Mitglied
- Beitritt
- 08.01.2002
- Beiträge
- 4
Der Verstoßene
====================
Der Verstoßene
====================
Langsam kam er auf die Beine. Die Schläge seines damaligen Freundes waren so hart, dass er damit kämpfen musste, nicht in Ohnmacht zu fallen. Er wischte sich die Blutflecken von der Nase und von den Lippen. Der Geschmack von Blut. Lange hatte er sich davon verabschiedet, wollte jedes Bedürfnis danach verdrängen, trotz seiner schrecklichen Herkunft und des dämonischen Saftes, der durch seine Adern floss. Als er wieder bei Kräften war, wurde er sehr wütend. Er war im Begriff vor Wut zu explodieren, seinen ehemaligen Freund zu töten. „Ich sehe wie schwach du bist. Sehr schwach. Allein mit Wut wirst du nichts erreichen!“, sagte dieser verächtlich, aber auch er hatte Verletzungen davongetragen. Einige Sekunden vergingen, als der Verstoßene schließlich kehrt machte und weglief. Die Scham stand ihm ins Gesicht geschrieben, wofür es auch einen Grund gab. Als er weit genug entfernt war machte er seine Verwandlung durch und schwebte in den nachtschwarzen Himmel. Er war nicht böse, so wie seine Brüder und Schwestern. Er war einer der Außenseiter, die es wagten gegen die Philosophie der Dämonen zu leben und er hatte somit ein schweres Schicksal auf sich lasten.
Sein Schlaf war gut, auf einer grauen Gewitterwolke, viele Meter über der Erde. Er kannte niemanden, nur seine Feinde, seine einstigen Verwandten und Freunde, die ihn für seinen Lebenswandel hassten.
Des Nachts hörte er Stimmen in seinem Kopf. Stimmen, die ihn dazu überreden wollten, auf die Schattenseite des Lebens zurückzukehren und Menschen zu töten. Stimmen, die er nie vergessen würde, auch wenn sie ihn nicht mehr verfolgten.
Zu seinen Lebzeiten war er sehr abgemagert, wohl durch die Tatsache, dass er von kleinerem Wild lebte und nicht von Menschen, wie es für seine Rasse normal war. Aber er war nicht der einzigste Außenseiter des Dämonenvolkes. Auch sein Vater, der bereits tot war, gefallen durch die Hand seines zweiten Sohnes, welcher ihm des Nachts das Leben nahm, weil er sich für die Wandlung seines Vaters schämte, war einer dieser.
Eines Tages, es musste zur Mittagszeit gewesen sein, zog ein mächtiger Sturm auf. Ein Sturm, dem er und seine Wolke nicht gewachsen waren. Der Wind packte ihn an den dämonischen Flügeln, zerrte ihn gegen seinen Willen fort. Er verlor wohl das Bewusstsein und kam zu sich, als ein paar goldene Sonnenstrahlen sein Haupt beschienen. Langsam blickte er nach oben, aber es war nicht die Sonne, die er sah. Es war ein Gesicht, umhüllt von Kraft und Wärme. Gleißendes Licht strahlte es aus, dazu fasste den Dämonen eine besänftigende Aura, die unbeschreiblich war.
Er stand sicherlich mehrer Stunden dort und schaute in dieses Gesicht. Ein Lächeln zeichnete jetzt seine Lippen aus, als er seine Familie erkannte, von der er damals verstoßen wurde. Nun begann er zu schweben, seine Glieder ausgespreitzt und sein Atem ruhig. Vor ihm spielte sich ein endloser Film ab.
Er sah den Tod. Tote Menschen, die er tötete und die seine Verwandten jetzt noch töteten. Aber er sah auch seine Erinnerungen. Er musste sie verdrängt haben, aber als er all dies sah, bohrten sich Löcher in seinen Verstand...
Die Liebe
Damals liebte er eine Frau, besser gesagt: eine menschliche Frau. Gelächter und Zorn zog er damit auf sich und er wurde von so manchem Dämonen belächelt. Sie hatte braune Haare, verzaubernde Augen und ein Lächeln der Unsterblichkeit...
In diesem Moment schalteten sich seine Gefühle ein. Er sehnte sich nach ihr, doch sie schlief jetzt. Sie schlief, seitdem seine Verwandte ihr die Zähne in den Lieb stießen und ihr Blut tranken. Er brauchte damals lange, um dies zu verkraften, aber es war noch nicht vorüber. Er wollte sich für diese Ungerechtigkeit rächen, auch wenn er sich dabei gegen seine Familie stellen musste.
Sein Vater war schon längst fort. Sein Vater, der dasselbe Schicksal mit ihm teilte.
Als man dann die Leiche seiner Mutter fand, säuberlich verscharrt und leise getötet, war es um ihn geschehen. Man verbannte ihn und wünschte ihm ewige Einsamkeit.
Die Einsamkeit
Diese Bilder erschreckten ihn zunächst. Er sah sich, wie er oftmals auf dem morschen Gerüst einer alten Scheune hockte und mit dem Gedanken spielte, sich auf den nächst besten Menschen zu werfen, um sich vom diesem zu ernähren. Aber trotzdem schaffte er es, diesem Drang zu widerstehen. Stattdessen ging er in den Wald, abgeschieden von Menschen und Artgenossen, um alleine zu sein. Auch Nahrung fand er hier reichlich, in Form von Kaninchen und Rehen. Aber er schwor sich, nie wieder einen Menschen zu töten, da ihm ein solcher einst genommen wurde und er wusste wie man sich danach fühlte.
So lebte er lange Zeit - es waren sicherlich einige Jahre - einsam im Wald. Er sprach aus diesem Grund lange nicht und verlernte bald die Sprache der Dämonen und die der Menschen, welche er perfekt beherrschte.
Auch seine dämonischen Eigenschaften verwendete er nicht mehr. Er verwandelte sich höchstens noch, um ein paar Früchte mit dem auftreibenden Wind, den seine Flügel beim Schlagen erzeugten, von einem Baum zu wehen.
Der Wahnsinn
Wieder waren es schlechte Erinnerungen, die zu ihm kamen, zudem er glaubte, dass er überhaupt keine guten hatte. Und mit der Einsamkeit kam auch der Wahnsinn: Er hatte in der langen Zeit in der Wildnis und mit den Gedanken an seine Verstoßung viel Wut erzeugt.
Schließlich verließ er den Wald und lief in seine alte Heimat. Dort traf er dann auf seinen ehemaligen, dämonischen Freund und wurde kurz darauf zu der Stelle gebracht, an der er sich jetzt befand.
Den Himmel.
Der Tod
Dann sah er sich. Tot, während seine Verwandten um ihn standen, in einem Kreis waren sie versammelt und jammerten bitterlich, als sie das Schild erkannten, das seinen Körper schmückte:
„Der einst Verstoßene ist gegangen. Angst und Furcht vor dem Bösen trieben ihn fort. Getötet durch die Hand seiner Genossen. Und trotzdem immer in ihren Herzen.“
PS: Falls der Text eures Erachtens Unreinheiten aufweist, müsst ihr dies entschuldigen... Liegt dann wohl an meinem Alter.