Der Zwergenbauer von Hammersfell
"Stahl, Stahl, Stahl und nochmal Stahl...", brummte Daragosch und trieb den kleinen Esel voran, "Nur schmieden oder Kämpfen, Kunst oder Sieg, Anerkennung oder Ehre, aber woher kommt das Essen dieser Künstler und Siegreichen? Hier vom Land ihr Dummbatzen!"
Er spuckte aus und rieb sich den verwitterten alten Bart. Sein Eselchen war noch jung und nicht so kraftvoll wie es sich der alte Bauer wünschte. Das machte den Zwerg noch wütender, aber er war es gewöhnt nur junge oder alte Tiere für die Arbeit auf dem Acker zu erhalten. Die guten Tiere gingen als Lasttiere in die Stadt zu den hochnäsigen Zwergenkriegern.
Er hatte schon den ganzen Morgen geflucht, doch auch sein jüngster Sohn Granobart hatte sich für das Kriegerdasein entschieden. Dieser war es, der den Flüchen des Alten schon seit geraumer Zeit ausgesetzt war. Argon sein älter Bruder hatte es schon gut, dachte der Junge, der hinter seinem Vater die Saat ausstreute. Argon von Hammersfell wurde er inzwischen genannt - siegreich in zahlreichen Gefechten mit Menschen, Elben und Orkabschaum. So wollte er sein, da konnte sein alter Gevatter fluchen wie er wollte.
Die für einen Zwerg kleine Höhle war gutes Ackerland. Sie hatte direkt von Süden einfallendes Sonnenlicht, welches den Tag über langsam aber sicher von einem Ende der Höhle bis zum anderen wamderte.
"Unsere Famile sind Bauern in der wohl schon zehnten Generation...", grollte Daragosch, ".. und jetzt laufen uns alle Kinder davon. Norobeil hat mir erzählt, daß auch seine Söhne keine Bauern mehr werden wollen. Wer soll denn in Zukunft unsere glorreichen Helden und gepriesenen Handwerker ernähren wenn sich alle nur noch prügeln oder auf Stahl herumkloppen wollen? Die Frauen?"
"Es tut mir leid, Vater, aber ich will kein Bauer werden.", sagte Granobart wohl nicht zum letztem Male, "Bauern haben kein Ansehen, Bauern sind arm, Bauern schuften den ganzen Tag vom frühen Morgen bis in die späte Nacht, und für was?"
Sein Vater warf sein ohnehin schon ziemlich zerknitterte Gesicht in Falten, und brummte: "Dafür am nächsten Tag wieder genauso zu schuften - ich weiß. Aber denk an die Familie. Sie wird zerfallen wenn Ihr euch alle Abschlachten lasst oder auf Expeditionen geht. Wir sind Zwerge, und Zwergenfamilien halten zusammen! So war es schon immer, doch IHR ihr lasst uns im Stich. Soll ich demnächst mit deinen Schwestern den Boden bestellen oder womöglich alleine?“
Sein Jüngster schüttelte schweren Herzens den Kopf mit einer für einen so jungen Zwerg schon erfreulichen Haarpracht: „Ach Vater..“
Der Alte Bauer seufzte und rieb seine geschundenen stählernen Muskeln. Sein rotes Haar war wie es die Götter verlangten mit vier kleinen Zöpfen rechts für seine vier Söhne und dreien links für seine drei Töchter verziehrt. Der Bart war nur ein einziger langer mit ledernen Bändern in den Griff gebrachter Flecht, da er noch keine Ehre erlangt hatte in seinem Leben. Jeder besiegte Gegner ein kleiner Zopf im Bart. Ein Bauer konnte keine Ehre erlangen. Er konnte seine Söhne verstehen, daß war das schlimmste daran. Bierbrauer – das war wenigsten ein Beruf mit Anerkennung, aber Bauer zu sein hieß nicht zu existieren. Keine Geschichte der Götter berichtete von einem Bauern – es sei denn er wehrte sich tapfer gegen eine Übermacht an Feinden. Es wurde entweder geschmiedet oder gekämpft. Daragosch blieb stehen und sah seinen Sohn lange an.
„Geh mein Sohn. Geh und suche Dein Glück.“, brummte er mit tiefer Stimme. Er versuchter der Stimme einen kränkenden und abweisenden Ton zu geben, doch Granobart fühlte die liebe und den kraftvollen Schmerz des Vaters. Er nahm zum Abschied den Kopf des Alten in beide Hände und legte seine Stirn an die seines Vaters: „Dank und Ehre, Daragosch, Sohn des Baradok von Hammersfell, oh mein Vater.“
Sein Vater bestätigte das Ritual des Fortgehens: „Glück und Kraft auf deiner Reise, Granobart, Sohn des Daragosh von Hammersfell.“
Natürlich weinten beide nicht als sie sich trennten und der Jüngling sich auf den Weg in die Kaserne machte. Es mußte wohl einen leichten Windzug in der Höhle geben, der beiden die Tränen in die Augen trieb.
„Ich werde mich jedenfalls nicht wundern, wenn wir Zwerge aussterben...“, brummte der Alte noch zu seinem Esel, „... vor Hunger.“