Was ist neu

Der Trapper von Kappelrodeck

Mitglied
Beitritt
23.03.2017
Beiträge
42
Zuletzt bearbeitet:

Der Trapper von Kappelrodeck

Die Tage kamen und gingen, Hundstage, einer wie der andere. Meistens habe ich mich am Waldrand versteckt, dort, wo die Bäume noch den Blick auf unser Dorf gestatteten. Es ist ein wohlgeordnetes Dorf, dem wegen seines historischen Dorfkerns eine gewisse heimatkundliche Bedeutung zukommt, die wie ein hübsches Schätzchen gehütet wird. Weiter bin ich nicht in den Wald gegangen, denn tiefer, im Zwielicht des Blattwerkes, wäre ich verloren gewesen.

Ein hohler Busch war mein Refugium, vor der mit Zuckerguss aus deutschländlicher Idylle bedeckten Welt. In einem Kästchen lagen meine papiernen Schätze, denen ich jede freie Minute widmete. Sie waren Geschenke einer unbekannten, aber nicht gänzlich unversöhnlichen Großmutter väterlicherseits, die mir mehrmals im Jahr in einem Päckchen ohne Absender zugingen. Hinter den Stacheln des Buschwerks hatte ich meine Ruhe vor den Weinbergen und Fachwerkhäusern. Vor allem aber hatte ich Ruhe vor den anderen, durch die das scheinbare Idyll in seiner Hässlichkeit für mich erfahrbar wurde, wie ein fauler Zahn, dessen Äußeres für den in tadellosem Weiß schimmert, der nur einen flüchtigen Blick darauf wirft. Mein Blick sah die Hässlichkeit in den Gesichtern, wenn sie mir mit verlogener Freundlichkeit zunickten. In ihren Blicken, die mich verfolgten, sobald ich aus der Tür trat. Sie steckten ihre Köpfe zusammen und wisperten: Sieh nur …, da kommt er, der arme kleine Bastard … Was für ein schweres Los der hat …, tut er dir nicht manchmal leid …? Es ist ja nicht seine Schuld, sondern die seiner Mutter …

Einmal, ich erinnere mich noch genau an diesen Tag, hat meine Mutter sie reden hören. Sie machte auf dem Absatz kehrt und baute sich vor der Sprecherin auf: „Was haben Sie da eben gesagt? Sie sollten sich was schämen!“

Ich stelle mir vor, dass sich die Kraft dazu über Jahre hinweg in ihr herangebildet hat. Mit jedem Satz, der sich an ihrer stoischen Gleichgültigkeit rieb. Irgendwann war genug Reibungshitze zusammen und sie musste hervorbrechen. Empörung und Wut plötzlich entladen, in einer schallenden Ohrfeige, die auf die Antwort „Nur die Wahrheit“ folgte und von der heute noch erzählt wird, auch wenn Mama kurz darauf in die Anonymität einer Stadt geflohen ist.

Ich glaube, Leid muss still und mit gesenktem Haupt ertragen werden, so wird es erwartet. Es ist ungehörig, mit dem Finger auf die zu zeigen, die es verursachen, denn wer spricht, macht alle die, die schweigen, zu Mittätern.
Nach dem verzweifelten Ausbruch war meine Mutter in sich zusammengesunken, hatte sich wortlos umgedreht und war ins Haus gegangen. In den nächsten Tagen verfiel sie in Lethargie und ging kaum mehr nach draußen. Vor unserer Tür berichtete jeder dem anderen empört von der Gewalttat an der Frau des Bürgermeisters und mit jeder neuen Erzählung verschob sich die Schuldfrage weiter in Richtung Mama.

Drei Wochen später winkte ich einem ausfahrenden Zug hinterher und versuchte dabei krampfhaft, den Ausdruck auf ihrem Gesicht, mit dem sie sich ein letztes Mal zu mir umgedreht hatte, in mein Gedächtnis zu brennen. Ich erinnere mich heute daran, dass es ein wehmütiger Ausdruck gewesen ist, vermag aber nicht zu sagen, ob nicht vielleicht meine Phantasie die Erleichterung auf ihrem Gesicht verwandelt hat.

Meine Mutter werde mich eines nicht allzu fernen Tages zu sich holen, versicherte mir meine Großmutter von da an jeden Abend vor dem Einschlafen. Ich werde schon sehen.

Nach Monaten ohne irgendeine Nachricht schien Großmutters anfängliche Hoffnung langsam der Erkenntnis gewichen zu sein, dass ich von jetzt an wohl ihre Angelegenheit war. Die unterdrückte Wut in ihrer Stimme, wenn sie gebetsmühlenartig vor dem Einschlafen ihren Satz aufsagte, verschaffte mir Gewissheit. Von nun an war ich der elternlose Bastard, der bei seiner Großmutter wohnte. Der, dessen Vater niemand kannte und dessen Mutter geflohen war, nachdem sie die Frau des Bürgermeisters geohrfeigt hatte. Damals wurden die Abenteuer des Tom Sawyer das Kleinod unter meinen Schätzen. Ich habe das Buch so oft gelesen, dass ich es auswendig kannte. Es ging um Flucht und was blieb mir noch anderes?

Aber den breiten Mississippi, der mich von hier fortbrächte, gab es nicht. Die Acher, in den Sommermonaten gerade knöcheltief, reichte nicht einmal meiner überbordenden Phantasie zum Träumen und Kanus gab es weit und breit keine.

Immerhin verlor ich die Angst vor den Tiefen des Waldes. Hatte nicht auch Finn die Möglichkeit gehabt, als Trapper in die Wälder zu gehen? Ihm wollte ich es gleichtun und begann zunächst kurze, dann immer ausgedehntere Expeditionen, die mich weiter und weiter von meinem Versteck fortführten. Ich grub eine Mulde, in der ich unter Geäst eine stetig wachsende Zahl an nützlichen Dingen und Proviant für mein kommendes Leben in den Wäldern verbarg. Ein paar Wochen schien es mir tatsächlich so, als werde mir, wenn ich nur endlich aufbräche, die Flucht gelingen.

Ich hatte die Zahl der Tage berechnet, die ich noch brauchen würde, um genug beiseite geschafft zu haben, ohne dass es auffiel. Mit jedem Tag, den ich auf einem kleinen Kalender durchstrich, wuchs meine Entschlossenheit.

Als der letzte Strich gesetzt war, verstaute ich die versteckten Lebensmittelkonserven zusammen mit Decke, Kleidung, Taschenmesser, Lampe, Ersatzbatterien, Feuerzeug, Kompass und Angelhaken in einem alten Rucksack, den ich auf dem Dachboden gefunden hatte. Den Tom Sawyer packte ich für den Fall, dass mir Zweifel kämen, dazu. Dann vergrub ich das sorgfältig in Plastik gehüllte Kästchen mit den restlichen Büchern. Ich würde sie nachholen, wenn es mir gelungen wäre, einen Platz für ein festes Lager zu finden. Nach einem letzten Blick auf die sich um die Kirche scharenden Häuser machte ich mich auf den Weg. Nichts hielt mich mehr hier, Freunde hatte ich keine und Großmutters ständige Wut verhinderte, dass sie mich überhaupt wahrnahm. Sie schien, wenn sie mich ansah, immer nur meine geflohene Mutter zu sehen.

Mit jedem Schritt in den Wald hinein fiel ein wenig Gewicht von meinen Schultern. Großmutters Wut blieb ebenso zurück wie die ständigen Blicke, die mich auf meinen Wegen durch das Dorf begleiteten. Ich hatte mir vorgenommen, den ganzen Tag zu laufen, um so viel Abstand wie möglich zwischen mich und die anderen zu bringen, doch nach ein paar Stunden gab ich meinen Plan zunächst auf und legte mich auf einer kleinen Lichtung hin. Ohne Wasser und noch zu nah an meiner Vergangenheit war es kein geeigneter Platz für ein festes Lager, aber das Gepäck war schwerer, als ich erwartet hatte und mein Weg führte über die Ausläufer des Schwarzwaldes.

Ob sie mich bereits suchten? Ich sah auf die Uhr. Wahrscheinlich nicht, schließlich hatte ich nur das Mittagessen verpasst und das kam schon mal vor. Ich galt als Streuner. Eines von den Kindern, die lieber für sich blieben und manchmal stundenlang unterwegs waren. So einen suchte man nicht so schnell, da war ich mir sicher. Aber irgendwann würde es auch bei mir so weit sein.

Großmutter wird dann ihren Gehstock neben der Tür hervorholen und mit bedächtigen Schritten zur Dorfwache herüber gehen, um mein Verschwinden zu melden. Polizeimeister Hemmlein wird ihre Anzeige zu Protokoll nehmen, während von der Wand das Bild des ehemaligen Marinerichters Filbinger streng auf die Beiden herabsieht. Er wird ihr mitteilen, er werde sein Möglichstes tun, um mich zu finden. Aber noch sei ja überhaupt nicht klar, ob ich tatsächlich fort sei, er wolle noch etwas abwarten, vielleicht löse sich das Ganze ja doch von allein. Außerdem sei da noch die Mutter. Ob ich denn nicht vielleicht versuchen würde, zu meiner Mutter zu kommen?

Meine Großmutter wird ihm an den Kopf werfen, dass sich ihre Tochter nie wieder bei ihr gemeldet habe. Sie wisse nicht einmal, wohin sie geflohen sei. Eine alte gebrechliche Frau habe sie einfach mit dem Jungen alleine gelassen. Ob sich der Wachtmeister vorstellen könne, wie sie sich dabei gefühlt habe? Ungefragt, so eine Bürde. Dazu das ganze Gerede im Dorf über den Jungen und seine Mutter. Die habe nicht eine Sekunde an den Ruf der Großmutter gedacht. Nicht eine Sekunde!

Stoisch wird der Wachtmeister ihre Wut über sich ergehen lassen. Was bleibt ihm auch anderes, wenn Großmutter einmal mit dem Schimpfen anfängt… Er wird ihr versichern, dass er sich morgen nach Mutters Adresse erkundigen wird, um zu klären, ob ich dort sei. Versunken in ihre Enttäuschung über die Tochter, wird Großmutter nicken und wieder heimgehen. Morgen ist ja auch noch ein Tag und ich bin schließlich immer schon ein Streuner gewesen.

Bald danach wird es das ganze Dorf wissen, dafür wird der Wachtmeister sorgen, weil er dann etwas anderes zu erzählen hat, als seine ewige Leier von dem verwilderten Hund, der bei Rillings vor Jahren drei Schafe gerissen hat und den er ohne mit der Wimper zu zucken erschossen hat, bevor er weiteres Unheil anrichten konnte. Die Leute werden ihm zuhören und tuscheln: Der Bastard ist weg … Das musste doch früher oder später so kommen … Das Abhauen ist dem angeboren … Bestimmt ist der seiner Mutter hinterher.

Mir war es damals recht so. Ich wollte nur weg von ihnen, sollten sie sich doch das Maul zerreißen, anstatt mich zu suchen. So wäre mein Vorsprung nur größer und ich wäre schon tief in den Wäldern.

Ich machte mich wieder auf den Weg, lief immer weiter, obwohl der Rucksack auf meine Schultern drückte und mir von dem Zug der Nacken steif wurde. Ich hatte mir die Suche nach einem geeigneten Lagerplatz leichter vorgestellt. Das Wasser war ein Problem, wollte sich doch einfach kein Bach zeigen, an dem entlang ich zur Quelle laufen konnte. In Missouri musste es mehr Wasser geben, daran hätte ich denken sollen. Als es dämmerte, hatte ich immer noch kein Lager gefunden und wählte erschöpft den erstbesten Platz für die Nacht. Ein Feuer traute ich mich nicht machen, auch wenn es hier bestimmt keine Banditen wie in Toms und Finns Abenteuern gab, wer wusste, was sich in den Wäldern alles versteckte.
Ich dachte abseits der Zivilisation sei es ruhig. Das stimmte nicht, die vertrauten Laute wichen lediglich unbekannten. Den Oberkörper an einen Baum gelehnt und die Knie eng an den Körper gezogen, lauschte ich atemlos den Geräuschen der Nacht. Der Schrei eines Vogels, das Knacken von Ästen, die von unsichtbaren Pfoten, Hufen und Klauen gebrochen werden. Viel geschlafen habe ich nicht in meiner ersten Nacht als Waldbewohner.

Trotzdem fühlte ich mich nicht schlechter als zuhause, eigentlich sogar besser. Obwohl ich hier in der Nacht die Gefahr fürchtete, war sie tagsüber im Dorf noch gegenwärtiger gewesen. Hier liegt, so glaube ich heute, der Unterschied zwischen Angst und Furcht. Während Angst sich gegenüber dem nicht Gewussten bildet, wir nicht einmal zu sagen vermögen, vor was wir da eigentlich so genau Angst haben, hat die Furcht eine klare Richtung, sie hat ein Gesicht. In meinem Fall sogar mehrere.

Erwartbar war sie, hatte geregelte Uhrzeiten. Die große Pause, den Schulschluss. Am siebten Tage sollst du ruhen - das galt nicht für die Jugendlichen im Dorf, mich eingeschlossen. Wir machten uns nichts aus Geboten. Jeder Weg zu meinem Versteck war ein Spießrutenlauf, bei dem ich peinlich genau darauf achten musste, wohin ich meine Schritte lenkte. Ich kannte die Orte, die sie aufsuchten, machte sonntags einen Bogen um den Spielplatz, der neben der Grundschule lag. In einem Traum, aus dem ich bis heute hochschrecke, habe ich sie unachtsam zu meinem Versteck geführt. Ich wache in dem Augenblick auf, in dem der Busch lichterloh in Flammen steht. Es ist immer ihr Johlen und Klatschen, das mich weckt.

Als es dämmerte, schreckte ich aus unruhigem Schlaf hoch. Die Geräusche des Waldes hatten im Licht des beginnenden Tages ihren Schrecken verloren. Ich gestattete mir bloß einen Apfel, da ich nicht wusste, wie lange meine Reserven würden reichen müssen. Dann brach ich wieder auf. Gut gelaunt, denn die nächtlichen Laute hatten mich auf eine Idee gebracht. Tiere mussten etwas trinken, also suchte ich nach ihren Spuren und folgte ihnen. Mein Taschenmesser griffbereit.

Ich musste bis spät in den Nachmittag hinein laufen, dann wurde ich schließlich belohnt. Aufgeregt folgte ich dem kleinen Bach bis zu dem Punkt, an dem seine Quelle zwischen Felsen heraussprudelte und sich in einem kleinen Becken sammelte. Gierig trank ich das eiskalte Wasser. Hier würde ich mein neues Leben beginnen.

Es war Zeit, mein Lager zu errichten. Ich kam nicht sehr weit, bevor die Dämmerung einsetzte und es zu regnen begann. So verbrachte ich die zweite Nacht zusammengekauert unter einem Überhang des Steins neben der Quelle.

Am nächsten Tag dauerte es beinahe den gesamten Vormittag, bis ich wenigstens so weit eingerichtet war, dass ich bei Regen nicht wieder klamm und verfroren unter dem Stein kauern müsste. Ich hatte eine Plane zwischen zwei Bäumen gespannt und die beiden anderen Enden am Überhang, unter dem ich geschlafen hatte, befestigt. Eine Seite war mit in den Boden gerammten Ästen, Zweigen, Blättern und Moos so weit gesichert, dass der Platz einigermaßen windgeschützt war. Das war natürlich nur vorübergehend, ich plante bereits, eine Blockhütte zu errichten und daneben einen kleinen Garten anzulegen.

Nach dem Mittagessen machte ich mich auf den Weg, um die Umgebung zu erkunden, lief in weiter werdenden Kreisen um das Lager herum und genoss die Abgeschiedenheit. Morgen würde ich einiges zu tun haben. Ich musste einen Fluss oder See zum Fischen finden, außerdem wollte ich Fallen aufstellen, um Kaninchen zu jagen.

Ich hatte mich gerade auf den Rückweg gemacht, als ich ein helles Lachen hörte. Mein Gesicht wurde weiß, das war nah, aber wie konnte das sein. Ich hatte doch auf dem Kompass immer wieder meinen Kurs überprüft, um nicht im Kreis zu laufen. Immer nach Norden war ich gelaufen, eineinhalb Tage lang. Vorsichtig spähte ich zwischen den Zweigen hindurch und traute meinen Augen nicht. Vor mir lag, sichtbar durch das dichte Buschwerk, der Waldrand und dahinter Lautenbach. Ich erkannte es sofort an seiner mittelalterlichen Wallfartskirche. Ich sah auch die Frau, deren Lachen mich so plötzlich aus meinen Gedanken gerissen hatte. Sie lief neben einer anderen auf einem Weg, der ein Stückchen den Abhang hinab am Waldrand entlangführte, vielleicht dreißig Meter von mir entfernt. Sie und ihre Begleiterin unterhielten sich vergnügt, hielten aber inne, als der Hund, der sie begleitete, meine Witterung aufnahm und laut zu bellen begann.

Schnell zog ich mich ein Stück zurück und hätte am liebsten geweint. Ich hatte den ganzen Wald in zwei Tagen durchwandert und war auf der anderen Seite herausgekommen. Wäre ich nur in Missouri, dort sind die Wälder unendlich. Wochenlang konnte man dort marschieren, ohne auch nur eine Seele zu treffen. Aber hier, hier war der Wald zusammengeschrumpft zu einem kleinen Naherholungsgebiet mit Baumbestand inmitten von Feldern und Weinbergen. Mit gesenkten Schultern kehrte ich zu meinem Lager zurück, das mir nun wie ein dummes Kinderspiel vorkam. Wütend riss ich die Plane herunter und trat die schützende Blätterwand in den Boden. Dann raffte ich meine Sachen zusammen, stopfte alles in den Rucksack und lief in Richtung Lautenbach, um den Bus nach Hause zu nehmen. Mir war elend zumute, wenn ich daran dachte, dass man mich mittlerweile bestimmt suchen würde. Tatsächlich kam unser Polizeimeister aus seiner Wache gelaufen, kaum war ich aus dem Bus gestiegen und hielt mich am Arm fest.

„Was machst du denn nur für einen Unsinn? Deine Großmutter ist ganz krank vor Sorge, weil du ausgerissen bist.“ Er führte mich in die Wachstube und setzte mich an einen Tisch, während er im Nebenraum verschwand. Ich hörte ihn durch die geschlossene Tür sprechen. Stolz verkündete er meiner Großmutter, dass es ihm letztlich gelungen sei, den Fall zu lösen, obwohl es ihm nicht gelungen sei, Genaueres über meine Mutter in Erfahrung zu bringen. Nur dass sie wohl in Amerika sei, aber wo genau, das wisse nur der liebe Gott. Jedenfalls könne sie mich jederzeit abholen.

Meine Großmutter ließ mich spüren, dass ich ihren Augen nun genauso ein Flüchtling war, wie meine beiden Eltern. Ein Trapper?? Ich sei doch kein kleines Kind mehr, das nicht zwischen Phantasie und Realität unterscheiden könne. Die literarischen Pakete blieben von da an aus. Meine Großmutter ist seit Jahren tot ist und ich habe niemals erfahren, ob sie die Verantwortung dafür trägt.

Sie beschloss, dass es das Beste sei, wenn ich ab dem schnellstmöglichen Zeitpunkt ein Internat besuchen würde. Dort würde man mir meine Flausen schon austreiben und vielleicht würde man im Dorf auch irgendwann über etwas anderes reden als über Jakob, den Bastard, der ein Trapper sein wollte, aber nur ein Idiot war. Mir war es recht, denn so glückte meine Flucht vor den Weinbergen und den Fachwerkhäusern letztlich doch noch.

 

Hallo Blumenberg

Insgesamt mochte ich deine Geschichte, vorallem, als dein Prot im Wald unterwegs ist.

Zu meckern hab ich natürlich trotzdem ein paar Sachen:

Sie waren Geschenke einer unbekannten, aber nicht gänzlich unversöhnlichen Großmutter, die mir mehrmals im Jahr in einem Päckchen ohne Absender zugingen.

Ich nehme an, er wohnt hier schon bei seiner Oma? Warum kommen sie dann per Päckchen? Oder ist er hier schon im Internat?

Ich sei doch kein kleines Kind mehr, das nicht zwischen Phantasie und Realität unterscheiden könne. Die literarischen Pakete blieben von da an aus. Meine Großmutter ist seit Jahren tot (ist) und ich habe niemals erfahren, ob sie die Verantwortung dafür trägt.

Das verwirrt mit der oben gestellten Frage. Ich ging davon aus, dass die Oma keine Bücher mehr schickt, weil er ausgebüchst war. Aber er kam doch erst danach ins Internat, also wären nie Bücher zum Internat geschickt wurden?
Oder kommen sie von der Mutter, aber warum sollte sie gerade in dem Moment aufhören diese zu schicken, als er ausgebüchst war? Oder hat die Oma sie dann einfach weggeworfen?


Dann nochmal zum Ende, das war viel zu kurz, für alles, was da noch vorgefallen ist. In den letzten beiden Abschnitten passiert fast mehr, als im Rest der Geschichte.

Die Oma stirbt, er kommt ins Internat, das sind doch wichtige Ereignisse, werden aber beide, finde ich, zu kurz nebenbei erwähnt. Auch, dass er am Ende halbwegs glücklich ist, weil er von seinem Dorf wegkam, würde ich mehr als einen kleinen Satz widmen.

Grüße,
Kaspar Hauser

 

Hallo Kasper Hauser,

vielen Dank für die hilfreiche Rückmeldung. Ein bisschen was zu meckern ist doch gut; wenn´s qualifiziert ist, macht´s den Text besser. Ich freue mich, dass im Gesamteindruck das Positive zu überwiegen scheint.

Ich nehme an, er wohnt hier schon bei seiner Oma? Warum kommen sie dann per Päckchen? Oder ist er hier schon im Internat?

Das ist wohl ein klassischer Fall von einer Information, die ich mir als Autor mitgedacht habe, die dem neutralen Leser aber fehlt. Die erwähnte Großmutter ist die väterlicherseits. Sie will durch den fehlenden Absender unerkannt bleiben, der Protagonist denkt sich, dass die Päckchen von ihr sind.

Was das Ende betrifft ist dein Eindruck sicherlich nicht falsch, dass in den letzten beiden Absätzen sehr viel gebündelt ist. Ich werde mir in einer ruhigen Minute Gedanken machen, wie ich das noch ein wenig entzerrt bekomme.

Beste Grüße

Blumenberg

 

Hallo Caroline,

Ich habe bisher nur eine Kleinigkeit überarbeitet, mit größeren Änderungen wollte ich zunächst einmal ein paar Rückmeldungen abwarten um Eindrücke zu sammeln und diese dann aufzunehmen.

Ein hohler Busch war mein Refugium

Manchmal bilden Sträucher in ihrer Mitte eine Art natürliche Höhle, die von Außen nicht sichtbar ist, das habe ich hier gemeint. In einer früheren Version war es übrigens tatsächlich ein Dornbusch.

Mein Gesicht wurde weiß, das war nah, aber wie konnte das sein.

Diese Anmerkung kann ich absolut nachvollziehen und du hast recht, der Satz gehört dringend geändert, da die Formulierung wirklich ungeschickt ist.

Was die Großmütter abgeht, werde ich mir diese Passagen noch einmal vorhnehmen und versuchen sie ein wenig deutlicher von einander abzusetzen. Die Großmutter väterlicherseits schickt die Geschenke, die mütterlicherseits nimmt ihn auf, als die Mutter das Dorf verlässt.

Die Literaturgeschenke halte ich aus mehreren Gründen für wesentlich, ob das mystifizierend ist kann ich dir nicht sagen. Zunächst sind sie eine Spur zur Anwesenheit der väterlichen Seite der Familie, die durch den Unbekannten Absender gleichzeitig Ablehnung ausdrückt. Daneben bilden sie gewissermaßen Ideengeber für die Flucht des Protagonisten, da der Tom Sawyer eines der Geschenke ist. Am Ende der Geschichte (hier werde ich versuchen das klarer zu machen) soll das Ausbleiben der Geschenke eine Strafe darstellen, denn die Bücher sind der geistige Fluchtort des Protagonisten und gleichzeitig die einzige Verbidnung zur Familie des Vaters. Ich habe versucht eine Ahnung, welche Seite für das Ausbleiben der Pakete verantwortlich ist, auszudrücken, der der Protagonist aber bis zum Tod der Großmutter aber nicht nachgegangen ist um sich Gewissheit zu verschaffen.

Die Enttäuschung des Protagonisten und sein entsprechendes Innenleben könntest du noch ein wenig mehr ausarbeiten, wie du es im ersten Teil getan hast. Das würde dem Ende mehr Spannung verleihen.

Was das Ende angeht, mit dem bin ich in der Tat selbst nicht so recht glücklich, ich werde zusehen, ob ich es bei der Überarbeitung nicht ein wenig runder und etwas weniger plötzlich gestaltet bekomme. Auch dein Hinweis, das Innenleben des Protagonisten im letzten Teil noch etwas mehr auszubreiten scheint mir sinnvoll.

Vielen Dank für deine Anmerkungen und einen schönen Sonntag

Blumenberg

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Blumenberg

Erstmal spiele ich das Großelternfragespielchen noch ein bisschen weiter.

Wie kann die Großmutter väterlicherseits denn eigentlich wissen, was passiert ist, (um danach die Büchersendungen einzustellen) sie verschickt die Bücher doch immer ohne Absender, also könnte man sie eigentlich gar nicht kontaktieren, um ihr davon zu berichten?

Dann noch der übliche Kleinkram (ich habe so langsam das Gefühl, meine Beiträge bestehen aus nichts anderem mehr)

Ich werde schon sehen
Das ist doch wieder wiedergegebene Rede, also müsste es eigentlich würde statt werde heißen.

verstaute ich (...) in einen alten Rucksack
Wo verstaue ich es? In einem alten Rucksack.

immer nur meine fliehende Mutter zu sehen
Die Mutter flieht doch nicht mehr. Deswegen würde ich meine geflohene Mutter schreiben, aber hier könnten sich wohl einfach die Geschmäcker streiten.

mit dem Schimpfen anfängt...
so kommen...Das abhauen ist dem angeboren...Bestimmt ist der seiner Mutter hinterher.
Eins der schockierendsten Dinge, die ich hier gelernt habe (Na ja, eigentlich überhaupt nicht schockierend, ich wollte es nur ein bisschen dramatisch gestalten und eigentlich war es mir auch schon zur Hälfte bekannt): vor und hinter die drei Auslassungspunkte kommt ein Leerzeichen, (es sei denn, du brichst das letzte Wort davor mittendrin ab, dann kommt das Leerzeichen nur dahinter)

in dem Augenblick, in dem der Busch lichterloh in Flammen steht.
In Flammen zu stehen ist ein längerer Vorgang, also definitiv kein einer Augenblick.

Vielleicht:
In dem Augenblick, als der Busch Feuer fängt?

zuhause
nachhause
Bei dem zweiten Wort, bin ich mir nicht sicher, ob das überhaupt legitim ist, beim ersten ist es auf jeden Fall erlaubt, aber ich finde, das sieht so schrecklich aus, dass sich mir die Zehennägel hochrollen.
Mir gefällt zu Hause viel, viel besser. Und nach Hause.

Damit habe ich meine Notizen auch schon wieder abgearbeitet, bin also fertig.

Viele Grüße.
Anna

 

Hallo Anna,

nichts dagegen, über Großmütter zu reden ist doch was Schönes.

Der Protagonist vermutet, dass die Großmutter mütterlicherseits, bei der er lebt, für das Ausbleiben der Pakete die Verantwortung trägt (Ob sie sie wegwirft, oder einfach nicht annimt überlasse ich der Phantasie des Lesers). Er hat aber bis zu ihrem Tod aber nie danach gefragt, um sich Gewissheit zu verschaffen und das spricht er an.

Danke für die Anmerkungen, hier schleichen sich, die üblichen kleinen Fehlerchen und sprachlichen Fehlgriffe ein, die mir selbst gar nicht mehr auffallen. Umso besser, wenn es jemand anderer bemerkt.

Zu Hause; nach Hause. Zuhause; nachhause

Bei dem zweiten Wort, bin ich mir nicht sicher, ob das überhaupt legitim ist…
Hier habe ich mal meinen Freund, den Duden, befragt und er sagt, beide Versionen sind zulässig, du hast aber recht damit, dass die erste Version, die ansprechendere ist.

Beste Grüße

Blumenberg

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom