Was ist neu

Der Winter und ein toter Hund, der dann doch nicht starb

Seniors
Beitritt
19.03.2003
Beiträge
1.883
Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:

Der Winter und ein toter Hund, der dann doch nicht starb

Strahlend weiß klirrte der Januarfrost, als sie die Tür des Krankenhausgebäudes hinter sich schloss. Sie trippelte auf dem vereisten Fußweg zu ihrem Auto, darauf bedacht, nicht auszurutschen. Kaum saß sie hinter dem Steuer, beschlugen die Scheiben und nahmen ihr die Sicht. Trotzdem fuhr sie langsam an, Blinker links, die Lüftung auf stärkste Stufe gestellt, fädelte sie sich vorsichtig über die verharschte Schneedecke in die gespurten Eisrillen ein. Wie auf Schienen glitt der Wagen dahin. Mirella gähnte. Ein Blick in den Rückspiegel. Die Heckscheibe heizte sich langsam auf, aber die Frontscheibe blieb milchig, bis auf ein klares Loch knapp über der Höhe des Lenkrades, etwa so groß wie ein menschlicher Kopf.

Ein gebückter Schatten flog Mirella seitlich entgegen und ein lauter Schlag folgte. Mirella erschrak. Blickte in den Rückspiegel und fixierte den grauen Fleck am Straßenrand. Hatte sie einen Hund angefahren? Doch dann hätte der Stoß dumpfer sein müssen, beruhigte sie sich. Es hatte viel heller geklungen. Wahrscheinlich hatte sie nur ein herabfallender Eisklotz getroffen. Gott sei Dank war ihr nicht mehr passiert. Es hätte sie schlimmer, zum Beispiel die Scheibe durchgeschlagend, treffen können. Ihr klopfte das Herz in die Schläfen.

Erstarrte Zweige glitzerten im Sonnenlicht, doch Mirella hatte keinen Blick für die weiße Pracht. Die Helligkeit des Tages schmerzte nach der langen Nachtschicht. Ausschlafen, ein warmes Bad und zwei Kerzen anzünden. Vielleicht noch den Pikkolo aus dem Kühlschrank und eine Pizza. Morgen wieder Frühschicht. Sie parkte in der Tiefgarage des Hauses, in dem sie wohnte und nahm den Aufzug in die dritte Etage. Sie begegnete niemanden.
Sie mochte ihr Appartement. Seit vier Jahren lebte sie darin. Alleine, weil kein Mann so richtig zu passen schien. Sie zog die schweren Vorhänge im Schlafzimmer zu, sperrte die Sonne und den Tag aus und ließ sich auf ihr Bett fallen. Ein französisches - dass es breit genug für zwei war, sollte es einmal so sein, hatte sie zu dessen Kauf bewogen. Ihre Schuhe zog sie noch aus, bevor sie in einen unschuldigen Schlaf fiel.

Stunden später erwachte Mirella. Irgendwas hatte sie geweckt. Mit schweren Lidern stellte sie fest, dass sie in ihrer Schwesternkluft eingeschlafen war. Sie schüttelte den Kopf, sodass die Haare und die Müdigkeit flogen und sprang aus dem Bett. Auf dem Weg ins Badezimmer zog sie sich aus, hörte im Hausflur eine Tür knallen, blieb stehen, horchte. Aufgeregte Stimmen. Überlegte, ob das junge Paar von nebenan sich gestritten hatte. Malte sich aus, nachher würde es sich versöhnen, und sie würde beider Lust durch die Wand anhören müssen und würde diese wie ein Kriechtier in ihrem Schoß spüren. Sie wollte zwar nicht lauschen, doch der Gedanke erregte und beschämte sie, als sie im Bad nackt vor dem Spiegel stand und sich betrachtete. Ihre Brüste prall, die Warzen aufgerichtet, wollten liebkost und berührt werden, der Mund, tiefrote Lippen, wollten salzige Haut schmecken. Schmerzlich wurde ihr bewusst, dass ihr Körper ebenso fordernd wie vergänglich war.
Ganz in diesen Gedanken versunken, ließ sie das Badewasser einlaufen, zündete zwei Kerzen an, ging in die Küche, köpfte den Pikkolo, goss das Getränk in eine Sektschale, nippte daran.
Warum, dachte sie, fühlte sie diese Zerrissenheit, das Leben war doch schön eingerichtet, wie in diesen vier Wänden. Weit fort. Von Mutter und Vater.
Als die Eltern bei einem Unfall starben, fühlte sie nichts als Erleichterung. Warum also, dachte sie gerade in diesem Moment, als sie in das warme Wasser tauchte, an die toten Eltern. Ärgerte sich, dass diese ihr noch im Tod zuschauten wie sie badete. Sie zwang sich, in den Kerzenschein zu blicken, beschwor andere Erinnerungen hervor.
Erinnerungen, die niemals stattgefunden hatten, und doch so fest in ihrem Gedächtnis verankert waren, weil sie diese stets erträumen musste, um entfliehen zu können.
Als der fremde Mann vor ihr stand, war sie nicht verwundert. Verletzlich und lieb sah er aus. Dunkle Augenringe im blassen Gesicht. Mundwinkel nach unten verzogen, die Unterlippe vorgeschoben, eine steile Falte in die Stirn gemeißelt. Warum das Blut? Auf seinem Hemd war Blut. Viel Blut. Es tropfte auf den Badewannenrand, lief weiter herab und vermischte sich mit dem Badewasser.
Mirella hörte wie aus weiter Ferne eine Haustür abermals zuschlagen. Dann weinte sie, einfach so. Befahl sich, die Tränen zu trocknen und den Champagner zu trinken. Sie prostete sich zu, leerte mit geschlossenen Augen das Glas in einem Zug und zerschlug es am Badewannenrand. Das Glas zersplitterte und einige Scherben fielen in die Wanne, andere auf die Bodenfliesen. Plötzlich erschien ihr der Tod als ein geliebter Vertrauter, der sie vorsichtig mit seinen Händen berührte. Seine Fingerspitzen waren es, die das Wasser nach Glasscherben absuchten. Berührten zärtlich. Wonne und zugleich Schmerz, als eine Scherbe tief in ihre Haut schnitt. Sie glaubte, sich nun aufzulösen, döste, fröstelte, schlug die Augen auf. Das Wasser war inzwischen kalt geworden.

Mirella stieg aus der Wanne, trocknete sich sorgfältig ab, auch zwischen den Zehen rubbelte sie ihre Haut trocken. Dann zog sie den Stöpsel aus der Wanne, sah zu, wie das Wasser durch den Abfluss strudelte, folgte ihm gedanklich in die verborgenen Leitungen des Hauses, in die Kanalisation. Ihr wurde schwindlig, als sich ihr Badewasser mit Anderem vermischte. Tropfen um Tropfen berührten sich, vermengten, trieben dahin, bis ins Meer, in alle Ewigkeit dazu verdammt, sich wieder trennen zu müssen. Loslassen. Aufsteigen. Fallenlassen. Nur das eine Ziel vor Augen. Aneinander berühren. Vermengen. Verschmelzen
Einen tiefen Atemzug lang wünschte Mirella, sie könnte die Zeit anhalten. Dann blies sie die Kerzen aus.

Am nächsten Morgen trippelte sie wieder freundlich lächelnd zu ihrem Auto. Die Fahrbahn war frei und so konnte sie schneller fahren als am Tag zuvor. Sie freute sich, dass alles so reibungslos verlief. Kein Stau sie aufhielt, eine grüne Welle sie wie schwerelos davon trug.

Flink parkte sie ihr Auto ein. Als sie um ihren Wagen herumging, bemerkte sie eingetrocknetes Blut und eine große Delle an dem rechten Kotflügel. Dachte augenblicklich an den Eisklotz und den Hund auf der Straße. Biss sich kurz auf die Lippen, grübelte über die Höhe des Schadens. Nervös griff sie sich an den Hals. Klopfen. Hämmern. Klopfen. Pochen. Ihr Puls ging immer schneller. Sprang. Schnürte. Sprang. Sie würgte das Bild des sterbenden Tiers hinunter. Zwang es in die Verbannung. Dorthin, wo auch ihre Eltern hausten.
Auf Station begrüßte sie die Patienten, die Kollegen und die Ärzte. Alles war wie immer. Die Haut auf ihrer Stirn glänzte doch nur, weil es zu warm im Krankenhaus war.
Ein toter Hund hatte keine Wünsche, die kranken Menschen aber um so mehr. Alte und junge Hände griffen nach ihr, zogen sie zu sich, dünne und dicke Lippen formten Worte, die sie mit ihrem Lächeln erstickte.

Ein Neuzugang lag schwer verletzt in Zimmer 103. Mirella sollte seine Temperatur messen und den Tropf umhängen. Erschöpft und von Schmerz gezeichnet war der junge Mann, das sah sie an den dunklen Augenringen im blassen Gesicht. Die Mundwinkel waren nach unten verzogen, die Nase und Unterlippe geschwollen und eine steile Falte war in die Stirn gemeißelt. Ein Auto hatte ihn tags zuvor erfasst und der Fahrer war geflüchtet. Sein Glück, dass das Krankenhaus in der Nähe war, als man ihn fand. Mirella fiel in Ohnmacht.

 

Hallo Goldene Dame,

die Geschichte wirkt auf mich wie eine weichgezeichnete Miniatur, die über die Befindlichkeiten die Geschichte vergisst. Eine übermüdete Frau ist sich selbst genug, zelebrierte die Traurigkeit und schottet sich ab. Das ist eine interessante Biographie für eine Figur in einer Geschichte, aber nicht unbedingt der Stoff für eine interessante Geschichte selbst. Ob sie nun einen Hund oder einen jungen Mann angefahren hat, beides ist ihr gleich, beides wird ausgeblendet, und es ist für mich als Leser auch schwer, irgendeine Verbindung zu dieser Frau herzustellen, sie interagiert ja auch mit niemandem, außer sich selbst. Es ist einfach wirklich wenig an der Geschichte dran und sprachlich finde ich es nun auch nicht so außergewöhnlich, dass alleine das reichen würde. Gut, es ist ein wenig spröde geschrieben, aber da ginge noch mehr, glaub ich.

Gruß
Quinn

 

Hallo Quinn

erstmal vielen Dank für deine Ansicht zu meiner Geschichte.

Ich meinte, die Geschichte nicht über die Beschreibung von Befindlichkeiten vergessen zu haben, da diese davon handelt, dass der Angefahrene sie heimsucht.

Vielleicht sollte ich es deutlicher machen?

fragt

GD

 

Ich weiß nicht, ich hab es als morbide Masturbationsphantasie gelesen, ohne irgendeinen Mystery-Hintergedanken. Dafür ist die Figur des Besuchers auch sehr generisch, ein Archetyp des Todes selbst und nicht eines Verstorbenen.

Man wird's nicht viel deutlicher machen können, ohne an der ganzen Machart der Geschichte zu rütteln

 
Zuletzt bearbeitet:

Die Geschichte gefällt mir so wie sie ist.

Sicherlich wird die Geschichte aus der Perspektive der Krankenschwester geschrieben. Die Gedanken an die Eltern, auch wie die Krankenschwester träumerisch die Winterlandschaft erlebt. Ich finde das alles sehr glaubwürdig und nicht kitschig.

In dieser Sehr persönlichen Spähre begegnet sie gedanklich - oder in welcher Form auch immer, dem verletzten Mann. Es geht um Verletzungen. Sie arbeitet auf was geschehen ist.
Die Geschichte hat meiner Meinung nach viele Ebenen, irgentwo ist da dieser Verletzte Mann, eine Form von Verdrängung. Die ruhige Wohnung im Gegensatz, zu dem Stress den eine Krankenschwester warscheinlich hat.

Der Wunsch perfekt zu sein, und dann doch jemanden verletzt zu haben. Der Wunsch sich zu entspannen, und dann die Gedanken an die Eltern, die jede Form von Enspannung vermeiden.

Die Perspektive ist höchst glaubwürdig, obwohl eigentlich seltsame dinge geschehen.

Auch liegt hier eine Form von Nacktheit vor, die man wirklich nicht als Masturbationsphantasie (so Quinn) bezeichnen kann. Nein, hier geht es nicht um Erotik, sondern um den Wunsch sich zurückzuziehen, um alles abzulegen - doch der Stress und die Realität holt einen wieder ein.

Nackheit wird hier nicht als infantiles Stilmittel eingesetzt, um der Geschichte einfach son bisschen Stoff zu geben, sondern ist glaubwürdig dargestellt. Das ist lobenswert.

Die Geschichte enthält in diesem Sinne eine solche Form von Wahrheit - die mich begeistert.

Dabei ist die Geschichte so Glaubwürdig geschrieben, dass ich Glaube dass es sich dennoch um Fiktion handelt.

Was für ein Werk! Hat mir gut gefallen

Hanqw II

 

Hallo Quinn, ich habe keinen blassen Schimmer was du nun mit generisch aussagen wolltest. Auch habe ich mit dem Archetyp des Todes irgendwie einen Sensemann vor Augen oder Brad Pitt als Jo Black.

Zudem finde ich es suspekt, dass du den surrealen Aspekt in der Geschichte als krankhafte Masturbationsfantasie interpretierst. :(


Schade, dass die Machart der Geschichte wohl anders ausfallen muss, um dir Lesegenuss zu bereiten.

Hallo Hanqw II

Was für eine Interpretation. WoW! Danke! Ich freue mich sehr, dass meine Geschichte auf Anhieb bei dir so punkten konnte, wie ich es mir auch gedacht habe. Ich habe mich besonders darüber gefreut, dass dir die Wahl meiner Stilmittel gefallen hat.

LG
GD

 

Hallo Goldene Dame,

mir hats gefallen. Die Begegnung mit dem Unterbewußtsein, dass man eben nicht kontrollieren kann. Die Badewannenszene fand ich toll, das Setting sozusagen, die Idee und auch schön umgesetzt.
Auch die beiden Autofahrten, hier werden Müdigkeit und Entspannung schön gezeichnet, obwohl, vielleicht ist am Morgen einfach alles einen kleinen Tick zu schön. Fröhlich, klare Sicht, das Eis von den Straßen, grüne Welle, freier Parkplatz. Vielleicht singt sie ja mal ein Lied im Radio vor einer roten Ampel ;).

Sonstiges:

Einen kurzen Moment brauchte sie, um festzustellen, dass sie in ihrer Schwesternkleidung eingeschlafen war. Sie ärgerte sich ein wenig, dass diese deswegen zerknittert war und nun gewaschen und gebügelt werden musste, ...

Ich hab ja keine Ahnung, aber verzichtet man im Winter tatsächlich darauf, die dünne Schwesterkleidung gegen was Warmes zu tauschen? Und werden diese nicht eigentlich durchs Krankenhaus gereinigt und gebügelt?

Schmerzlich wurde ihr bewusst, dass dieser Anblick vergänglich war und niemand sie so in Erinnerung behalten würde, wäre sie morgen tot.

Wie würden die Leute sie denn in Erinnerung behalten, wäre sie morgen tot? Erinnerten sie sich eines anderen Körpers? Oder willst Du damit sagen, dass sich niemand an sie erinnern würde?

Ärgerte sich, dass diese ihr noch im Tod zuschauten wie sie badete.

:), den Satz mag ich - sehr

Sie beschloss, sich die Eltern aus dem Gedächtnis zu streichen, zwang sich, in den Kerzenschein zu blicken, beschwor andere Erinnerungen hervor, die niemals stattgefunden hatten, außer in ihren Träumen.

Den auch, bis auf den ersten und letzten Teil, die erschließen sich ja eigentlich.

Alte und junge Hände griffen nach ihr, zogen sie zu sich, dünne und dicke Lippen formten Worte, die sie mit ihrem Lächeln erstickte.

Ich bin über das erstickte gestolpert. Das hat für mich etwas von Hochmut. Sie reden und man tut es mit einem Lächeln ab. Aber das beißt sich ja eigentlich im Kontext.


Gern gelesen, schöne Stimmung, feines Thema.
Vielen Dank dafür.

Beste Grüße Fliege

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Fliege,

Danke fürs aufmerksame Lesen und .... Schön, dass dir meine Geschichte gefällt. :)

Ich hab ja keine Ahnung, aber verzichtet man im Winter tatsächlich darauf, die dünne Schwesterkleidung gegen was Warmes zu tauschen? Und werden diese nicht eigentlich durchs Krankenhaus gereinigt und gebügelt

Ich wurde im November operiert und da hatten alle Krankenpfleger(innen)die grässlichen Baumwollzweiteiler an. Und zwar schon als sie zum Dienst erschienen sind. Also habe ich angenommen, dass sie ihre Arbeitskleidung zu Hause waschen. Aber da ich es nicht weiß habe ich es rausgenommen und inhaltlich ersetzt.

Wie würden die Leute sie denn in Erinnerung behalten, wäre sie morgen tot? Erinnerten sie sich eines anderen Körpers? Oder willst Du damit sagen, dass sich niemand an sie erinnern würde?

Letzteres.

Den auch, bis auf den ersten und letzten Teil, die erschließen sich ja eigentlich
Stimmt
Ich bin über das erstickte gestolpert. Das hat für mich etwas von Hochmut. Sie reden und man tut es mit einem Lächeln ab. Aber das beißt sich ja eigentlich im Kontext

Das ersticken bedeutet, dass sie sich gefühlsmäßig nicht auf die Kranken einlassen kann, aber nach aussen hin soll es keiner merken, daher lächelt sie wie unter einem Zwang.

LG
GD

 

Hallo Goldene Dame,

das Stück hat mir ausnehmend gut gefallen - die trippelnde Mirella, die mit Dessous und Pikkolo ihre Seele füttert, weil das, was sie benötigte, fehlt; die innerlich wie äußerlich in einer eingeschneiten Welt hinter dicken Gardinenlebt, hinter die nur perfekt gestylte Pseudoerinnerungen vordringen dürfen - und doch findet die triste Wahrheit in Gestalt ihrer Eltern und des Unfallopfers ihren Weg.
Bei der Gleichgültigkeit, mit der sie mit dem Unfall umgeht, der Unfähigkeit, sich auf die Patienten einzulassen, hast Du sehr schön gezeigt, dass sie, die eigentlich nur die Eltern (und was mit denen gefühlsmäßig verbunden ist) aussperren wolte, sich selbst von anderen Menschen abschottet.

Gut eingefangen finde ich auch das erstickende Lächeln (da wagt kein Patient umehr, um etwas zu bitten, weil er diese höfliche, geduldige, engelsgleiche Schwester schon viel zu sehr belästigt hat).

Zu der Berufskleidung: aus Hygienegründen müssen Pflegende ihre Kleidung im Krankenhaus/Pflegeheim wechseln, und meist auch dort waschen lassen. Aus Bequemlichkeit wird jedoch auch in Zeiten von MRSA, Noro-Viren und Schweinegrippe aufs Umziehen verzichtet (und die Kleidung auch nicht täglich gewechselt), und der Erregerkram nach draußen geschleppt.
Weiß ich aus Erfahrung - ich arbeite selbst in der Pflege. Du kannst es also problemlos wieder einbauen.

LG, Pardus

 

Hallo Goldene Dame,

also ich weiß nicht so recht. Thematisch ist deine Geschichte interessant und lesenswert, aber mit der Umsetzung hast du mich nicht überzeugt und auch sprachlich könntest du meiner Ansicht nach noch dran feilen.

Sie parkte in der Tiefgarage, die zu dem Gebäudekomplex, indem sie wohnte, gehörte und nahm den Aufzug in die dritte Etage. Sie begegnete niemanden.
Sie mochte ihre Wohnung. Seit vier Jahren lebte sie darin, ...
Puh! Geht das nicht auch anders? Da sind so gefühlte hunderttausend „sie“ im Text. Ein paar davon könntest du sicher eliminieren.
Ein heftiger lauter Schlag erschreckte sie plötzlich. Einige Sekunden dachte Mirella, sie hätte einen Hund angefahren, doch, so beruhigte sie sich, hätte der Stoß dumpfer sein müssen. Wahrscheinlich nur ein Eisklotz von der Straße. Sie fuhr weiter. Eine halbe Minute später hatte sie den Vorfall vergessen.
Meiner Meinung nach handelst du das zu schnell ab. Du suggerierst hier, dass sie tatsächlich nichts gesehen hat, und somit funktioniert für mich auch die spätere Szene nicht, in der der Angefahrene sie heimsucht. Natürlich würde die ganze Geschichte nicht mehr funktionieren, wenn du am Anfang schon erwähnst, dass sie einen Menschen überfährt, aber mir fehlt hier die Lass-mich-in-Ruhe-ich-kann-das-jetzt-nicht-auch-noch-gebrauchen Stimmung, die ich eher mit Müdigkeit und Verdrängung in Verbindung bringen würde.
Sie hatte Nachtschicht gehabt. Es waren schon vier Nächte hintereinander.
Vielleicht könntest du hier ansetzen. Du handelst das mit den vier Nachtschichten in zwei Sätzen ab. Vielleicht würde die Geschichte besser funktionieren, wenn deine Prota später in der Wanne über ihren stressigen Arbeitsalltag reflektieren würde, bevor sie die Vision von dem angefahrenen Mann hat. Das Phänomen Verdrängung hat ja eigentlich immer irgendeine Art von Überforderung als Ursache. Hier wäre zeigen – vielleicht in einer kleinen Rückblende ihres Arbeitsalltags – meiner Meinung nach besser, als in einem einzigen Satz zu erzählen. Zwar charakterisierst du die Figur auch anhand ihres Verhaltens gegenüber ihrer Eltern ganz gut, aber der Zusammenhang mit dem Unfall wird nicht ganz klar. Nur so ein Gedanke.
Ein Neuzugang lag schwer verletzt in Zimmer 103. Erschöpft und gezeichnet war der junge Mann, das sah sie an den dunklen Augenringen im blassen Gesicht. Die Mundwinkel waren schmerzverzerrt nach unten verzogen, die Nase und Unterlippe geschwollen und eine steile Falte war in die Stirn gemeißelt. Viel Blut hatte er verloren, bei dem Unfall gestern. Ein Auto hatte ihn angefahren und war weiter gefahren. Sein Glück, dass das Krankenhaus in der Nähe war, als man ihn fand.
Vorschlag: Erschöpft und gezeichnet war der junge Mann, der gestern in ihrem Bad gestanden hatte.
Die beiden letzten Sätze könnten dann raus, die sind für mich sowieso nur eine nachgeschobene Erklärung, die es mMn dann nicht mehr braucht.

Gruß, Stefan

 

Hallo Pardus,

Vielen Dank für deine Worte. Sie haben treffend wiedergegeben, was mir an Botschaft wi-schen den Zeilen wichtig war. Die Berufskleidung beabsichtige ich nun aber nicht mehr ein-zubauen, aber wenigstens weiß ich nun, dass das was ich im Krankenhaus beobachtet habe keine Halluzination von mir war :D


Hallo Stefan

Thematisch ist deine Geschichte interessant und lesenswert, aber mit der Umset-zung hast du mich nicht überzeugt und auch sprachlich könntest du meiner Ansicht nach noch dran feilen.

Mir gefällt es, wenn meine Geschichte poralisiert. Danke daher für deine kritischen Anmer-kungen.

Du suggerierst hier, dass sie tatsächlich nichts gesehen hat, und somit funktioniert für mich auch die spätere Szene nicht, in der der Angefahrene sie heimsucht.

Genau das wollte ich auch aussagen. Ob es der Angefahrene ist, der sie heimsucht, soll Mirel-la auch nicht wissen. Der Punkt ist, dass der Leser mehr Informationen erhält, als Mirella. Der Leser nimmt wahr, dass ihre Wahrnehmung eingeschränkt ist und sie nimmt es nicht wahr. Und ob sie heimgesucht wurde oder nicht, ist sowiso erst am Schluss der Geschichte zu erfah-ren. Und auch hier gilt, der Leser ist besser informiert als Mirella. Sie weiß nicht, dass er ihr erschienen ist und der Leser kann es wissen, wenn er die Geschichte so liest, wie ich es mir vorgestellt habe.

Pardus hat es schön formuliert

Pardus schrieb:
...die innerlich wie äußerlich in einer eingeschneiten Welt hinter dicken Gardinenlebt, hinter die nur perfekt gestylte Pseudoerinnerungen vordringen dürfen - und doch findet die triste Wahrheit in Gestalt ihrer Eltern und des Unfallopfers ihren Weg.

Vielleicht könntest du hier ansetzen. Du handelst das mit den vier Nachtschichten in zwei Sätzen ab. Vielleicht würde die Geschichte besser funktionieren, wenn deine Prota spä-ter in der Wanne über ihren stressigen Arbeitsalltag reflektieren würde, bevor sie die Vision von dem angefahrenen Mann hat. Das Phänomen Verdrängung hat ja eigentlich immer ir-gendeine Art von Überforderung als Ursache. Hier wäre zeigen – vielleicht in einer kleinen Rückblende ihres Arbeitsalltags – meiner Meinung nach besser, als in einem einzigen Satz zu erzählen. Zwar charakterisierst du die Figur auch anhand ihres Verhaltens gegenüber ihrer Eltern ganz gut, aber der Zusammenhang mit dem Unfall wird nicht ganz klar. Nur so ein Gedanke.

Sicherlich kann man die Geschichte auch so erzählen, aber dann wäre sie nicht meine Ge-schichte. Wenn ich so eine Geschichte lesen würde, wäre ich gelangweilt. Jeder hat Stress und viel zu tun und kann überfordert sein. Mirella ist aber nicht mit dem Alltagsstress überfordert. Sie ist "mit sich" überfordert.
Vorschlag: Erschöpft und gezeichnet war der junge Mann, der gestern in ihrem Bad gestanden hatte.
Die beiden letzten Sätze könnten dann raus, die sind für mich sowieso nur eine nachgescho-bene Erklärung, die es mMn dann nicht mehr braucht.

An sich ist es von mir nicht beabsichtigt, den Leser mit der Nase drauf zu stoßen, dass hier ein Zusammenhang mit der Fantasiefigur und dem Eisklotz oder dem Hund besteht. Der Leser darf sich Gedanken machen. Daher werde ich es dabei belassen, wie es da steht.

Danke für deine ausführliche Auseinandersetzung

LG
GD

 

Hallo Goldene Dame,

wenn ich jetzt in eine Art gefühlslastige Stimmung verfallen würde, könnte mir die Geschichte sicher gefallen. Aber nüchtern betrachtet kann sie mich nicht gefangen nehmen, auch meine Nüchternheit nicht vertreiben: Da fährt eine überarbeitete Frau etwas an, vermutet, dass es ein Hund ist und negiert dann diese Einsicht (aufgrund welcher Erfahrung?). Ab jetzt weiß man schon, worauf das Ganze hinausläuft, falls es keine ungewöhnliche Geschichte wird.
Dann wirkt es auf mich wie eine konstruierte Themenabarbeitung – Frau hat keinen Mann; dann ein wenig Sex; etwas Selbstzerknirschung beim Gedanken an die toten Eltern.
Die folgende Szene wirkt wie eine aus eine Mystery-Serie, als ihr der verletzte Mann erscheint, ahnt man erst recht, was da kommen soll; zusätzlich splitterndes Glas (immerhin kein Spiegel) und der Tod – das Ganze erscheint mir immer unrealistischer und fremder. Dies bestätigt sich, als sie sich über getrocknetes Blut wundert, der Sache aber nicht weiter nach geht (das Auto müsste beschädigt sein, wahrscheinlich geht das Licht nicht).

Wie du weißt, schätze ich sonst meistens deine Texte, deshalb die Überlegung, was (mir) dieses Mal fehlt. Die Thematik der Geschichte kommt mir so abgearbeitet vor (ähnlich einer ‚Auftragsarbeit‘), ich vermisse die Kraft, die man sonst beim Lesen deiner Texte oft spüren kann.


Änderungsvorschläge:

„Ein Blick in den Rückspiegel, sie vergewisserte sich, dass die Heckscheibenheizung in kürzester Zeit Durchblick gewährleistet“

Ein Blick in den Rückspiegel, sie vergewisserte sich, dass die Heckscheibenheizung in kürzester Zeit Durchblick gewährleisten würde.

„Einige Sekunden dachte Mirella, sie hätte einen Hund angefahren, doch, so beruhigte sie sich, hätte der Stoß dumpfer sein müssen“

Einige Sekunden dachte Mirella, sie hätte einen Hund angefahren, doch dann, so beruhigte sie sich, hätte der Stoß dumpfer sein müssen


„Sie parkte in der Tiefgarage, die zu dem Gebäudekomplex, indem sie wohnte, gehörte und nahm den Aufzug in die dritte Etage. Sie begegnete niemanden.
Sie mochte ihre Wohnung. Seit vier Jahren lebte sie darin, allein, weil kein Mann so richtig zu passen schien. Sie sperrte die Sonne und den Tag aus, zog auch die schweren Vorhänge im Schlafzimmer zu und ließ sich auf ihr Bett fallen.“

„Sie“ immer als Satzanfang kann man hier nicht als dramaturgisches Element ansehen.
„die zu dem Gebäudekomplex, indem sie wohnte, gehörte“ – das kann man weglassen, erspart den Schachtelsatz.

„Dann zog sie den Stöpsel aus der Wanne, sah zu, wie das Wasser durch den Ausguss strudelte“

Bei Badewannen nennt man es eher ‚Abfluss‘


Ich hoffe, du hast trotz meiner Kritik ein schönes Wochenende,

Woltochinon

 

Hallo GD,

nach ein paar sehr schönen Einstiegssätzen verlierst du leider die Qualität.

Wahrscheinlich nur ein Eisklotz von der Straße. Sie fuhr weiter. Eine halbe Minute später hatte sie den Vorfall vergessen.

Träumerisch fuhr sie weiter. Hatte keinen Blick für die weiße Pracht draußen. Erstarrte Zweige glitzerten im Sonnenlicht. Sie hatte Nachtschicht gehabt. Es waren schon vier Nächte hintereinander. Morgen hatte sie die Frühschicht. Erst ausschlafen, dann ein warmes Bad und zwei Kerzen wollte sie anzünden. Vielleicht noch den Pikkolo aus dem Kühlschrank und eine Pizza zum Abendprogramm.


Ich wundere mich, dass sie nicht wenigstens aussteigt und schaut, was sie gerammt hat. Da ist viel Platz für Machosprüche! und es ist auch etwas unglaubwürdig. Aber das macht noch nichts, ist ja seltsam hier. Wahrscheinlich hat es damit etwas auf sich.
Dann finde ich es eine misslungene Mischung aus Sinnieren und Information. Vielleicht solltest du das besser trennen, also die dahinschwimmenden Gedanken an ein Bad usw. und die achtlos hineingepfefferte Information, dass sie Nachtschicht hatte.

Sie parkte in der Tiefgarage, die zu dem Gebäudekomplex, indem sie wohnte, gehörte und nahm den Aufzug in die dritte Etage. Sie begegnete niemanden.

Der letzte Satz ist klasse. Den Gedäudekomplex brauchst du nicht zu erwähnen, das sind unnötige Infos.

Und dann ist am Ende auch wieder klar, warum sie am Anfang nicht nachgesehen hat, wen oder was sie da angefahren hat. Dass es damit etwas auf sich hat, war klar und vielleicht zu leicht zu durchschauen, das Prinzip der KG zu einfach und vor allem, nicht seltsam. Ich hätte die KG in Alltag passender gefunden. Den Mittelteil finde ich schön geschrieben, sehr schmachtend melancolisch, zeitauflösend.

beste Grüße

 
Zuletzt bearbeitet:

Guten Tag, Goldene Dame!

Das könnte eine wesentlich bessere Geschichte sein, wenn sie nicht so schlampig geschrieben wäre.
Ich hab etliche Fehler, verhedderte und unvorteilhafte Formulierungen rausgesucht, die mich beim Lesen störten; vielleicht nimmst Du Dir den Text nochmal vor, da er immerhin empfohlen wurde.

Strahlend weiß klirrte der Januarfrost, als sie die eine Tür des Krankenhausgebäudes hinter sich schloss und hinausging. Sie trippelte zu ihrem Auto, darauf bedacht, nicht auszurutschen. Kaum saß sie hinter dem Steuer, beschlugen die Scheiben und nahmen ihr die Sicht. Trotzdem fuhr sie langsam an, Blinker links, die Lüftung auf stärkste Stufe gestellt, und fädelte sich über klumpiges Eis in die Fahrspur der Straße ein.
Alles Unterstrichene könnte gut raus. Sie schließt erst eine Tür und geht dann hinaus - Schleusentüren? Oder nur eine der vielen Türen des Krankenhauses? Ist das so wichtig, daß man den Anfangsklirrer damit verwässern muß?
Das mit der Sicht und das mit der Straße finde ich auch überflüssig. Es ist eh klar, und der Satz klänge besser ohne.
sie vergewisserte sich, dass die Heckscheibenheizung in kürzester Zeit Durchblick gewährleistet. Die Frontscheibe, milchig, nur direkt vor ihr ein Loch, etwa so groß wie ein menschlicher Kopf, bot klare Sicht.
Die Heizung gewährleistete (steht übrigens bei Dir im Präsens) Durchblick, und die milchige Frontscheibe bot klare Sicht? DAs klingt verwurstet. Kurz die Taulinien der Heckscheibenheizung zu zeigen ginge auch einfacher, z.B. Die Heckscheibenheizung war gut/wurde schnell warm/funktionierte einwandfrei.
Im Frontscheibenteil würde ich mich für eins entscheiden: Milchig oder klar. Am einfachsten wäre, das Unterstrichene zu streichen. Und das Komma vor milchig würd ich ersetzen, entweder durch war oder - wenn Du da kein Verb willst, durch einen Doppelpunkt.

Ein heftiger lauter Schlag erschreckte sie plötzlich.
Da könnten zwei von drei Adjektiven raus.

Einige Sekunden dachte Mirella, sie hätte einen Hund angefahren, doch, so beruhigte sie sich, hätte der Stoß dumpfer sein müssen.
Im zweiten Satzteil fehlt ein Wort.
Das finde ich übrigens sehr unlogisch, denn den Unterschied zwischen etwas Weichem (Lebenden) und einem Eisklotz, den man so langsam an- oder überfährt, erkennt man sofort. Am Geräusch, an der Art der Erschütterung; das kann man nicht verwechseln.
Mein Vorschlag hier wäre: Streich den Eisklotz. Sie denkt einfach nicht darüber nach, so ist es doch.

Sie hatte Nachtschicht gehabt. Es waren schon vier Nächte hintereinander. Morgen hatte sie die Frühschicht. Erst ausschlafen, dann ein warmes Bad, und zwei Kerzen wollte sie anzünden.
Hier auch. Das Unterstrichene kann weg.

Sie parkte in der Tiefgarage, die zu dem Gebäudekomplex, indem sie wohnte, gehörte und nahm den Aufzug in die dritte Etage.
Ihre Schuhe zog sie noch aus, bevor sie in einen unschuldigen Schlaf fiel.
Mit schweren Lidern erhob sich Mirella. Einen kurzen Moment brauchte sie, um festzustellen, dass sie in ihrer Schwesternkleidung eingeschlafen war.
Da würde ich einen Satz draus machen. Den kurzen Moment hat sie ja gehabt, als sie sich erhob, oder? Vorschlag:

Mit schweren Lidern erhob sie sich und stellte fest, dass sie in ihrer Schwesternkleidung eingeschlafen war.

aber dann fiel ihr ein, dass sie tagsüber geschlafen hatte und nun Abend sein musste.
Ist das kompliziert! Warum nicht einfach dann fiel ihr ein, daß (jetzt) Abend war.?

Sie sprang aus dem Bett, und auf dem Weg ins Badezimmer zog sie sich aus, die Kluft achtlos zu Boden fallen lassend.
Wie nennt man diese Art Nebensatz? Die mag ich nicht. Das ist unsachlich, aber hier ist eh eine Dopplung, Du könntest schreiben: ..., und auf dem Weg (...) ließ sie die Kluft achtlos zu Boden fallen, damit wär sie automatisch auch ausgezogen.

dass das junge Paar nebenan sich gestritten haben muss.
Krause Zeit, ich würd auch Konjunktiv empfehlen. Eigentlich ist der Streit ja auch noch nicht um, denn versöhnen werden sie sich nachher; daher wär dass das junge Paar sich stritt am einfachsten.

Nachher würden sie sich versöhnen, und sie wollte zwar nicht lauschen, doch sie hörte beider Lust durch die Wand, und in ihrem Schoß wand sich ein Kriechtier namens Begierde.
Da mußte ich lachen: A Kriechtier named desire! Aber egal:
Die Kommata vor und, wenn danach ein ganzer Satz kommt, empfehle ich Dir hier besonders dringend für die Gliederung des Satzes. Es ist überhaupt eine Schande, daß man die nicht mehr machen muß. :D
Es steht da so, als höre sie die Lust in diesem Moment schon, dabei geht es ja darum, daß sie das generell durch die Wand hören kann.


Vor dem Spiegel stand sie nackt in dem Bewusstsein, wie schön sie war.

Warum, dachte sie, fühlte sie gerade diese Verzweiflung, das Leben war doch schön in diesen vier Wänden. Weit fort von Mutter und Vater, niemals mehr deren Augapfel sein wollend, hatte sie sich aus dem Elternhaus gelöst, hatte keinen Schlüssel für ihr neues Heim hinterlassen.
Das kommt auch ganz schräg daher *find*.
Erstmal kannst Du das zweite diesen ersetzen, z.B. durch ihren, dann ist die Wiederholung schonmal weg. Richtig kraus wird es aber danach. Da steht nämlich, sie habe sich weit fort aus dem Elternhaus gelöst, und dann ist da noch so einer von diesen Nebensätzen eingebastelt.
Wenn Du Mutter und Vater an den letzten Satz hängst (... in ihren vier Wänden, weit fort von Mutter und Vater.), kannst Du mit dem schrecklichen Nebensatz (Niemals mehr ...)den nächsten anfangen, dann stimmt es. Du könntest auch all das Elternzeug weglassen und die Eltern erst reinbringen, wenn sie ins Wasser steigt, als kurzen ... Wehmutsdings, das säh dann ungefähr so aus:

... in ihren vier Wänden, weit fort von Mutter und Vater. Warum mußte sie (jetzt) an die toten Eltern denken, während sie ins warme Wasser stieg? Mussten sie ihr selbst im Tod noch beim Baden zusehen?

Da käm dann all das Warumzeug hübsch auf einem Haufen und wäre nicht so ach, ach, ach.


Erinnerungen die niemals stattgefunden hatten und doch so fest in ihrem Gedächtnis verankert waren, als seien sie nicht nur in Träumen gelebt worden.

Woss? Also, das ist wirr, denn Erinnerungen finden ja nicht statt, schon gar nicht in der Vergangenheit, sondern beziehen sich auf Vergangenes. Und seit wann sind Stärke und Verankerung einer Erinnerung vom Realitätsgehalt abhängig?
Ich lese, daß sie in die Flamme blickt und sich in Träume flüchtet, die sie gut kennt. Kann man das nicht weniger verzäunigt schreiben?

Mirella hörte, wie eine Haustür abermals zuschlug.

Dann weinte sie, einfach so. Befahl sich, die Tränen zu trocknen und den Champagner zu trinken. Sie prostete sich zu, leerte mit geschlossenen Augen das Glas in einem Zug und zerschlug es am Badewannenrand. Das Glas zersplitterte und einige Scherben fielen in die Wanne, andere auf die Bodenfliesen. Plötzlich erschien ihr der Tod als ein geliebter Vertrauter, der sie vorsichtig mit seinen Händen berührte. Seine Fingerspitzen suchten das Wasser nach Glasscherben ab, berührten sie dabei zärtlich, dass sie erschauerte und voll Wonne aufschrie, als eine Scherbe tief in ihre Haut schnitt. Sie glaubte sich nun aufzulösen, doch statt Blut aus der Wunde kein Komma entwich ihr nur ein tiefer Seufzer aus der Brust und ihr wurde kühl. Das Wasser war inzwischen kalt geworden.

Ich hab hier beim Lesen auch gedacht, das phantasiere sie. Sie guckt in die Kerzen, träumt sich, nicht zum ersten Mal, diesen Typ daher, dann befummelt sie sich unter Wasser, und ob das Glas wirklich zerbrochen ist und Scherben in der Wanne sind, weiß der liebe Himmel. Das Blut und das Aussehen des Mannes passen zum Bild, das ich schon von ihr hatte, wirken nicht wie eine überraschende Wendung oder eine Heimsuchung.

Mirella stieg aus der Wanne, trocknete sich sorgfältig ab, auch zwischen den Zehen rubbelte sie ihre Haut trocken. Dann zog sie den Stöpsel aus der Wanne, sah zu, wie das Wasser durch den Ausguss strudelte, hinaus in die verborgenen Leitungen des Hauses, in die Kanalisation. Es vermischte sich ihr Badewasser mit anderem, Tropfen um Tropfen berührten sich, vermengten, trieben dahin, bis ins Meer, in alle Ewigkeit dazu verdammt, sich irgendwann wieder trennen zu müssen, um als Wasserdampf wieder aufzusteigen und als Regen wieder gen Erde zu fallen. Nur das eine Ziel vor Augen, aneinander zu berühren und zu vermengen.

Das ist zu dick aufgetragen und wirkt sehr bemüht. Und es paßt auch wieder prima zur Masturbationsphantasie, denn die einsame, etwas angedüdelte Heldin in ihrer Melancholie könnte ja gut solche Gedanken/Gefühle haben: Das Wasser, in dem sie einen Orgasmus hatte, vermischt sich mit dem Wasser anderer Menschen, das ist eine hübsche Idee von sexueller Ersatzverschmelzung. :D

Am nächsten Morgen kein Komma trippelte sie wieder kein Komma freundlich lächelnd zu ihrem Auto.
eine grüne Welle sie wie schwerelos davontrug
Flink parkte sie ihr Auto auf dem ihr zugewiesen Parkplatz, in der Nähe des Eingangs zur Notaufnahme, ein,
kann weg.
verbannte das Bild des sterbenden Tiers für immer in den Winkel, in dem auch ihre Eltern hausten.
des sterbenden Tiers würd ich streichen, denn sie hat kein konkretes Bild, und man nimmt es ihr eh nicht ab. verbannte den Gedanken, das wär schlüssiger.

Ein toter Hund hat keine Wünsche mehr. Die kranken Menschen aber um so mehr.

Viel Blut hatte er verloren kein Komma bei dem Unfall gestern. Ein Auto hatte ihn angefahren und war weitergefahren.

Gruß,
Makita.

 

Hallo Woltochinon, Aris und Makita,

Vielen Dank für Eure konstruktiven Hinweise. Ich habe diese zum Anlass genommen, meine Geschichte zu überarbeiten.

Danke dafür und auch für die Empfehlung.

LG
GD

 

Moin Goldene Dame,

hat mir gut gefallen, trotz der realen Geschehnisse haftet der ganzen Geschichte etwas angenehm Impressionistisches, Aquarelliges, auch Flüchtiges an - dennoch hat man ein 'rundes' Gefühl.

Zu meckern habe ich nur über häufige 'seine' und 'ihre', obwohl klar ist, wem da etwas gehört - in vielen Fällen würde also der bestimmte Artikel reichen.

Gern gelesen!

Viele Grüße vom
gox

 

Hallo gox,

Freut mich sehr, wenn dir die Geschichte gefallen hat. Ein paar Sätze wollte ich eh noch umfeilen. Dann werde ich auch die überflüssigen besitzanzeigenden Personalpronomem in schlichte Artikel umwandeln ;)

LG
GD

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Goldene Dame,

ich finde diese Geschichte auch nach der Ueberarbeitung noch ziemlich halbgar. Und dabei hab ich durchaus Sinn fuer Leises und kann sogar Unklarheit gut ertragen. Damit solche Geschichten wirken, muss aber die Sprache 1a stimmen und jedes Bild sich schoen ausgetueftelt ins Ganze schmiegen. Das scheint mir hier nicht der Fall zu sein und ich koennte weiteren Ueberarbeitungsbedarf auch an zig fehlenden Kommatas belegen, aber das waere mir langweilig. Ingesamt ueberwiegt der Eindruck, dass hier Potential verschenkt wurde, weil die Sprache nicht genug geschmirgelt und die Szenen nicht genug pointiert wurden.

Einiges, was ich jetzt aufliste, wurde schon von anderen angesprochen, aber ignoriert. Deshalb schreib ich's nochmal.

Nur ein klares Loch knapp über der Höhe des Lenkrades und etwa so groß wie ein menschlicher Kopf ließ freie Sicht zu.
Das ist sehr praezise, aber eher sperrig formuliert. Stoert den ansonsten huebscher ersten Abschnitt.

Ein heftiger lauter Schlag erschreckte Mirella plötzlich.
Einen hoechst undynamischer Satz fuer ein dynamisches Ereignis. *grusel*

Einige Sekunden lang glaubte sie, einen Hund angefahren zu haben, doch dann hätte der Stoß dumpfer sein müssen, beruhigte sie sich. Es hatte heller geklungen. Wahrscheinlich nur ein Eisklotz von der Straße, dachte sie und fuhr träumerisch weiter. Eine halbe Minute später hatte sie den Vorfall vergessen.
Dieser ganze Ablauf ueberzeugt mich nicht. Irgendwie muesste deutlicher werden, dass diese Unfaehigkeit, sich mit dem Unfall auseinanderzusetzen, Symptom ihrer Unfaehigkeit ist, mit der Welt um sie herum in Kontakt zu treten - dieses Abgekapselte eben. Das kommt spaeter eher raus, hier ist es aber nur "haeh?"

Sie parkte in der Tiefgarage des Hauses indem sie wohnte und nahm den Aufzug in die dritte Etage.
Das ist auch wieder so ein Beispiel fuer einen mit uninteressanten oder redundanten Infos ueberladenen Satz.

Ein französisches, breit genug für zwei, sollte es einmal so sein.
sollte es sich einmal ergeben

Malte sich aus, nachher würde es sich versöhnen und sie wollte zwar dann nicht lauschen, doch sie würde beider Lust durch die Wand hören und diese wie ein Kriechtier in ihrem Schoß spüren.
Das ist so ne eigentlich starke Szene - passion by proxy - der wirklich aller Charme durch die Sprache abgewuergt wird. Vorschlag: Gleich wuerden sie sich versoehnen und dann wuerde sie ihre Lust durch die Wand hoeren und diese wie ein Kriechtier in ihrem Schoss spueren.
Wem gilt eigentlich dieses entschuldigende "sie wollte dann nicht lauschen"? Ist doch Unfug.

Im Bad vor dem Spiegel stand sie nackt in dem Bewusstsein wie schön sie war. Schlank und biegsam wie ein junger Baum, der Popo fest wie ein runder Apfel und um die Brüste konnte sich eine Hand gerade so wölben. Schmerzlich wurde ihr bewusst, dass ihr Körper vergänglich war und niemand in Erinnerung behalten würde, wer sie, wäre sie morgen tot, gewesen ist.
Und hier koennte die Einsamkeit auch viel staerker und gleichzeitig impliziter herausgearbeitet werden, wenn Du ihren Koerper naemlich konsequent als einen Koerper beschreiben wuerdest, der zum Anfassen gemacht ist, aber nie angefasst wird - das mit der Hand geht schon in die richtige Richtung. Dieses schmerzliche Bewusstwerden und explizite Benennen ihrer Einsamkeit ist nur eine Kruecke das auszudruecken, was so im Bild nicht rueberkommt.
"Popo" hab ich uebrigens schon lange nicht mehr gehoert/gelesen.

Niemals mehr deren Augapfel sein wollend hatte sie sich aus dem Elternhaus gelöst, hatte ihnen keinen Schlüssel für ihr neues Heim hinterlassen.
Scheuheussliche Partizipialkonstruktion das. Warum nicht: Sie wollte niemals mehr ihr Augapfel sein und hatte keinen Schluessel fuer ihr neues Heim hinterlassen, als sie das Elternhaus verliess.

Das vergangene Leben wurde ausgeschlossen
Das ist irgendwie schade, dass Du das symbolische Ausschliessen hier nochmal so mit dem gelben Marker hihlighten musst. Dies soll ja offensichtlich eine feine, subtile Geschichte sein, also passen solche Holzhammer nicht.

Erinnerungen die niemals stattgefunden hatten und doch so fest in ihrem Gedächtnis verankert waren, als seien sie nicht nur in Träumen gelebt worden.
Das hat Makita zu Recht kritisiert. Es ist semantisch schlicht falsch. Statt Erinnerungen muesste da Ereignisse oder etwas Aequivalentes stehen.

Mirella stieg aus der Wanne, trocknete sich sorgfältig ab, auch zwischen den Zehen rubbelte sie ihre Haut trocken. Dann zog sie den Stöpsel aus der Wanne, sah zu wie das Wasser durch den Abfluss strudelte, folgte ihm gedanklich in die verborgenen Leitungen des Hauses, in die Kanalisation. Ihr wurde schwindlig, als sich ihr Badewasser mit anderem vermischte. Tropfen um Tropfen berührten sich, vermengten, trieben dahin, bis ins Meer, in alle Ewigkeit dazu verdammt, sich wieder trennen zu müssen. Loslassen. Aufsteigen. Fallenlassen. Nur das eine Ziel vor Augen. Aneinander berühren. Vermengen. Verschmelzen
Auch eine eigentlich schoene Szene, die aber sehr viel praegnanter beschrieben werden koennte und zumindest bei mir dann doppelt so stark wirken wuerde, als gefuehlte hundert Variationen desselben Themas.

Sie würgte das Bild des sterbenden Tiers hinunter.
Das irritiert mich auch.

So, das waers. Wie gesagt, sind auch noch x Zeichensetzungsfehler drin, was so bei einer Geschichte mit Empfehlung eher unangebracht erscheint. Ansonsten, gute Ansaetze, aber viel verschenkt.

lg,
fiz

 

Goldene Dame,
ich finde deine Geschichte nun nach der Überarbeitung sprachlich sehr schön. Mir hat es Spaß gemacht, sie zu lesen, auch wenn mich das Ende nicht umgehauen hat. Der Besuch des Angefahrenen in der Nacht, dann das Wiedersehen später im Krankenhaus, daraus hätte man mehr machen können, denn die Idee finde ich ansich sehr gut. Sprachlich wurde es auch gut umgesetzt, aber inhaltlich fand ich das leider nicht so packend erzählt.
Mich stört ein wenig, dass es der Protagonistin so wenig ausmacht, dass sie diesen Besucher im Krankenhaus wiedersieht. Ich hab das Gefühl, als sie denkt, sie habe einen Hund angefahren, macht ihr das mehr aus, als die Tatsache, dass es ein Mensch war, den sie erwischt hat.
Insgesamt jedoch hat es mir wie gesagt Spaß gemacht, deine Geschichte zu lesen, der Titel ist gut gewählt und du kannst meinen Beitrag als positive Rezension werten.

 

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom