr viele müde, schlechtgelaunte Menschen
schlecht gelaunte
Der CD-Player spielte Chopin und die massive Karosse des Mercedes tat ihr Übriges, um den Verkehrslärm in den Hintergrund zu verbannen.
Rein persönlicher Geschmack, aber ich würde das "um" hier streichen.
Die Bürogebäude wichen kleinen Reihenhäusern, dann die Villen am nördlichen Stadtrand; später nur noch Felder und Wiesen, vereinzelnd ein Bauernhof
vereinzelt; da ich dieses Wort aber nicht sehr schön finde, würde ich hier ein "ab und zu ein Bauernhof" o.ä. vorschlagen.
"Nein", antwortete Fleischer kauend.
Vielleicht "... zwischen zwei Bissen"?
Die Tage verstreichen und die Hoffung der Eltern schwindet, wird ersetzt durch Verzweifelung und dem unstillbaren Verlangen nach Gewissheit
Passt nicht zusammen. Entweder wird die Hoffnung "von" den beiden Dingen ersetzt oder "durch (...) das unstillbare Verlangen".
Doch die Eltern greifen auch nach diesem Strohalm
Strohhalm
Der Fall war nie wirklich abgeschlossen worden, irgendwann hatten sich die Ermittlungen nur noch im Kreis gedreht.
Zwei eigenständige Sätze. Entweder Semikolon oder Punkt.
Ich brauch zwei Haftbefehle.
Trotz Umgangssprache ruhig ein "brauche". Jedlik wirkt ziemlich kultiviert. ;)
"Er hat wirklich an Sie geglaubt, stimmst?
stimmt's

Also: Die Geschichte hat mir wirklich gut gefallen.
Dieser Krimi ist sehr gut gelungen!

Gruß, Zensur

 

Moin Zensur!

Ja, du hast Recht. Theoretisch hätte auch Frau Bohsen das Mädchen töten können. Sie braucht dann natürlich ein sehr gutes Alibi und geht trotzdem ein verdammt hohes Risiko ein. Schließlich muss sie damit rechnen, dass sie erst einmal als Hauptverdächtige behandelt wird, wenn sie behauptet, zu wissen, wo die Leiche ist.
Problematisch wird es nur mit der Entführung in Kiel. Gut, die Entführung verliert natürlich an Bedeutung, wenn Frau Bohsen selbst die Täterin ist. Schließlich benötigt sie keinen Handlanger mehr. Allerdings hatte ich die Vorstellung, dass sich diese Spirale schon längere Zeit dreht; Frau Bohsen initiiert etwas, tritt dann als Hellseherin auf und gewinnt durch ihr Wissen das Vertrauen oder die Kontrolle über die Menschen. Das Ganze hat im Kleinen angefangen und endete jetzt in Entführung und Mord.
Natürlich ist dieser Gedanke nur ansatzweise in der Geschichte verarbeitet, sonst könnte man einen Roman darüber schreiben.
Diese Kontinuität der Fälle führt jedoch dazu, dass Frau Bohsen nicht selbst die Taten begehen kann. Wenn erst einmal gegen sie ermittelt wird, kann sie nie mehr als Hellseherin bei der Polizei auftreten. Das Misstrauen wäre wohl zu groß. Oder die Polizei komplett unfähig

Ich habe jetzt ziemlich weit ausgeholt, einfach um ein bisschen die Hintergedanken zu beleuchten. Deine Idee, Zensur, wäre genauso machbar und ich finde sie nicht weniger reizvoll (speziell die penible Planung der Taten, die unter diesen Bedingungen notwendig wäre). Allerdings wäre es eine gänzlich andere Geschichte.
Ich habe einfach vorausgesetzt, dass die Polizei Frau Bohsen komplett durchleuchtet hat, nachdem sie Kontakt zu den Eltern aufgenommen hat. Also alles schon vor dem Anfang der Geschichte passiert ist.

Ebenfalls Recht gebe ich dir bei der Auflösung. Es ist mehr ein Indiz als ein Beweis. Jedlik glaubt Frau Bohsen von Anfang an nicht, doch er kann nichts beweisen, gerade weil sie ja nicht die Täterin ist. Erst durch den Zeitungsausschnitt findet er das fehlende Puzzelstück: den Menschen, der bereit wäre für Frau Bohsen einen Mord zu begehen.

Ich muss zugeben, dass ich lange an der Geschichte und vor allem an der Auflösung rumgebastelt habe. Anscheinend funktioniert sie, wenn auch mit ein paar Ecken und Kanten.

Vielen Dank für deine zahlreichen Textanmerkungen. Die meisten habe ich einfach übernommen, über den Rest denke ich noch nach. Ich tue mir mit Formulierungsänderungen immer ziemlich schwer, wenn ich noch zu nah am Text bin. Nach ein paar Tagen Abstand sehe ich meistens klarer.

Danke Zensur, ich freue mich wirklich über deine Kritik und natürlich auch darüber, dass dir meine Geschichte gefallen hat.

Jorgo

 

Hi Donnie.


Der Anfang liest sich nun um einiges besser. Du schaffst eine Atmosphäre, so leicht aus dem Hemdsärmel, wie es teilweise scheint, dass ich versucht bin, ein wenig neidisch zu werden. Die Hoffnungslosigkeit der Situation, in der sich Jedlik als Kommissar befindet, spiegelt sich auch in der Landschaft wider. In den Nebelschwaden, der Jagd des Reihers. Auch der letzte Satz des ersten Absatzes liest sich wie eine Metapher, der Fund der Leiche - das Lichten des Nebels.
Das weiß wirklich zu gefallen!

Aber erstmal das Kleingedruckte (obwohl ich bezweifle, noch viel zu finden):

"Die Spurensicherung ist noch vor Ort", Jedlik nannte drei Namen aus der Runde, "Sie fahren bitte ebenfalls zum Fundort.
Hier hat mich die indirekte Rede etwas aus dem Lesefluss gebracht. Ich fände die tatsächliche Erwähnung der Namen besser, glaube jedoch auch, dass dies nur Geschmacksache ist.

Du glaubst also nicht an Visionen? An ihre Gabe?
Das klingt ein wenig nach Effekthascherei. Du glaubst also nicht an ihre Gabe?, täte genügen. :)

Kein Katz-und-Maus-Spiel, sie wussten beide, worum es ging.
:D


Auch nach wiederholtem Lesen stellt sich bei mir der Gedanke ein, oder eher ein Gefühl, dass du ein Händchen für Krimis hast. Das fiel mir nämlich auch schon bei »Lebensaufgabe« und ... *nachguck* der »Erlösung« auf. Ob es an einem Faible von dir liegt oder nicht, ist einerlei, auf jeden Fall funktioniert es.


Wie dem auch sei: Hat mir großen Spaß gemacht.


Tamira

Noch ein paar Dinge:

Jedlik erkannte den Mann auf dem Foto nicht, doch er erkannte das nervöse Lächeln und die Lippen, die selbst in dieser leblosen Momentaufnahme leicht zu zittern schienen.
Gefällt mir sehr gut

Eine dichte Hecke umschloss das Grundstück, zur Straße hin unterbrochen durch ein Gartentor. Ein Mann stand daneben, sein karierter Pullunder passte nicht zu der Heckenschere in seinen Händen.
Auch das hier gefällt mir. Ich kann mir diesen Mann tatsächlich sehr gut vorstellen.

 

Moin Tam!

Ich habe auch schon überlegt, ob mir Krimis mehr liegen. Im Endeffekt schreibe ich eigentlich einfach die Plots, die mir so einfallen. Allerdings habe ich mich in der Vergangenheit öfter dabei ertappt, dass ich eine Geschichte unbedingt in die mystische, übernatürliche Ecke hin entwickeln wollte. Das hat manchen Geschichten nicht unbedingt gut getan. Die von dir angesprochene "Lebensaufgabe" geht so ein bisschen in die Richtung; der Plot wirkt einfach nicht homogen, nicht aus einem Guss.

Bei dieser Geschichte war es anders. Mir war von Anfang an klar, dass es ein reinrassiger Krimi werden würde. So konnte ich mich mehr auf den Aufbau und die Atmosphäre konzentrieren. Mir gefällt das Ergebnis und das es dir gefällt, freut mich umso mehr.
Dein Anflug von Neid ehrt mich sehr. So ganz aus dem Hemdsärmel geschüttelt ist der Anfang aber wirklich nicht; mehr eine Kombination aus unzähligen Überarbeitungen (auch mit deiner Hilfe), einer WDR-Dokumentation über Haubentaucher in Nordamerika und einer ganzen Menge Glück, das Bild so beschrieben zu haben, dass der Leser etwas Ähnliches wie ich sieht.

Kein Katz-und-Maus-Spiel, sie wussten beide, worum es ging.
:D
Ja, nennen wir es Kunstgriff, ok? Und behaupte jetzt nicht, dass ich deine Kritikpunkte nicht Ernst nehmen würde.
Die Effekthascherei ist weg, die indirekte Rede bleibt. Es werden sonst meiner Meinung nach zu viele Namen für eine Kurzgeschichte.

Tam, danke für deine Hilfe und dein Lob.

J

 

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