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Die Dinge liegen so nah

Seniors
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02.01.2002
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Die Dinge liegen so nah

Manchmal genügt eine Kleinigkeit, damit alles wieder aufreißt.

Die Verkäuferin in dem Laden neben dem Friedhof meinte es gut mit ihrem Rat. "Jasmin duftet so wundervoll", sagte sie.

Ja, das tut er. Er duftete schon damals wundervoll, als Friedrich ihn vor über fünfzig Jahren zu unserer ersten Verabredung mitbrachte. Und er duftet noch heute wundervoll, als ich ihn auf seinem Grab pflanze.

Während ich durch die Blätter streiche, sehe ich Friedrich vor mir. Ich sehe ihn, wie er bei unserer ersten Verabredung mit dem Strauß in seinen feuchten Händen auf mich wartet. Ich sehe uns beide, wie wir auf dem Ball miteinander tanzen. Meine Tränen tropfen auf die Erde, als ich mich an unseren ersten Kuss erinnere.

Ein Geräusch lässt mich aufschrecken. Ein junges Mädchen steht am benachbarten Grab.

In ihrem Alter habe ich Friedrich getroffen, geht es mir durch den Kopf. Sie hat noch ihr ganzes Leben vor sich.

Das Mädchen tritt an den Stein.
"Ich habe dir Rosen mitgebracht", höre ich sie flüstern. In ihren Haaren schimmert das Sonnenlicht. Die Finger gleiten über den Marmor. Ich will mich peinlich berührt abwenden, als mir das eingemeißelte Datum in die Augen springt.

Sie hat noch ihr ganzes Leben vor sich. Ein ganzes Leben ohne ihn.

Ich blicke zurück zu Friedrichs Namen.

Manchmal genügt eine Kleinigkeit, damit alles wieder aufreißt.

Und manchmal genügt eine Kleinigkeit, damit ich dankbar bin für alles, was wir hatten.

 

Liebe Ginny,

manchmal genügt eine kleine Geschichte, um viel mitzuteilen und genau das ist dir hier gelungen. Du erzeugst Stille, Ruhe und Zeit ein Stückchen Leben zu erfassen, dass mit einem Schicksalsschlag fertig zu werden versucht.
Was wirklich zählt, sind all die Augenblicke, die jetzigen Momente, die wir besitzen, jetzt, genau in dieser Sekunde

und

die Erinnerung und es liegt an uns, wie wir sie uns gestalten, was wir daraus machen, ob wir uns dabei glücklich oder unglücklich fühlen wollen.

Mir hat deine Geschichte gefallen, weil in ihr so viel steckt, worüber es lohnt, nachzudenken.

Lieben Gruß
lakita

 

hallo Ginny!

Auch mir hat der Text sehr gut gefallen. Die Stimmung hast Du in der Kürze hervorragend erzeugt und durchgehalten. Eine lebensnahe Situation, die berührt.

Ich hatte irgendwie erst auf den 2. Bilck verstanden, daß das junge Mädchen sich am Grabstein nebenan niederläßt. Im ersten Moment dachte ich, sie wäre am selben Grab wie die Protagonistin.

Schönes Plädoyer für das Dankbarsein, die Erinnerung und das Schätzen des Hier und Jetzt.

Frauke

 

Hallo Ginny-Rose,

eine wunderschöne Geschichte und ein gutes Beispiel, dass man mit wenigen Worten die Tiefe einer Situation ausloten und eine eindringliche Geschichte erzählen kann.

Neben mir hatte sich ein junges Mädchen niedergelassen.
Wenn du hier "Am Grab nebenan" o.ä. schreiben würdest, wäre es vielleicht klarer.

LG
merenhathor

 

Hallo Ginny,
in der Kürze liegt die Würze. Ich kann nur wiederholen, was meine Vorgänger bereits gesagt haben. Sehr gefühlvolle Geschichte, die mit wenigen Worten sooo viel aussagt, einen zum Nachdenken anregt und einen dazu bringt, noch ein bisschen mehr das Heute zu geniesen.
Ich denke Merenathor hat Recht mit seinem Tipp noch ein "am Grab nebenan" einzufügen. Die Stelle kommt nämlich nicht so ganz klar raus.

Liebe Grüsse
Blanca

 

Hi Ginny!
Ich kann allen meinen Vorgängern nur beipflichten und das finde ich ziemlich schade. Eine so tolle Geschichte wie deine hat mehr verdient, als ein blosses Anschliessen an die Vorderen, denn sie ist so w underschön geschrieben und verzaubert einem... Ich freue mich, über diese Geschichte "gestolpert" zu sein.

Liebe Grüsse,
Manuela

 

Hallo zusammen ...

Danke für die Rückmeldungen. Freut mich sehr, wenn Euch die kleine Geschichte gefallen hat und genauso ankam, wie sie gedacht war. :-)

Um Missverständnisse zu vemeiden, habe ich die Stelle mit dem benachbarten Grab etwas deutlicher gemacht - sonst ist es in der Tat unklar.

Ginny

 

Ginny...


...Du wirst sicher einsehen, dass ich diesen Text zwar gelesen und für technisch sehr gut befunden habe (das klang jetzt n bisschen blöd, hm?)
...aber ich kann und soll diese Geschichte nicht kommentieren.


DAs verstehst Du sicher.


J

 

Hei Ginny bab´, kurz und prägnant, sehr gut.
Mal wieder ein Beweis dafür, dass man, wenn man bewegen will, auch reduziert sehr gut und klug schreiben kann.

Ja, ist auch technisch sehr gut gemacht!

Liebe Grüsse Stefan

 

Hey Jack ...

ja, verstehe ich.
Trotzdem (oder gerade deshalb?) danke.
:-)

@Frauke: Das hör ich gern! <g>

@Arche: Hab ich's doch gewusst, dass das wieder nach Deinem Geschmack ist ...
Danke fürs Lesen!

Ginny

 

Hallo Ginny- Rose,

sensibel und treffend stellst Du die Gefühle der Frau dar. Trotz aller aufgerissener Wunden wirkt die Szene ruhig, gefasst.
Der Schluß gibt dem Inhalt seine Tiefe, weil hier ein philosophisches Grundproblem angesprochen wird: Die Relativität von Glück (und natürlich auch Leid).

Prima!

Tschüß... Woltochinon

 

Bereits am Anfang machst du mehr oder weniger deutlich klar, wie Plot und Grundtenor aussehen werden - so dachte ich nach den ersten beiden Sätzen. Denke, dass ich damit nicht falsch liege, aber der Wendepunkt tut der Geschichte gut.
Meines Erachtens würde deinem Text aber Präsenz wesentlich besser stehen! Spielt ja "heute"! Denk mal drüber nach. Ergebnis wäre auch ein schärferer Kontrast zum Gewesenen, z.B.
Ansonsten gut verdichtet und geschrieben.
...para

 

Hallo Ginny,
hab mir selber gerade nochmal Deine Geschichte im Präsenz vorgelesen, wie Para meinte. Das käm echt noch besser. Ich würde es an Deiner Stelle umändern.

LG
Blanca

 

Hallo Ihr beiden,

gestern Abend ging mir das gleiche durch den Kopf - bei langen Texten nehme ich gewöhnlich immer Vergangenheit, aber hier passt es besser zu dem unmittelbaren Erleben ... ich änder es mal!
Danke!

Ginny

 

Hallo Ginny,
:thumbsup: Viel besser so.

Ein Wort hast Du vergessen umzuändern:
Und er duftet noch heute wundervoll, als ich ihn auf seinem Grab pflanz(t)e.

LG
Blanca

 
Zuletzt bearbeitet:

An der Stelle war ich mir nicht ganz sicher, weil der Jamsin eigentlich gerade gepflanzt sein soll und die Erzählerin nur noch die Erde ein bisschen verschönert ...
... aber das checkt man so wohl nicht, deswegen werd ich's ändern. Thx. :-)

Unsicher bin ich aber definitiv noch hier:

ch sehe ihn, wie er den Strauß in seinen feuchten Händen hielt, als er auf mich wartete.
Die beiden nachfolgenden Erinnerungen als sie tanzen und sich küssen habe ich ins Präsens gesetzt ... die erste Erinnerung wollte ich "einleitned" in der Vergangenheit belassen ... <grübel>
Mal sehen.

edit: Außerdem merke ich gerade, dass es mir zu viele "als" im Text sind. <grummel>

Ginny

 

Hallo Ginny,
also ich würde glaube ich dann auch tanzen und küssen in die Vergangenheit setzen. Sonst verwirrt es vielleicht.
LG
Blanca

 

Ich hab's jetzt umgekehrt gemacht und die erste Erinnerung ins Präsens gesetzt - und den Satz dabei ein bisschen umgeändert, so dass auch ein "als" das mich da störte weggefallen ist. Ich hoffe, es klingt jetzt etwas geschmeidiger ...

 

Jetzt hast Du zwar die "Als-Wiederholungen" raus, dafür aber drei oder viermal "sehen". Mhm.
Ich glaube fast, ich fands vorher besser.
*michduckundvorginnysohrfeigeausweich*

 

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