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Der Wahrbaum

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16.03.2015
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Der Wahrbaum

Karl war sich nicht sicher, ob es das Zeichen einer kommenden Katastrophe war, aber er wusste, dass auf seiner Lieblingsbank, unter der alten Linde, normalerweise keine nackte, blaue Gestalt mit aufgeklapptem Koffer saß. Karl trat zurück und stützte sich an die Wand des Optikerladens, den er gerade erst verlassen hatte. Er atmete aus, nahm seine Sonnenbrille ab, rieb sich die Augen und setzte sich das Teil wieder auf. Grundgütiger! Es war kein Traum.
Geschäftsleute aus umliegenden Gebäuden, Schüler oder Rentner wie er – ja, solche Typen waren es, die ihm mittags seinen angestammten, schattigen Platz wegnahmen. Aber doch nicht Aliens.
Karl schaute genauer hin. Der Kopf der Gestalt war lang und schmal, hatte die Form einer umgedrehten Birne. Die Augen: groß wie Mandarinen, die Schultern: schmal wie die eines Kindes und die Brust war bloß flach. Alles in allem zwar hässlich und seltsam, aber mit Theaterutensilien wie Kostüm, Schminke oder Modelliermasse machbar. Nur die Füße nicht, erinnerten sie doch eher an Watschelfüße einer Ente.

Er überlegte, ob er heute Morgen seine Tabletten vergessen hatte, als ein Bus am Marktplatz vorbeirollte. Keiner der Insassen gaffte durch die Scheiben zum blauen Wesen. Über das Kopfsteinpflaster des Marktplatzes schlenderten die Leute wie eh und je; eine Frau schob einen Kinderwagen an der Bank vorbei, schaute erst gar nicht hin. Und diese Gestalt hantierte unbekümmert weiter im silbernen Koffer herum. Ungefragt mitten auf seiner Bank. Ungestört unter seinem Baum.
Vor fünfhundert Jahren wurde unter der Linde unter freiem Himmel und in aller Öffentlichkeit Gericht gehalten, die Wahrheit gesprochen, wurden Schicksale besiegelt. Und jetzt saß unter dem Wahrbaum ein Außerirdischer. Sollte er jetzt das letzte Gericht halten? Über ihn?
Karl dachte nach. Schüttelte den Kopf. Er grübelte erneut und riss dann den Mund auf, nicht wissend, ob er schreien sollte, als ein Mann schnurstracks auf die Bank zueilte und dabei sein Pausenbrot aus der Aktentasche holte. In Gedanken malte sich Karl aus, wie das Alien nach seiner Neutronenkanone griff und den Mann in Schleim verwandelte oder einfach in Luft auflöste. Das Alien schaute kurz auf und nestelte dann weiter mit den langen, schlanken Fingern – hatten die Hände tatsächlich vier Glieder? – im Koffer herum. Der Mann blieb vor dem Alien stehen, griff nach seinem Handy und schaute aufs Display. Mit dem Telefon in der Hand drehte er sich um und zog im selben Tempo, in dem er gekommen war, von dannen.
Nachdem er das Brillengestell gerade geschoben hatte, schaute Karl in die andere Richtung. Schließlich stand er keine zwanzig Meter von dem Wesen entfernt. Es musste ihn bemerkt haben und wenn nicht, war es schlauer, gar nicht erst aufzufallen. So etwas hatte er in achtundsiebzig Jahren noch nicht erlebt. Er zwickte sich, zweifelte, ob er bei Verstand war.
Karl setzte die Brille ab, wischte sich erneut über die Stirn, lugte dabei aus dem Augenwinkel hinüber. Die Gestalt war verschwunden! Samt Koffer. Das konnte er auch ohne Brille erkennen. Karl ließ den Blick über den Marktplatz schweifen. Wie war es möglich, mir nichts dir nichts zu verschwinden?

Erleichtert atmete Karl aus, blinzelte. Die Sonne blendete zu stark, und er setzte die Brille auf. Er spürte das Pochen seines Herzschlags in den Schläfen, seine Fingerkuppen waren kalt. Die blaue Gestalt saß auf der Bank! Wieder oder immer noch, das vermochte er nicht zu sagen. Karl hob die Brille an. Eine Sonderanfertigung mit maßgeschneiderter Glasoptimierung und Spezialbeschichtung für seine mannigfachen Sehschwächen, wofür man ihm gerade die halbe Monatsrente abgeknöpft hatte, wenn er also unter eben dieser Brille hinweg in Richtung Bank schaute, sah er: Nichts, außer Baum und Bank. Verschwommen. Er schaute durchs Glas – sah die Gestalt. Er wiederholte es mehrmals. Nein, ja. Nein, ja. Nein, ja. Hastig drehte sich Karl zum Optikerladen, machte einen großen Satz und stand vor verschlossener Tür. Mittagspause. Wild klopfte er gegen die Scheibe. Nichts rührte sich im Inneren.
Es war sinnlos, Hilfe zu holen. Keiner würde ihm glauben.

Aus dem Restaurant nebenan, wo er sich an heißen Tagen gelegentlich einen Eimer Wasser für den Baum geben ließ, trat eine Frau heraus. „Entschuldigen Sie, entschuldigen Sie!“, rief Karl.
Die Frau blieb stehen. „Ja, bitte?“
„Ich muss heute wohl die Brille meiner Frau eingesteckt haben“, meinte er lächelnd und nahm die Brille in die Hand. „Ich habe mich unter der alten Linde mit einem Freund verabredet. Sehen Sie, ob er schon auf der Bank sitzt? Ich möchte lieber hier stehen bleiben, ihn nicht verpassen, wenn er aus dem Bus steigen sollte“, sagte er und deutete auf die Haltestelle.
Die Frau machte einen langen Hals, hielt sich schützend die Hand über die Augen. „Nein, da sitzt niemand.“
„Keiner? Sind Sie sicher? Die Sonne … die Sonne …“, stotterte er. „Blendet Sie die Sonne? Hier nehmen Sie die Sonnenbrille!“
„Ist schon gut. Tut mir leid, ihr Freund ist nicht da“, sagte sie und ging weiter.
Mit rotem Kopf folgte er der Frau, fasste sie an die Schulter. „Nehmen Sie bitte die Brille!“
„Lassen Sie mich los!“ Sie löste sich aus der Umklammerung und ging mit schnelleren Schritten weiter.
Karl holte sie ein, blieb vor ihr stehen und hielt ihr die Brille hin. „Nehmen Sie die Brille! Los! Die Brille!“
„Hilfe!“, schrie die Frau, machte kehrt und rannte fort.
Karl setzte sich die Brille auf und lief ihr über das Kopfsteinpflaster hinterher. „Vielleicht kommen noch mehr von ihnen!“
Ein paarmal stieß er gegen die Kanten der Pflastersteine, kam ins Straucheln und rief weiter: „Wer weiß, was sie vorhaben!“

Langsam trottete er zurück zum Marktplatz und sah das Alien noch immer auf der Bank sitzen, den Koffer auf dem Schoß. Plötzlich wurde ihm kalt. Am Himmel blitzte etwas auf. Die Erde vibrierte unter Karls Füßen und die alte Gerichtslinde schwebte vom Nebel umgeben einige Meter über den Boden. Wie in Zeitlupe wedelten die am Baum hängenden, meterlangen Wurzeln.
Dann ein lauter Knall, und der Baum schoss in Sekundenschnelle in den Himmel, wie eine hinaufkatapultierte Rakete. Augenblicklich war alles wieder wie zuvor. Nur, dass der alte Wahrbaum samt Alien verschwunden war. Mit ihm all die Wahrheiten. All die Gedanken, die er sich unter dem Baum gemacht hatte. Die Vorwürfe, die Ausreden, die Entschuldigungen; die Geheimnisse, die er ihm anvertraut hatte. Niemand sonst wusste von dem Mädchen. Kein Mensch wusste, wo er es hingebracht hatte.
Karl ging näher, sah ein tiefes Loch, als hätten Arbeiter einen alten Baum samt Wurzel ausgebuddelt und vergessen, die Stelle mit Erde aufzufüllen.
Auf und rund um den Marktplatz herrschte das typische Mittwochmittag-Treiben. Keiner der Leute schien etwas realisiert zu haben, noch zu merken, dass der Baum fehlte. Und mit ihm die ganze Wahrheit. Die Bank aber war geblieben. Karl drehte sich mehrmals um, ging dann auf die Bank zu. Erst langsam, dann immer schneller. Der Koffer lag aufgeklappt auf der Sitzfläche. Karl beugte sich darüber. Sein Herz klopfte wie wild, als er vorsichtig hineinlinste. Ein Zucken durchflutete seinen Körper. Die Wahrheiten. Karl schaute genauer hin, begriff. Der Wahrbaum hatte sie zurückgelassen.
Karl richtete sich auf, senkte den Blick und versuchte, die Tränen wegzublinzeln, dagegen anzukämpfen. Schnell schlug er den Koffer zu, riss sich die Brille herunter, warf sie auf die Erde und stellte den Fuß darauf. Trat nochmal drauf und nochmal, verlagerte sein ganzes Gewicht auf das Bein und stampfte und drehte den Fuß, bis die Bügel verbogen und die Gläser zersplittert waren. Dann schob er die kleinen Scherben mit dem Fuß in das Loch, das der Baum hinterlassen hatte. Karl packte am Griff des Koffers, konnte ihn nicht anheben. Mit beiden Armen umklammerte er schließlich den Koffer und drückte ihn an seine Brust. Ohne sich ein einziges Mal umzudrehen, ging er fort.

 

Hallo Gomusic,
hab deine Geschichte gerne gelesen, ich hab allerdings auch was übrig für solche merkwürdigen Szenarien. Ich fand die Geschichte unterhaltsam, merkwürdig, musste zum Teil sehr schmunzeln über Situationen, wo ein Passant neben dem Alien steht. Von mir aus hättest du das ruhig noch was ausreizen dürfen.

Und ja, leider bin auch ich mit dem Ende nicht wirklich zufrieden, ich hab so ein bisschen rumüberlegt, was ein mögliches Ende sein könnte, was also er im Koffer findet. Ich glaube mittlerweile aber, es wäre die falsche Herangehensweise, ihn im Koffer etwas Bestimmtes sehen zu lassen. Dass Karl den Koffer verschwinden lässt, die Brille zerstört und traurig ist, sagt ja schon sehr viel. Eigentlich müsste man die Inhalte vorher stärker betonen und fokussieren, damit das Ende bei aller Offenheit doch eine stärkere Richtung gewinnt.
Ich persönlich habe Titel und die Funktion dieses Baumes zusammengebracht, ebenso das Künstliche und Flüchtige, wenn so ein Wahrbaum einfach verschwinden kann und nur einer das wahre Geschehen sehen kann. Es also die Wahrheit möglicherweise gar nicht gibt. Ja, vielleicht geh es in diese Richtung. Aber wenn man deine Antworten zum Beispiel die auf @peregrina so liest, hat man das Gefühl, du willst dich entweder auf keinen Fall festlegen lassen oder so ein Rätselspielchen mit dem Leser treiben. Das mag ich eigentlich nicht so sehr, obwohl ich es sehr klasse finde, mehrdeutige, offene Enden zu lesen. Aber ich denke, du müsstest dir doch was gedacht haben, als du deinen plot geplant und geschrieben hast. Und selbst wenn das Schreiben einen überkommt, weil man einem merkwürdigen Satz folgt, hat man doch hinterher immer noch die Entscheidungsmöglichkeit, wie man was gewichten will. Und warum rücktst du dann nicht damit raus? Da hättest du ein zielgerichtetes Feedback.
Ich denke mir, wie gesagt, es ist eigentlich schon alles da, um runder zu werden, man müsste nur ein klein wenig mehr fokussieren. Diese Betonungen stärker anbahnen, so dass der Leser gar nicht mehr den Inhalt des Koffers so ganz genau wissen muss. Aber momentan bist du noch ein wenig sehr allgemein oder unentschlossen für mein Befinden.

Zum ersten Satz wollte ich auch noch was sagen:
Ich find den gar nicht so schlecht. Ich kann verstehen, dass du ihn behalten willst. Ich finde nur, du hast ihn ungünstig mit dem Rest verquickt. Und die Argumentation von @Nichtgeburtstagskind, dass es sich bei dem hockenden Alien ja schlecht um ein Zeichen handeln kann, ist einfach unwiderlegbar. Also würde ich Zeichen irgendwie rausstreichen, den Satz bisschen umformulieren. Dann kannst du deinen Lieblingssatz zumindest teilweise behalten.

Trotz meiner Kritik gerne und mit Vergnügen gelesen.
Viele Grüße von Novak

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Novak,

vielen Dank für deine Zeit und den tollen Kommentar, über den ich mich sehr gefreut habe, der die Story weiterbringen wird.

hab deine Geschichte gerne gelesen, ich hab allerdings auch was übrig für solche merkwürdigen Szenarien. Ich fand die Geschichte unterhaltsam, merkwürdig, musste zum Teil sehr schmunzeln über Situationen, wo ein Passant neben dem Alien steht. Von mir aus hättest du das ruhig noch was ausreizen dürfen.
Freut mich sehr.
Ich hatte in einer Phase des Schreibens noch daran gedacht, mehr Szene einzubauen, über die man schmunzeln könnte, entschied mich aber dagegen, um es nicht zu komisch zu machen.
Vielleicht fällt mir die eine oder andere Kleinigkeit (wieder) ein, etwas Abstruses. Kann sicher in homöopathischer Dosis nicht schaden :shy:

Und ja, leider bin auch ich mit dem Ende nicht wirklich zufrieden, ich hab so ein bisschen rumüberlegt, was ein mögliches Ende sein könnte, was also er im Koffer findet.
Ja, das Ende. Das große Fragezeichen ... (noch)

Ich glaube mittlerweile aber, es wäre die falsche Herangehensweise, ihn im Koffer etwas Bestimmtes sehen zu lassen. Dass Karl den Koffer verschwinden lässt, die Brille zerstört und traurig ist, sagt ja schon sehr viel.
Gut, dass du das so empfindest. Ich wollte auch gar nicht so sehr, dass Karl und die Leser so scharf darauf sind zu erfahren, was sich im Koffer befindet.
Wie soll ich es erklären? Am besten passt dazu deine folgende Aussage:

Eigentlich müsste man die Inhalte vorher stärker betonen und fokussieren, damit das Ende bei aller Offenheit doch eine stärkere Richtung gewinnt.
Das ist es; hast du gut gesagt. Quasi das Hauptaugenmerk auf das richten, was vorher bzw. drumherum passiert, nicht unbedingt auf den Kofferinhalt. Leider ist mir das noch nicht gelungen.

Es also die Wahrheit möglicherweise gar nicht gibt. Ja, vielleicht geh es in diese Richtung.
Sehr schön. Darauf sollte es hinlaufen.
Mache mir Gedanken, wie ich das verdeutlichen kann.

Ich denke mir, wie gesagt, es ist eigentlich schon alles da, um runder zu werden, man müsste nur ein klein wenig mehr fokussieren. Diese Betonungen stärker anbahnen, so dass der Leser gar nicht mehr den Inhalt des Koffers so ganz genau wissen muss. Aber momentan bist du noch ein wenig sehr allgemein oder unentschlossen für mein Befinden.
Ja, zu allgemein, besser: zu unentschlossen, eine Richtung vorzugeben. Wie gesagt, denke ich darüber nach.

Zum ersten Satz wollte ich auch noch was sagen:
Ich find den gar nicht so schlecht. Ich kann verstehen, dass du ihn behalten willst. Ich finde nur, du hast ihn ungünstig mit dem Rest verquickt.
Wie du sagst, hat @Nichtgeburtstagskind es prima erklärt, dass es kein Zeichen ist, und ich kann es nicht widerlegen.
Ich habe es nun endlich geändert, so dass ich ich dennoch mit dem ersten Satz (der ja mein Trigger zum Schreiben war) "identifizieren" kann ;)

Also würde ich Zeichen irgendwie rausstreichen, den Satz bisschen umformulieren. Dann kannst du deinen Lieblingssatz zumindest teilweise behalten.
Yepp.

Trotz meiner Kritik gerne und mit Vergnügen gelesen.
Danke sehr.

Wünsche dir einen schönen Abend.
Liebe Grüße, GoMusic


Eilt: Ich hab nun eine Stelle eingebaut, die vielleicht die Richtung vorgeben könnte, worauf es hinausläuft. (fett markiert)

Auf und rund um den Marktplatz herrschte das typische Mittwochmittag-Treiben. Keiner der Leute schien etwas realisiert zu haben, noch zu merken, dass der Baum fehlte. Und mit ihm die ganze Wahrheit. Die Bank aber war geblieben.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi @GoMusic!

Ich hab die Vorkommentare nicht gelesen, du bekommst also einen direkten Leseeindruck.

Ich hab die Geschichte nicht ungern gelesen. Sprachlich bist du auf einem Niveau, wo du natürlich sehr flüssig erzählen kannst und man deine Texte in einem Rutsch durchlesen kann. Hier und da würde ich vielleicht noch mal schauen, ob du einzelne Satzteile oder kurze Gedanken und Szenen kürzen könntest. Gerade, als dann der Junge unter den Baum trat, dachte ich mir, das bringt die Geschichte doch jetzt nicht weiter. Langatmig empfand ich deine Geschichte an keinem Teil, aber ein wenig Verschlanken, z.B. hier:

Kopfsteinpflaster des Marktplatzes schlenderten die Leute wie eh und je, eine Frau schob einen Kinderwagen ein paar Meter an der Bank vorbei.
das ist doch keine wichtige Info, nur Ballast

Alles ganz so, als wäre eine nackte blaue Gestalt auf dem Marktplatz das Normalste der Welt. Und diese Gestalt fummelte unbekümmert und ausdruckslos – wenn auf dem glatten, faltenlosen Gesicht überhaupt jemals ein Gesichtsausdruck erkennbar wäre, – weiter im silbernen Koffer herum. Ungefragt mitten auf seiner Bank. Ungestört unter seinem Baum.
Vor fünfhundert Jahren wurde unter der Linde unter freiem Himmel und in aller Öffentlichkeit Gericht gehalten, die Wahrheit gesprochen, wurden Schicksale besiegelt. Und jetzt saß unter dem Wahrbaum ein Außerirdischer und tat … ja, was eigentlich?
Dann konnte es nur besser werden, dachte Karl und stand mit offenem Mund da, nicht wissend, ob er schreien oder schweigen sollte, als ein Mann im Zwirn schnurstracks mitten auf die Bank zueilte und dabei sein Pausenbrot aus der Aktentasche holte.
In Gedanken malte sich Karl aus, wie das Alien nach seiner Neutronenkanone griff und den Anzugträger in Schleim verwandelte, neutronisierte, neutralisierte oder einfach in Luft auflöste.
Das Alien schaute kurz auf und nestelte dann weiter mit den langen, schlanken Fingern – hatten die Hände tatsächlich vier Glieder? – im Koffer herum.
Karl atmete noch erleichtert aus, während ein Schulkind mit Tornister über das Kopfsteinpflaster seine Kreise zog und sich der Bank näherte. Karl erstarrte, sah, wie das Kind kurz vor dem Alien stehen blieb, seinen Kopf zur Schulter drehte und sich an die Jacke fasste. Fluchend schaute es nach oben, putzte sich die Hand an der Hose ab und verschwand. Ein im Baum sitzender Vogel musste das Kind getroffen haben.
Diese Szene bringt die Geschichte nicht weiter. Im Endeffekt sagt sie das gleiche wie die Szene zuvor: Umstehende Leute können das Alien sicher nicht sehen, denn selbst, wenn sie vor ihm stehen, reagieren sie nicht auf das Alien.
Nachdem er das Brillengestell gerade geschoben und sich Schweiß von der Stirn gewischt hatte, schaute Karl unauffällig in die andere Richtung.
So etwas hatte er in den achtundsiebzig Jahren, die er unter den Lebenden auf Erden weilte, noch nicht gesehen.
Vorschlag: So etwas hatte er in den Jahren, die er unter den Lebenden auf Erden weilte, noch nicht erlebt.
Dass er so etwas noch nicht gesehen hatte, ist eigentlich an dem Punkt der Geschichte sehr klar und der Satz würde redundant wirken. Aber dass er es noch nicht erlebt hat, was er gerade erlebte, fände ich wieder gut als Satz.
Er zwickte sich, zweifelte, ob er überhaupt auf der Erde war, ob er lebte, [oder] ob er doch seine Pillen vergessen hatte.
Hatte die blaue Gestalt die Menschen rund um den Marktplatz hypnotisiert, verwandelt? Unterwanderten die Außerirdischen gar die Menschheit? Und warum hatten sie keine Gewalt über ihn, den Betriebsschlosser a.D. Karl Wennmann aus Kalkar-Hanseleer? Was genau war in dem Koffer? Vielleicht eine Apparatur, die er selbst gebrauchen konnte.
Würde ich streichen. Es ist klar, dass Karl sich diese Dinge fragt; wir als Leser fragen sie uns ja auch. So wirkt es im Text bremsend
Suchend ließ Karl den Blick über den Marktplatz schweifen.
Karl ließ den Blick über den Marktplatz schweifen.
Waren sie sonst eigentlich nicht grün? Egal. Es war doch alles nur ein Traum.
Das ist albern. Ich denke auch nicht, dass Karl das denken würde. Wenn ich nachts aufwache und mein toter Vater würde neben meinem Bett stehen, würde ich mir doch auch nicht denken: Huch, sind Geister nicht normal durchsichtig und schweben? Sondern ich wäre geplättet, dass das passiert. Mir steckt da zu viel Autor in der Aussage bzw. in dem Gedankengang Karls
Die Erde bebte, kleine Pflastersteine vibrierten unter Karls Füßen und die alte Gerichtslinde schwebte vom Nebel umgeben einige Meter über den Boden. Stille. Wie in Zeitlupe wedelten die am Baum hängenden, meterlangen Wurzeln. Karl meinte, die Blätter rascheln zu hören.
Finde ich zu erklärend. Ohne würde die Szene auch funktionieren und noch geschmeidiger sein, finde ich


Mitgeschriebenes:

Alles in allem zwar hässlich und seltsam, aber noch mit Theaterutensilien wie Kostüm, Schminke, Kautschuk oder Modelliermasse machbar. Doch die Füße gingen gar nicht, erinnerten eher an Watschelfüße einer Ente oder an Taucherflossen.
Ja, halt mal :D Wenn die Füße wie Taucherflossen aussehen, dann könnte es doch erst recht gut mit Theaterutensilien gemacht sein, oder?

Keiner der Insassen gaffte durch die Scheiben zur alten Linde.
Müsste man nicht sagen: gaffte durch (...) zum blauen Wesen/zu seiner Lieblingsbank, auf der das blaue Wesen saß.
Die Linde ist ja nicht das Seltsame

Während Karl noch überlegte, ob er heute Morgen seine Tabletten genommen hatte, rollte ein Bus am Marktplatz vorbei.
Ich finde die "Während" Konstellation ein wenig unschön. Direkter wäre doch: Hatte er heute morgen seine Tabletten vergessen? Ein Bus rollte am Marktplatz vorbei.

Und diese Gestalt fummelte unbekümmert und ausdruckslos – wenn auf dem glatten, faltenlosen Gesicht überhaupt jemals ein Gesichtsausdruck erkennbar wäre, – weiter im silbernen Koffer herum.
Ich finde, Karl oder der Erzähler können an der Stelle gar nicht wissen, ob auf dem Gesicht des Aliens ein Gesichtsausdruck möglich ist bzw. ich sehe Glätte eines Gesichtes nicht als Hinderung für Mimik an

Über das Kopfsteinpflaster des Marktplatzes schlenderten die Leute wie eh und je, eine Frau schob einen Kinderwagen ein paar Meter an der Bank vorbei. Alles ganz so, als wäre eine nackte blaue Gestalt auf dem Marktplatz das Normalste der Welt.
Ich fände es eher schön, wenn du beschreibst, wie die Frau reagiert bzw. was sie tut, aus dem dein Erzähler schließt, dass sie eben nicht reagiert. So muss ich mir das als Leser selbst vorstellen und der Text gibt keinen Hinweis darauf, was schade ist, weil es ja hier ein wenig ein Ratespiel ist, man beobachtet mit Karl mit und fragt sich: Sehen die anderen das Alien auch?

Vor fünfhundert Jahren wurde unter der Linde unter freiem Himmel und in aller Öffentlichkeit Gericht gehalten, die Wahrheit gesprochen, wurden Schicksale besiegelt. Und jetzt saß unter dem Wahrbaum ein Außerirdischer und tat … ja, was eigentlich?
Finde ich nicht so gut. Der Alte sieht doch, was er macht: Er kramt in einem Koffer herum

Sollte jetzt das letzte Gericht gehalten werden? Von einer fremden Macht? War es die Apokalypse oder gar ein Neuanfang, die Auferstehung, bei der die Gerechten das ewige Leben erhalten?
Hmm. Ich finde das ein wenig zu weit hergeholt, dass das etwas mit Gerichthalten zu tun hätte. Also im Bezug darauf, dass Karl das als Reaktion denken würde. Ich meine, er sieht da ein Alien, auf seiner Stammbank sitzen und in einem Koffer kramen. Ich würde das eher zu etwas Persönlicherem von Karl machen. Ich sehe ihn so, dass er nicht denken würde: Wird jetzt das Weltgericht gehalten? Ich finde diesen Gedanken zu weit hergeholt und unorganisch für die Figur. Aber was Karl durchaus denken könnte, was mir organischer vorkäme, wäre: Wird jetzt über mich Gericht gehalten?
Da könntest du etwas Hübsches draus stricken. Etwas, das das Auftauchen des Aliens zu einer persönlicheren Erfahrung bzw. Geschichte mit Karl macht, dazu schreibe ich später noch was.

Vor dem Alien blieb der Anzugträger stehen, griff nach seinem Handy und schaute aufs Display.
Ich würde das umstellen, da es in der Anordnung umständlich für den Leser zum Vorstellen ist: Der Anzugträger blieb vor dem Alien stehen, griff ...

Schließlich stand er keine zwanzig Meter von dem Wesen entfernt.
Und waren das da Kiemen an den Waden?
Von so einer Entfernung kann Karl das doch - trotz neuer Brille - kaum erkennen

Aber was wusste er schon von Wesen von anderen Sternen.
Ich denke nicht, dass es Karl an der Stelle im Geschehen schon so geschluckt hätte, dass das ein Alien ist. Ich schätze den Herrn so ein, dass er immer noch denken würde, es könnte sich um eine Verkleidung halten. Fände ich plausibler.

Nichts, außer Baum und Bank, verschwommen. Schaute durchs Glas – sah die Gestalt. Er wiederholte es mehrmals. Nein, ja. Nein, ja. Nein, ja.
Das hat mich an die neuen Brillen für Farbenblinde erinnert, die ja ähnlich schockierend für Farbenblinde sind

Hastig drehte sich Karl zum Optikerladen, machte einen großen Satz und stand vor verschlossener Tür. Mittagspause.
Gibt es beim Optiker Mittagspause?

Es war sinnlos, vor hochentwickelten Aliens zu fliehen. Selbst aus dem All würden sie ihn finden. Ebenso sinnlos war es, Hilfe zu holen. Keiner würde ihm glauben.
Ah, ich weiß nicht. Das wirkt wieder unorganisch auf mich. Das Alien hat Karl weder beachtet noch hat es Anstalten gemacht, Karl irgendwie zu verfolgen. Wieso fühlt Karl sich jetzt verfolgt? Da steckt mir wieder zu viel Autor drin, an der Stelle. Würde das Verfolgen rausstreichen

Karl setzte sich die Brille auf und lief ihr über das Kopfsteinpflaster hinterher. „Vielleicht kommen gleich noch mehr von ihnen! Eine Invasion. Vielleicht geht gleich die Welt unter!“
Ein paarmal stieß er gegen die Kanten der kleinen Kopfsteinpflaster, kam ins Straucheln und rief weiter: „Vielleicht retten sie aber auch die Welt! Wer weiß das schon?“
Am Bürgersteig hielt die Frau kurz an, fand zwischen den Autos eine Lücke und überquerte hastig die Straße. Der Frau auf den Fersen, stoppte Karl abrupt, als ein Auto laut hupend abbremste. Der Fahrer gestikulierte, fuhr an Karl vorbei und gab Vollgas. Karl, noch immer auf der Fahrbahn stehend, beugte sich, stützte die Hände in die Hüften und atmete schwer.
Nee. Das ist albern. In der Realität würde so ein alter Mann noch immer denken, dass das ein Kostümierter sein könnte. Überleg dir das doch mal. Ein gestandener Mann würde doch nicht so austicken. Er würde vielleicht immer noch denken, das könnte ein neuer Trend von Jugendlichen sein, obwohl er schon ein sehr übles Gefühl im Magen hätte. Dass er die Frau anspricht, finde ich plausibel, aber das Austicken nicht.

Die Erde bebte, kleine Pflastersteine vibrierten unter Karls Füßen
Kleine Pflastersteine? Oder meinst du "Kieselsteine"? Dann könntest du "kleine" auch kicken, nur Kieselsteine

Also, gelesen. Ich finde die Idee cool, dass dort ein Alien auftaucht, der Karl völlig irritiert ist und das Geschöpf nur durch die Brille sieht, und dass das Alien zum Schluss verschwindet mit der Linde. Das ist eine coole Grundidee. Einige Dinge wirkten unorganisch oder überflüssig auf mich, hab ich dir ja aufgeschrieben. So viel zum Technischen.
Am Plot muss ich noch eines kritisieren. Was mir fehlt, ist eine Verbindung vom übernatürlichen Geschehen und dem Protagonisten. Wieso sieht ausgerechnet Karl das Alien? Da muss unbedingt eine Verbindung sein; zumindest muss das übernatürliche Geschehen etwas persönliches in Karl anstoßen. So ist mir das zu beliebig. Man könnte Karl aus der Geschichte streichen und ihn mit jeder anderen beliebigen Person ersetzen, und die Geschichte würde genauso funktionieren wie jetzt.
Also, wieso sieht ausgerechnet Karl das Alien? Hier sehe ich den Punkt, an dem du Tiefe in die Geschichte einbauen könntest. Schau mal, ein Alien hockt plötzlich da, wo Karl immer sitzt. Und das ist eine alte Gerichtslinde. Genau zu der Zeit, als Karl immer dort hin geht. Du hast sehr folgerichtig Karl denken lassen: Werden wir jetzt gerichtet? Aber das würde ich umbauen zu: Werde ich jetzt gerichtet? Lass die Geschichte um Karl drehen, nicht um das Auftauchen des Aliens. Lass Karl richtig Schiss bekommen, als er das Alien sieht: Das Alien muss doch gekommen sein, um jetzt über mich zu richten! Scheiße, wieso hab ich mir tonnenweiße Kinderpornos auf den PC gezogen? Oder irgendetwas anderes, Schlimmes, das sofort im Prot aufsteigt, als er einer Art Jüngstes Gericht in die Augen sieht. Also ich wäre verdammt erschrocken, wenn ich einen Herzstillstand plötzlich hätte, ich meinen Körper verlassen würde und vor dem Schöpfer stehen würde. Ich hätte eine Scheißangst. Jeder von uns hat Dreck am Stecken. Was ist Karls Vergehen? Hat er seine Frau geschlagen? Deine Figur, da fällt dir mit Sicherheit was Gutes ein. Ich hätte eine Scheißangst, wenn das passieren würde. Und ich glaube, Karl auch. Und dadurch wäre der Text - für mich - satter, tiefer, die Figur Karls auch plastischer.
Ich glaube, du bräuchtest nicht viel umbauen im Text, um diese Verbindung zu knüpfen.

Also, ganz gern gelesen, ein wenig kürzen und das Verhalten des Prots schleifen und eine Verbindung zwischen Alien-Auftauchen und etwas Persönlichem des Prots herstellen, dann wäre das für mich ein starker Text.

Viele Grüße,
zigga

 

Hi zigga,

ganz toller Kommentar, der gerade genau richtig kam, während ich an der Überarbeitung saß. Zeitlich und vor allem inhaltlich.

Vorab: Habe viel von deinen Kürzungsvorschlägen übernommen. Auch, dass nicht noch eine weitere Person kommen muss, die das Alien nicht sieht (der Schuljunge ist raus).
ich könnte jetzt fast deinen gesamten Kommentar kopieren/zitieren, so vieles ist dabei, was mir weitergeholfen hat.

Hier und da würde ich vielleicht noch mal schauen, ob du einzelne Satzteile oder kurze Gedanken und Szenen kürzen könntest. Gerade, als dann der Junge unter den Baum trat, dachte ich mir, das bringt die Geschichte doch jetzt nicht weiter.
Wie gesagt, übernommen. Danke.

Ich fände es eher schön, wenn du beschreibst, wie die Frau reagiert bzw. was sie tut, aus dem dein Erzähler schließt, dass sie eben nicht reagiert.
Ja, habe ich. Nicht der Erzähler, sondern der Leser soll sich das erschließen. Dummer Fehler. ;)

Finde ich nicht so gut. Der Alte sieht doch, was er macht: Er kramt in einem Koffer herum
Ja, richtig.

Ich würde das eher zu etwas Persönlicherem von Karl machen. Ich sehe ihn so, dass er nicht denken würde: Wird jetzt das Weltgericht gehalten?
Ich glaube, ich habe jetzt den Dreh gefunden, wie ich das alles rüberbringen kann, was ich mir gedacht habe, so dass es kein Ratespiel mehr für die Leser ist. Das hatten ja quasi alle Leser angemerkt.

Aber was Karl durchaus denken könnte, was mir organischer vorkäme, wäre: Wird jetzt über mich Gericht gehalten?
Hast Recht. Super formuliert.

Gibt es beim Optiker Mittagspause?
Mittwochs im Kaff ja.
Sogar in der Stadt, in der ich wohne. Und das ist eine Großstadt ;)

Das Alien hat Karl weder beachtet noch hat es Anstalten gemacht, Karl irgendwie zu verfolgen. Wieso fühlt Karl sich jetzt verfolgt? Da steckt mir wieder zu viel Autor drin, an der Stelle. Würde das Verfolgen rausstreichen
Yepp.

Dass er die Frau anspricht, finde ich plausibel, aber das Austicken nicht.
Habe das Austicken runtergeschraubt.

Ich finde die Idee cool, dass dort ein Alien auftaucht, der Karl völlig irritiert ist und das Geschöpf nur durch die Brille sieht, und dass das Alien zum Schluss verschwindet mit der Linde.
Freut mich, danke.

Da muss unbedingt eine Verbindung sein; zumindest muss das übernatürliche Geschehen etwas persönliches in Karl anstoßen. So ist mir das zu beliebig. Man könnte Karl aus der Geschichte streichen und ihn mit jeder anderen beliebigen Person ersetzen, und die Geschichte würde genauso funktionieren wie jetzt.
Mensch, gut dass du das sagst. Zu hast total Recht. So soll es ja auf keinen Falls sein.

Lass die Geschichte um Karl drehen, nicht um das Auftauchen des Aliens.
Habe den Text angepasst.
In einer Antwort zu einem Kommentar von @wegen zu wegens Idee, Karls dunkle Seite auszuleuchten, hatte ich schon etwas von einer Mädchensache gesagt, dies dann aber doch nicht weiter im Text verfolgt.
Du hast mich mit deinem Kommentar nun aber darin verstärkt. :thumbsup:

Ich glaube, du bräuchtest nicht viel umbauen im Text, um diese Verbindung zu knüpfen.
Könntest Recht haben. Auf jeden Fall meine ich nun, dem Text eine ganz andere, bzw. überhaupt eine Richtung gegeben zu habe, die in meinen Gedanken besser funktioniert, als ganz ohne.
Vielleicht hast du noch Gelegenheit, drüberzuschauen. Der Text ist ja nun (dank deiner Tipps) kürzer :) Würde mich sehr freuen.

Möchte auch die anderen bisherigen Kommentatoren dazu einladen.

Vielen Dank, zigga.
Schönen Abend und liebe Grüße,
GoMusic

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich finde, die Geschichte liest sich nun - entschlankt - mit mehr Zug, sie gefällt mir auf jeden Fall besser.

Die Szene, in der er die Frau anspricht, halte ich nach wie vor für überzogen. Nach dieser Stelle

Mit rotem Kopf folgte er der Frau, fasste sie an die Schulter. „Nehmen Sie bitte die Brille!“
„Lassen Sie mich in Ruhe!“ Sie löste sich aus der Umklammerung und ging mit schnelleren Schritten weiter.
sollte er für mein Empfinden die Dame gehen lassen. Alles weitere, was er in der aktuellen Fassung noch tut, kommt mir unorganisch vor und ich wittere den Autor dahinter, der ein bisschen Drama mit bremsenden Autos usw. sucht.

Das Mädchen, das nun auftaucht, finde ich sehr gut. Der Text kommt mir so wesentlich runder vor mit dem Zusammenhang zwischen dem Alien und Karls persönlicher Geschichte.

Mit ihr all die Gedanken, die er sich unter dem Baum gemacht hatte.
(...)
Die Geheimnisse, die er ihm anvertraut hatte.
Ich bin über das "ihm" gestolpert; meinst du damit den Baum? Im ersten (zitierten) Satz kam es mir so vor, als ob er unter dem Baum lediglich nachgedacht hätte, nicht mit ihm gesprochen hätte. (Oder steht das irgendwo und ich hab es überlesen?)

Augenblicklich war alles wieder wie zuvor. Nur dass die alte Gerichtslinde samt Alien verschwunden war. Mit ihr all die Gedanken, die er sich unter dem Baum gemacht hatte. Die Vorwürfe, die Ausreden, die Entschuldigungen.
Aber warte mal. So, wie es jetzt dasteht, bedeutet es doch, dass jetzt, nachdem die Linde weg ist, auch Karls Gedanken und Schuldgefühle weg sind. Das passt für mich nicht so. Hattest du es so gemeint? Weil er kommt mir so vor, als ob er sich sehr wohl an die Gedanken und Vorwürfe über das Mädchen erinnert. (Mal abgesehen von der großen Poetischen Ungerechtigkeit, die so ein Sündenerlass in der Prämisse deiner Geschichte bedeuten würde! :D)
Er erinnert sich ja daran und reagiert mit dieser Geste darauf:
Karl lächelte verschmitzt.
Das scheint mir schief zu sein.

Ach ja, und warum liegt der Koffer noch auf der Bank? Und warum nimmt Karl ihn mit bzw. warum hat er so große Lust, den Koffer mitzunehmen? (Stand das schon in der Version zuvor?)
Das hatte ich jetzt nicht verstanden, warum er das tut und auch, was es u.U. bedeutet.

Ansonsten finde ich, die aktuelle Version hat deinen Text auf jeden Fall aufgewertet.

Viele Grüße,
zigga

 

Hi zigga,

toll, dass du nochmal reingeschaut hast.

Ich finde, die Geschichte liest sich nun - entschlankt - mit mehr Zug, sie gefällt mir auf jeden Fall besser.
Danke :shy:

Die Szene, in der er die Frau anspricht, halte ich nach wie vor für überzogen.
Hm, mir gefällt sie immer noch. Ich lasse sie erstmal so stehen.

Das Mädchen, das nun auftaucht, finde ich sehr gut. Der Text kommt mir so wesentlich runder vor mit dem Zusammenhang zwischen dem Alien und Karls persönlicher Geschichte.
Prima.

Ich bin über das "ihm" gestolpert; meinst du damit den Baum? Im ersten (zitierten) Satz kam es mir so vor, als ob er unter dem Baum lediglich nachgedacht hätte, nicht mit ihm gesprochen hätte. (Oder steht das irgendwo und ich hab es überlesen?)
Doch, Karl hat dem Baum seine Geheimnisse ausgeplaudert. Steht ein Satz später oder so.
So, als hätte Karl unter dem Baum die Wahrheiten erzählt, wie es schon vor 500 Jahren der Fall war.

Aber warte mal. So, wie es jetzt dasteht, bedeutet es doch, dass jetzt, nachdem die Linde weg ist, auch Karls Gedanken und Schuldgefühle weg sind. Das passt für mich nicht so. Hattest du es so gemeint? Weil er kommt mir so vor, als ob er sich sehr wohl an die Gedanken und Vorwürfe über das Mädchen erinnert. (Mal abgesehen von der großen Poetischen Ungerechtigkeit, die so ein Sündenerlass in der Prämisse deiner Geschichte bedeuten würde! :D)
Karl denkt, dass die Schuldgefühle weg sind; weg mit dem Baum. Er selbst erinnert sich noch. Er fühlt sich nun aber besser, da die Geheimnisse jetzt wieder unausgesprochen sind.

Er erinnert sich ja daran und reagiert mit dieser Geste darauf:
Karl lächelte verschmitzt.
Das scheint mir schief zu sein.
Das Lächeln, weil er meint, er wäre jetzt schön fein aus der Sache raus. Denn es heißt ja, "kein Mensch kennt (mehr) die Geheimnisse".
Da hat er aber falsch gedacht. Von wegen "Sündenerlass" :)

Ach ja, und warum liegt der Koffer noch auf der Bank? Und warum nimmt Karl ihn mit bzw. warum hat er so große Lust, den Koffer mitzunehmen? (Stand das schon in der Version zuvor?)
Das hatte ich jetzt nicht verstanden, warum er das tut und auch, was es u.U. bedeutet.
In der Version vorher stand das auch.
Im Koffer befinden sich nun alle Geheimnisse bzw. alle Wahrheiten, die in den 500 Jahren unter dem Wahrbaum ausgesprochen wurden. Eine große Last, die Karl traurig macht, ihm zum Weinen bringt, als er den Inhalt des Koffers sieht. Karl will die Last nicht tragen; kein anderer soll den Inhalt des Koffers sehen, deswegen will er ihn "Weit weg (bringen), einen Ort finden, wo niemand den Koffer finden würde."

Vielen Dank für deinen Kommentar, zeigt er mir, dass ich auf einen besseren Weg bin mit der Story :shy:
Schön, dass du dabei mitgewirkt hast.

Liebe Grüße, GoMusic

 

Hey @GoMusic,

ich noch mal kurz.

Aber warte mal. So, wie es jetzt dasteht, bedeutet es doch, dass jetzt, nachdem die Linde weg ist, auch Karls Gedanken und Schuldgefühle weg sind. Das passt für mich nicht so. Hattest du es so gemeint? Weil er kommt mir so vor, als ob er sich sehr wohl an die Gedanken und Vorwürfe über das Mädchen erinnert. (Mal abgesehen von der großen Poetischen Ungerechtigkeit, die so ein Sündenerlass in der Prämisse deiner Geschichte bedeuten würde! :D)
Karl denkt, dass die Schuldgefühle weg sind; weg mit dem Baum. Er selbst erinnert sich noch. Er fühlt sich nun aber besser, da die Geheimnisse jetzt wieder unausgesprochen sind.
Er erinnert sich ja daran und reagiert mit dieser Geste darauf:
Karl lächelte verschmitzt.
Das scheint mir schief zu sein.
Das Lächeln, weil er meint, er wäre jetzt schön fein aus der Sache raus. Denn es heißt ja, "kein Mensch kennt (mehr) die Geheimnisse".
Da hat er aber falsch gedacht. Von wegen "Sündenerlass" :)
Na ja, dass kein Mensch die Geheimnisse nach wie vor kennt - ist klar; das andere war ja ein Baum :)
Meine Kritik ist, dass ich das beim Lesen nicht begriffen habe bzw. nicht gespürt habe. Auf die Gefahr hin, dass ich dich nerve, wenn du das und das:

Im Koffer befinden sich nun alle Geheimnisse bzw. alle Wahrheiten, die in den 500 Jahren unter dem Wahrbaum ausgesprochen wurden. Eine große Last, die Karl traurig macht, ihm zum Weinen bringt, als er den Inhalt des Koffers sieht. Karl will die Last nicht tragen; kein anderer soll den Inhalt des Koffers sehen, deswegen will er ihn "Weit weg (bringen), einen Ort finden, wo niemand den Koffer finden würde."

offener kommunizieren würdest in deiner Geschichte, würde sie wirklich viel gewinnen. Ich lehne mich jetzt mal, ohne es böse zu meinen, weit aus dem Fenster und sage, dass das kein Leser so lesen wird, dass in dem Koffer alle Sünden stehen und Karl denkt, seine Sünden seien weg, aber eigentlich irrt er sich und sie sind noch da und die Motivation, weswegen er den Koffer mitnimmt. Gab es einen Leser, der das so verstanden hat? Das ist nicht durchschaubar, GoMusic. Oder hab ich einen klaren Hinweis darauf im Text überlesen?

Da könntest du noch mal was rausholen, ich wollte dir bloß Bescheid sagen.

Schönen Abend,
zigga

 

Lieber @GoMusic ,
ich habe mich gut unterhalten gefühlt bei deiner Geschichte und mir gefällt auch die bedächtige Erzählweise. Und ich habe natürlich gleich angefangen zu rätseln. Allerdings passen bei meinen Überlegungen immer ein paar Puzzleteile nicht ins Bild. In die Kommentare und deine Antworten habe ich nur sporadisch reingeguckt. Ich berichte einfach mal von meiner Lieblingsidee und wo ich damit gescheitert bin.

So, wie ich dich kenne, glaube ich, dass du dir was dabei gedacht hast, dass es nicht einfach Nonsense sein soll. Mein Eindruck ist, dass die ganze Szenerie eine ganz Persönliche ist, auch, wenn sie an einem realen, öffentlichen Ort spielt. Ich sehe das Ganze wie einen Traum, wie Karls Traum.
Der Alien, "das Fremde" ist für mich ein Teil von Karl, den er selber normalerweise nicht wahrnimmt. Vielleicht hat er seine Sehschwäche sogar entwickeln müssen, um diesen Teil nicht wahrzunehmen. Er empfindet den Alien von Anfang an als höchst bedrohlich:

In Gedanken malte sich Karl aus, wie das Alien nach seiner Neutronenkanone griff und den Mann in Schleim verwandelte oder einfach in Luft auflöste.

Karl schaute genauer hin. Der Kopf der Gestalt war lang und schmal, hatte die Form einer umgedrehten Birne. Die Augen – groß wie Mandarinen, die Schultern – schmal wie die eines Kindes;
Dieses clichèhafte Bild eines Aliens hat etwas Naives. Spricht auch für ein inneres Bild.
Jetzt ist ihm durch die Brille sein Verdrängungsmechanismus genommen. Und er sieht auf seiner Bank, auf seinem Platz, den Fremden sitzen, der sich mit dem Koffer beschäftigt. Für alle anderen Menschen in der Szene hat der keine Bedeutung, für Karl scheint er höchst gefährlich zu sein, obwohl er ihm in dem ganzen Bild nichts tut.

Karl holte sie ein, blieb vor ihr stehen und hielt ihr die Brille hin. „Nehmen Sie die Brille! Los! Die Brille!“
„Hilfe!“, schrie die Frau, machte kehrt und rannte fort.
Karl setzte sich die Brille auf und lief ihr über das Kopfsteinpflaster hinterher. „Vielleicht kommen noch mehr von ihnen!“
Die Szene mit der Frau gefällt mir, auch seine überzogene Reaktion. Wenn nur er den Alien sieht, ist er getrennt von den anderen Menschen, einsam. Du stellst da gut seine Panik dar. Seine Angst, verrückt zu sein, die ihn erst recht verrückt erscheinen lässt.
Dabei sieht er jetzt unter dem Wahrbaum etwas Wahres, was er bisher verdrängt hat. Der Alien ist mit dem Koffer befasst und lässt den zurück.

Das Entsetzen von Karl, als er den Koffer öffnet, empfinde ich sehr existenziell und spontan würde ich auch annehmen, dass es um etwas geht, was ihn ganz persönlich betrifft, ein Trauma.

Du hast ja jetzt den Hinweis mit dem Mädchen gegeben.

Die Vorwürfe, die Ausreden, die Entschuldigungen. Die Geheimnisse, die er ihm anvertraut hatte. Karl lächelte verschmitzt. Niemand sonst wusste von dem Mädchen. Kein Mensch.
Das hat mich jetzt allerdings völlig verwirrt. Das ist ja offenbar etwas, was er nicht verdrängt hat, etwas, womit er lange beschäftigt war. Und das "lächelte verschmitzt" irritiert mich. Das wirkt so läppisch und passt damit nicht zum Entsetzen am Ende. Oder es gibt eben eine sehr aggressive, boshafte Seite in Karl. Er hat einem Mädchen etwas angetan und verdrängt das Schuldgefühl.

Sonst hätte ich gedacht, er sieht in dem Koffer etwas, was sehr schmerzhaft ist, was vielleicht auch mit seiner Schuld zu tun hat, was das Bild, was er von sich hat, ändert. Und er erträgt das nicht, sondern zerstört lieber seiner Brille, oder er braucht die Brille nicht mehr. Den Koffer wird er aber nicht los, er nimmt ihn als Last mit.

Karl schloss den Koffer, nahm ihn in die Hand und ging, ohne sich ein einziges Mal umzudrehen, fort.
Das hätte mir in meinem Modell als Ende am besten gefallen, weil er die Last damit annimmt.

Weit weg, einen Ort finden, wo niemand den Koffer finden würde.
Hier flüchtet er also weiter, damit gibt es keine wirkliche Entwicklung in der Geschichte. Das finde ich schade. (Und zweimal "finden" ist nicht so schön)

Das Bild des Wahrbaums ist interessant. Der scheint sowohl dafür zu stehen, dass laut Wahrheiten ausgesprochen wurden, aber auch dafür, Wahrheiten für sich zu behalten, die ihm heimlich anvertraut wurden.

So, das waren meine Interpretationsversuche. Dann noch ein paar Kleinigkeiten:

Er zwickte sich, zweifelte, ob er lebte oder ob er doch seine Pillen vergessen hatte.
Ich glaube, ich würde das mit den Pillen nicht wiederholen.


Wie in Zeitlupe wedelten die am Baum hängenden, meterlangen Wurzeln.
Mein absoluter Lieblingssatz. Was für ein Bild!

Dann ein lauter Knall, und der Baum schoss in Sekundenschnelle in den Himmel, wie eine hinaufkatapultierte Rakete. Augenblicklich war alles wieder wie zuvor.
Völlig abgedreht, die ganze Szene. Überraschung gelungen!


Die Bank aber war geblieben.Karl drehte sich mehrmals um, ging dann auf die Bank zu.
Leerzeichen fehlt.

Ich habe gerne gerätselt und finde du hast den Koffer gut in den Mittelpunkt gestellt.

Liebe Grüße von Chutney

 

Hi zigga,

Danke für deine erneute Rückmeldung.

Ich lehne mich jetzt mal, ohne es böse zu meinen, weit aus dem Fenster und sage, dass das kein Leser so lesen wird, dass in dem Koffer alle Sünden stehen und Karl denkt, seine Sünden seien weg, aber eigentlich irrt er sich und sie sind noch da und die Motivation, weswegen er den Koffer mitnimmt.
Ja, nicht so einfach. Ich muss bei einem solchen "offenen" Text damit rechnen, dass die Leser verschiedene Lesarten haben, unterschiedliche Bedeutungen herauslesen. Wenn es so ist, finde ich es sogar gut, solange der Leser nicht nur Fragezeichen auf der Stirn hat. Mittlerweile meine ich aus den Kommentarren erkannt zu haben, dass viele Leser ihre Lesart gefunden haben, die für sie einigermaßen schlüssig ist. Einige habe ich nicht erreichen können, womöglich gar verloren. Aber das ist bei jedem "normalen" Text ja auch so.

Ich habe an zwei, drei Stellen noch mal die Stellschrauben gedreht.
U.a, dass er nicht mehr verschmitzt lächelt und auch kein Versteck mehr für den Koffer finden will, sondern ihn an sich nimmt. Inspiriert auch durch Chutneys Kommentar.
Dennoch denke ich, dass ich wohl etwas Abstand zum Text finden muss, bevor ich weitere Änderungen einbauen kann. Es hat sich in den letzten Tagen schon viel und im kurzen Takt geändert, und wirklich schön ist das nicht, weil sich da oft auch wieder weitere Fragen stellen, über die so schnell gar nicht im Klaren sein kann.

Vielen Dank nochmal für das Nachstochern. Hast mir sehr geholfen. Wünsche dir einen schönen Wochenausklang.


Liebe Chutney,

schön, dass du auch dabei bist.
Habe viele deiner Vorschläge übernommen.

ich habe mich gut unterhalten gefühlt bei deiner Geschichte und mir gefällt auch die bedächtige Erzählweise.
Danke, freut mich sehr.

Mein Eindruck ist, dass die ganze Szenerie eine ganz Persönliche ist, auch, wenn sie an einem realen, öffentlichen Ort spielt. Ich sehe das Ganze wie einen Traum, wie Karls Traum.
Der Alien, "das Fremde" ist für mich ein Teil von Karl, den er selber normalerweise nicht wahrnimmt. Vielleicht hat er seine Sehschwäche sogar entwickeln müssen, um diesen Teil nicht wahrzunehmen. Er empfindet den Alien von Anfang an als höchst bedrohlich
Ja, die Story muss einfach etwas Persönliches sein. Hat sich auch erst durch die vielen guten Kommentare so entwickelt, vorher war es etwas Umfängliches, Unpersönliches.

Dieses clichèhafte Bild eines Aliens hat etwas Naives. Spricht auch für ein inneres Bild.
Ja, ich hoffe für Karls inneres Bild ;)

Die Szene mit der Frau gefällt mir, auch seine überzogene Reaktion. Wenn nur er den Alien sieht, ist er getrennt von den anderen Menschen, einsam. Du stellst da gut seine Panik dar. Seine Angst, verrückt zu sein, die ihn erst recht verrückt erscheinen lässt.
Das hast du sehr schön beschrieben.
Vor allem "Seine Angst, verrückt zu sein, die ihn erst recht verrückt erscheinen lässt." hätte ich nicht besser sagen können. So sollte es auch wirken.

Das Entsetzen von Karl, als er den Koffer öffnet, empfinde ich sehr existenziell und spontan würde ich auch annehmen, dass es um etwas geht, was ihn ganz persönlich betrifft, ein Trauma.
Yepp, genau.

Und das "lächelte verschmitzt" irritiert mich. Das wirkt so läppisch und passt damit nicht zum Entsetzen am Ende. Oder es gibt eben eine sehr aggressive, boshafte Seite in Karl. Er hat einem Mädchen etwas angetan und verdrängt das Schuldgefühl.
Ist raus. Karl soll nicht wirklich boshaft wirken.

GoMusic schrieb:
Wie in Zeitlupe wedelten die am Baum hängenden, meterlangen Wurzeln.
Mein absoluter Lieblingssatz. Was für ein Bild!
Danke. Stelle mir das auch immer wieder gerne bildlich vor. Große Kinoleinwand, 3D, unterlegt mit mystischer Musik oder Daft Punk-Elektroklängen :)

GoMusic schrieb:
Dann ein lauter Knall, und der Baum schoss in Sekundenschnelle in den Himmel, wie eine hinaufkatapultierte Rakete. Augenblicklich war alles wieder wie zuvor.
Völlig abgedreht, die ganze Szene. Überraschung gelungen!
Prima, danke. Ich musste da aufpassen, die Grenze nicht zu überschreiten. Zu viel ist auch nicht gut.

Sonst hätte ich gedacht, er sieht in dem Koffer etwas, was sehr schmerzhaft ist, was vielleicht auch mit seiner Schuld zu tun hat, was das Bild, was er von sich hat, ändert. Und er erträgt das nicht, sondern zerstört lieber seiner Brille, oder er braucht die Brille nicht mehr. Den Koffer wird er aber nicht los, er nimmt ihn als Last mit.
Genau, schmerzhaft, seine Schuld betreffend.
Genau so habe ich mir das vorgestellt. Schön, dass das bei dir so rüberkam.
Viele Leser haben verschiedene Interpretationsansätze. Deiner kommt meinem am nächsten bzw. entspricht ihm.

Karl schloss den Koffer, nahm ihn in die Hand und ging, ohne sich ein einziges Mal umzudrehen, fort.
Das hätte mir in meinem Modell als Ende am besten gefallen, weil er die Last damit annimmt.
Du hast Recht. Der letzte Satz ist nun raus, den hatte ich irgendwann zwischendurch noch drangepappt. Aber ich sehe mich durch deinen Kommentar bestätigt, dass es besser ohne ihn passt.

Wenn die Story ein Film wäre, würde die Kamera Karls Blick folgen, wie er vorsichtig in den Koffer lugt. Allerdings würde die Kamera nicht den Inhalt zeigen, sondern bloß Karls Gesicht, seine Reaktion.

Ich habe gerne gerätselt und finde du hast den Koffer gut in den Mittelpunkt gestellt.
Danke dafür. Und toll, das der Text zum Nachdenken anregt. Ich habe jedoch auch den Eindruck, dass einige Leser diesen Rätseln nicht so sehr mögen. Meine bisherigen Geschichten lassen nicht so viel Interpretationsraum, aber ich bin dennoch froh, auch mal einen solchen Text "gewagt"zu haben. Liegt sicher auch am persönlichen Geschmack, weil ich so etwas selber gerne lese.

Tollen Sonntag und liebe Grüße,
GoMusic

 

Hey GoMusic,

ich hatte vor ein paar Tagen schon mal reingeschaut, aber da dachte ich mir, warteste mal noch paar Kommentare und Überarbeitungsgänge ab, denn zu diesem Zeitpunkt wurde bereits alles gesagt, was auch ich zu sagen gehabt hätte. Also, auf ein Neues :).

Alles in allem zwar hässlich und seltsam, aber (noch) mit Theaterutensilien wie Kostüm, Schminke, Kautschuk oder Modelliermasse machbar. Doch die Füße gingen gar nicht, erinnerten eher an Watschelfüße einer Ente.
Diese noch - doch Kombination finde ich nicht so prickelnd. Noch wäre ohnehin verzichtbar und für das doch fände sich sicher auch ein feineres Wort.
Aber die Füße ...; Nur die Füße ... Keine Ahnung, warum mir das -doch- so aufstößt, wahrscheinlich ist es gar nicht so schlimm :D.

Er überlegte (noch), ob er heute Morgen seine Tabletten vergessen hatte, als ein Bus am Marktplatz vorbeirollte.
und schon wieder eins ...

Und diese Gestalt fummelte unbekümmert weiter im silbernen Koffer herum. Ungefragt mitten auf seiner Bank. Ungestört unter seinem Baum.
Das Bild ist wirklich herrlich schräg.

Es musste ihn bemerkt haben und wenn nicht, war es schlauer, gar nicht erst aufzufallen. So etwas hatte er in den achtundsiebzig Jahren, die er unter den Lebenden auf Erden weilte, noch nicht erlebt. Er zwickte sich, zweifelte, ob er lebte.
Ja, was hätte er wohl sonst in 78 Jahren tun sollen? Kannst auch: in seinen 78 Jahren schreiben, macht den Satz ohne den Erklärschnipsel sehr viel eingängiger.

Karl hob die Brille an, die besondere Sonderanfertigung, die er wegen seinen mannigfachen Sehschwächen benötigte, für die sie ihm gerade erst eine halbe Monatsrente abgeknöpft und für die sie eine eigens angefertigte Glasart mit Spezialbeschichtung verwendet hatten, und lugte unter das Gestell.
Also schön ist er nicht, der Satz. Besondere Sonderanfertigung ist auch so doppelt, irgendwie,

Vorschlag:
Karl hob die Brille an. Eine Sonderanfertigung mit maßgeschneiderter Glasoptimierung und Spezialbeschichtung für seine mannigfachen Sehschwächen, wofür man ihm gerade die halbe Monatsrente abgeknöpft hatte, wenn er also unter eben dieser Brille hinweg in Richtung Bank schaute, sah er: Nichts, außer Baum und Bank. Verschwommen.

„Keiner? Sind Sie sicher? Die Sonne … die Sonne …“, stotterte er. „Blendet Sie die Sonne? Hier nehmen Sie die Sonnenbrille!“
„Ist schon gut. Tut mir leid, ihr Freund ist nicht da“, sagte sie und ging weiter.
Hehe, dumm gelaufen.

Karl holte sie ein, blieb vor ihr stehen und hielt ihr die Brille hin. „Nehmen Sie die Brille! Los! Die Brille!“
„Hilfe!“, schrie die Frau, machte kehrt und rannte fort.
Nice.

Karl setzte sich die Brille auf und lief ihr über das Kopfsteinpflaster hinterher. „Vielleicht kommen noch mehr von ihnen!“
Ein paarmal stieß er gegen die Kanten der Pflastersteine, kam ins Straucheln und rief weiter: „Wer weiß, was sie vorhaben!“
Ich würde auch zusehen, dass ich von dem Irren wegkomme :).

Am Bürgersteig hielt die Frau kurz an, fand zwischen den Autos eine Lücke und überquerte hastig die Straße. Der Frau auf den Fersen, stoppte Karl abrupt, als ein Auto laut hupend abbremste. Der Fahrer gestikulierte, fuhr an Karl vorbei und gab Vollgas. Karl, noch immer auf der Fahrbahn stehend, beugte sich, stützte die Hände in die Hüften und atmete schwer.
Würde ich weglassen, schwächt das vorherige wieder nur ab.

Mit ihr all die Gedanken, die er sich unter dem Baum gemacht hatte. Die Vorwürfe, die Ausreden, die Entschuldigungen. Die Geheimnisse, die er ihm anvertraut hatte. Niemand sonst wusste von dem Mädchen. Kein Mensch.
Ist das Mädchen neu? Finde ich gut. Und jetzt soll ich mir ausdenken, was mit dem Mädchen war, ja? Frau betrogen, Belästigung, Mord? Alles drin. Ich mag mir keine Geschichten ausdenken, ich mag sie lesen. Und mir Geschichten ausdenken, ist nicht das gleiche wie Geschichten interpretieren. Aber ich mag die Idee, wenn sein schlechtes Gewissen ihm einen Alien hinsetzt, der sein Geheimnis jetzt nicht nur der Welt mitteilen könnte, sondern gleich dem ganzen Universum. Ich würde das blaue Wunderwesen vorher noch mit so einem Hördingens den Baum abhören lassen :D.
Aber gut, das wäre jetzt meine Idee, in welche Richtung man die Geschichte schieben könnte, pack sie zu den anderen Ideen die bereits kamen und atme erst mal durch. Abstand zum Text kann hat noch niemanden geschadet.

Mir ist die Geschichte im Ganzen zu unentschlossen. Aber ich finde es gut, dass Du gern was probieren wolltest, neue Pfade betreten und so. Ich kann den Reiz für Dich zu diesem Text sehr gut nachvollziehen. Und er ist auch wirklich unterhaltsam und zu Teilen witzig, was ich auch sehr genossen habe.
Wie auch immer sich das hier ausgeht, verliere nur den Kopf nicht drüber!

Beste Grüße, Fliege

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey Fliege,

vielen Dank für deinen Besuch und den tollen Kommentar.

ich hatte vor ein paar Tagen schon mal reingeschaut, aber da dachte ich mir, warteste mal noch paar Kommentare und Überarbeitungsgänge ab,
Ja, gut so, kann ich verstehen. So empfinde ich das bei manchen Geschichten auch schon mal, wenn ich sehe, da tut sich noch viel.

Diese noch - doch Kombination finde ich nicht so prickelnd.
Man, ist mir gar nicht aufgefallen. Wahrscheinlich geschieht das auch, wenn man oft am Text herumschnippelt. Sind nun raus. Danke.

Das Bild ist wirklich herrlich schräg.
Danke. Schön, das dir auch andere Szenen gut gefallen.
Hätte im Großen und Ganzen auch mal Lust, eine total schräge Geschichte zu schreiben :)

Ja, was hätte er wohl sonst in 78 Jahren tun sollen?
Das mit "auf Erden" ist nun raus. War noch ein Rest aus einer vorherigen Version, wo es noch Sinn hatte.

Besondere Sonderanfertigung ist auch so doppelt, irgendwie,
Ja, schon. Sollte auch so sein, ist nun aber raus.

Am Bürgersteig hielt die Frau kurz an, fand zwischen den Autos eine Lücke und überquerte hastig die Straße. Der Frau auf den Fersen, stoppte Karl abrupt, als ein Auto laut hupend abbremste. Der Fahrer gestikulierte, fuhr an Karl vorbei und gab Vollgas. Karl, noch immer auf der Fahrbahn stehend, beugte sich, stützte die Hände in die Hüften und atmete schwer.
Würde ich weglassen, schwächt das vorherige wieder nur ab.
Bist nun schon die zweite, die das sagt.
Wird Zeit, sich davon zu verabschieden :)

Ist das Mädchen neu? Finde ich gut.
Ja, neu.

Und jetzt soll ich mir ausdenken, was mit dem Mädchen war, ja? Frau betrogen, Belästigung, Mord? Alles drin. Ich mag mir keine Geschichten ausdenken, ich mag sie lesen.
Ja, keine Ahnung, warum ich da immer nur häppchenweise mit rauskomme. Mittlerweile sehe ich, dass die meisten Leser genau wissen wollen, was da geschehen ist.
Habe einen weiteren Hinweis eingefügt, der zu meiner Version passt.

Aber ich mag die Idee, wenn sein schlechtes Gewissen ihm einen Alien hinsetzt, der sein Geheimnis jetzt nicht nur der Welt mitteilen könnte, sondern gleich dem ganzen Universum. Ich würde das blaue Wunderwesen vorher noch mit so einem Hördingens den Baum abhören lassen :D.
Ja, darüber habe ich auch nachgedacht. Passt auch zu "dumm gelaufen". Jetzt weiß das ganze Universum über den Karl Bescheid. Wahrscheinlich hat er jetzt Einreiseverbot im ganzen Milchstraßensystem. Wenn er Glück hat, gewährt ihm vielleicht der Pluto Asyl. :cool:
Edit: Soll meinen, Pluto hat kein Auslieferungsabkommen unterzeichnet ?

Aber ich finde es gut, dass Du gern was probieren wolltest, neue Pfade betreten und so. Ich kann den Reiz für Dich zu diesem Text sehr gut nachvollziehen. Und er ist auch wirklich unterhaltsam und zu Teilen witzig, was ich auch sehr genossen habe.
Ja, sehr reizend. Das stimmt.
Und wie hat es schon ein anderer Challenge-Teilnehmer gesagt: In der Challenge, mit der i.d.R. hohen Kommentar-Laune, erhält man oft mehr Feedback, als würde man etwas Neues außerhalb der Challenge ausprobieren. Ich persönlich habe im Vorfeld nicht damit spekuliert, empfand ich die Story anfangs an und für sich gar nicht als neuen Pfad.

Freut mich, dass die witzigen Elemente gut rüberkamen und du etwas zu genießen hattest.
Vielen Dank für deine Worte. Hast mir sehr geholfen.

Schönen Sonntag.
Liebe Grüße, GoMusic

 

„...
Ich kam gegangen
zuo der ouwe:
dô was mîn friedel komen ê.
...“
Walther v. d. Vogelweide,
„Under der linden“​

Die Linde ist zunächst mal ein Baum, unter dem sich nicht erst seit Walther geliebt, aber auch geschieden wird (wie bei Heine: „Die Blätter fielen, der Rabe schrie hohl, / Die Sonne grüßte verdrossenen Blicks; / Da sagten wir frostig einander: 'Lebwohl!' / Da knickstest du höflich den höflichsten Knicks“ endet „Die Linde blühte, die Nachtigall sang“).

Aber das Fremde – nix anderes bedeutet “the alien“ – wirkt immer bedrohlich und bildet den Gegensatz zu dem, was wir kennen und wenn es unterm „Wahrbaum“ zu finden und zudem noch blau ist, dann kann es nur „das Blaue vom Himmel ...“ bedeuten.

Ja, als die Linde noch der Baum war, unter dem Recht gesprochen wurde und die Freien sich zur Volksversammlung trafen (eine uralte Form der „Mitbestimmung“ also, das dänische Parlament heißt immer noch „folketing“) wurde auch sicherlich dort schon das Blaue vom Himmel geholt.

Und wenn ich alles zusammennehme – alien, das Blaue vom Himmel, Liebe & Trennung, Koffer, aber auch Neugier durch welche und wessen Brille auch immer, dann reduziert sich da m. E. alles zur „Büchse“ der Pandora.

Eins versteh ich nicht, nämlich hier

Schüttelte den Kopf und riss dann den Mund auf, nicht wissend, ob er schreien sollte, als ein Mann schnurstracks mitten auf die Bank zueilte und dabei sein Pausenbrot aus der Aktentasche holte.
Das „mitten“?

HIer nun

Karl schloss den Koffer, nahm ihn in die Hand und ging, ohne sich ein einziges Mal umzudrehen, fort.
ließe sich durch einfaches Möbelrücken die schwache Klammer vermeiden „und ging fort, ohne sich ...“

Wie dem auch sei,

gern gelesen vom

Friedel

 

Lieber Friedel,

danke für deinen Besuch.

Und wenn ich alles zusammennehme – alien, das Blaue vom Himmel, Liebe & Trennung, Koffer, aber auch Neugier durch welche und wessen Brille auch immer, dann reduziert sich da m. E. alles zur „Büchse“ der Pandora.
Ein toller Gedanke, der mir gefällt. Auf die Büchse kam ich gar nicht :)

dann kann es nur „das Blaue vom Himmel ...“ bedeuten.
Auch nicht schlecht, das blaue Wesen so zu umschreiben :lol:

Das "mitten" ist gestrichen.
Das "fort" hingegen finde ich am Ende des Satzes – und somit als das letzte Wort der Geschichte – als sehr passend.

Vielen Danke. Ich wünsche dir einen schönen (Rest)Abend.

Liebe Grüße, GoMusic

 

Lieber @GoMusic

Vielleicht steckt ein Ticken zu viel drin, vielleicht hätt's ein bisschen absurder, rasanter zugehen können, vielleicht wär's auch hübsch zu lesen gewesen, wenn's einen Dialog zwischen Karl und dem Blieb gegeben hätte, aber eine amüsante, erfrischende Geschichte auf mehreren Inhalts-und Bedeutungsebenen ist's auf jeden Fall geworden, was mir sehr gut gefällt.
Darüberhinaus beschreibst du Bilder und Geschehen präzise, gut vorstellbar und sprachlich auf hohem Niveau.
Eine Frage zum Titel:wolltest du evtl. Wa(h)Baum verwenden?
Ach, und noch was: die Andeutung mit dem Mädchen, das er auf dem Gewissen hat, finde ich problematisch, zumal sie nicht weiter erwähnt wird. Wozu braucht es die Missbrauchs- und Mordandeutung)? (lese ich zumindest so)

Karl war sich nicht sicher, ob es das Zeichen einer kommenden Katastrophe war, aber er wusste, dass auf seiner Lieblingsbank, unter der alten Linde, normalerweise keine nackte, blaue Gestalt mit aufgeklapptem Koffer saß.
starker Anfang, der sofort Spannung erzeugt.

Karl schritt zurück
trat zurück klingt mMn besser

Und jetzt saß unter dem Wahrbaum ein Außerirdischer. Sollte er jetzt das letzte Gericht halten? Über ihn?
hier die Stelle, wo ein Dialog starten könnte

Erleichtert blies Karl aus, blinzelte.
was blies er aus?

Karl holte sie ein, blieb vor ihr stehen und hielt ihr die Brille hin. „Nehmen Sie die Brille! Los! Die Brille!“
„Hilfe!“, schrie die Frau, machte kehrt und rannte fort.
der Übergang von coolness zu Wut kommt ein wenig abrupt.

Wie in Zeitlupe wedelten die am Baum hängenden, meterlangen Wurzeln.
schönes Bild

Die Geheimnisse, die er ihm anvertraut hatte. Niemand sonst wusste von dem Mädchen. Kein Mensch wusste, wo er es hingebracht hatte.
siehe oben, damit gibst du dem Text eine Wendung ins Ernste, und lässt den Faden sofort wieder fallen.

viele Dezembersonnentagsgrüße
Isegrims

 

Lieber Isegrims,

danke für deinen Besuch und den tollen Kommentar.

Vielleicht steckt ein Ticken zu viel drin, vielleicht hätt's ein bisschen absurder, rasanter zugehen können, vielleicht wär's auch hübsch zu lesen gewesen, wenn's einen Dialog zwischen Karl und dem Blieb gegeben hätte,
Ich war wirklich unentschlossen, in welche Richtung der Text gehen sollte, welche Schwerpunkte ich setzen wollte. Absurd, rasant war tatsächlich eine Idee. Mehr oder weniger war auch eine Frage. Dialog sollte aber nicht vorkommen :)
Nach den vielen guten Tipps der Wortkrieger und mehreren Überarbeitungsschritten denke ich, das richtige Format gefunden zu haben. Vielleicht.
Mensch, wenn du doch schon "vielleicht" sagst ... Schlimm, wieviele "vielleicht" ich als Autor zu besiegen hatte. :lol:

aber eine amüsante, erfrischende Geschichte auf mehreren Inhalts-und Bedeutungsebenen ist's auf jeden Fall geworden, was mir sehr gut gefällt.
Darüberhinaus beschreibst du Bilder und Geschehen präzise, gut vorstellbar und sprachlich auf hohem Niveau.
Danke für das tolle Lob. Freut mich.

Eine Frage zum Titel:wolltest du evtl. Wa(h)Baum verwenden?
Nein. Was ist denn ein Wa(h)baum?
Der hier beschriebene Wahrbaum existiert ebenso wie der Schauplatz des Geschehens, nämlich in Kalkar. Einer kleinen, wunderschönen Stadt am Niederrhein, in der ich einige Zeit gewohnt habe. Nur einen Steinwurf vom besagten Baum entfernt.

Ach, und noch was: die Andeutung mit dem Mädchen, das er auf dem Gewissen hat, finde ich problematisch, zumal sie nicht weiter erwähnt wird. Wozu braucht es die Missbrauchs- und Mordandeutung)?
Sozusagen als Verbindung. Und zwar von Karl zum Baum und vom Baum in den Koffer.

starker Anfang, der sofort Spannung erzeugt.
:thumbsup:

Karl holte sie ein, blieb vor ihr stehen und hielt ihr die Brille hin. „Nehmen Sie die Brille! Los! Die Brille!“
„Hilfe!“, schrie die Frau, machte kehrt und rannte fort.
der Übergang von coolness zu Wut kommt ein wenig abrupt.
Karl ist sehr ungeduldig. Die Frau ist die einzige, die er sieht, die er ansprechen kann. Er ist in Eile, weil das Alien schnell wieder verschwinden kann, ohne dass er weiß, ob es tatsächlich existiert (hat).

Die Geheimnisse, die er ihm anvertraut hatte. Niemand sonst wusste von dem Mädchen. Kein Mensch wusste, wo er es hingebracht hatte.
siehe oben, damit gibst du dem Text eine Wendung ins Ernste, und lässt den Faden sofort wieder fallen.
Karls dunkle Seite. (M)eine Interpretation ist, dass die Schuld im Koffer verbleiben ist. Er sich dieser annimmt, als er den Koffer fortbringt. (Mensch, jetzt wo ich drüber nachdenke ... Ich selbst saß ja auch öfter unter dem Baum, also dem Vorbild für die Geschichte. Ich will jetzt gar nicht wissen, was Karl im Koffer so alles gefunden hat :sealed: )

Vorschläge bzgl. "schritt/trat" und "blies=atmete" habe ich gerne übernommen.

Vielen Dank für deine Zeit, Gedanken und Worte.

Schönen Abend noch und liebe Grüße,
GoMusic

 

Hi @Isegrims

danke für deine Rückmeldung.
Das hat ja schon fast was Wortspielerisches. ?
So wie „warTraum“.

Grüße aus dem RegenRheinland.
GoMusic

 

Lieber @GoMusic ,

herrlich durchgeknallt, dein kleines Meisterstückchen aus der Humorabteilung. Ich habe richtig gern geschmunzelt und mich gefreut, dass hier auch mal nicht so arschernste Themen behandelt werden und ein wenig Lebensfreude vorgelegt wird. Dafür hast du bei mir schon mal ein Steinchen im Brett.
Hat mir natürlich gefallen, deine Geschichte. Ich konnte mir deinen Prota so richtig gut vorstellen und auch wie er verzweifelt, weil er ja eigentlich nicht zur durchgeknallten Sorte gehört und doch gezwungen ist, lauter durchgeknallte Dinge zu tun und zu denken.

Perfekt geschrieben, Textarbeit fällt aus, weil wegen "nix gefunden". Will mal was heißen bei uns Wortkriegern oder?

ABER, nee, so einfach kommst du mir natürlich nicht davon, du Schlingel.
Weil, was ist mit der Lösung. Ich will sie!!!
Und was bittschön, ist das denn für ein Hinweis?

Niemand sonst wusste von dem Mädchen. Kein Mensch wusste, wo er es hingebracht hatte.
Hat er die umgebracht, entführt gehabt, ihr was angetan? Das ist sowas von fies, hier den Leser im Land der Unwissenden hängen zu lassen.

Er richtete sich auf, senkte den Blick und versuchte, die Tränen wegzublinzeln, dagegen anzukämpfen.
Und was für eine Erkenntnis hat er denn jetzt im Koffer vorgefunden? Woran wird er erinnert?
Das ist echt unfair. Erst anfüttern, dann hängen lassen. Jetzt bleiben mir nur Fragezeichen auf der Stirn, die die Lachfalten wegziehen. Willst du das?
Wirklich?
Nö!
Her mit der Auflösung und zwar rein damit in die Geschichte!!!

Karl schloss den Koffer, nahm ihn in die Hand und ging, ohne sich ein einziges Mal umzudrehen, fort.
Klar, hier ist wohl jemand dabei, Beweisstücke mitgehen zu lassen. Eine bewährte Methode der Täter. Und dann im nächsten Fluss versenken oder so.
Aber weshalb nur?
Es muss die Auflösung her. Eine überraschende muss es natürlich sein. Eine, die zum pfiffigen Text gut passt, ergo eine pfiffige Auflösung.

Lieben Gruß
lakita

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe lakita,

ich habe mich sehr über deinen Besuch gefreut.

herrlich durchgeknallt, dein kleines Meisterstückchen aus der Humorabteilung. Ich habe richtig gern geschmunzelt und mich gefreut, dass hier auch mal nicht so arschernste Themen behandelt werden und ein wenig Lebensfreude vorgelegt wird.
Ja, man könnte den Text womöglich noch ein wenig mehr auf die Humorschiene bringen.

Hat mir natürlich gefallen, deine Geschichte. Ich konnte mir deinen Prota so richtig gut vorstellen und auch wie er verzweifelt, weil er ja eigentlich nicht zur durchgeknallten Sorte gehört und doch gezwungen ist, lauter durchgeknallte Dinge zu tun und zu denken.
Danke dafür.
Schön, dass das bei dir so rüberkam. Dass Karl der todernste Typ ist, der so einen Quatsch nicht gebrauchen kann und selbst gezwungen ist, solch Dinge zu tun.
Am Schluß dann das todernste Ende für ihn.

Perfekt geschrieben, Textarbeit fällt aus, weil wegen "nix gefunden". Will mal was heißen bei uns Wortkriegern oder?
Wow. Hört sich gut an. Sollte mal öfter – wie hier – Stories in einem Rutsch durchschreiben. Dann hat man gar keine Zeit, sich Gedanken über RS, Grammatik, Stil etc. zu machen :lol:
(Oder lieber doch nicht, weil ich sonst wieder das Ende "vergesse" :confused:)

ABER, nee, so einfach kommst du mir natürlich nicht davon, du Schlingel.
Ups.

Her mit der Auflösung und zwar rein damit in die Geschichte!!!
Keine Ahnung, warum so viele Leser auf die fehlende Auflösung herumreiten, liebe lakita :Pfeif:

Es muss die Auflösung her. Eine überraschende muss es natürlich sein. Eine, die zum pfiffigen Text gut passt, ergo eine pfiffige Auflösung.
Du machst es mir nicht gerade leicht. Eine Auflösung, ... und dann noch eine überraschende ... und noch pfiffig :shy:

Aber ich glaube, du hast recht. Wenn schon eine Auflösung, dann unbedingt eine überraschende. Anders geht gar nicht.
Mal schauen, ob ich mich am WE in aller Ruhe in mein Gedankenreich zurückziehen kann und mir die Erleuchtung kommt (nein, ich rede nicht von Drogen unterm Tannenbaum :lol:)
Ich melde mich, wenn es soweit ist.

Vielen Dank nochmal und einen tollen Start ins Wochenende.
Liebe Grüße, GoMusic

Edit: Alles Gute zum Geburtstag ???

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @GoMusic,

ich hab den Text schon am letzten WE gelesen. Jetzt schreibe ich was dazu.

Die Augen – groß wie Mandarinen, die Schultern – schmal wie die eines Kindes; und die Brust war bloß flach.
Da finde ich die Gedankenstriche unpassend. Wie wäre es mit Doppelpunkten? Die Augen: groß wie Mandarinen, die Schultern: schmal wie die eines Kindes; und die Brust war bloß flach.

Doch die Füße gingen gar nicht, erinnerten eher an Watschelfüße einer Ente.
gingen gar nicht? Das klingt so als könne Karl sich das Erscheinungsbild des Aliens aussuchen.

Und diese Gestalt fummelte unbekümmert weiter im silbernen Koffer herum.
Das fummelte hat mich schon beim ersten Lesen gestört. Fummeln ist für mich das, was bei Pubertierchen unter der Bettdecke passiert. Wie wäre es mit hantierte, räumte, wühlte …?

Und jetzt saß unter dem Wahrbaum ein Außerirdischer.
Ich mag dieses "Wahrbaum" nicht. Klingt so nach Kindermund. "Baum der Wahrheit" würde mir persönlich viel besser gefallen.

In Gedanken malte sich Karl aus, wie das Alien nach seiner Neutronenkanone griff und den Mann in Schleim verwandelte oder einfach in Luft auflöste.
warum nicht einfach vaporisierte? :D

So etwas hatte er in den achtundsiebzig Jahren noch nicht erlebt.
den - welchen? Ohne ist klarer.

Telefonierend drehte er sich um und zog im selben Tempo,
Bäh! Mit dem Telefon in der Hand ...

Schließlich stand er keine zwanzig Meter von dem Wesen entfernt.
Kill it!

Er zwickte sich, zweifelte, ob er lebte.
Finde ich zu wenig spezifisch, außerdem stellt er sich diese Frage kaum ernsthaft, oder? Ob er träumte, halluzinierte, noch bei Verstand war ...

Das konnte er auch ohne Sonnen Brille mit Sehschärfe erkennen.
ginge auch ohne ...

Wie war es möglich, mir nichts dir nichts zu verschwinden?
einfach so?

Schaute durchs Glas – sah die Gestalt.
Das war beim ersten Lesen schon ein derber Holperer. Was spricht gegen zwei mal er?

Karl stellte sich zurück auf seinen Beobachtungsposten
Hört sich so an als wäre er zur Wache eingeteilt. Warum nicht kehrte zurück zum selben Ort?

„Lassen Sie mich in Ruhe!“
Müsste sie nicht sagen: "Lassen sie mich los!"?

Nur(Komma) dass die alte Gerichtslinde samt Alien verschwunden war.

Die Vorwürfe, die Ausreden, die Entschuldigungen. Die Geheimnisse, die er ihm anvertraut hatte.
Könntest die Aufzählung einfach fortführen und einen Satz draus machen.

Niemand sonst wusste von dem Mädchen. Kein Mensch wusste, wo er es hingebracht hatte.
Wat fürn Mädchen? Das wirkt wie ein nachträglich eingefügter Bezug zur Gerichtslinde, der ein wenig in der Luft hängt.

Karl beugte sich.
darüber.

Endlich riss er sich die Brille herunter, warf sie auf die Erde und zertrat sie. Trat nochmal drauf und nochmal, verlagerte sein ganzes Gewicht auf das Bein und stampfte und drehte den Fuß, bis die Bügel verbogen und die Gläser zersplittert waren.
Das "zertrat sie" ist zu stark, das beinhaltet schon all das, was du im nächsten Satz dazu ausführst. Nimm doch was Schwächeres: warf sie auf die Erde und stellte den Fuß darauf.

Karl schloss den Koffer, nahm ihn in die Hand und ging, ohne sich ein einziges Mal umzudrehen, fort.
An der Stelle ist mir der Zusammenhang von "Alien-fliegt-weg-Koffer-schlimmer-Inhalt" nicht ganz klar. Wo ist der Bezug? Der Gerichtsbaum? Warum flieht das Schlumpf-Alien mit dem Baum, statt Karl zu konfrontieren oder zu bestrafen?

Die Story finde ich klasse, GoMusic, die Idee mit der Sonnenbrille ist 1a, doch die Auflösung lässt mich rätselnd zurück. Das ist mir persönlich zu offen, um mich zu beschäftigen. Da müsste in Punkto Schlüssigkeit noch was kommen, das die Runzeln auf meiner Stirn verschwinden lässt. Dennoch gerne gelesen, herrlich schräg, die Szene mit der Frau ins Absurde ausbaufähig, Challenge-Thema bedient, auch wenn die Rolle des Koffers für mich persönlich (noch) etwas unbefriedigend ist.

Peace, linktofink

 

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