Die etwas andere Kaffeepause
Es sollte eigentlich einer dieser gewohnten Gänge zur Kaffeemaschine werden, die jeder halbwegs eingefahrene Büromensch wohl jeden Tag des öfteren unternimmt.
Entweder, um soziale Kontakte mit den Kollegen zu pflegen, in großzügigen Portionen Hitze in den Magen laufen zu lassen oder auch die gestrige Nacht zu vertreiben, in der irgend eines der dreizehn genossenen Biere wieder schlecht war. Der letzte meiner Läufe sollte aber anders werden. Als ich, noch in der Erinnerung an die wohlige Wärme meiner Bettfedern schwelgend, schlaftrunken zur angestammten Kaffeetasse greifen wollte, ging der Kampf los.
Plötzlich umfaßten zwei schleimige Tentakel meinen Arm - aus dem Inneren des dunklen Lochs des ehemaligen Koffeinlieferanten schossen sie hervor, besetzt mit allem, was sie vorher schon gefangen hatten. Allzu groß war ihre bisherige Ausbeute anscheinend nicht gewesen. Neben einem kleinen Dackel, der vertrocknet zwischen den Überresten eines Bollerwagens hing und wahrlich schon bessere Tage gesehen hatte, konnte man dort etliche Dinge finden, die manch einer schon achtlos in seinem alten Koffeinbehälter unterbrachte. Bleistiftreste, Kaugummis, verkrüppelte Büroklammern, ab und an Exemplare von zusammengeknüllten kleinen gelben Zetteln, die vor langer Zeit ihre Aufgabe als Informationsträger erfüllt hatten und sich nun partout gegen die Verwesung wehrten.
In einem Punkt hatte ich aber Glück: Es war noch ein junges Exemplar dieses zum Schimmeltentakel mutierten Pilzes. Mit einer schnellen Bewegung, die mich bei einem ausgewachsenen Ding wahrscheinlich den halben Arm gekostet hätte, rammte ich ihm den Kaffeelöffel in den Körperabschnitt, wo ich in etwa die Augen vermutete.
Wie ich später herausfand, war die Anatomie bei diesem Wesen leicht verändert. Die Augen saßen nämlich auf dem Rücken – was ich da mit dem guten Löffel wirklich getroffen hatte, möchte ich lieber nicht wissen. Es hat auf jeden Fall geschmatzt.
Kreischend fing das Wesen an, in seinem bis vor kurzem ungestörten Reich zu rotieren und zu wüten sowie wild mit behaarten Tentakeln um sich zu schlagen. Rollend brachte ich mich außer Reichweite, schnell war auch ein Tisch gefunden, hinter dem ich erst einmal ausharren konnte.
„Was nun?“, fragte ich mich, immer auch die Kollegen im Kopf, die noch nichts von diesem Auswuchs vernommen hatten. Wie es der Zufall wollte, hatte mich mein Kaffeedurst nämlich in der Mittagspause überfallen. Da hört dich niemand schreien.
Der rettende Gedanke kam dann aber doch. Aus dem umgestürzten Drucker schnappte ich mir die Tonerkassette, gebrauchte das Mousepad als zerhäckselte Zündschnur und bastelte dieses Gebilde zusammen mit - Mac Gyver sei Dank- ein wenig Patex, Pritt-Stift-Klebemasse, meiner letzten Gehaltsabrechnung und Resten einer Zeitung zu einer handlichen Bombe.
Mit dem Mut der Verzweiflung schmiß ich es in die Richtung, in der ich das letzte Mal das Quieken des Tassenmonsters gehört hatte - scheinbar verärgert darüber, meine dürren Azubi-Gebeine nicht in seinen Nahrungsschlund stopfen zu können. Es knallte gewaltig, Fleischbrocken klatschten naß an die Fenster und auf das Geschirr, das neben dem Monitor sein Dasein fristete. Unbedingt appetitlich war der Anblick wirklich nicht, der sich mir bot.
Mit einem erleichterten Seufzer rutschte meinen Stuhl hinauf. Nie wieder, schwor ich mir, sollte noch einmal eine dieser Pulver-Kaffeesorten den Weg in meine Tasse finden. Lieber würde ich einen Liter Verdünner trinken, nachdem zwei entzündete Phosphorfackeln den Weg in meinen Mund gefunden haben.
So ein Mistzeug!