Was ist neu

Der Stoff

Beitritt
22.03.2005
Beiträge
79

Der Stoff

Anton brauchte den Stoff. Er war fertig. Er hatte seit zwei Tagen nicht mehr geschlafen und würde die nächsten 24 Stunden auch nicht zur Ruhe kommen. Er hatte kaum Kraft mehr, die Augen offen zu halten. Seine Gedanken waren ungefiltert, zähflüssig, verklumpt. Er brauchte den Stoff. Sofort.

Kraftlos, energielos, aber mit dem einen großen Ziel stolperte er durch die hellen, kalten Gänge. Er musste sich jetzt den Stoff besorgen. Er brauchte seine Dosis. Koste es, was es wolle.

Nur noch eine Biegung des Flurs, dann würde er seine Dosis kriegen. Anton klopfte sich an die Hosentasche – das Portmonee füllte sie prall aus, sehr gut. Nur noch ein paar Schritte… Speichel floss ihm im Mund zusammen, als er an diese Energie dachte, an den hellen Kopf, an die rasenden Gedanken…

Es ist weg! Es ist weg! Als wäre ein Schaltkreis kurzgeschlossen, trommelte durch seinen Kopf nur ein einziger Gedanke, raubte den Platz für alle anderen. Das Ding war weg, einfach verschwunden! Mit dem Portmonee in der Hand stand Anton vor der leeren Wand, und langsam ergriff ihn Panik.

„Wo ist er denn hin?“, fragte er einen vorbei laufenden Kollegen, mit dem zittrigen Zeigefinger auf die Wand deutend.
„Ach, der ist jetzt im Erdgeschoss.“

Fluchend lief er zum Treppenhaus. Er konnte nicht mehr warten. Anton brauchte seine Dosis. Jetzt. Sofort

Er hatte typische Entzugserscheinungen, und dessen war sich Anton sehr wohl bewusst.
Aber was sollte er machen? Seine Arbeit verlangte ihm alles es ab, er konnte es sich nicht leisten schläfrig und unkonzentriert zu sein. Er brauchte diesen zusätzlichen Energieschub. Und verdammt noch mal, alle, die er kannte, hingen an dem Stoff, er konnte auch nicht anders.

Anton war fast da. Es müsste hier um die Ecke sein.
- Was ist, wenn er wieder nicht da ist? Was machst du dann?
- Er muss da sein, er muss!

Sonst wüsste er nicht, wie er diesen Tag überleben sollte.

Anton bog um die Ecke… und das Ding stand da. Wie ein Fels in der Brandung. Wie das heilige Kaaba. Ein Stein fiel ihm vom Herzen. An seinen Kollegen vorbei, die nur ein paar Schritte entfernt sich ihrer heimlichen Sucht hingaben, marschierte er zur Stoffverabreichungsmaschine.

Ein Euro rein.
Die drei für extra stark.
Die fünf für extra viel Zucker.
Ohne Milch.
So hatte er seinen Kaffee gern.

Nach einem kurzen Small-Talk mit seinen Kollegen ging Dr. Anton Mann mit neuen Kräften an die Arbeit. Er wurde schon im OP erwartet. Seine zwölfte seit dem Schichtbeginn vor zwei Tagen.

 

Hallo Roland!

Grundsätzlich gefällt mir die Idee und auch das Thema finde ich gut - ich stelle mir immer vor, wie ein Arzt mit dem Skalpell im Bauch des Patienten von einem Sekundenschlaf erfaßt wird ...

Aber die Umsetzung ist Dir in meinen Augen nicht sehr glaubwürdig gelungen: Welcher Arzt muß durch das halbe Krankenhaus laufen, um an einen Kaffee zu kommen? Der sagt der Schwester oder dem Pfleger, daß er einen Kaffee will, diese/r eilt zur Kaffeemaschine im Schwesternzimmer und macht ihn.
So könnte er natürlich auch nach der Schwester suchen wie nach einem Dealer, wie gesagt, die Idee an sich hat mir gut gefallen.
Wenn Du aber trotzdem beim Kaffeeautomaten bleibst, würde ich ihn zuvor durchgehend als "er" bezeichnen, also nicht "Es war weg" und "Das Ding war weg", sondern "Er ...".

Eine andere Sache ist aber auch, daß er als Arzt wesentlich wirksamere Medikamente zur Verfügung hätte - das solltest Du vielleicht auch irgendwie ausschalten, indem er zum Beispiel seine "gesunde Lebensweise" betont, weil er Medikamente nur nimmt, wenn er wirklich krank ist, und Vegetarier ist er auch noch.

Jedenfalls gern gelesen, auch wenn meiner Meinung nach noch nicht alles so ganz paßt. :)

Liebe Grüße
Susi :)

 

Hallo Roland,

danke für Deine Geschichte! Ich fand sie ganz gut geschrieben, es ist Tempo drin und man kann sich vorstellen, wie der arme Mann durchs Gebäude hetzt, übermüdet, unter Zeitdruck. Aber vielleicht ist sie nicht besonders realitätsnah, wie oben angemerkt, das weiß ich nicht, ich arbeite nicht in einem Krankenhaus. Wichtig ist finde ich, dass sie stimmen könnte, denn beide Versionen (Kaffeeautomat vs. Kaffeemaschine, bedient von einer netten Krankenschwester) könnten wahr sein. Wie auch immer.

Lg, catlucy

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom