Hallo @linktofink,
danke für dein Interesse an meiner Geschichte.
ich hab gelesen, dass du überarbeitest und will dir nicht dazwischen grätschen. Vielleicht nur eine Sache: Wäre dein Prota ambivalent angelegt und nicht eindimensional, würden sich mir viele Fragen nicht aufdrängen, die mich leider von den Figuren distanzieren.
Ambivalenz war mein großes Ziel der Überarbeitung. Du hattest die bearbeitete Fassung gelesen! Klasse! Entweder sind die Bilder unterbelichtet oder überbelichtet. Ein Extrem jagt das andere.
Lass ihn auch liebenswerte Seiten haben, aufmerksam und zärtlich sein, dann könnte ich die Liebe der Frau und somit die Tragik der Beziehung nachvollziehen.
Guter Einwurf! hell hat diese Punkte auch benannt. Und ich hoffe nun, dass die männlich Figur vielschichtiger wahrgenommen wird.
Dr. Jekyll und Mr. Hyde, sie weiß nie, mit wem sie gerade redet, muss sich in jeder Situation seiner erst versichern
So mein Bestreben, gleich von Anfang an. Scheint nicht gelungen. Ist aber auch schwer, hauptsächlich durch Dialoge die Kehrtwende in den Emotionen zu zeigen. Ich übe weiter.
Natürlich wäre es hilfreich, wenn er nicht nur Kaffeetassen schleudern würde, sondern in seinem pathologischen Zustand auch Hand an sie legen würde – und sie nachher dafür aufrichtig um Verzeihung bittet. Das würde die latente Bedrohung, in der sie mit ihm lebt, diesen unerträglichen Schwebezustand, den Tanz auf der Rasierklinge aufzeigen.
Hilfreich, aha! Gerade darauf lege ich Wert: keine Handgreiflichkeiten: Weil verbale Gewalt so schwer zu definieren und zu packen ist, ist das so ein spannendes Thema. Die Grauzone größer. Ein blaues Auge kann man sehen.
Ich denke da an Borderline-Betty Blue, die sich ein Auge rausreißt, als sie erfährt, dass sie nicht schwanger ist.
Du kannst Filme kennen! Heftig!
Ist es nicht furchtbar, wenn jederzeit alles passieren kann und der geliebte Mensch immer wieder entgleist? Und selbst die Ohnmacht zu fühlen, es nicht verhindern zu können?
Richtig! Zu solchen Situationen kann es aber auch kommen, wenn keine körperliche Gewalt im Spiel ist.
Die Zeichnung "er ist einfach ein gestresster Arsch" hat das Mitgefühl bei mir verhindert.
Eindimensionale Figuren sind nie die Lösung. Aber wie gesagt, ich wollte eigentlich anders.
Noch eine kleine Bemerkung: Mit der Puppenspieler-Klammer tust du dir keinen Gefallen, da sie einen Determinismus schafft, der die Figuren eher fesselt, als verständlich macht.
Ja, die Idee, nicht selbst entscheiden zu können, völlig machtlos zu sein, macht meine weibliche Figur handlungsunfähig. Da ich aber auch zeigen wollte, dass Betroffene nicht so einfach ausbrechen können, passt der Puppenspieler-Leitgedanke für mich immer noch.
Das Thema 'Macht in der Beziehung' ist für mich keinesfalls ausgelutscht, kann es gar nicht sein, solange zwei sehr ungleiche Wesen zueinander finden.
Schön, dass du das auch so siehst. Beziehungen sind schon ein unerschöpflicher Quell, und erst noch die Kombi mit Macht, da können sich Autoren herrlich austoben.
Es ist eine Frage der Herangehensweise, wie du diesen Konflikt anlegst. MMn wäre es gut, du würdest andere Schlaglichter auf die Figuren zulassen, damit ich sie von anderen Seiten sehen kann.
Ja, wie ich das Thematik angefasst habe, entspricht wohl nicht den allgemeinen Erwartungen. Bei der zweiten Überarbeitung hab ich eine Freundin aus dem Hut gezaubert, die dem Leser eine Außensicht auf die Prota ermöglichen soll. Ob das reicht, um sie deutlicher zu erkennen, und ob damit auch der "Determinismus" etwas gebrochen werden konnte, ich kann es momentan nicht einschätzen.
Ich sehe da Potential in deinem Text, können tust du es allemal.
Das ehrt dich, dass du mir das zutraust.
Ich bleib am Ball, auch wenn er mir ab und zu aus den Händen rutscht.
Danke dir recht herzlich und man liest sich.
Liebe Grüße von peregrina.
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Hallo @Katla,
danke für deine nochmalige Mühe. Da sind noch ein paar Dinge, die wir besprechen sollten.
Die Szene im Bad zum Beispiel.
Ihr gesamtes Verhalten wirkt selbstzerstörerisch auf mich. Auch z.B. dass sie ihn so lange in der Irre rumführt, bis er den Rasierer findet, das ist doch eine bewußte und sehr offensichtliche Lüge, bei der sie selbst sagt, dass er ausflippen wird. Sie flirtet mit der Opferperspektive ("wann bricht er mich?"), suhlt sich in dieser Rolle. Ich sehe kein echtes Leiden, sondern eine Herausforderung von Gewalt. Sowas sage ich nicht so schnell, übrigens.
Möglicherweise hast du eine psychologische Ausbildung, die mir fehlt. Trotzdem hab ich gerade die Szene mit dem Rasierer so belassen. Natürlich lügt sie, verhält sich irrational, das bestreite ich auch nicht. Sie provoziert Gewalt, aber in meiner Vorstellung eben nicht bewusst, sondern durch Unsicherheit oder Angst gesteuert, also unterbewusst.
Ich hab das nicht so gelesen, dass sie ganz woanders hingezogen ist, das kann doch genauso in der selben Stadt passiert sein
In Variante eins stand: … der Hauskauf, der Umzug in die fremde Stadt.
- außerdem: So ein Abgleiten passiert nicht von jetzt auf heute, also waren da vorher Leute, die was beobachtet haben sollten.
Da hast du natürlich bis zu einem bestimmten Punkt recht. Doch meine Vorstellung war, dass der Gatte in der Öffentlichkeit ein Charmebolzen ist. Damit die Geschichte das beweisen kann, hätte ich eine Szene mit Publikum gebraucht, war einst angedacht, hab ich wieder verworfen. In der neuen Fassung ist es eine Freundin, die eingeweiht ist.
Als Lösung für die KG sicher einfallslos. Dass die Prota Feitod als Ausweg sieht, ist gar nicht abwegig. Warum sollte das Gasgeben nicht als Warnschuss von Chris wahrgenommen werden? Sie kehrt doch genau in dem Moment das Machtverhältnis um.
Sekunde - ich geh völlig mit, wenn du Suizid als Freiheit beschreibst, die eine Person hat und ausüben kann. Aber da sitzt noch jemand mit im Auto, und damit ist es auch Mord. Du hast das oben in deiner Antwort an Achillus auch schon unterschlagen (sorry, das klingt härter, als es gemeint ist), aber es ist echt nicht cool, jemanden zu killen, nur weil der ein bissl fies war.
Wie immer wir das nennen wollen: Suizid, Freitod, erweiterter Suizid, Mord. Fakt ist, dass sie Gas gibt, eine Affekthandlung, geboren aus Hilflosigkeit und Verzweiflung. Und Fakt ist auch, dass die KG an der Stelle endet, an der sie die Bremse treten könnte.
Wo hat sie hier Macht? Ihre Reaktion beweist ein Maximum an Ohnmacht.
Yes! Komisch, dass ich Chris trotzdem auf dem Beifahrersitz schlottern sehe.
Ich finde deine Antwort ganz außerordentlich spannend - du betonst in deiner Antwort auf deinen Komm eine extreme Distanz du deiner Prota, die ich im Text selbst nicht wiederfinden kann. Das muss nicht passieren, indem du die Prota bloßstellst (auf keinem Fall!), aber dass du Nebenpersonal oder einen Antagonisten entwirfst, der sie infrage stellt.
Das hab ich so nicht erkannt. Warum hast’n das nicht gleich so deutlich gesagt?
Indem du auf Autorenebene den Puppenspieler so verwendest wie die Prota, stellst du dich auf ihre Seite, übernimmst (wie ich das im Text auch sehe) ihre Perspektive. Und eben diese unkritische Haltung, die durch nix gebrochen wird, tut dem Text nicht gut: er liest sich wie Opferliteratur, dabei kann ich beim allerbesten Willen nicht sehen, wo er mehr "Schuld" hat als sie.
Eine „Schuld“-frage wollte ich weder stellen noch beantworten. Es gibt ja immer mehrere Wege zum Ziel. In der aktuellen Fassung erscheint eine Freundin, die versucht, die Prota aufzuwecken, wieder mal. Sie hat die Hauptaufgabe, den Determinismus zu brechen. Ich kann nur hoffen, dass dieser Schachzug vom Leser nicht als plumper Versuch entlarvt wird, meine Weltanschauung zu etablieren.
Glaubenssätze aus der frühen Jugend der Protagonistin fungieren nun als antagonistische Kraft, die die Prota am Ausbrechen genau so hindern wie ihr „Glaube“ an den Puppenspieler.
Ich habe Widerwillen gegen deine Protagonisten, so wie du sie innerhalb des Themas gezeichnet hast - dass ich kein Fan von Manipulation oder gar häuslicher Gewalt bin, stand schon fest, bevor ich deinen Text gelesen habe, und da benötige ich wirklich keine Bestätigung. Der Text (also die Fiktion, die Geschichte, die Figuren, der Plot ...) selbst hat bei mir nicht funktioniert, weil er aussagemässig nicht aus dem Puschen kommt. Was ist deine Prämisse? "Ist halt so!" kann keine sinnvolle Haltung sein, wenn du so eine KG schreiben willst.
Besser Verachtung und Widerwille beim Leser zu erzeugen als gar keine Empfindungen.

Aber Ernst beiseite, die Agonie der Figuren, der lahme Plot, die ausbleibende Lösungsvariante, die falsche Prämisse, sind natürlich alles Kritikpunkte, die ich gelten lassen muss. Ausführung und Schwere des Themas passen möglicherweise nicht zueinander.
Jetzt bin ich aber völlig irritiert. Das sind jetzt zwei Leute, die sich irgendwie geeinigt haben, zusammen zu sein, und sich gegenseitig anätzen, und dann ist diese Kurzschlushandlung am Ende - das ist jetzt überhaupt nicht mehr schlüssig.
So was kommt von so was. Schnelle Überarbeitung, möglichst alle Hinweise einarbeiten, mich wundert dieses Ergebnis auch nicht. Und das größte Problem, ich habe gegen meine innere Überzeugung angeschrieben, dass auch eine KG als Psychogramm einer Ehe eine Daseinsberechtigung haben darf.
Ich verstehe schon die Sache mit der Stille am Anfang nicht, aber am Ende noch weniger: Die rasen mit 180 Kmh durch die Kurve, er schreit rum, und da soll Stille aufkommen? Das Bild passt nicht zur Geschichte.
Wieso ist Stille als Einstieg nicht nachvollziehbar? Es soll Menschen geben, die Ruhe und Stille in unserer lärmenden Gesellschaft als angenehm und tröstlich empfinden.
Die Sehnsucht passt zur Prota, Stille ist für sie das Gegenteil von den Streitigkeiten mit Chris.
Der Schluss der KG läuft für mich in Zeitlupe ab, die Sekunden dehnen sich aus, alle Geräusche verstummen, die Prota befindet sich in einer Blase aus nichts.
Ich kann dich mit meinen Ideen nicht erreichen? Okay, damit kann ich vorläufig leben, arbeite aber daran, dieses Manko auszugleichen.
Du sagtest, Geld sei für die Prota kein Grund für's Zusammensein. Ich sehe aber keinen anderen. Was wird erwähnt? 1. Er hat einen Schuljungenwuschelkopf, 2. Er hat schöne Hände, 3. (implizit) Er hat Geld, von dem auch sie sehr bequem leben kann. Mehr wird nicht gesagt.
Sie leben in einer Ehe (Zugewinngemeinschaft bleibt unerwähnt), wenn sie sich scheiden lässt, geht sie finanziell nicht leer aus. Warum sollte Geld also ein Bindemittel sein?
Mir fehtl immer noch die Balance - ich sehe nun seine manipulative Seite, sein Mangel an anger management vielleicht, aber nicht, was sie an ihm schätzt. Du hättest ihn gar nicht sympathischer machen müssen, sondern ihn genau so lassen, wie er war, nur die Prota sollte mAn folgerichtiger und komplexer dargestellt werden.
An beiden Figuren hab ich gedreht. Nun noch einmal. War in Variante zwei sympathischer als in Variante eins? Ich denke nicht. Ehe bin ich doch übers Ziel hinaus geschossen und er wurde noch aggressiver wahrgenommen, dachte ich.
Du hast ja eine 1.-Person-Perspektive, sie kann den Mann so negativ sehen, wie sie will, ..
darüber bin ich mir klar
nur sollte der Leser auf einer anderen Ebene die Erzählerin nicht ebenso negativ sehen müssen.
Wie ich diesen Schachzug im praktischen Schreiben umsetzen soll, ist mir ein Rätsel.
Ich kann ja nur probieren, an den Figuren zu feilen.
Leider kann ich gar nicht beurteilen, wie sie nun rüberkommen.
Also, äh, was ist denn jetzt dein Thema, in dieser Version? Eine Beziehung, die irgendwie vage scheiße läuft?
Nee, das Thema verbale Gewalt wollte ich nicht begraben.
Du hast irgendwo geschrieben, vielleicht solltest du den Text mal aus seiner Perspektive schreiben, und ich meine, das wäre eine wunderbare Option. Dann nämlich würde die Beschreibung der Prota genau so hinhauen, wie sie jetzt da steht.
Du meinst in den Kopf des Mannes schlüpfen? Dann würde der Leser die verängstigte Prota durch seine Augen sehen? In dem Falle wird Chris aber zum unzuverlässigen Ich-Erzähler. Und der Leser wäre geneigt, unter diesen Umständen ihre Persönlichkeit zu kaufen, und seine gleich dazu? Das versteh ich nicht.
Nö, ich denke nicht, dass ich unrealistische Ansprüche habe. Das einzige, das ich möchte ist: Eine neue, stark individuelle Sicht auf ein Thema und/oder (eines reicht manchmal schon) eine innovative Ausarbeitung eines Themas / einer Prämisse. Kurz: Jemand fügt den Millionen Texten im www einen weiteren hinzu, weil er etwas zu sagen hat, und nicht, weil er - harsch ausgedrückt - Buchstaben auf einer Tastatur zu einer zusammenhängenden Geschichte verbinden kann.
Diese Aussage steht unter meiner Geschichte, das heißt also im Klartext, du schlussfolgerst, ich habe der Welt nix zu sagen? Oder nur, du hättest die Geschichte anders geschrieben?
Sag bitte nicht, das sei ein überzogener Anspruch.
An Literatur im Allgemeinen sicher nicht, doch an meine Geschichte im Besonderen schon.
Ich bin total ins Schwafeln gekommen, sorry!
Mach nur, ich bin gut im Zuhören und so ganz nebenbei beute ich dein Wissen aus.
Danke, dass du mich lässt!
Liebe Grüße von peregrina
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Hallo lieber @Friedrichard,
danke für deinen Besuch und deine interessanten Anmerkungen.
„Vergiss den Empfang heut Abend nicht! Ich will angeben mit dir.“
[…]
Ich starre auf den Monitor, will die Bewerbung, meinen Lebenslauf löschen, bringe es nicht fertig.
alles schon gesagt, selbst Anfang und Ende spiegeln sich bereits in den Eingangszitaten, …
Ja, Alpha und Omega haben es mir angetan, Kreise, die sich schließen, Klammern, die verbinden. Wobei, ich sag’s der Deutlichkeit halber gerne noch mal, das Löschen des Lebenslaufes heißt nicht zwangsläufig, dass am Ende der KG Leben ausgelöscht wird.
Es ist nur eine mögliche Interpretation.
… dass ich mich praktisch bequem zurücklegen kann, um dass zu tun, was ich am besten zu tun vermag (oder mir auch nur einbild, wer weiß das schon).
Ja, mach mal. Aber ob dein Selbstbild und das, was ich im Forum von dir habe, deckungsgleich sind, ich hab keine Ahnung.
– für die (der von Dir gewählte Name drängt sich da geradezu auf) Chris ein Musterbeispiel des Tüchtigen und Erfolgreichen zu sein scheint.
Die Bedeutung des Namens hatte ich nicht erforscht, ich fand es nur prickelnd, einen zu verwenden, der sowohl in männlicher als auch weiblicher Gestalt existiert.
Du ahnst, warum ich diese Einleitung wähle: Der luthersche Wurf nach dem Teufel mit dem Tintenfass, der heute noch auf der Wartburg gepflegt wird.
Mein Blick klebt an dem braunen Fleck auf der frisch geweißten Wand. Ein bizarres Gebilde, das Bände spricht, ...
Nein, ich ahnte es nicht. An Luther hatte ich nicht gedacht beim Kaffeetassen-Weitwurf, obwohl ich schon mehrmals die Wartburg besucht habe. Sollte der olle Martin Aggressionen verspürt haben, dann nur, weil ihm der Teufel arg dicht auf den Leib gerückt war.
So hat jeder sein Kreuz zu tragen, aber die wenigsten erstehen auf und die Icherzählerin ergibt sich kampflos in ihr Schicksal, bei dem mich interessierte, wie sie da hineingeraten konnte …
Ja, der Schrei nach Aufklärung wird immer lauter.
Die neue Fassung versucht, auf diese Frage mit Andeutungen zu antworte. Die Prägung durchs Elternhaus.
Der wichtigste Teil im Wort "Eroberer" ist von "oben" abgeleitet
Ja, Friedel, einer muss oben sein, sag ich ja, und wenn das auch nicht immer der männliche Part ist, so ist es doch der Eroberer.
Die Icherzählerin „schickt“ sich also in ihr „Schicksal“. Doch das Verb „schicken“ bedeutet nicht nur ein „sich schicken“, fügen, was in seinem zwoten Partizip „geschickt“ durchschimmert, das nicht nur das handwerkliche Geschick meint, obwohl diese Kombination es auf den Punkt bringt: Der Mensch hat sein Geschick in der eigenen Hand – oder nach Brecht, des Menschen Schicksal ist der Mensch. Er muss sich nur trauen, sie zur Traudel werden und nicht lieber in den Tod rasen ...
Noch kann ich die Hauptfigur taufen, sie ist ja namenlos. Doch ob sie zur Traudel taugt, wage ich zu bezweifeln. Wir beide müssten philosophieren, welche Handlungsweise erfordert mehr Mut, Gas geben oder bremsen. Das ist abhängig vom psychischen Zustand des Fahrzeugführers.
Und die Chance bleibt, dass sie bremst.
Wie dem auch sei und - sofern man es bei der Thematik überhaupt sagen darf -
gern gelesen ...
Nee, das meinst du nicht? Ich freu mich trotzdem.
Dankesehr fürs Lesen und Kommentieren.
Liebe Grüße von peregrina
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Liebe @barnhelm,
danke für deine Auseinandersetzung mit der kleinen Unvollkommenen.
Allerdings hatte ich nach dem ersten Lesen deines Textes ähnliche Gedanken, wie sie schon einige meiner Vorkommentatoren geäußert haben.
Das ist schön für mich, deine Gedanken zur KG zu erfahren. Aber von welcher Ähnlichkeit sprichst du? Da hoffe ich doch, dass es dieser Hauptgedanke war: Was will mir die Autorin sagen, was ich noch nicht wüsste?
Sie wollte keine neuen Erkenntnisse vermitteln, sie wollte eine Geschichte schreiben, die das Thema verbale Gewalt anhand von kleinen Szenen einer Ehe behandelt.
Wie naiv, nicht wahr? Dass diese Absicht a) nicht ausreicht, hab ich schon eine Weile begriffen. Leider fehlt mir b) immer noch die Idee, welche neue Sicht auf diese Art Beziehung ich dem Leser anbieten könnte.
Nun, nach deinen Erklärungen, lese ich deine Geschichte anders, hakle mich nicht mehr fest an der Hintergrund-Ehegeschichte, an dem Arsch von Mann mit dem merkwürdigen Rollenverständnis und der aggressiven Tonlage, am passiven Verhalten deiner Protagonistin, sondern nehme deinen Text als Darstellung ihrer Gedanken, Empfindungen und vor allem ihrer Wahrnehmung der Realität hin. Und so erhält deine Geschichte für mich etwas ‚Wasserdichtes‘.
Aber dazu hat es doch nicht meine Erklärungen gebraucht.
Dass ich in der Regel mit einem Ich-Erzähler durch die Handlung führe, ist dir bekannt. Das hat Gründe. Einerseits kann ich mich, vielleicht bilde ich mir das auch nur ein, besser in die Figur hineinversetzen (was ich bis vor wenigen Tagen als eine meiner Stärken angesehen habe) und andererseits nutze ich die Ich-Perspektive, gerade weil sie keine sicheren Aussagen liefert. Das ist grundsätzlich so. Ich kann akzeptieren, wenn du meine Erzählerin als „wasserdicht“ bezeichnest, die Geschichte wird es aber dadurch nicht automatisch.
Indem du ausschließlich ihre Sicht wiedergibst, spielt es am Ende kaum eine Rolle, was sich da wirklich abspielt, ob Chris so oder so ist, ob er genervt ist, weil er in seinem Beruf überfordert ist, ob seine Reaktionen sich auf ihre Passivität zurückführen lassen, ob er ein guter oder ein schlechter Mensch ist. All das lässt sich nicht wirklich bewerten, weil es dem Leser (ausgenommen mal seine verbalen Äußerungen) gefiltert durch die Wahrnehmung deiner Protagonistin präsentiert wird. Alles, was ich zu seinem oder zu ihrem Verhalten äußere, würde vermutlich mehr über mich als über die beiden aussagen.
Die Perspektive, eine bewusste Entscheidung, die mir aber noch nie zum Vorwurf gemacht wurde.
Im Umkehrschluss würde das heißen, all meine Geschichten, in denen ein Ich-Erzähler (nur von seiner Warte aus) über die Geschehnisse berichtet, sie sicher auch bewertet, erlauben dem Leser keine Rückschlüsse auf nichts? Was muss ich also tun, um das zu ändern? Muss ich das Ehe-Dilemma aus der personalen Perspektive erzählen? Soll ich im Ich bleiben und zwischen Mann und Frau switchen?
So erlebe ich eine Frau, die ihren Mann als aggressiv empfindet, Angst vor seinen Reaktionen hat, zittert, wenn er auftaucht, ängstlich stillhält, wenn er sie berührt, glaubt, dass er sie zerbrechen will, gleichzeitig aber abhängig ist von seiner Bestätigung
Ja, das erlebst du richtig, sie will es ihm recht machen, sie will Bestätigung und Anerkennung (Liebe) und sie redet sich ein, er liebt sie auch. Übrigens, sie hält in der Badewanne still, nicht weil sie berührt wird, sondern weil sie damit rechnet, unter Wasser gedrückt zu werden.
Dieses für sie nicht zu bewältigende Gefühlschaos lässt sie am Ende in Kismet-Erklärungen flüchten: Sie fühlt sich als Marionette, deren Fäden ein imaginärer Puppenspieler zieht.
Sie sucht nach einer Begründung, Entschuldigung, ja, um Verantwortung zu delegieren. Sie stellt sich vor, dass sie beide nicht frei entscheiden.
Das sind für mich allerdings Wahrnehmungen einer überspannten oder gestörten Person. Für mein Empfinden beschreibst du hier einen sehr labilen Menschen, der nicht in der Lage ist, den ehelichen Konflikt rational auszutragen, sondern sich aufgrund seines Unvermögens in einen Begründungszusammenhang flüchtet, der dann zur finalen Kurzschlussreaktion führt. Ich persönlich empfinde ihr Verhalten an dieser Stelle als hysterisch.
In der ersten Fassung sehe ich sie eingeschüchtert und verstört, nicht gestört. Das Ergebnis eines langjährigen Prozesses. Hysterisch sollte sie nicht wirken, ehe verzweifelt, unrational. Aber das hab ich mittlerweile zur Genüge erklärt.
Ob sie immer so war oder erst durch die konkrete Beziehung so geworden ist, ob sich da allmählich zwischen den beiden etwas entwickelt hat, thematisiert dein Text nicht.
Ist das so ein großes Defizit?
Ich geh davon aus – und davon steht nichts in der KG - dass gewisse Anlagen vorhanden sind, dass sich die „Geber“ und „Nehmer“ dieser ungleichen Beziehungen erkennen, zu Beginn alles in Ordnung scheint und sich die Situation entwickelt und verschärft. Ein Prozess hat sie zu dieser schwachen, nachgiebigen Frau gemacht. Und der Puppenspieler ist für sie ein Blitzgedanke, der keinen religiösen Ursprung hat.
Zum Schluss lässt mich dein Text etwas verwirrt und auch ein bisschen unzufrieden zurück. Worüber soll ich nachdenken: über das blöde Rollenverhalten und die Aggressivität von manchen Männern? Das ist nichts Neues. Über die durchschimmernde Täter-Opfer-Konstellation?
Da bin froh, dass für dich Täter und Opfer nur durchschimmern. Also doch keine reine Opferliteratur?
Ja, liebe barnhelm, was müsste die Geschichte Überraschendes bereit halten, das den Leser fesselt, welcher Aha-Effekt hätte die Wirkung, dass der Leser nachdenkt.
Ich stehe da vollkommen ahnungslos und zermartere mir den Kopf.
Nur, was ist da wirklich dran? Was ist Realität, was Produkt der übersteigerten Wahrnehmung deiner Protagonistin? Indem du mit der gewählten Erzähler-Position das Dargestellte nach meinem Empfinden unangreifbar machst, bringst du mich als Leser in die Situation, deine Geschichte lediglich zu konsumieren.
Eine Haltung zu dem von dir Geschilderten kann ich nicht einnehmen, weil dies die einseitige Sicht auf das Geschehen nicht zulässt.
Trifft das nicht auf alle Geschichten zu, die aus der Ich-Perspektive erzählt werden, und die Hauptfigur nur einen Gegenspieler hat, der nicht mal aus Fleisch und Blut sein braucht?
Vielleicht würde eine andere Erzählperspektive deiner Geschichte besser tun. Eventuell auch eine erkennbarere Entwicklung der Psyche deiner Protagonistin.
Welche Erzählperspektive? Personaler Erzähler?
Die Katastrophe am Ende würde mir nämlich als Resultat eines allmählichen psychischen Abdriftens mehr einleuchten.
Natürlich wäre es optimal gewesen, den Entwicklungsprozess, der ja über Jahre führt, darzustellen. Ich dachte, die Kurzgeschichte bietet mir hierfür nicht genug Raum.
Da hätte ich riesige Zeitsprünge choreographisch umsetzen müssen. Also hab ich mich beschränkt auf die Darstellung eines Tages. Sicher nicht clever.
Doch selbst die Darstellung der psychischen Veränderungen, die ja auch wieder durch die Brille der unzuverlässigen Ich-Erzählerin betrachtet würden, könnte der Leser anzweifeln. Was hätte ich da gekonnt?
Das von dir eingeführte Puppenspieler-Motiv soll vermutlich eine Steigerung ihrer (verzerrten) Wahrnehmung ausdrücken. Ich frage mich aber, ob das ihre (immer schon vorhandene) Einstellung zum Leben ist oder ob sie sich ihre eigene Willenlosigkeit in dieser konkreten Ehesituation so erklärt.
Deine Aussage in einem Kommentar hat mich verwirrt:
Die Prota gebraucht den Puppenspieler als Ausrede und leugnet somit seine und ihre Verantwortung für's Handeln. Der Puppenspieler im Titel ist Chris.
Dachte mir, die Doppeldeutigkeit ist offensichtlich.
Im Text sagst du:
Ich sehe, wie sich sein Mund öffnet und wieder schließt und stelle mir vor, wir sind Marionetten und hängen an Fäden, die von einem unsichtbaren Puppenspieler gezogen werden. Lippen, Arme und Beine gehorchen nicht unserem Willen. Wir haben keinen Einfluss darauf, was wir sagen und tun. Er nicht. Ich nicht.
Doch der Puppenspieler ist bei uns, hält die Fäden in den Händen. Er führt Regie, steuert meine Bewegungen und tritt das Gaspedal bis zum Anschlag durch.
Das scheint sich für mein Empfinden zu widersprechen.
Ich sehe keinen Widerspruch. Die Prota stellt sich den Puppenspieler vor. Ich als Autor wähle den Titel, der sowohl den imaginären aus ihrer Vorstellungswelt als auch den Ehemann meinen könnte.
Ursprünglich war das Puppenspieler-Motiv sowohl als Entschuldigung für die Ausraster von Chris als auch ihre Schwäche (und Scham darüber), sich nicht wehren zu können, gedacht. Dass meine Erklärungen Wellen schlagen, damit habe ich nicht gerechnet. Die Einführung des Puppenspielers habe ich nun in den Konjunktiv gesetzt, am Schluss sitzt er zwar noch im Auto, ist aber nicht mehr so dominant.
Liebe
@peregrina, der Inhalt deines Textes – so gut er auch geschrieben ist - konnte mich leider nicht so recht packen.
Wenn ein Text, die Leser nicht erreicht, kann er nicht gut geschrieben sein. Da ist eine Kluft zwischen Absicht und Ausführung. Denn mich beeindruckt die Tatsache, dass Betroffene oftmals erst nach Jahren die Kraft finden, sich aus Gewaltbeziehungen zu lösen, immer noch. Und das muss die KG transportieren.
Allerdings fand ich die Kommentare, die er ausgelöst hat, und deine Erwiderungen darauf sehr interessant. Und wenn ein Text so viel Diskussionspotential in sich birgt, dann ist das doch auch schon was.
Das Potential ergibt sich aber nur aus dem Umstand, dass ich meine Botschaft nicht deutlich machen konnte und die Geschichte viele Fragen nicht beantwortet hat.
Vielen Dank für die Auseinandersetzung mit der KG, auch wenn ich nicht alle Anmerkungen restlos verstanden habe.
Liebe Grüße von peregrina
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Liebe @maria.meerhaba,
danke für dein Feedback zur Geschichte.
Zu dieser frühen Stunde ist die Stille so allgegenwärtig, ich spüre, wie sie sich an mich schmiegt, mich streichelt.
1. Ich mag deinen ersten Satz. Ist sehr schön.
Diesen mag ich auch, der vorherige war nicht so glücklich gewählt.
2. Ich mag es auch, wenn man drei Beispiele hat. „wie sie sich an mich schmiegt, mich streichelt, mich irgendwas“. Ich finde einfach, wenn man drei Beispiele hat, gibt es den Satz einen gewissen Rhythmus.
Stimmt absolut. Aber ich wollte es nicht übertreiben.
3. Ich hasse stille Momente. Da fühle ich mich immer verloren und nicht wie deine Prot.
Das ist interessant. Doch, mir geht es wie meiner Hauptfigur, die Ruhe besonders am frühen Morgen, wenn noch alles schläft, hat es in sich.
Aggregatzustand der Erstarrung um.
Aggregatzustand ist ein sehr hässliches Wort.
Sehr technisch, wenig ästhetisch, aber ich finde es (momentan noch) originell.
diese Geschichte zu lesen, war echt unangenehm.
Hey, da war ich überrascht. Ich war ganz sicher, dass ich nach der ersten Überarbeitung alles, was die KG an Emotionen beim Leser freisetzen konnte, versehentlich getilgt hatte. Aber es scheint doch nicht so zu sein. Da bin ich erleichtert.
Das mit dem Puppenspieler finde ich echt bescheuert. Das ist ein echt blöder Gedanke, den deine Figur hat und sich daran stützt und es in die Länge, doch andererseits warum nicht, oder? Deine Figur hat diesen Gedanken, glaubt daran, also von mir aus, ich finde ihn halt blöd.
Das ist wirklich ein seltsamer Gedanke, weil man, wenn man daran glaubt, aufhört zu entscheiden und zu kämpfen. Ich fand, solche Ideen passen sehr gut zu der Figur, so wie ich sie mir vorstelle.
Und wieder zurück: Wieso war es so unangenehm zu lesen? Weil ich hier die Angst der Figur gespürt habe und nicht weiterlesen wollte. Aus Angst nicht weiterlesen wollte. Verstehste?
Ja, das hatte ich bereits nach deinem ersten Satz begriffen. Aber, wenn die Figur ihre Angst zu dir als Leser transportiert, deshalb brauchst du doch keine Angst zu haben.
Also das hast du gut gemacht. Ihre Angst und ihren Minderwertigkeitskomplex habe ich zwischen jede Zeile gespürt und das ist handwerklich gesehen eine echt gute Leistung, für die ich deine Geschichte respektiere. Das ist gut gemacht.
Es hat sich schon bis zu mir rumgesprochen, dass du sehr emotional reagierst. Und wenn du das so beurteilst, dann freu ich mich, logisch. Ich verbuch diese Bemerkung auf der Habenseite, da sieht’s augenblicklich mau aus.
Das Ende kommt dann viel zu plötzlich und na ja, mir hat er nicht gefallen, weil das schon so was von 08/15 ist. Oft gelesen, oft benutzt und viel zu plötzlich.
Das stimmt nur bedingt. Wenn sich am Schluss die Figuren das Leben nehmen, sieht es oft so aus, als wüsste der Autor nicht mehr weiter. Hier hatte ich den Plan, dem Leser zwei Wahlmöglichkeiten zu lassen. Gibt sie weiterhin Gas oder bremst sie. Das beantwortet die Geschichte nicht mehr, weil ich vorher aussteige, also aus der Geschichte.. Außerdem (angelesenes Wissen und Gespräche) sind Selbstmordgedanken der Betroffenen keine Seltenheit, war keine Notlösung.
Die Vorarbeit hier gerät zu kurz, damit dieses Ende in meinen Augen funktioniert. Da ist einfach nicht genug, damit das sich entfalten kann, sondern macht den Eindruck (kein Vorwurf, sondern es macht nur den Eindruck), als wolltest du die Geschichte sehr schnell zu einem Ende führen oder als hättest du selbst nicht gewusst, wie das enden soll. Also das Ende braucht mehr, damit es funktioniert.
Vorbereiten des Endes in dem Sinne, der Leser bekommt Infos, die ihn ahnen lassen, was passieren könnte, konnte ich gar nicht geben, weil es sich eben um eine Kurzschlusshandlung handelt.
Mittlerweile hab ich schon wieder an der Geschichte gebastelt, selbst das Ende hat gelitten.
Sonst hast du eine echt tolle Atmosphäre geschaffen, die funktioniert hat und ich fand diese Atmosphäre auch sehr gut gelungen.
Gut, du meinst, die Stimmung stimmt! Aber ansonsten bin ich sehr zerrissen, wenn ich die KG beurteilen sollte. Aber das muss ich ja auch nicht.
Noch mal danke für deine Einschätzung und - ganz wichtig - für deine Empfindungen der Angst.
Liebe Grüße von peregrina