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Die Eichenhütte

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25.02.2022
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Die Eichenhütte

In der Nähe eines Bauernhauses befindet sich eine Eiche. Sie ist weder groß noch alt. Zwischen den Eschen und Birken fällt sie auf, aber schon lange nicht mehr so, wie zu der Zeit, in der Großvater um sie herum eine Hütte für seine Schafe baute.
So wie die Eiche, war auch sie gewöhnlich. Sie sah so aus, wie man sich eine Hütte vorstellt, die von einem Mann gebaut wurde, der in seinem Leben nicht viel gebaut hat: mit unterschiedlich hohen Holzwänden aus schief geschnittenen Brettern und kleinen, grob aus dem Holz gestanzten, glaslosen Fenstern. Die Hütte bestand aus den unterschiedlichsten Holzarten. Großvater hat sie selbst gesammelt, die Bretter. Einige sammelte er an der Stelle, an der er jeden Herbst auch Parasol sammelte, in der Nähe einer Lichtung auf der es auch Krokusse gab und einen Hochsitz, das Holz so morsch, dass kaum ein Jäger sich hinaufwagte. Die meisten Bretter waren unbrauchbar, sogar für die Hütte, aber Großvater erkannte die Guten.
An den Samstagen, wenn die Leute zur Sperrmüllanlage fuhren, war Großvater auch da. Nicht sichtbar für die Gemeindemitarbeiter und die Leute, die ihre alten Kästen, Fernseher, Staubsauger, Schreibtische, Stühle und so weiter entsorgten. Er trieb sich vor dem Maschendrahtzaun herum, lag auf der Lauer, gut fünfzig Meter entfernt und wenn jemand her sah, dann duckte er sich. Was sie wegwarfen, sah er durch sein Fernglas.
Großvater war nicht arm. Er hätte sich Holz kaufen und eine viel schönere Hütte bauen können. Er hatte sogar einen Tischlerfreund, der ihm das Holz billiger gegeben hätte. Oder geschenkt, wenn er dafür eine Bierkiste bekam. Aber das wollte Großvater nicht. Stattdessen freute er sich über seine Ausbeute, wenn er nachts über den Maschendrahtzaun kletterte und nach passenden Materialien suchte. Einer seiner schönsten Funde waren babyblaue Holzbalken, mit denen die unförmigen Stallfenster über Nacht geschlossen werden konnten. Dank der stilvoll aus dem Holz gestanzten, spiralförmigen Musterungen an den Seiten wirkten sie wie eine Antiquität. Dass sie viel edler aussahen als der Rest der Hütte, störte Großvater nicht. Sie hatten Charme, so wie die Hütte, dachte er.

Für sich genommen war die Hütte hässlich, das wusste Großvater. Aber darum hatte er sie ja um die Eiche gebaut und die Materialien selbst gesammelt und zugeschnitten und das, so dachte er, macht sie besonders. So wie die Zeit – das dachte Großvater nicht – die in und auf und um sie herum verbracht werden wird.
Weil aus dem Dach mit den Ziegeln, die teils aus Ton, teils aus Lehm waren und die rote, grüne oder schwarze Farbtöne hatten, die Eichenkrone wuchs, nannte Großvater sie Eichenhütte und das taten auch die Leute, die ihn und die Hütte kannten.
„Hässlich ist er schon, dein Stall“, hat einmal ein Nachbar gesagt. „Aber das mit der Eiche, das gefällt mir.“ Und das freute Großvater. Auch wenn er im Laufe der Zeit häufiger darauf angesprochen wurde, dass die Bretter schief, die Fenster unförmig sind und dass das Holz an den Seiten verrottet. Einmal kam einer und fragte, ob er denn nicht daran gedacht hat, dass ein Baum wächst und wie viel Arbeit es doch sei, alleine das Dach instand zuhalten. Ob es das denn überhaupt wert sei, so viel Arbeit in so eine hässliche Hütte zu stecken.
Großvater hat abgewinkt, gemeint, dass andere praktikable Sachen bauen können. Er habe seine Eichenhütte und Hier und Jetzt, wenn er an ihr arbeitet, würde ihn jenes Gefühl ereilen, das einen Menschen nur dann ereilt, wenn er mit eigenen Händen etwas schafft.

Die Eichenhütte befand sich etwa dreihundert Meter von dem Bauernhaus entfernt, in dem Großvater wohnte. Vom Küchenfenster hatte er einen guten Blick darauf. Und auf seine Schafe. Die Böschung, links von der Hütte, führte zu einer schmalen Weide. Dort grasten sie am Tag, gleich neben einem Fluss, der breiter als die Weide war. Rechts lag das Pferdegehege, das Jahre später an einen Bauern verkauft und zu einer Ackerlandschaft werden wird. Damals lebten vier Pferde im Gehege. Zwei gescheckte, ein schwarzes und ein rotbraunes, das Großvater vor einigen Jahren, als es noch keinen Zaun gab, an einer Hausecke überrascht und umgerannt hatte. Drei Wochen lag er im Krankenhaus, weil zu den Verletzungen noch ein leichter Herzinfarkt kam. Großvater nahm es dem Pferd nicht übel. Es hat ihn genauso wenig kommen sehen, wie er es. Nur Respekt hatte er seit dem Vorfall, die Pferde stets im Blick, wenn er das Gehege betrat.
Wann immer Großvater aufbrach, um Reparaturen an der Eichenhütte vorzunehmen, führte sein Weg am Badeteich vorbei, den er mit der Hilfe seines Nachbarn angelegt hatte. Seit Kurzem quakten in ihm Frösche, die er vom Biotop eben jenes Nachbarn gestohlen hat, in der Hoffnung, sie würden sich in seinem Teich ansiedeln (was sie auch taten).

Ein Jahr blieb die Eichenhütte unbewohnt, bevor Großvater die Schafe einziehen ließ. Zum einen, weil er sich nicht sicher war, ob sie stabil genug war, um Sturm und Wetter standzuhalten, zum anderen, weil er noch einen Futtertrog bauen und an der hinteren Innenwand befestigen wollte. Aber Großvater war nicht gut im Schätzen, weshalb der Trog rund fünfzig Zentimeter zu lang war. Außerdem dachte er nicht an den Eichenstamm, der eine beachtliche Menge an Raum im Inneren der Hütte einnahm.
Großvater kürzte den Futtertrog, stanzte aus der Mitte ein großes Loch, sodass er sich um den Stamm herum, an der hinteren Stallwand einsetzen ließ. Statt Stunden kostete es Tage und dann noch einmal Monate, bis der Innenraum von den Schafen bezogen werden konnte. Auch den Boden legte er nachträglich, mit Brettern, die er Stück für Stück zuschnitt.

Als er fertig war, die Schafe bereits ihren ersten Winter in der Hütte verbracht hatten, ergab es sich, dass Kätzinnen sich im Frühling (später auch manchmal im Herbst), den Futtertrog zum Gebären ihrer Kätzchen suchten. Wohl lag es an dem frischen Heu, dass er jeden Abend hinein legte, aber auch an jener Nische, in der Mitte des Trogs, hinter dem Eichenstamm, die durch seine Unbedachtheit entstanden war. Ein Glücksfall, wie Großvater fand, denn er liebte, wie der Stall sich mehr und mehr mit Leben füllte.
An den Reparaturen, die er Jahr für Jahr vornehmen musste, störte er sich nicht. Er packte täglich vier Karotten und vier Äpfel ein, die er den Pferden gab. Aus dem Fluss schöpfte er mehrere Eimer Wasser und bald schon fütterte er auch die Kätzinnen, damit sie sich nicht auf Nahrungssuche begeben und allzu weit von ihren Kätzchen entfernen mussten. Die Salzstange für die Schafe tauschte er nicht täglich, aber er kontrollierte sie. Einige Zeit später bekam er von seinem Nachbarn Fische geschenkt, die sich in den Teich gesellten, zu den Fröschen und den Libellen. Und als er ein Vogelhäuschen an einen Ast der Eiche hing, kamen auch die Vögel, was vor allem den Kätzinnen gefiel. Nur die Hasenkäfige, die Großvater irgendwann an die Hinterseite der Eichenhütte baute, blieben leer. Nicht weil er keine Hasen mochte, sondern weil er erfuhr, dass ein Enkelchen auf dem Weg war. Das freute ihn so sehr, dass er sich kurzzeitig einem anderen Projekt widmete als der Eichenhütte. Denn für Kind wollte er ein Schaukelpferd bauen, die Materialien dafür – nun, das ist dieselbe Geschichte.

Großvaters Freude über Kind wuchs weiter an, als sich herausstellte, dass es seine Liebe zur Eichenhütte teilte. Sobald es laufen konnte, verbrachten sie viel Zeit bei ihr. Im Winter rodelten sie die Böschung hinunter (Großvater baute ein Vordach an die Eichenhütte, unter das sie die Rodel stellten). Die Jahre danach, als das Rodeln zu langweilig wurde, liefen sie Eis auf der gefrorenen Oberfläche des Badeteichs. Großvater lehrte Kind, wie man geschickt über den Kot der Schafe sprang und noch bevor Kind lesen konnte, hielt es einen Akkubohrer in der Hand, mit dem es eifrig Löcher in die Bretter bohrte, die Großvater gegen das im Winter morsch gewordene Holz tauschte.
Die Salzstangen der Schafe wollte Kind selbst tauschen, weshalb Großvater eine kleine Leiter für es aufstellte – denn um hochgehoben zu werden, dachte Kind, sei es schon zu groß.
Die meiste Zeit verbrachten die beiden im Frühling und im Spätsommer bei der Eichenhütte. Oft saßen sie stundenlang auf dem Dach. Großvater befestigte die Ziegel, passte das Dach an den breiter werdenden Stamm der Eiche an, während Kind auf den Ästen kletterte. Manchmal jausneten sie auf dem Dach, dann blockten die Schafe und die Pferde machten ihre Hälse lang.
Besonders gefiel es Kind, wenn die Kätzchen ihre ersten Schritte aus der Eichenhütte taten. Es nannte sie allesamt Lena, weil es den Namen schön fand. Großvaters Frage, wie es die Kätzchen denn auseinanderhalten konnte, tat es schulterzuckend ab: „Es kommen die, die wollen.“

Irgendwann glaubte Kind, groß genug zu sein, um alleine zur Eichenhütte zu gehen. Aber weil Großvater das nicht erlaubte (so verantwortungslos er in manchen Dingen auch sein mochte, er ließ Kind nicht unbeaufsichtigt auf Bäume klettern oder am Wasser spielen), schlich es sich immer erst aus dem Bauernhaus, wenn Großvater schlief. Aber nur in sternenklaren Nächten mit Monden, die stark leuchteten, denn eine Taschenlampe hatte es nicht. Zwischen Fluss und Teich sprang es den breiten Steg entlang über den Schafskot hinweg (manchmal auch hinein), um über den leeren Hasenstall hinauf auf das Dach der Eichenhütte zu klettern. Dort setzte es sich auf den ersten breiten Ast und lauschte dem Rauschen des Flusses, dem müden Blöken der Schafe unter sich, dem Quaken der Frösche im Teich. Kind war gerade so alt, dass die Nacht mystisch wirkte, ohne ihm Angst zu machen. Und wenn es doch einmal gruselig wurde, dann sang es. Denn Kind liebte es, zu singen. Nicht so wie im Kindergarten, wo es immer nur ganz leise sang. Kind war nicht schüchtern, es mochte einfach nicht, wie die Stimmen der lauteren Kinder auf den Kassetten klangen. Darum sang es auch nur hier, auf dem Dach der Eichenhütte laut und voller Inbrunst, weil niemand hier war, um es aufzunehmen. Manchmal redete Kind sich ein, dass die Schafe und die Kätzchen und die Frösche mit ihm sangen.

Nach dem Kindergarten, als Kind in die Schule kam, warteten Lernstunden und Hausaufgaben auf es und keine aufregenden Naturnachmittage mit Großvater. Die ersten Jahre verbrachten sie dafür im Sommer umso mehr Zeit auf dem Dach der Eichenhütte. Irgendwann erlaubte Großvater Kind sogar, allein zur Eichenhütte zu gehen, wenn es die Schafe, die Pferde, die Kätzchen und die Fische fütterte. Kind freute sich, begriff erst spät, dass Großvater alt geworden war. Und als die Eltern das begriffen, kam Kind in einen Kinderhort. Dort hatte es zwar Spaß und fand Freunde, aber die Eichenhütte sah es nicht mehr.
Unterdessen fielen Großvater die Arbeiten immer schwerer. Er schaffte es nicht mehr, aufs Dach zu steigen, um die Ziegelsteine zu befestigen. Bald waren auch die dreihundert Meter vom Bauernhaus zur Eichenhütte zu beschwerlich, um sie jeden Tag zu meistern.
Vom Küchenfenster aus konnte er zusehen, wie die Eichenhütte zerfiel. Er gab die Schafe an den Bauern, der später das Pferdegehege kaufen würde, um dort einen Acker zu bauen, und gleich darauf verkaufte er die Pferde, weil er sich nicht mehr um sie kümmern konnte. Als er dann ins Heim musste, war niemand mehr da, der die Kätzinnen fütterte und der Stamm im Inneren der Eichenhütte war so breit, dass das Holz um ihn angestrengt knirschte. Bei jedem Windstoß lösten sich die Schrauben und morsche Bretter brachen aus den Wänden der Hütte. Die Ziegel rutschten vom Dach, hinterließen große Löcher, sodass das Holz im Inneren faulte. Und als Großvater starb, wurden Bauernhaus und Grund verkauft. Der künstlich angelegte Teich wurde mitsamt den Fischen zugeschüttet, das sommernächtliche Quaken der Frösche verstummte und das Holz, das einst die Hütte gewesen war, wurde auf einen großen Haufen mitsamt den babyblauen Balken geschlichtet und im Osterfeuer verbrannt. Übrig blieb die Eiche.

 

Hallo @Bas,

vielen Dank für deinen Kommentar. Ich hatte ehrlich gesagt schon damit gerechnet, dass diese Geschichte nicht sehr gut ankommen wird, zumal weder direkte Reden noch Szenen vorkommen. Es wird - wie du schon sagst - eigentlich nur erzählt. Und ja... das ist bewusst, allerdings nicht die Perspektivenbrüche im allwissenden Erzähler. Die Stelle die du angemerkt hast, habe ich ausgebessert (so wie das Blöken), und ich werde in den nächsten Tagen auch noch den Rest durchforsten. :)

Dann denke ich, hier in diesem Fall könnte eine klarere Linie dann doch gut tun. Es wäre für mein Empfinden gleich viel spannender, wenn er das so gemacht hat, nicht vielleicht gemacht hätte. Der Großvater tingelt also von Wald zu Wald und plündert Sperrmülllager - so einer ist das! Würde ihm gar nicht ähnlich sehen, einfach in den Baumarkt zu gehen, der Großvater ist nämlich ein Bauchmensch. Ich glaube, so siehst du ihn auch selbst, hier zum BeispieL:
Ja genau, so hab ich ihn mir vorgestellt. Ein Bauchmensch, der sich beim Wandern durch den Wald denkt, dass er dieses Holz für jenes udn diesen Stein für dieses brauchen könnte und es dann auch einsteckt. Nicht zwangsläufig, weil er stehlen will, sondern einfach, weil er einen Wert darin sieht.

Dann kommt das Enkelkind, juhu, endlich jemand, der die Hütte zu schätzen weiß!
Warum heißt das Kind Kind? Nur ein Platzhalter, der vergessen wurde, zu ergänzen? Wenn es der Geschichte etwas geben soll, verstehe ich es nicht, für mich schafft es vor allem noch mehr Distanz.

Ja, ich verstehe was du meinst. Zumal ich selbst ein Leser bin, der gerne sehr nahe an den Charakteren dran ist. Aber in dem Fall ist die Distanz bewusst gewählt. Als ich gestern über die Challenge nachdachte, kam mir bei "Der Ort, der aus dem Rahmen fällt" zuerst ein Ort in den Sinn, den es heute nicht mehr gibt, der also aus dem zeitlichen Rahmen fällt. Zuerst wolle ich aus der SIcht des Großvaters schreiben - aber der stirbt ja am Ende und aus der Perspektive des Kindes konnte ich nicht schreiben, weil das den Fokus vom Ort verschoben hätte, auf die Erinnerungen, die es mit dem Großvater (an diesem Ort) hatte. Ich wollte, dass es sich mehr um das Entstehen des Ortes dreht, dass man sieht wie er entsteht und dann später, wie er untergeht. Großvater und Kind sind dabei zwar involviert, aber nicht direkter Mittelpunkt. Ich hab mich für einen allwissenden Erzähler entschieden, der von einem Ort erzählt, der einmal für einen Menschen von Bedeutung war, den es heute nicht mehr gibt, ebenso wenig wie den Ort selbst. Kind und Großvater haben keine Namen, weil es eigentlich nicht um sie geht. Im Vordergrund stand für mich der Gedanke, dass Menschen oft ihr Leben lang auf etwas hinarbeiten, nur um es in ihren letzten Tagen zerfallen zu sehen. Kind symbolisiert für den Großvater einen möglichen Erben, der sich vielleicht um die Eichenhütte kümmert, wenn er es nicht mehr kann. Letztlich wird es aber in eine andere Richtung geblieben und Großvater bleibt mit seinem Lebenswerk allein zurück, sieht es Stück für Stück schwinden, bevor er selbst stirbt. Ich hätte es szenistischer Schreiben können, vielleicht schreibe ich noch eine Variante, in denen man den Großvater aufs Dach steigen und mit zittrigen Fingern die Nägel einschlagen sieht, aber dann würde es mehr eine Geschichte übers Alt werden sein (zumindest sehe ich das mit meinem jetzigen Blick noch so und vielleicht ist das auch falsch, ich überlege es mir. :))

Ich frage mich, ob das eine bewusste Entscheidung von dir war? Die Story heißt ja "Die Eichenhütte" und nicht "Der Großvater", dann wäre ein Großteil meiner Anmerkungen auch irgendwie hinfällig. Aber auch die Eichenhütte fühlt sich für mich nicht wie der Protagonist an. Ich denke also, in Kurzfassung lässt sich sagen: Mir fehlt der Fokus. Ich sehe nicht, wer oder was hier im Mittelpunkt steht, ist es die vergehende Zeit, ist es die Hütte, der Opa, "Kind" - für das dann ja auch noch eine Nebenstory aufgemacht wird mit der Schule und dem nächtlichen Singen ...
Ja, ich glaube, warum sich die Story so komisch liest, ist weil sie gar keinen richtigen Protagonisten hat. Im ersten Entwurf habe ich ja sogar mit "Es war einmal ..." begonnen, so wie bei einem Märchen oder einer Parabel. VIelleicht habe ich auch zu viel Fokus auf das Kind und den Großvater gelegt und es wirkt deshalb wässrig. Ich werd sie mal ein paar Tage stehen lassen, bevor ich mit frischem Blick drauf schauen kann.

Vielen Dank auf jeden Fall für deinen Kommentar

Liebe Grüße
Luzifermortus :)

 

Hallo @Luzifermortus

Du erzählst uns quasi die „Lebensgeschichte“ einer Hütte, die rund um eine Eiche gebaut wurde. An Charakteren lieferst du uns dafür den Großvater und sein Enkelkind, wobei der Fokus klar auf der Transformation des Heims liegt.

Das ist nicht furchtbar originell, aber man kann aus dieser Idee schon noch gut was rausholen. Spontan fällt mir der Film „Here“ mit Tom Hanks ein. Dort wurde ebenfalls ein Ort, bzw. Das darauf gebaute Haus über Jahrhunderte hinweg gezeigt, während man den darin lebenden Personen bei ihren Erfahrungen, Krisen, Gesprächen, Wachstum und letztlich ihrem Sterben zusah.

Du streifst ein paar ähnliche Themen: Landleben, Kindheit, Vergänglichkeit. Vor allem in der Mitte des Textes findest du dafür schöne detailreiche Beschreibungen und einen angenehmen, manchmal märchenhaften Ton.

Du ahnst es wahrscheinlich schon - Jetzt kommt das Aber. Du überfrachtest den Text ein wenig. Es gibt Stellen, die sich einfach redundant anfühlen. Außerdem besteht die Erzählung quasi nur aus Tell. Ich weiß, dass darf man nicht dogmatisch sehen. Ich bin auch ein Freund von erklärenden Passagen. Aber wenn man den kompletten Text in diesem Stil durchzieht, muss man etwas anderes liefern, damit ich als Leser emotional mitgenommen werde.

Rätselhaftigkeit ist etwas, dass vielleicht am besten mit Tell darstellbar ist. Daraus kann man auch gut Spannung kreieren. Mit am wichtigsten ist es aber, die Charaktere nicht zu vergessen. Auch im Tell Modus brauchen die Profil. Der Großvater und das Kind sind hier für mich leider nicht greifbar, wirken wie Schablonen.

Vor allem fiel das bei den Balken auf, mit denen die unförmigen Hüttenfenster über Nacht geschlossen werden konnten. Sie waren babyblau und wirkten dank stilvoller aus dem Holz gestanzten Musterungen wie eine Antiquität.

Das habe ich mir gleich markiert. Darf gerne so bleiben, weil es eine sehr schöne, stilistisch fein geschliffene Beschreibung ist. Das ist natürlich auf „altmodisch“ getrimmt. Aber gut gemacht.

Sicher lag es an dem frischen Heu… Ein Glücksfall für die Kätzchen und auch für Großvater, denn er liebte, wie die Hütte sich mehr und mehr mit Leben füllte.

Hier ist diese warme, märchenhafte Atmosphäre. Die ungewollte Mulde im Trog, die zu einer Geburtsstätte wird, ist eine tolle Idee!

Kind war gerade so alt, dass die Nacht auf es mystisch wirkte, ohne ihm Angst zu machen.

Das „auf es“ kann raus, dann klingt es stärker. Ansonsten hast du hier schon ein klein wenig Charakterisierung drin. Aber da müsst noch mehr kommen, damit das Kind mehr „Farbe“ bekommt.

„Vom Küchenfenster aus hatte er stets einen guten Blick auf sie und seine Schafe. Links befand sich eine Böschung…“

Hier war es mir dann auch zu viel Erklärung. Das liest sich fad, wie eine einfachen Aufzählung.

Und man könnte das gut mit der Charakterisierung des Großvaters verbinden. Zum Beispiel: Welche Namen hat er den Schafen gegeben? Was fühlt er bei ihrem Anblick - Freude, Pflichtbewusstein? Erinnert er sich vielleicht, dass er an der Böschung mal gestolpert ist. Solche Details einfach.

Auch wenn jetzt vieles von mir mäkelig klingt: Ich habe deine Geschichte gerne gelesen! Da steckt viel schöne Atmosphäre und Symbolik drin. Es müsste nur noch ein wenig lebendiger werden, dann bin ich emotional auch mehr involviert!

Liebe Grüße
Rainbow Runner


 

Hallo @Luzifermortus ,
die Geschichte strahlt eindeutig Wärme aus. Ich habe angenommen, dass der Enkel sie erzählt. Da ist man ja richtig mit drin in der Hütte. Krault der Kätzchen den Pelz.
Irgendwie läuft es von Anfang an darauf hinaus, dass es mit der Hütte nicht ewig geht. Soll das eine Metapher sein auf das Leben. Der Baum, um den die Hütte herumgebaut ist, wächst und wächst. Sprengt eines Tages die Idylle?
Schön verrückt von den Nachfahren, dass sie so etwas Scharfes wie die kleine Hütte nicht fortgeführt haben. Jetzt sitzen sie wieder in ihren trostlosen Wohnungen, oft, weit weg von Frosch Gequake und Grillengesang und wundern sich, warum sie sich so Scheiße fühlen.
Ich werde mir immer sicherer, dass das hier wirklich so gemeint ist, dass der Mensch vergisst, woher er kommt, dass er ein Teil von der Natur ist. Indem die Hütte zerstört wird, zerstört er einen Teil seiner Selbst.
Gruß Frieda

 

Hallo @Rainbow Runner,

und danke für deinen Kommentar. :)

Das ist nicht furchtbar originell, aber man kann aus dieser Idee schon noch gut was rausholen. Spontan fällt mir der Film „Here“ mit Tom Hanks ein. Dort wurde ebenfalls ein Ort, bzw. Das darauf gebaute Haus über Jahrhunderte hinweg gezeigt, während man den darin lebenden Personen bei ihren Erfahrungen, Krisen, Gesprächen, Wachstum und letztlich ihrem Sterben zusah.
Ja, nicht furchtbar originell trifft es gut – zusätzlich ist es auch eig. eine Thematik, die ich selbst nicht lesen würde (oder mir anschauen). Dafür bin ich viel zu charakterorientiert und daher schlägt die Kritik für gewöhnlich auch in die andere Richtung (kann ich mir nicht vorstellen, wo soll das sein, wie sieht es dort aus u. s. w.). Das hier ist jetzt mal das andere Extrem, aber in dem Fall hab ich ja bewusst den Fokus auf die Umgebung gelegt und den Charakteren nicht allzu viel Raum gegeben, daher kommt es wenig überraschend, dass du das hier sagst:

Mit am wichtigsten ist es aber, die Charaktere nicht zu vergessen. Auch im Tell Modus brauchen die Profil. Der Großvater und das Kind sind hier für mich leider nicht greifbar, wirken wie Schablonen.
Du hast absolut recht. Großvater und Kind sind Schablonen. Anfangs wollte ich nur den Ort, ohne Figuren beschreiben, aber das war mir dann zu leblos, darum habe ich die Szenen mit den beiden rein gebastelt. das merkt man vermutlich auch noch, denn du sagst:

Du überfrachtest den Text ein wenig. Es gibt Stellen, die sich einfach redundant anfühlen.
Ich werde da auf jeden Fall noch mal drüber schauen, vielleicht die Figuren mehr ausbauen, vielleicht mehr raus streichen und mich noch mehr auf den Ort selbst fokussieren. Ich weiß es noch nicht. Erst mal muss ich das Ding in Ruhe lassen. Ist ja auch erst zwei Tage her, dass ich ihn geschrieben habe. Da bin ich jetzt noch zu blind für.

Außerdem besteht die Erzählung quasi nur aus Tell. Ich weiß, dass darf man nicht dogmatisch sehen. Ich bin auch ein Freund von erklärenden Passagen. Aber wenn man den kompletten Text in diesem Stil durchzieht, muss man etwas anderes liefern, damit ich als Leser emotional mitgenommen werde. Rätselhaftigkeit ist etwas, dass vielleicht am besten mit Tell darstellbar ist.
Ja, rätselhaft und Tell funktioniert für mich auch sehr gut, hätte aber nicht zu dem Text gepasst. Emotionen klingt gut. Ich muss schauen, ob ich da über den allwissenden Erzähler noch was reinbringen kann, ohne dass es zu sehr wirkt wie eine Geschichte über das Altwerden oder Entfremdung. Letztlich gings mir um das Verschwinden des Ortes. Nicht um den Großvater, nicht um das Kind und auch nicht um die späteren Besitzer. Ich muss mal schauen, wie ich das hinbastle bzw. was für eine Emotion das überhaupt auslösen soll und auf die Nase drücken soll der Text dann ja auch nicht. Ich wollt ihn eher seicht, nicht zu dramatisch, nüchtern geschrieben haben. Aber mal gucken, wie ich da in ein paar Tagen drüber denke. Ich behalts auf jeden Fall im Hinterkopf.

Das „auf es“ kann raus, dann klingt es stärker.
Hab ich raus genommen. :)

Hier war es mir dann auch zu viel Erklärung. Das liest sich fad, wie eine einfachen Aufzählung. Und man könnte das gut mit der Charakterisierung des Großvaters verbinden. Zum Beispiel: Welche Namen hat er den Schafen gegeben? Was fühlt er bei ihrem Anblick - Freude, Pflichtbewusstein? Erinnert er sich vielleicht, dass er an der Böschung mal gestolpert ist. Solche Details einfach.
Schau ich mir noch einmal an, die Stelle. :)

Auch wenn jetzt vieles von mir mäkelig klingt: Ich habe deine Geschichte gerne gelesen! Da steckt viel schöne Atmosphäre und Symbolik drin. Es müsste nur noch ein wenig lebendiger werden, dann bin ich emotional auch mehr involviert!
Das freut mich, mal schauen, wie und welche Emotion ich da noch rein bringe.

LG
Luzifermortus

Hey @Frieda Kreuz,

danke auch für deinen Kommentar. :)

Irgendwie läuft es von Anfang an darauf hinaus, dass es mit der Hütte nicht ewig geht. Soll das eine Metapher sein auf das Leben. Der Baum, um den die Hütte herumgebaut ist, wächst und wächst. Sprengt eines Tages die Idylle?
Interessanter Gedanke, hatte ich so gar nicht im Kopf, gefällt mir. :)

Schön verrückt von den Nachfahren, dass sie so etwas Scharfes wie die kleine Hütte nicht fortgeführt haben. Jetzt sitzen sie wieder in ihren trostlosen Wohnungen, oft, weit weg von Frosch Gequake und Grillengesang und wundern sich, warum sie sich so Scheiße fühlen.
Ja, stimmt. Aber das ist oft so. Meine Großeltern hatten tatsächlich nen Bauernhof und auch eine Hütte auf einer Alm, wo wir früher häufig auch Geburtstage gefeiert haben – mein Onkel hat in dem Moment, als meine Oma starb alles verkauft, ohne einmal zurückzuschauen. Dann ging er ins Kasino, man kann sich ja denken, wie das dann ausging. Seelenfrieden sieht jedenfalls anders aus.


Liebe Grüße

Luzifermortus

 

Hallo @Luzifermortus

Dein Challenge-Beitrag ist eine leise, melancholische Geschichte, die mir insgesamt gut gefällt. Die Eichenhütte steht zwar vordergründig im Mittelpunkt, aber sie ist für mich nur der Stellvertreter für den Großvater, der wie ein Gegenentwurf zu unserer heutigen schnelllebigen Zeit wirkt, die auf Effektivität getrimmt ist. Der Großvater setzt dem Naturverbundenheit, Bodenständigkeit und Kreativität entgegen. Vielleicht hat er es geschafft, etwas davon „Kind“ mitzugeben, bevor er gestorben und die Hütte zerfallen ist.

Leider wurde mein Lesevergnügen durch eine Reihe von in meinen Augen unpassenden Formulierungen und Zeitfehlern geschmälert (siehe unten). Ab und zu ein kleiner Dialog wäre auch nicht schlecht gewesen.
Das Kind müsste nicht unbedingt einen Namen haben, aber einen Artikel würde ich ihm wenigstens gönnen.

Hier einige der Kleinigkeiten, die mir aufgefallen sind:

Für sich genommen war die Hütte hässlich, das wusste Großvater. Aber darum hat er sie ja um die Eiche gebaut und die Materialien selbst gesammelt und zugeschnitten und das, so dachte er, macht sie besonders.
Er hatte sie gebaut, bevor er sie hässlich finden konnte.
Großvater hat abgewinkt, gemeint, dass andere praktikable Sachen bauen können. Er aber hat seine Eichenhütte und Hier und Jetzt, wenn er an ihr arbeitet, würde ihn jenes Gefühl ereilen, das einen Menschen nur dann ereilt, wenn er mit eigenen Händen etwas schafft.
Hier weil indirekt Rede: Er aber habe seine Hütte und wenn er an ihr arbeite
Wann immer Großvater aufbrach, um Reparaturen an der Eichenhütte vorzunehmen, führte sein Weg am Badeteich vorbei, den er mit der Hilfe seines Nachbarn angelegt hat. Seit Kurzem quakten in ihm Frösche, die er vom Biotop eben jenes Nachbarn gestohlen hat,
Er hatte den Badeteich (lange vorher) angelegt, bevor er aufbrach
Einige Zeit später bekam er von seinem Nachbarn Fische geschenkt, die sich in den Teich gesellten zu den Fröschen und den Libellen, die sich von selbst bei ihm ansiedelten.
... die sich im Teich zu den Fröschen und Libellen gesellten, die sich dort schon (vorher) angesiedelt hatten
Großvaters Freude über Kind wuchs weiter an, als sich herausstellte, dass es seine Liebe zur Eichenhütte teilte. Sobald es laufen konnte, verbrachten sie viel Zeit bei ihr.
über das Kind. Wie gesagt, ich finde, Kind würde sich über einen Artikel freuen.
Die Jahre danach, als das Rodeln zu langweilig wurde, liefen sie Eis auf der gefrorenen Oberfläche des Badeteichs.
waren sie nicht eher Schlittschuhlaufen auf dem ...?
Großvater lehrte Kind, wie es geschickt über den Kot der Schafe sprang
geschickt über den Kot der Schafe zu springen.

Grüße
Sturek

 

Hey @Sturek,

vielen Dank für deinen Kommentar und auch für die Stellen, die du rauszitiert hast.

Leider wurde mein Lesevergnügen durch eine Reihe von in meinen Augen unpassenden Formulierungen und Zeitfehlern geschmälert (siehe unten). Ab und zu ein kleiner Dialog wäre auch nicht schlecht gewesen.
Größtenteils habe ich die Änderungen übernommen, Dialoge habe ich allerdings keine eingebaut. Könnte ich mir überlegen - habe dann ja letztendlich auch den Hinweis der Vorkommentatoren befolgt, und zumindest Großvater mehr Raum gegeben. Aber mal schauen. Ich bin jetzt noch nicht ganz zufrieden mit einigen der neuen Szenen, teils hatte ich beim Korrekturlesen auch das Gefühl, dass es sich grade im Mittelteil zieht, aber ich hab gestern auch zu lange reingestarrt, jetzt also erstmal absitzen. :)

Dein Challenge-Beitrag ist eine leise, melancholische Geschichte, die mir insgesamt gut gefällt. Die Eichenhütte steht zwar vordergründig im Mittelpunkt, aber sie ist für mich nur der Stellvertreter für den Großvater, der wie ein Gegenentwurf zu unserer heutigen schnelllebigen Zeit wirkt, die auf Effektivität getrimmt ist. Der Großvater setzt dem Naturverbundenheit, Bodenständigkeit und Kreativität entgegen. Vielleicht hat er es geschafft, etwas davon „Kind“ mitzugeben, bevor er gestorben und die Hütte zerfallen ist.
Freut mich, dass dir die Geschichte soweit gefällt und ja, find ich interessant wie du das so liest. Ich denke, das kommt auch daher, dass Großvater jetzt mehr Raum hat. Das man ihn jetzt stärker mit der Hütte gleichsetzt und natürlich zieht er auch mehr den Fokus auf sich.

Das Kind müsste nicht unbedingt einen Namen haben, aber einen Artikel würde ich ihm wenigstens gönnen.
Ja Kind, ich verstehe was du meinst. Ich hab den Artikel, wenn ich ihn versehentlich geschrieben habe (weil es einem ja doch im Blut liegt, den dazu zu schreiben) nachträglich noch raus gelöscht. Es soll ja quasi wie ein Eigenname sein. Aber ich kann mir schon vorstellen, dass das nervt - ich überlegs mir.

LG
Luzifermortus

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Salatze (neuer Name, neuer Ansatz?),

Ich finde die Idee deiner Story sehr schön und der Text, dessen überarbeitete Version ich noch nicht gelesen habe, zeigt auch vielversprechende Ansätze. Noch heute habe ich über die sich immer mehr verbreitetende Seelenlosigkeit von Orten (und Gesellschaften) nachgedacht, und deine aus dem Rahmen fallende und immer wieder aus den Fugen geratende Hütte mitsamt dem knorrigen Großvater sind ein schön altmodischer Gegenentwurf.

Mit einem Aspekt des Textes bin ich aber nicht recht glücklich geworden. Und zwar mit der Sprache. Einmal hatte ich öfter einmal den Eindruck, dass die Beschreibungen der Örtlichkeit noch nicht wirklich auf den Punkt sind und/oder rein physisch-technisch betrachtet nicht so ganz hinhauen. Vielleicht könntest du hier noch etwas schärfen und vl auch den einen oder anderen (altmodischen) Fachbegriff aus dem ländlichen Raum und Tischler-/Zimmermannshandwerk anbringen.

Und ich finde, die Sprache könnte insgesamt noch etwas eleganter gedrechselt werden, um das klassisch-kunstvolle des Plots zu unterstreichen. Denn egtl lese ich hier nicht von der Gegenwart, sondern von einer märchenhaften, zeitlosen Vergangenheit.

Ansonsten gerne gelesen,

Henry

 

Hey @H. Kopper,

danke für deinen Kommentar.

Noch heute habe ich über die sich immer mehr verbreitetende Seelenlosigkeit von Orten (und Gesellschaften) nachgedacht, und deine aus dem Rahmen fallende und immer wieder aus den Fugen geratende Hütte mitsamt dem knorrigen Großvater sind ein schön altmodischer Gegenentwurf.
Ja, die Seelenlosigkeit von Orten. Ich weiß nicht so recht, ob es nicht weniger die Orte sind, die etwas verlieren, sondern eher wir als Menschen. Ich denke, und das steht jetzt vielleicht auch ein wenig zum Kontrast zu der Geschichte, die ich hier erzähle, dass wir gewisse Orte als Kinder besonderer wahrnehmen, als wenn wir dann erwachsen sind. Da reicht oft schon ein Baum aus, dessen Äste besonders tief hängen, weil man da leichter drauf klettern kann oder Silikonballen - ach die Bauern haben uns früher gehasst, so oft, wie wir auf denen rumgeklettert sind. Aber das war unser Treffpunkt, da haben wir König der Löwen nachgespielt. Und dann gabs da die ganz besondere Stelle im Bach, über die man Brücken gebaut hat. Da spricht jetzt natürlich das Landkind, aber ich denke, dass man auch in der Stadt so gewisser Plätze hat als Kind, die man entweder für sich alleine behält oder mit Freunden teilt und dann wird das halt der Treffpunkt und um den kämpft man dann ja auch irgendwie. Und ich seh's heute (oder ich sah's, als mein Hund noch lebte und ich jeden Tag im Wald unterwegs war), dass es noch immer so ist. Die Kinder bauen Brücken über den Bach, schlagen sich im Wald mit Stöcken so wie wir es früher taten. Darum glaub ich, dass die Orte es eigentlich noch in sich hätten und wir diejenigen sind, die es verlieren.

Mit einem Aspekt des Textes bin ich aber nicht recht glücklich geworden. Und zwar mit der Sprache. Einmal hatte ich öfter einmal den Eindruck, dass die Beschreibungen der Örtlichkeit noch nicht wirklich auf den Punkt sind und/oder rein physisch-technisch betrachtet so ganz hinhauen. Vielleicht könntest du hier noch etwas schärfen und vl auch den einen oder anderen (altmodischen) Fachbegriff aus dem ländlichen Raum und Tischler-/Zimmermannshandwerk anbringen.
Ja, da muss ich noch mal drüber. Man merkt wohl auch beim Lesen, dass ich mir nicht so sicher mit dem Erzähler war, also dem allwissenden. Zumal er auch im Erzählton schwankt. Die Beschreibungen der Örtlichkeit schau ich mir auch noch mal an und das mit den Fachbegriffen, puh, mal schauen. Da müsst ich mich erstmal einlesen und auch in der Geschichte dann schauen, wo ich was einfüge, ohne dass man sofort merkt, dass ich keine Ahnung hab, ob die Begriffe so verwendet werden. Ich musste ja sogar nachgooglen, ob es wirklich "stanzen" heißt, wenn man ein Fenster aus dem Holz schneidet. Aber ja, ich schau mal. ^^"

Und ich finde, die Sprache könnte insgesamt noch etwas eleganter gerechnet werden, um das klassisch-kunstvolle des Plots zu unterstreichen. Denn egtl lese ich hier nicht von der Gegenwart, sondern von einer märchenhaften, zeitlosen Vergangenheit.
Ja, verstehe was du meinst. Das hab ich selbst beim überarbeiten gestern dann auch gemerkt (wobeis jetzt wohl eher in die andere Richtung ausgeartet ist und es noch weniger elegant wurde als zuvor). Die Stimme schwankt noch, hat nicht durchgehend denselben Ton, da muss ich noch mal ran (und vor allem auch ne Entscheidung treffen).

Danke für deine Anmerkungen.

LG
Salatze

 

In der Nähe eines Bauernhauses befindet sich eine Eiche.
Moin,

mir ist der Einstieg zu unbestimmt. Welchen Bauernhauses genau und warum soll ich mich dafür nun interessieren? Das ist ja der Hook, oder? Man möchte den Leser hineinziehen, Gordon Lish nennt das die attack sentence: AH?, denkt der Leser, das ist aber interessant.

Sie ist weder groß noch alt. Zwischen den Eschen und Birken fällt sie auf, aber schon lange nicht mehr so, wie zu der Zeit, in der Großvater um sie herum eine Hütte für seine Schafe baute.
Sie ist also weder groß noch alt. Aber auffallen tut sie schon. Warum genau? Warum fällt sie zwischen den anderen Bäumen auf? Da passt doch etwas nicht. Und woher weiß der Erzähler, woher kennt er die Details aus der Vergangenheit; wie sah das Gelände denn früher aus? Du verschenkst hier nach meiner Meinung einfach sehr viel Detail, weil du auf die spezifische Eigenart nicht eingehst, du eröffnest dem Leser nicht den Blick auf deine Welt, die Welt dieser Narration. Du musst bedenken: nur du kennst diese Welt! Der Leser will dir folgen, aber du musst ihm etwas anbieten.
Sie sah so aus, wie man sich eine Hütte vorstellt, die von einem Mann gebaut wurde, der in seinem Leben nicht viel gebaut hat: mit unterschiedlich hohen Holzwänden aus schief geschnittenen Brettern und kleinen, grob aus dem Holz gestanzten, glaslosen Fenstern.
Hier wird es interessant. Da bekomme ich das erste Mal Zugriff auf einen Charakter, den Großvater. Mir wird aber die Eiinschätzung, das Erfühlen des Charakters gleich wieder abgenommen; denn mir wird direkt mittgeteilt, dass er in seinem Leben noch nicht viel gebaut hat. Das Bild der schiefen Hütte ist aber doch viel stärker, sie steht ja nicht als Metapher im Text, sondern ist konkret; hätte er Erfahrung darin, würde auch die Hütte anders aussehen, also ist die Hütte ein direktes Ergebnis seiner Handlungen.
Die Hütte bestand aus den unterschiedlichsten Holzarten. Großvater hat sie selbst gesammelt, die Bretter. Einige sammelte er an der Stelle, an der er jeden Herbst auch Parasol sammelte, in der Nähe einer Lichtung auf der es auch Krokusse gab und einen Hochsitz, das Holz so morsch, dass kaum ein Jäger sich hinaufwagte. Die meisten Bretter waren unbrauchbar, sogar für die Hütte, aber Großvater erkannte die Guten.
Wo kriegt er denn fertige Bretter her? Liegen die da im Wald herum? Vielleicht sammelt er Bretter aus zusammengefallenen Hochsitzen oder Ansitzleitern, das, denke ich, das einzige geschnittene Holz, das man im Wald findet, oder? Und woran erkennt er die Guten? Ich denke, er hat keine Erfahrung darin?
Sie hatten Charme, so wie die Hütte, dachte er.
Woher weiß das der Erzähler?
An den Samstagen, wenn die Leute zur Sperrmüllanlage fuhren, war Großvater auch da. Nicht sichtbar für die Gemeindemitarbeiter und die Leute, die ihre alten Kästen, Fernseher, Staubsauger, Schreibtische, Stühle und so weiter entsorgten. Er trieb sich vor dem Maschendrahtzaun herum, lag auf der Lauer, gut fünfzig Meter entfernt und wenn jemand her sah, dann duckte er sich. Was sie wegwarfen, sah er durch sein Fernglas.
Hier auch: warum ist ihm das peinlich, gesehen zu werden? Oder: warum will er nicht gesehen werden?
So wie die Zeit – das dachte Großvater nicht – die in und auf und um sie herum verbracht werden wird.
Das ist ein Kern der Geschichte; die Hütte, in der man Zeit vertreibt. Das ist ein besonderes Element, wie ein Baumhaus, ein Hausboot, eine Hütte am See, da tut sich auch direkt ein extrem großer Resonanzraum auf, die Sommerfrische, die Zuflucht, der Ort für die Auszeit etc.
Einer seiner schönsten Funde waren babyblaue Holzbalken, mit denen die unförmigen Stallfenster über Nacht geschlossen werden konnten.
Das ist das erste spezifische Detail.
Großvater hat abgewinkt, gemeint, dass andere praktikable Sachen bauen können. Er habe seine Eichenhütte und Hier und Jetzt, wenn er an ihr arbeitet, würde ihn jenes Gefühl ereilen, das einen Menschen nur dann ereilt, wenn er mit eigenen Händen etwas schafft.
Das ist sehr gut, aber auch hier denke ich: der Mann hat, wie mir im Text vorher erzählt wird, noch nicht viel in seinem Leben gebaut. Also entweder entdeckt er dieses Gefühl im Alter neu, oder etwas passt nicht ganz zusammen in meinen Augen.
Ein Jahr blieb die Eichenhütte unbewohnt, bevor Großvater die Schafe einziehen ließ.
Ich glaube, das wäre mein erster Satz. Lies mal, was da alles drinnesteckt. Die Hütte, die vergangene Zeit, dass sie unbewohnt geblieben ist, und dann lässt er erstmal Schafe einziehen. DA würde ich sofort wissen, was es damit auf sich hat. Was ist das denn für ein wunderlicher Charakter?, das würde ich denken und weiterlesen wollen. Das andere, wie es dazu gekommen ist, das kann nachgeschoben werden.
Ein Glücksfall, wie Großvater fand, denn er liebte, wie der Stall sich mehr und mehr mit Leben füllte.
Hier wieder ein narrativer Kern, die Hütte, die sich mit Leben füllt. Mir fehlt etwas der Mann an sich, was ist das für einer, über den will ich mehr erfahren, ich will mehr über den wissen, wie zieht der sich an, wie sehen dem seine Haare aus, rasiert der sich, hat der eine Frau, wie und wo lebt der sonst so, was hat er davor gemacht, trinkt der, raucht der, für was brennt der und warum? Das bin vielleicht nur ich.
Denn für Kind wollte er ein Schaukelpferd bauen, die Materialien dafür – nun, das ist dieselbe Geschichte
Hier bei Kind zu bleiben, ich weiß nicht. Warum kein Name? Hier könnte man auch noch einen zweiten erzählerischen Korridor nutzen, den aus seiner familiären Situation entsteht ja nie eine konkrete backstory - man braucht die nicht haarklein auszuerzählen, aber mir fehlt schon dieses Versatzstück, wie lebt man mit einem solchen Charakter zusammen? Wie ist der sonst? Wie verhält der sich? Lässt man sein Kind gerne einem solchen Charakter? Wenn ja, warum?
Aber weil Großvater das nicht erlaubte (so verantwortungslos er in manchen Dingen auch sein mochte, er ließ Kind nicht unbeaufsichtigt auf Bäume klettern oder am Wasser spielen), schlich es sich immer erst aus dem Bauernhaus, wenn Großvater schlief.
Das wirkt deshalb hier auch etwas nachgeschoben.
Übrig blieb die Eiche.
Ja, ein gutes Ende, die Eiche bleibt stehen, als Mahnmal, als leise Erinnerung.

Mir geht das alles zu schnell. Mich interessiert der Großvater am meisten. Das Kind muss da nicht unbedingt rein, ich glaube, der Text würde gewinnen, wenn du dich mehr auf den Großvater konzentrierst, dem wirklich Kontur verleihst in dem Sinne, dass er als Charakter greifbarer wird; mir fehlt der Figurendruck, warum tut er das, was er tut, und warum ausgerechnet jetzt? Das Motiv, die Bewegung, das Movens, das müsstest du oder könntest du besser herausstellen. Vielleicht ist er einsam und ihm wird so langweilig, dass er trotz fehlender Kompetenz beginnt, diese Hütte zu bauen, und dann wird es zu seinem persönlichen Projekt, eine Art Sisyphos-Ding, der Turm zu Babel, er erschafft gleichzeitig aber auch ein Refugium, ist eben nicht mehr einsam, und deswegen arbeitet er so beharrlich und erhält diese Hütte, koste es, was es wolle. Dafür müsste er vielleicht sogar klauen, er klaut auf Baustellen Material und die anderen wissen davon, aber sie lassen ihn, sie sagen sich: Ach, der wunderliche Kerl, aber sieh mal, was er damit macht! Sie fühlen mit ihm mit. Jetzt nur ein Beispiel, wie du den Text auch noch weiter verorten kannst, wie du ihn in eine Sozietät einbetten kannst, in einen sozialen Kreislauf.

Ich denke auch, der Erzähler müsste anders konturiert werden: wer ist der eigentlich? Wie kommt der zum Erzählten? Wie steht der zum Großvater? Da entsteht so ein diffuser, fast leerer Raum, in dem ich den Erzähler nicht so recht greifen kann, der wirkt seltsam neutral und blass. Mir fehlt da grit und Emotion, eine Färbung. Schwierig, zu beschreiben, vielleicht ein bißchen so wie der Erzähler von Stand by me, der aus dem Off erzählt, aber immer mit seinem Bias, leicht nostalgisch, an den richtigen Stellen dramatisch, ohne je pathethisch zu werden. Sind so meine Gedanken.

Gruss, Jimmy

 

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