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Der Spinnenstein

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06.07.2001
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Der Spinnenstein

Spinnenstein

Es war duster! William Dixon befand sich auf dem Weg nach Hause. Er hatte zwei anstrengende Wochen in Afrika hinter sich und war froh, endlich wieder in der Zivilisation zu sein. Es war leider nicht alles so glatt gelaufen, wie er es sich vorgestellt hatte. Um sein Ziel zu erreichen, hatte Dixon sogar jemanden ermorden müssen, eine Art Wächter oder Medizinmann, was auch immer. Aber das ließ ihn ziemlich kalt. Auch die Tatsache, daß er von dem Sterbenden verflucht wurde, rang ihm nur ein müdes Lächeln ab. Trotzdem schweiften seine Erinnerungen noch einmal zurück, zu jenem Tag an dem alles begann.

2 Wochen früher

Wenn es darum ging, bestimmte Dinge auf nicht ganz legale Art zu beschaffen, war Dixon die richtige Anlaufstelle. Leider hielten sich in letzter Zeit die Aufträge in Grenzen, und so kam ihm der Anruf gerade recht. Ein Mittelsmann verschaffte ihm einen neuen "Fall", der ihm bei Erfolg einiges an Geld einbringen würde. Ein reicher Inder namens Moniek hatte von einem Diamanten erfahren, den ein Stamm in Afrika verehrte. Und genau diesen Stein sollte Dixon besorgen. 50.000 Dollar sollte er bekommen, und das war Grund genug für ihn, nach Afrika zu fahren. Eigentlich wollte er auch seine Freundin Marina mitnehmen, die hatte jedoch keinerlei Lust auf Dschungel, wilde Tiere und Ungeziefer. So reiste er alleine ab, mit dem Gedanken, einige Zeit auf sein "Traumgirl" zu verzichten. Aber er würde auch dort genug Abwechslung finden, dessen war er sich sicher.
Ziemlich schnell hatte er sich an das neue Klima gewöhnt, er hatte auch genug Informationen, um den Aufenthaltsort des Steines schnell zu finden. Es war eine Art primitiver Tempel, in dem der Diamant seinen Platz hatte. Dixon nahm sich die Zeit, mehr über den Tempel und den Stein zu erfahren. Der Stein wurde von einem Turpan gehütet, einem hohen Geistlichen, der Kontakt zu den Göttern besitzen soll. In Dixon´s Vorstellung nichts anderes als ein Medizinmann.
Die Eingeborenen hatten dem Diamanten einen Namen gegeben: Der Spinnenstein! Woher der Name kam, konnte Dixon nicht herausfinden, aber das war ihm eigentlich auch egal.
Ihm war nur wichtig, daß er sich bald in seinem Besitz befinden würde. Und in dieser Nacht sollte es soweit sein.

Es war alles perfekt geplant. Dixon kam unbemerkt in den Tempel und erreichte den Gebetsraum, in dem der Edelstein auf einem Sockel aufbewahrt wurde, ohne Probleme. Als er den Raum betrat, wurde ihm klar, woher der Stein seinen Namen hatte. In dem Raum wimmelte es von Spinnen aller Art! Das wäre wirklich nichts für Marina gewesen, sagte er sich. Sie konnte diese Tiere nicht ausstehen. Nicht, daß sie sich vor ihnen ekelte. Nein, sie haßte sie einfach.
Ihm war es egal, er wollte sich einfach den Stein schnappen und abhauen. Gerade als er das dachte, fingen die Schwierigkeiten an. Er hatte die Meditationspause des Turpan falsch eingeschätzt. In dem Moment in dem Dixon nach dem Diamanten griff, stand der Geistliche in der Tür. Sein Pech, dachte sich Dixon. Wenn er sich in den Weg stellt, würde er ihn zur Seite räumen müssen. So etwas hatte er schon öfters getan, daß brachte sein Job eben mit sich. Und wie immer würde es ihm auch dieses Mal nichts ausmachen.
"Das darfst du nicht tun!"
"Wer sagt das?"
"Der Stein ist heilig, er hat ungeheure Macht!"
"Und weiter?"
Dixon wußte, daß er dem Turpan überlegen war. Außerdem hatte er auch seine Waffe dabei, die ihm schon manchen guten Dienst geleistet hat.


Der Turpan machte ein finsteres Gesicht.
"Das kann ich nicht zulassen"
"Das wirst du wohl müssen."
"Ich habe geschworen, den Stein mein Leben lang zu bewachen, und auch darüber hinaus!"
"Ach, wenn das so ist."
Locker und lässig zog Dixon seine Waffe, zielte kurz auf den Wächter und drückte dann ab. Der Turpan sackte zusammen. Keuchend blieb er liegen.
"Laß den Stein hier, das ist deine letzte Chance!"
Dixon war regelrecht amüsiert. Wie konnte dieser sterbende Typ noch solche Sprüche von sich geben.
"Weißt du was ich jetzt mache? Ich werde den Stein einfach nehmen, in meinen Rucksack stecken und abhauen. Und ich glaube nicht, daß du viel dagegen tun kannst."
"Mach es nicht", der Alte hatte immer größere Probleme zu sprechen, "du wirst es bereuen"
"Oh ja, Hilfe, ich spüre schon, wie die Reue mich übermannt!" Dixon mußte laut loslachen. Er hatte schon viele Sterbende gesehen, aber noch keiner von ihnen hatte so einen Scheiß gelabert. Er tat, was er gesagt hatte und steckte den Stein ein.
Ein letztes mal wurde der Turpan energisch.
"Ich verfluche dich!"
"Was?"
"Ich verfluche dich!"
"Zweimal?" Er mußte wieder lachen. Der Spruch war uralt, aber er amüsierte ihn immer wieder.
"Was immer du von diesem Frevel erwartest, das Resultat wird dich umbringen, der Stein wird seine Macht entfalten und dich bestrafen."
"Tja, damit werde ich wohl leben müssen. Also, Alter ich haue ab. Viel Spaß noch."
Die letzten Worte bekam der Turpan nicht mehr mit, er war bereits tot.
Dixon verließ den Tempel. Er hatte was er wollte, und er war froh, endlich die Heimreise antreten zu können.
Der Rest der Reise verlief ohne Zwischenfälle. Noch am afrikanischen Flughafen fand die vereinbarte Übergabe statt. Moniek selbst war gekommen, um den Stein in Empfang zu nehmen. Auch ihm war es egal, daß es einen Toten gegeben hatte, und für den Fluch hatte er nur ein müdes Lächeln übrig. Dixon erhielt sein Geld und er war zufrieden. In einem Geschäft am Flughafen schaute Dixon sich noch schnell nach einem Souvenir um. Geld hatte er ja jetzt genug. Ihm fiel eine präparierte Gottesanbeterin auf. Fünf Zentimeter groß und genau richtig für sein Bücherregal. Marina würde sich wahrscheinlich darüber aufregen, aber das würde er schon regeln.

Gegenwart

Den Rucksack auf dem Rücken, schlenderte er gerade durch die Fußgängerzone. Es war nicht mehr weit bis zu seinem Haus. Ihm kam in den Sinn, daß die Geschäfte gleich schließen würden, und daß er Marina eigentlich auch etwas mitbringen müßte. Er dachte gleich an etwas Erotisches zum Anziehen, doch davon hatte sie eigentlich schon genug. Er erinnerte sich aber daran, daß sie sich mal über "Schuhmangel" beklagte. Als Mann konnte er über solche Äußerungen eigentlich nur lächeln, aber so sind die meisten Frauen eben. Andererseits warum nicht, er konnte ihr ja ein Paar mitbringen. Im nächsten Schuhgeschäft entschied er sich für ein Paar schwarze, samtweiche Pumps mit leicht erhöhter Sohle. "So was ist modern" hatte die Verkäuferin gesagt. Zweihundert Mark sind zwar eine Menge Geld für ein Paar Schuhe, aber erstens hatte er momentan genug davon in der Tasche, und zweitens war es ihm seine Freundin auch wert. Er freute sich schon auf die folgende Nacht.

Gegen acht kam er zu Hause en. Da er sich nicht angemeldet hatte, war die Überraschung groß, ebenso die Freude über den gelungenen Auftrag.
"Hast du mich den wenigstens vermißt?" wollte Marina wissen.
"Und wie!" Das war noch nicht mal gelogen, den die Frauen, die er während seines Auftrages hatte, waren kein Vergleich zu seiner Freundin. Lange Beine, sehr schlank gebaut, eine lange, schwarze Mähne, die Rundungen an der richtigen Stelle - mit dieser Frau hatte er seiner Meinung nach den Fang seines Lebens gemacht.
"Und hast du mich auch vermißt?", fragte er Marina.
"Ich habe mir sogar Sorgen gemacht, weil du dich nicht gemeldet hast."
"Ich hatte so viel zu tun, ich bin einfach nicht dazu gekommen."
"Und lief wenigstens alles so, wie du es dir vorgestellt hast?"
"Ja, ja, bis auf ein paar Kleinigkeiten lief alles glatt" Seiner Meinung nach mußte sie nicht alles wissen.
"Ich habe dir auch etwas mitgebracht -hier" Er holte aus seiner Tasche das kurz vorher erworbene Geschenk.
"Da hattest du ja mal einen richtig guten Einfall. Aber wie ich dich kenne, hattest du bestimmt einen Hintergedanken, so wie: gleich anprobieren und dazu die richtige Kleidung."
"Also, wenn ich ehrlich bin, hatte ich in diese Richtung gedacht."
"Typisch Männer! Jedes Geschenk, das sie einer Frau machen, hat irgend einen egoistischen Hintergrund"
"Tja, Mann muß sehen, wo er bleibt."
"Dann habe ich wohl keine andere Wahl." Beide grinsten sich an.
"Ich bin bald wieder da - entspann dich schon mal." Mit ihren neuen Schuhen und einem verheißungsvollen Lächeln verschwand sie aus dem Zimmer.
Oje, dachte sich Dixon, das kann dauern.
Dixon setzte sich auf den Sessel und wollte sich eine Zigarette anstecken, doch die Schachtel war leer.
"Mist!" Er warf die Schachtel auf den Boden.
Da fing es an!

Es begann mit einem Kribbeln in den Fingerspitzen, das sich blitzartig durch die Arme in den ganzen Körper zog. Er hatte das Gefühl, als würden Tausende Ameisen über in hinwegkrabbeln. Es verstärkte sich immer mehr, bis es zu einem Ziehen und dann zu einem Reißen wurde.
Man konnte es auch äußerlich sehen. Längst hatte er den Pullover ausgezogen und mußte feststellen, das seine Haut überall Risse aufwies. Seltsamerweise spürte er keine Schmerzen. Er war auch viel zu überrascht, um zu schreien. Als sich seine Arme verselbstständigten und einfach zu Boden fielen, war er viel zu überrascht, um zu schreien. Aus den Stümpfen wuchsen bereits mehrere neue Arme. Sein Unterleib wurde immer dicker und runder, und über seinem ganzen Körper wuchsen schwarze Haare. Als er mit ansehen mußte, daß sich auch seine Beine lösten, fiel er in Ohnmacht.

"Scheiße", flüsterte er, als er die Augen öffnete. Er fühlte sich, als hätte er die ganze Nacht durchgezecht. Es wurde ihm siedend heiß, als er sich erinnerte. Schnell schloß er wieder die Augen und fühlte in sich hinein. Ihm wurde bewußt, daß er nicht geträumt hatte. Spürte er noch sich selber? Oder hatte sich etwas verändert? Ja, es hatte. Er war ein völlig anderer, er spürte ganz neue und veränderte Gliedmaßen. Aber er hatte noch ein anderes Gefühl, ein neues Gefühl von Stärke. Eine wahre Power-Energie durchströmte seinen Körper, und war so stark wie nie zuvor. Dixon öffnete wieder die Augen und er schaute an sich herunter. Diesmal fing er sofort laut an zu schreien.

"Eine Spinne, ich habe den Körper einer Spinne!". Er war kurz davor, wieder bewußtlos zu werden. Er schnappte nach Luft. "Wach auf, William, wach auf. Das muß ein Traum sein."
Aber nichts passierte. Er lief ein paar Schritte. Laufen? Tatsächlich, er konnte laufen. Es war ein seltsames Gefühl, sich auf acht Beinen fortzubewegen. Jetzt wußte er auch, woher die Stärke kam. In Relation gesehen sind Spinnen um ein vielfaches stärker als Menschen. Aber das konnte doch alles gar nicht möglich sein. Jetzt viel ihm der Fluch wieder ein. Das war es. Der Fluch war daran Schuld. Dieser Turpan mit seinem verdammten Fluch. Aber wenn es wirklich möglich war, jemanden zu verfluchen, mußte es doch auch eine Möglichkeit geben, den Fluch rückgängig zu machen. Er konnte doch nicht ewig als Spinne mit Menschenkopf herum laufen. Er mußte furchtbar aussehen. Ich muß zu einem Spiegel, dachte er sich. Bisher war er zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als daß er auf seine Umgebung geachtet hätte. Und deshalb traf ihn nun der nächste Schlag.

Als er in den Spiegel sah, mußte er feststellen, daß sich nicht nur sein Aussehen verändert hatte, auch seine Größe hatte sich verändert. Alles um ihn herum war riesig. Nicht weit von ihm lag die Zigarettenschachtel, die er vorhin weggeworfen hatte. Sie war so groß wie eine Garage. Wenn er sich mit der Größe der Schachtel verglich, mußte er etwa drei Zentimeter groß sein. "Das darf doch alles nicht war sein!" Er schaute sich langsam um. Der Tisch, in der "Ferne" der Rucksack, zu der Uhr - ihm fiel auf, daß seit seiner Verwandlung erst ein paar Minuten vergangen waren. Zunächst dachte er, die Uhr wäre stehengeblieben, doch sie stand nicht. Sie bewegte sich nur viel langsamer. Natürlich, dachte er, Insekten nehmen die Zeit auch langsamer wahr. Er dachte an einen Bericht über Fliegen, die bei einem Film lauter Einzelbilder sehen würden. Er war erstaunt wie klar sein Verstand in dieser Situation arbeitete. Er zählte bis Zehn bis der Sekundenzeiger der Uhr um eins weiter gesprungen war. Wieder schaute er sich um, diesmal blieb sein Blick an seinem Rucksack hängen. Hatte sich dort etwas bewegt? Unsinn, er hatte seines Wissens nach nichts im Rucksack, das sich hätte bewegen können. Und doch! Da war etwas. Wenn er es aus dieser Entfernung richtig erkennen konnte - drei Meter waren für ich schließlich eine riesige Distanz - schob sich irgend etwas unter der Deckklappe des Rucksacks hervor.
Zu seinem Schrecken erkannte er die quicklebendige Gottesanbeterin, die er in Afrika gekauft hatte. Und kaum war sie draußen, öffnete sie die Flügel und hob in seine Richtung ab.

Dixon wußte nicht, was er machen sollte. Wie erstarrt schaute er diesem Tier entgegen, das doch eigentlich schon lange tot gewesen war. Er konnte den Flug genau verfolgen, für ihn lief ja schließlich alles in Zeitlupe ab. Wieder dachte er an den Fluch: "Das Resultat wird dich umbringen". Aber was war das Resultat? Jetzt verstand er den Zusammenhang. Er hatte Geld erhalten. Von dem Geld hatte er das Tier gekauft - und dieses sollte ihn nun umbringen, womit sich der Fluch erfüllen würde. Aber nicht mit mir, dachte sich Dixon. Die Gottesanbeterin war zwar fast doppelt so groß wie er, aber er würde kämpfen. Und so lies er sie kommen. Als das Tier schließlich zur Landung ansetzte, kamen ihm jedoch Zweifel. Sein Gegner sah furchterregend aus.

Große, erbarmungslose Augen und zwei riesige Greifarme. Wie konnte er sich bloß verteidigen? Spinnen hatten Giftzähne. Er jedoch hatte einen menschlichen Kopf. Er wußte auch nicht, ob er überhaupt Spinnenfäden produzieren konnte, um diese als Waffe zu benutzen. Als Dixon noch über seine Möglichkeiten nachdachte, griff sein Gegner an. Ein Arm schnellte nach vorne, und Dixon wollte noch nach hinten springen, als es ihn erwischte. Eines seiner Beine geriet zwischen die zangenartigen Arme des Insektes, aber er hatte so viel Schwung dahinter gelegt, das er nicht gehalten werden konnte - nicht im ganzen!
Ein rasender Schmerz durchfuhr ihn, als das Bein aus seinem Leib gerissen wurde. Doch der Schmerz hielt nicht lange an. Voller Wut drehte er sich um, und mit ganzer Kraft sprang er die Gottesanbeterin an. Es gelang ihm, sie unter sich zu begraben, doch mit Leichtigkeit stieß sie ihn von sich weg und griff erneut an. Wieder verlor Dixon ein Bein. Er sah nun ein, das es zwecklos war, zu kämpfen. Er mußte flüchten, aber wohin? Die Zigarettenschachtel! Das war es. Er paßte bestimmt gut hinein, während seine Gegnerin Probleme bekommen würde. Er versuchte also, so schnell wie möglich dorthin zu gelangen. Dixon hatte Mühe, vorwärts zu kommen. Nur mit sechs Beinen zu laufen war ziemlich kompliziert. Die Gottesanbeterin nahm seine Verfolgung auf. Kurz vor dem Ziel hatte sie ihn eingeholt. Sie griff abermals an. Wieder erwischte sie ein Bein. Aber Dixon konnte sich nicht erlauben, noch eines zu verlieren. Er würde dann völlig hilflos sein. Also versucht er, sich los zu kämpfen. Das Insekt wollte seine Beute aber nicht loslassen, und zerrte den sich windenden Dixon zu sich heran. Jetzt mußte er sich doch auf die altbekannte Art losreißen.
Diesmal waren die Schmerzen jedoch kaum zu ertragen, doch durch den Schwung schaffte er es tatsächlich, in die rettende Schachtel zu gelangen. Doch zu welchem Preis? Jeder Teil seines Körpers schmerzte, und er konnte sich nur sehr langsam bewegen. Keuchend blieb er liegen, als plötzlich alles zu erbebte. Er wagte sich langsam zum Ausgang. Die Gottesanbeterin hatte damit begonnen, die Schachtel zu bearbeiten. Dixon war sich darüber bewußt, daß sie, würde sie sich klein machen, in die Schachtel eindringen könnte. Doch erst einmal lies sie ab und nahm einen Platz kurz vor dem Eingang ein. Er schaute wieder in ihre kalten Augen und hatte das Gefühl, Triumph darin zu erkennen. Doch dann geschah etwas, womit keiner gerechnet hatte, und was Dixon wieder Hoffnung gab.

Plötzlich bildete sich direkt über der Gottesanbeterin ein Schatten. Sie war so auf Dixon fixiert, daß sie dies gar nicht wahr nahm. Doch als sie den Schatten bemerkte, schaute sie sofort nach oben. Doch es war zu spät. Denn in diesem Augenblick trat Marina zu.
Sie war mittlerweile ins Zimmer gekommen, doch keiner der Kontrahenten hatte etwas bemerkt. Das hatte nun fatale Folgen für das Insekt. Es wurde von ihrem Fuß zu Boden gedrückt, und nur ihre Hinterbeine schauten noch seitlich heraus. Der Körper hatte dem Druck nichts entgegenzusetzen, und das Tier wurde zerquetscht. Dixon, der wieder alles in Zeitlupe erlebte, konnte es kaum glauben. Genüßlich hörte er sich die Geräusche an, die entstanden, als die Gottesanbeterin von Marina zertreten und anschließend durch drehende Bewegungen zermalmt wurde. "Der Fluch hat sich nicht erfüllt" dachte er. Und wenn dies zutraf, mußte es für ihn auch einen Weg zurück geben. Er mußte Marina nur davon überzeugen, wer er war.
Und das war bestimmt nicht schwer, schließlich hatte er ja noch seinen ursprünglichen Kopf, und er konnte noch sprechen. Also kam er langsam aus seinem Versteck hervor.
Auch so riesig war Marina eine Schönheit. Und sie hatte auch genau die Kleidung an, die er sich vorgestellt hatte. Er schaute zu ihr hoch, und kurz darauf schaute auch sie zu ihm. "Marina!" Laut schrie er ihren Namen, doch sie zeigte keinerlei Reaktion. "Marina!!" Doch auch diesmal reagierte sie nicht. Statt dessen hob Marina langsam ihren Fuß.
"Marina!!!" Er schrie alles aus sich heraus, doch der Schuh schwebte bereits über ihm. Jetzt fiel es ihm wieder ein. Die Schuhe hatte er doch auch von seinem Honorar gekauft.
Dixon schaut nach oben, und wie aus höhnisch "grinsten" ihn die Reste der Gottesanbeterin, die noch an der Sohle klebten, an. Jetzt kam ihm zugute, das er alles viel langsamer wahrnahm als normal. So schnell wie es seine restlichen fünf Beine erlaubten, rannte er zurück in die Schachtel. Er schaffte es noch, bevor Marina ihren Fuß senkte. Aber in einer Zigarettenschachtel war er wohl kaum vor einem Menschen sicher. Vielleicht hatte er ja Glück, und Marina verschonte ihn, legte die Schachtel mit ihm vielleicht in den Garten, oder was auch immer.
Er mußte selbst über den Gedanken lachen. Nein, so etwas tut Marina nicht. Sie haßt Spinnen über alles, und es ist ihr schon fast ein sadistisches Vergnügen, eine Spinne zu töten.
Er mußte an den vergangenen Sommer denken. Da fand sie im Garten einen Spinnenkokon, aus dem gerade winzige Spinnen heraus krabbelten. Sie legte das Gebilde auf die Terrasse und zertrat die kleinen Tierchen mit dem Absatz ihre Stöckelschuhe. Irgendwann dauerte es ihr zu lange, und sie zermalmte genüßlich den ganzen Kokon mit den restlichen Spinnen. Als Dixon an dieses Ereignis dachte, wurde ihm bewußt, daß er keine Gnade zu erwarten hatte. Außer, es gelang ihm, Marina zu zeigen, wer er wirklich war. In diesem Moment wurde die Schachtel geschlossen und aufgehoben.

Was hatte sie vor? Die Schmerzen aus dem Kampf hatten nachgelassen, aber er konnte sich immer noch nicht richtig bewegen. Er lauschte dem Klang ihrer Schritte. Nach einer Weile wurden diese lauter. Sie mußten sich nun in der Küche befinden. Aber warum? Ihm fiel eigentlich nur eine Erklärung ein: Sie wollte ihn hier töten, denn auf dem Fliesenboden konnte sie ihn besser wegwischen. Aber noch lebte er, und er hatte dies auch weiterhin vor. Doch jetzt stoppten die Schritte, die Entscheidung nahte.

Bislang war er von Dunkelheit umgeben, doch die Schachtel wurde nun langsam geöffnet. Dixon sah schon bald die Decke der Küche. Da seine Umgebung zu schaukeln schien, hatte Marina die Schachtel wohl noch in der Hand. Und es dauerte nicht lange, bis ihr Gesicht über der Öffnung erschien. Auge in Auge! Jetzt muß sie mich erkennen, dachte Dixon. Doch auch diesmal zeigte sie keine Reaktion. Er wurde unruhig. In diesem Moment wurde die Zigarettenschachtel langsam gekippt. Und mit dem Kippen der Schachtel wurde für Dixon die Lage immer bedrohlicher. Im Grunde hatte Dixon genug Zeit, nach Halt zu suchen, mit seinen verbliebenen Beinen gelang ihm dies jedoch nicht. Immer näher rutschte er an die Öffnung der Schachtel heran. Plötzlich war die Angst wieder da, und er hatte das Gefühl, in die Hosen machen zu müssen. Doch dieses Gefühl hatte eine anderen Ursache, denn plötzlich haftete sein Hinterteil an der Innenseite der Schachtel. Dixon hatte in seiner Panik einen klebrigen Faden produziert, an dem er nun freihängend schaukelte!
Es wußte nicht genau, wie er dies fertiggebracht hatte. Es war ein kitzelndes Gefühl, und er kam sich noch seltsamer vor als zuvor. Jedoch konnte er diesen Fadenausstoß nicht kontrollieren, und langsam wurde dieser immer länger. Die Öffnung zeigte mittlerweile nach unten, so daß er nun kopfüber auf den Fußboden sah. Marina dauerte es wohl zu lange, und sie fing an, die Schachtel zu schütteln. Ruckartig verlängerte sich der Faden, und er rutschte aus der Schachtel heraus. Er hing jetzt in der Luft. Und dieser Ausblick war eigentlich sehenswert. Dixon befand sich gerade knapp über Brusthöhe und konnte wunderbar in den tiefen Ausschnitt seiner Freundin blicken. In diesem Moment dachte er sogar daran, sich hinüber zu schwingen und in ihrem Dekolleté zu verschwinden. Doch Dixon wurde plötzlich aus seinem Traum gerissen, als der Faden wieder durchgerüttelt wurde und er weiter nach unten rutschte. Er versuchte, wieder nach oben zu klettern, fand jedoch keinen Halt. Ihm fehlte dazu einfach die Übung. Wieder glitt er nach unten. Mittlerweile befand er sich in Bauchhöhe. Er schaut an Marina hoch. Ewig weit über ihm befand sich die Zigarettenschachtel, die immer noch festgehalten wurde. Und auch Marina betrachtete er nun länger. Sie sah einfach gigantisch aus. Auch so riesig fand er sie wunderschön. Aber was half ihm das jetzt? Er versuchte noch einmal zu schreien, als es wieder einen Ruck gab, und er sich weiter dem Fußboden näherte. Nun befand Dixon sich bei den Hüften. Marina hatte es nicht für notwendig befunden, Strümpfe anzuziehen. So konnte er ihre leicht gebräunte Haut bewundern. Seine Blicke folgten ihren Beinen nach unten. Sie schienen endlos zu sein. Und weit unten, aus dieser Entfernung noch sehr klein, befanden sich ihre Schuhe. Seine Situation kam ihm immer aussichtsloser vor.

Erneut war er nach unten gesagt. Nun war er auf Kniehöhe! Langsam mußte er sich etwas einfallen lassen, wollte er aus der Sache noch lebend heraus kommen. Aber was? Noch einmal schaute er hinauf. Er fragte sich, wie groß sie eigentlich aus seiner Sicht sei? Hundert Meter? Oder mehr? Was für Alternativen hatte er? Sollte er auf dem Boden aufkommen, war es wohl vorbei. Wegrennen konnte er nicht mehr, dafür waren seine Verletzungen zu stark. Nach oben konnte er auch nicht entwischen, dazu hatte er keine Kraft mehr. Die einzige Möglichkeit die ihm einfiel war sich zu ihrem Bein zu schwingen und daran festzuhalten. Diese Variante würde ihm etwas Zeit geben, und sie mußte irgendwie reagieren. Vielleicht würde sie ihn hastig wegschleuderte, so daß er sich verstecken konnte. Er fing an zu schaukeln. Doch statt sich dem Bein zu nähern, wurde der Faden immer länger, und er näherte sich weiter dem Boden.

Er befand sich jetzt knapp über dem Boden. Ganz deutlich konnte er die Schuhe sehen, die er Marina geschenkt hatte. Das also war sein Todesurteil. Marina wurde langsam ungeduldig. Sie hob ihre linke Fußspitze kurz an, ließ sie aber gleich wieder sinken. Dabei entstand ein lautes, schallendes Geräusch, das Dixon in den Ohren weh tat. Dixon resignierte. Was konnte es für einen schöneren Tod geben, als von einer wunderschönen Frau zertreten zu werden? Das war das einzige Positive, daß ihm einfiel. Er hoffte jetzt nur noch, daß sie schnell machten, und ihn nicht so lange leiden lassen würde.
Er schaute noch einmal an ihr hinauf. Er wollte ihr dabei in die Augen sehen. Die Augen, die einmal seine große Liebe bedeuteten. Es war ein weiter Weg gewesen. Sein Körper berührte jetzt den Boden.

Wenige Minuten zuvor hatte sie die Gottesanbeterin mit dem linken Fuß zertreten. Diesmal hob sie den rechten. Dixon nahm immer noch alles in Zeitlupe war. Der Fuß stieg langsam in die Höhe. Er kam ihm wie ein riesiges Raumschiff vor. Und genau wie in dem Film Independence Day schob sich ein riesiger Schatten über ihn. Konnte er kurz zuvor noch in die Augen seiner Freundin schauen, so sah er jetzt nur noch auf deren Schuhsohle. In solchen Momenten soll angeblich das ganze Leben an einem vorbei ziehen. Dixon jedoch dachte an nichts mehr, bis er ein Brummen wahrnahm. Ein dunkles Geräusch, fremd, aber trotzdem irgendwie vertraut. Es kam ihm vor wie eine dumpfe, langsame Klingel.
Ein wahnwitziger Gedanke überkam ihn. War es sein Wecker? Träumte er alles? Würde er gleich in seinem Bett aufwachen? Ist der Alptraum zu Ende? Nichts dergleichen geschah. Das "Raumschiff" jedoch zog sich zurück. "Das gibt's doch nicht", dacht Dixon. Er versuchte sich auf das rettende Geräusch zu konzentrieren. Natürlich, das Telefon! Das Brummen war das Klingeln des Telefons. Und Marina ließ tatsächlich von ihm ab, und ging zu dem Apparat. Dixon konnte es nicht fassen. Das war seine Chance. Er schaute Marina nach. Es sah gigantisch aus, wie sich das riesige Geschöpf bewegte. Bei jedem Schritt vibrierte der ganze Boden. Er mußte versuchen, sich unter den Küchenschrank zu flüchten, aber das war ein weiter Weg. Marina hatte mittlerweile das Telefon erreicht und es abgehoben. Leider drehte sie sich dabei zu ihm um und behielt ihn im Auge. Wenn er jetzt all seine Kraft zusammennahm, konnte er es schaffen. Hatte sich bisher langsam bewegt, so sollte sich das nun ändern. Er lief los.

Nach ein paar Schritten machte er den ersten Purzelbaum. Er rappelte sich wieder auf, um kurz darauf kopfüber auf dem Rücken zu landen. Ihn schmerzte jede Faser seines Körpers. "Reiß dich zusammen", sagte er zu sich selbst. Er kam auf die Beine, sackte aber gleich wieder zusammen. Schnaufend blieb er liegen. Er konnte nicht mehr. Ihm blieb nur noch eins: warten. Er schaute zu Marina. Und wartete. Solange bis sie auflegte. Schritt für Schritt kam sie näher. Auch diesmal spürte er jeden Schritt. Sie stoppte vor ihm. Wieder war es der rechte Fuß, der sich langsam über ihm erhob. Und diesmal setzte sie zunächst den Absatz auf. Die Schuhsohle schwebte noch über Dixon. Vielleicht das letzte Mal konnte er, am Schuh vorbei, zu ihr hochsehen. Dann wurde ihm auch diese Sicht verwehrt. Langsam senkte sie ihren Fuß. Dixon hoffte nur noch, das die Schmerzen nicht zu groß sein würden. Jetzt kam es zum Kontakt. Dixon spürte, wie sein Hinterleib immer mehr zusammengedrückt wurde, bis er schließlich platzte.
Ein Schmerzensschrei kam aus seinem Mund, bis sein Gesicht mit der Sohle in Berührung kam. Einen Sekundenbruchteil später hielt auch sein Kopf dem Druck nicht mehr stand. Ein letztes, knackendes Geräusch. Daß Marina ihren Fuß noch ein paarmal herumdrehte, bekam Dixon nicht mehr mit. Der Fluch hatte sich letztendlich doch erfüllt.

Seit ein paar Tagen wird der indische Kaufmann Moniek vermißt. Man spricht von Entführung oder schlimmerem. Die Polizei hat keinerlei Anhaltspunkte. Und die Angestellten haben Angst um ihren Job. So auch die junge Sekretärin, die gerade in seinem Büro für Ordnung sorgt. Sie hat keine Ahnung, was mit ihm wirklich geschehen ist. Sonst hätte sie wohl kaum die Spinne, die unter seinem Schreibtisch war, einfach zertreten. ENDE!

 

Also mir hat "Der Spinnenstein" gut gefallen. Alles ist ganz gut durchdacht (Nur warum bezahlen die in God own´s country mit der guten alten D-Mark?). Ne, mal im Ernst.

Die nüchterne Denkweise Williams angesichts seiner für ihn absurden Lage ist gut geschrieben und hat was für sich. Der geschilderte Privatkrieg zwischen Spinne und Gottesanbeterin war nicht nur spannend, sondern sogar richtig nachvollziehbar. Fand ich gut.

Nun gut, das für den Turpan nicht gut endende Gespräch mit Daxon ist zwar ein bißchen fies, aber was solls. Nur das Wort "Resultat" wird mit keiner Silbe erwähnt, obwohl es im späteren Verlauf von der Spinne Daxon in ihren Überlegungen mit einbezogen wird. Aber das nur am Rande.

Alles im Allen eine gute Horrorgeschichte, sehr bildhaft und erfrischend.

Nur der unvermeidliche Schluß ist ein bißchen zu sehr ausgedehnt. Was soll´s!

"Der Spinnenstein" kann ich auf alle Fälle empfehlen!

In diesem Sinne: Machet jut!

Poncher

 

Gefällt mir auch gut, die Geschichte. Spannender Kampf, spannendes Ende. Im Gegensatz zu Poncher, finde ich, das das Ende genau richtig lang ist, soll heißen, als sie ans Telefon geht, dachte ich kurz, irgendwie schafft er es doch noch und findet ein anderes Ende als die Schuhe. Dadurch wird das Ende sicherlich nicht lahm.
Ich glaube allerdings, daß man nicht einfach so stumm zuschaut, und nur überrascht ist, wenn einem Arme aus der Seite wachsen u.s.w.
Besser hätte vielleicht ein Ausdruck wie "von namenlosen Entsetzen gepackt, stieß er einen lautlosen Schrei aus..." oder so was gepasst.
Und ein, zwei Flüchtigkeitsfehler sind noch drin...z.B.: "Erneut war er nach unten gesagt. Nun war er auf Kniehöhe!" - du meinst wohl gesackt?
Das tut dem Lesevergnügen aber nicht weh. :)

 

Weißt du was, Baddax?

Ich hab das Gefühl, An der Theke, äh... Undertaker, grrr... jetzt hab ich´s, Antatheka wird unsere beiden Kritiken wohl nicht mehr lesen, angesichts ihrer bemängelnden Abwesenheit. Hm!

Betragen 5, Setzen, Mund halten!

 

Du wirst es vielleicht nicht glauben...aber sie ist ein ER!
Ein Markus.
Ob seiner Namenswahl und seiner Geschichte könnte ich mir aber vorstellen, daß bei ihm zu Hause ein großes Terrarium steht und er oft davor sitzt und sich fragt, wie es wohl ist, wenn...
Hallo, Antatheka, Spinnenfan - hier git's noch mehr Geschichten zu dem Thema...

 

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