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Die Hinterbliebenen

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18.08.2002
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Die Hinterbliebenen

Ich knie mich auf den Boden, und sehe immer noch ratlos und leer auf euer Angesicht. Ich streiche über eure Haut, und lasse die Erde aus meinen Fäusten rieseln. Streichle euch das Haar, höre den Moosfarn unter meinen Händen knistern.

Danke, dass ihr Sekundenjahre mit mir teilt.

Vergissmeinnicht für dich, Anna, obwohl mehr als Appell an mich selbst gedacht, nie dein Lachen, deine samtene Stimme und deinen unglaublichen Sinn fürs Praktische zu vergessen.
Eine rosafarbene Primel für dich, Yvonne, die du mit sonderbarer Anmut und Zielgerichtetheit erwachsen werden wolltest.
Eine größere, kräftig Gelbe für Louis, sozusagen zum Ausgleich für dein kurzes, doch hoffnungsvolles Leben.

Was für Jahre hatten wir gemeinsam, und doch, je mehr ich mich an sie zu erinnern versuche, desto weniger kann ich es.
„Hol Wasser!”, sage ich dem, der dort auf der Bank kauert. Doch ich wende den Blick nicht ab von den Buchstaben, die metallen in Stein gemeißelt, aber in unfassbarer Ferne vor meinen Augen tanzen. Ich sammle den Unrat von eurem Bett, entferne sorgfältig das Wildkraut. Die Kanne kommt, ich begieße euch mit Tränen.

Und ich harke Wellenlinien um das Grab, davor ziehe ich mit dem Jätenstiel eine tiefe Gerade, von dieser aus Striche seitwärts. Ich gehe an ihr entlang und schließe die Augen: Die Holzbalken des Kais knarren unter meinem Gewicht, der Wind streift um meine Schläfen und ich sehe, durch den dichten Nebel, ein Schiff uns abholen kommen.

„Wir gehen”, sage ich zu David. Ich tue mich schwer, ihm in die Augen zu sehen. Nebeneinander gehen wir zum Parkplatz, auf uns hängt der graue Himmel herab. An jenem Tag war ein Sonnenschein, der den Asphalt in der Ferne spiegeln ließ. Wir sangen Unsinn, sahen uns im Geiste schon an pommerschen Stränden dösen.
Ich hätte David kein Piratentuch kaufen dürfen.

War es Eifersucht?
War es Spaß, eine kleine Überraschung?

Vorm Wagen bleiben wir stehen und sehen uns an. Ich sehe die ersten Tränen aus seinen Augen kommen, das Kinn, wie es zittert, wie sich die Mundwinkel verziehen. Wohl habe ich unbewusst eine Geste gemacht, als er mir jäh in die Arme fällt und das Gesicht an meinen Mantel presst.
Es ist Zeit, ihm zu vergeben. Er ist schlicht dem Übermut anheim gefallen, als er mir vom Rücksitz aus das Tuch um die Augen schlang. Auch mir schießen die Tränen in die Augen und ich pflüge ihm mit der Hand durchs Haar. „Es tut mir leid”, sage ich mühsam. "Ich vergebe dir ... vergebe dir."
Und ich weine.

Wir sind aller Tränen frei; steigen ein. Nach einer Stille wende ich mich zu ihm. „Du würdest sie gern wiedersehen, nicht wahr?”, frage ich und staune, dass er groß nickt, wie auf das Angebot eines Eisbechers, damit das Knie wieder heilt.
„Ich auch”, antworte ich; erlaube mir ein kleines Lächeln und starte den Motor.

[highlight]Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE (s. Profil)[/highlight]​

 

hallo floh,
ich bin ein mensch, der immer zuerst die geschichte liest, danach erst den titel. liegt im titel die auflösung zu deiner geschichte? Lt. lexikon ist ironie:

Die Ironie (von gr. eironeia "Verstellung") ist eine Äußerung, die das Gegenteil von dem Gesagten meint, die mit scheinbarer Ernsthaftigkeit den gegnerischen Standpunkt ins Widersprüchliche zieht.
- dein protagonist trägt also an dem autounfall selsbt schuld; immerhin sass er am steuer. hat er es zugelassen, dass seine freunde im auto alkoholisiert waren und hat sie nicht gebremst, als diese zu übermütig wurden? fuhr er selbst zu schnell? (der schluss könnte darauf hindeuten); war er selber alkoholisiert, aber nachdem es einen offensichtlich schuldigen gibt (mit piratentuch die augen verbunden) fällt die eigene schuld diskret unter den tisch?

würde mich interessieren, was du dazu sagst.

herzliche grüße
ernst

 
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Hallo, danke danke für euren Kommentar/Lob. Ich denke, da habe ich mich mal wieder "herrlich" verwirrend gehalten in dieser Geschichte. Bevor ich aber zuviel erkläre, lasst mich bitte noch andere Kommentare abwarten.

@Illu:
Schon möglich, dass der Protagonist eine gewisse Mitschuld an dem Unfall hatte. Jedoch sehe ich den Schlusssatz eher im Zusammenhang mit der Schiffspassage.

@Ernst:
Das waren nicht seine Freunde, das war seine Familie, die er verloren hat, bis auf seinen ersten Sohn, und gerade er!

Ist der Prot immer noch selbst schuld, wenn man den Titel auf den Sohn bezieht?

Mich besorgt nicht zuletzt, dass du Alkohol ins Spiel bringst - liegt es etwa am "Unsinn singen"? (Ich persönlich finde es beängstigend, "Unsinn machen" gleich mit "Suff" gleichzusetzen. Himmel, ist sowas nur mit Alkohol möglich? - Ich muss mit dem Saufen anfangen, sonst werde ich langsam unglaubwürdig...)

Ich will Dich beileibe nicht deiner Kritik verprellen, zumal solche meinerseits ganz unerwarteten Schlüsse ein Hinweis auf die Imperfektion der Geschichte sind. Aber: Hast du schnell gelesen?


Danke Euch beiden, FLoH.

 

Hallo,
die Geschichte ist gut, keine Frage.
Aber wie ist der Titel zu deuten? Ist es der Sohn, der in seinem unschuldigen Tun die Schuld herbeiführt? Ironische Unschuld kann man laut der genannten Definition als Schuld verstehen, so würde es Sinn machen. Eine Mitschuld sehe ich eigentlich in dem Text nicht, eher Selbstmitleid der Charaktere. Alkohol kann ich auch nicht finden, es geht wohl eher um einen ausgelassenen Familienausflug, der in einer Tragödie endete.

Gruß
Arthuriel

 

Hallo,
auch mir gefällt die Geschichte, wenn gleich sei sehr traurig ist.
Also den Titel sehe ich so, dass der Sohn noch so jung und dadurch eben unschuldig, doch durch sein kindliches Handeln, schuldig ist.
Oder meinst du etwas, das der Vater, der an dem Autounfall, bei dem er einen Teil seiner Familie verlor, ja unschuldig ist, nun durch sein Handeln (gebe Vollgas) schuldig wird?
Lieben Gruß
Angela

 

Danke, Angela und Arthuriel für Eure Kommentare, insb. das mit dem Titel ist damit vom Tisch. Angela, Du hast sogar eine zweite Interpretation bzgl. Geschichte <=> Titel geliefert, danke dafür. Hey, wenn ein Titel zwei oder noch mehr verschiedene Beziehungen zur Geschichte hat, ist das doch ein wahrer Glückstreffer!


... FLoH.

 

Hallo Floh,

die Atmosphäre deiner traurigen Geschichte, die Charakterisierung der Toten durchdie passenden Blumen, die zarte Beschreibung der Hinterbliebenen, das alles gefällt mir ausgezeichnet.
Schade finde ich persönlich das Schiff, welches er kommen sieht, sie abzuholen, dem dein Prot dann auch mit Vollgas entgegenfährt, um die geliebten Menschen wiederzusehen. Schade finde ich das, weil ich dir einfach mehr zutraue, als eine Auflösung des Schmerzes in Suizid (so habe ich das Bild verstanden), so schöne Bilder du dafür auch finden, und so tröstlich du uns den Gedanken auch nahe bringen magst.

Eine wunderschöne traurige Geschichte mit einen noch traurigeren und für mich leider unbefriedigendem Ende.

Einen lieben Gruß, sim

 

Sim, danke auch Dir für deinen Kommentar. Das mit dem Suizid ist in der Tat ein Kritikpunkt. So hat sich die Geschichte in meinem Kopf leider entwickelt. Wenn ich daran denke, wieviele Schicksale, auch hier auf kg.de, in Selbstmord enden, ist das nichts Besonderes, das ist wahr.

Doch das Problem ist eben, das sich der Freitod dem Schreiber so frech als einziges Motiv aufdrängt, genauso wie dem "Versager" im richtigen Leben als einzige Lösung. Zumal es tatsächlich bessere geben kann/gibt.

Aber dann denke ich wieder, Gott, da hat jemand seine Familie verloren, und verantwortlich dafür ist sein eigenes Kind, dass er weiterhin lieben wollte, aber nicht kann. Diesem persönlichen Zwiespalt wollte (und musste) ich eine Richtung, eine Entscheidung geben, damit die Geschichte nicht "eiert". Es gibt zwei: Vergeben, Abschließen und Weiterleben oder (Vergeben und) Fliehen. - Ich hätte auch die Münze werfen können.

Das Schiff ist ein Bild, das man durchaus - in Verbindung mit dem Ende - als eine Verherrlichung des Selbstmordes auffassen könnte. Das aber bitte nur im Kontext der protagonistischen Sichtweise, denn es ist ja dessen Vorstellung.

So meine Gedanken zu deiner berechtigten Kritik.


FLoH.

 

Hallo Floh!

Mir hat Deine Geschichte mit ihrem poetischen, zarten Stil ebenfalls sehr gut gefallen. Du bringst dem Leser die Gefühle, die ganze Situaion sehr nahe...

Zum Titel: Mich hat ebenfalls das "ironische" daran gestört, und es ist mir auch jetzt noch nicht ganz sympatisch.

Die Schiffsstelle wird zwar zum Schluss klarer, jedoch so, wie sie in der Geschichte eingebaut ist, ist sie ersteinmal ohne Bezug, was ich sehr schade finde. Sie hat mich ersteimal aus dem Lese- udn Gedankenfluss am Grab herausgerissen.
Ein paar Kleinigkeiten noch:


"höre das Moosfarn unter meinen Händen knistern." - müsste es nicht DEN Moosfarn heißen?

"Ich sammle das Unrat von eurem ewigen Bett," - den Unrat

"dass er groß nickt wie auf das Angebot eines Eisbechers zum blutigen Knie." - eigentlich ein schöner Vergleich, allerdings finde ich ihn irgendwie seltsam ungelenk formuliert...

schöne Grüße
Anne

 
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Vielen Dank auch Dir Maus für deine Kritik! Die Fehler werden korrigiert...

Mir hat Deine Geschichte mit ihrem poetischen, zarten Stil ebenfalls sehr gut gefallen. Du bringst dem Leser die Gefühle, die ganze Situaion sehr nahe...
Merci madame ... genau wie es sein sollte.

Zum Titel: Mich hat ebenfalls das "ironische" daran gestört, und es ist mir auch jetzt noch nicht ganz sympatisch.
Mein Arbeitstitel übrigens war: "Das Grab, der Sohn und ironische Unschuld". Da sich die beiden ersteren schon aus der Geschichte ergeben, bleibt nur das dritte übrig. Der Titel wurde schon richtig gedeutet, ja sogar noch aus einer zweiten Perspektive (fürwahr, der Autor hat etwas über seine eigene Geschichte gelernt). Ergo: Der Titel bleibt. Ich gestehe aber, dass er selbst mE nicht sooo gut passt, wie die Faust aufs Auge meine ich, aber er hat was magisches (mE) und leuchtet zumal auf die Geschichte.
Würde ich den Titel auf "Unschuld" kürzen, wäre dies eine Allerweltskopie (tausendmal gelesen) und zu wenig aussagekräftig in meinen Augen.

Die Schiffsstelle wird zwar zum Schluss klarer, jedoch so, wie sie in der Geschichte eingebaut ist, ist sie ersteinmal ohne Bezug, was ich sehr schade finde. Sie hat mich ersteimal aus dem Lese- udn Gedankenfluss am Grab herausgerissen.
Du findest das sehr schade? Hm. Ich wollte mit diesem Bild nur eine Vorahnung des Protagonisten darstellen. Dass sowas nicht immer im Bezug zu allem steht, hätte ich gedacht sei normal...
EDIT: Du hast aber erkannt, dass er vorher den Kai in die Erde gezeichnet hat? Insofern gibt es also eine Art realen Bezug zur fiktiven Wirklichkeit. Naja, das könnte daran liegen, dass wir nur an rückwärtigen Bezügen gewohnt sind, dieser hier ist jedoch vorwärts gerichtet. Daran ist vielleicht unsere Sprache schuld, die nur rückwärts beziehen kann, ich weiß nicht.

Ein paar Kleinigkeiten noch:

...

"dass er groß nickt wie auf das Angebot eines Eisbechers zum blutigen Knie." - eigentlich ein schöner Vergleich, allerdings finde ich ihn irgendwie seltsam ungelenk formuliert...

Jep. Finde ich auch etwas, da ist irgendwie ein Nominalglied zuviel. Bei Nomenketten von mehr als zwei Gliedern wird es generell kritisch. Den Satz werde ich wohl entweder überarbeiten oder ganz streichen müssen. Danke erstmal.
EDIT: Wie steht es mit "dass er groß nickt wie auf das Angebot eines Eisbechers, damit das Knie wieder heilt."? Ich bitte um Meinung.


FLoH.

 

hallo florian,
nachdem ich einige deiner erwiderungen und erläuterungen gelesen haben, wird einiges klarer - aber immer noch nicht eindeutig.

du schreibst ganz selbstverständlich, dass der protagonist nicht seine freunde, sondern seine familie verloren hat. woraus schliesst du das? stelle dir mal vor, im unfall-auto sassen jugendliche, wobei der protagonist - als der älteste der gruppe - zum beispiel gerade seinen führerschein gemacht hat. jubel, trubel heiterkeit auf dem weg an die see. dei beschreibung der toten könnte auch auf solche jungen freunde passen.

auch der unfallhergang könnte entweder so passiert sein, dass sich das auto z.b. überschlagen hat (wegen zu hoher geschwindigkeit) und dabei drei der fünf insassen ums leben kamen. andere denkbare variante: das auto fuhr in eine gruppe von fussgängern.

zum oben gesagten würde doch alkohol ganz gut passen? mir kam jedenfalls ganz spontan die idee.

bitte, versuche mal deine geschichte so zu lesen, als ob du die gedanken des autors nicht kennen würdest. das ist zugegebenermaßen sehr schwierig!


auch nach mehrmaligem, aufmerksamen durchlesen habe ich leider den zusammenhang zwischen schiff-tod-kai-wellenlinien am grab nicht erkannt, d.h. erst erkannt, NACHDEM ich deine erklärungen dazu gelesen habe.

herzliche grüße
ernst

 

Hallo floh!

Deine Geschichte ist interessant, besonders beschäftigt mich das Piratentuch. Warum schenkt ein Vater seinem Sohn so etwas? Vielleicht, weil er sich mehr oder weniger bewusst wünscht, dass sein Sohn nicht so ein schüchterner, gehemmter Stubenhocker oder Spießer wird, sondern einer, der sich im Leben munter und draufgängerisch verhält, männlich ist.
Wenn ein Vater oder eine Mutter sich ihr Kind so wünschen, spürt es das Kind natürlich, auch wenn dieser Wunsch nicht artikuliert wird. Vielleicht ging so eine Ermutigung an den Jungen aus, so einen Streich zu machen. Vielleicht deute ich etwas hinein, aber du siehst: dein Text regt die Fantasie an, und das spricht für ihn.

Und dann könnte man auch noch was zum Titel sagen: Ironie ist, wenn ich das Gegenteil von dem sage, was ich meine, zum Beispiel: "Du bist mir ja ein schöner Freund!" So könnte man ironisch über den Vater sagen. "Na, dieser Vater ist ja vollkommen unschuldig am Tod von Frau und Kindern, ein wahres Unschuldslamm!"
Obwohl er sich doch einen Sohn wünscht, draufgängerisch und abenteuerlich wie ein Pirat!

Grüße gerthans

 

Hallo Ernst nochmal,


ich befinde mich in vollem Zweifel, ob's an Deiner Sichtweise oder an meiner Geschichte liegt. Aber, wie gesagt, sowas kann für meine Hobbyschreiberkarriere nur förderlich sein.

du schreibst ganz selbstverständlich, dass der protagonist nicht seine freunde, sondern seine familie verloren hat. woraus schliesst du das?
"Ich setze mich nieder auf die Knie, und sehe immer noch ratlos und leer auf euer Angesicht. Ich streiche über eure Haut und lasse die Erde aus meinen Fäusten rieseln. Streichle euch das Haar, höre den Moosfarn unter meinen Händen knistern." - Ich kenne meine Menschenkenntnis nicht so gut, aber sowas tun doch höchstens emotional veranlagte Väter, die ihre Familie verloren haben, beim Anblick deren Grabes ... finde ich. Es gibt auch noch andere Indizien im Text, die Besegnung der Frau und der beiden anderen Kinder z.B. Klar, will nicht bestreiten, dass manche Jugendliche so enge Freundschaften eingehen, wo das Gelesene auch möglich wäre. Das wäre aber so sondersgleichen (mE), dass ich auf so eine Basis nicht etwas aufbauen dürfte, das damit nichts zu tun hätte.
Ich stufe deine Sicht mal als eine Art "Grenzinterpretation" ein. Sie ist nicht unbedingt falsch, aber man sollte auch nicht behaupten, ich hätte sie provoziert.

bitte, versuche mal deine geschichte so zu lesen, als ob du die gedanken des autors nicht kennen würdest. das ist zugegebenermaßen sehr schwierig!
Das ist ein Wunsch! Kannst Du deiner Muttersprache zuhören, ohne sie zu verstehen? Aber ich will nicht stur sein und schaue mir die Sache unter Deinen Gesichtspunkten noch mal an.

@gerthans:
Vielen Dank Dir für deinen Kommentar, insb. deine Gedanken. Wenn eine Geschichte so zum denken/grübeln anregt, was gibt es besseres?


Liebe Grüße,
FLoH.

 

Hallo Floh,

das Fremdwort in der Überschrift passt nicht gut zu der Sprache der Geschichte. Auch inhaltlich bin ich damit nicht zufrieden, sagt man doch oft etwas ironisch, um eine Person wenigstens ein wenig `auflaufen´ zu lassen.
`Unschuld´ kann ironisch gemeint sein, doch ist Unschuld ironisch, als Eigenschaft?

„Ich streiche über eure Haut und lasse die Erde aus meinen Fäusten rieseln. Streichle euch das Haar, höre den Moosfarn unter meinen Händen knistern.“

Hier kam es mir erst so vor, als ob über die Haut gestrichen wird und gleichzeitig Erde aus den Fäusten rieselt.

Ansonsten hat mir die Geschichte gut gefallen, trotz des (doch recht häufigen) Suizid-Themas. Dir ist es doch gelungen, diese Thematik aus einem etwas unüblichen Blickwinkel zu sehen - es geht nicht so sehr um Aufgabe, sondern mehr um Hingabe.
Sprachlich ist der Text passend, in trauriger Stimmung geschrieben, die beiden Beziehungsbögen (Piratentuch – Piratentuch; Schiff – Vollgas) sind treffend arrangiert.
Ein schöner kleiner Text.

LG,

tschüß… Woltochinon

 

Hallo Woltochinon,


ich freue mich doch immer wieder, von Dir eine Kritik zu bekommen.

Mit der ironischen Unschuld hast Du irgendwie recht, ein sehr komischer Titel ist das. Und auch wieder nicht. Man findet in Charakterisierungen ja oftmals Phrasen, in denen ironisch eine Qualität ausdruckt: ironisches Lachen, ironisches Gesicht. Stets wird damit Hinterdeutigkeit, Vortun, ummantelter Dünkel gekennzeichnet, und so ähnlich ist es ja auch bei meiner Unschuld: Unschuld außen, aber Unschuld auch innen?

Hier kam es mir erst so vor, als ob über die Haut gestrichen wird und gleichzeitig Erde aus den Fäusten rieselt.
Ich hätte vielleicht "und dann" schreiben müssen. Das klänge allerdings hölzern. Vielleicht fällt mir noch was besseres ein.

es geht nicht so sehr um Aufgabe, sondern mehr um Hingabe.
Ich verstehe nicht..?


Danke vielmals,
FLoH.

 

Der Text sagt mir zu. Es wurde schon mehrfach der Titel kritisiert, ich kann mich dem nur anschließen. Er macht zusammen mit dem Text keinen Sinn. Vielleicht ist ein Titel wie "Schuld" abgedroschen, aber weshalb ihm nicht eine eigene Version dazu schreiben.

Ein Aspekt, der am Ende auftaucht, wird m.E. sträflich vernachlässigt:

Es ist Zeit, ihm zu vergeben. Ihn hat schlicht der Teufel geritten
Hier sehe ich noch Potential, das auch den Selbstmord "verhindern" könnte. Im Zusammenhang mit einem Titel wie "Schuld" könnte sich auch noch die Dimension von Vergebung, die Du noch in einem Kommentar erwähnst, aber im Text nicht durchführst, hinzugesellen. Die Frage ist dann, auf wen sich die Schuld bezieht, auf Vater oder Sohn.

Dazu ist die oben zitierte Textstelle allerdings zu knapp geraten. Zwar wirkt der Befehl, mit dem der Erzähler David zum Wasserholen anweist unwirsch, auch die Aufforderung, nun wieder zu gehen. Das Verhältnis der beiden zueinander beadrf aber noch mehr Klarheit.

Merkwürdigerweise kann ich die Kritik, es könnte sich bei den Verstorbenen auch um Freunde handeln, nicht teilen. Vielleicht wurde der Text in der Zwischenzeit überarbeitet, doch die Gedanken, die ihnen der Protagonist widmet lassen kaum einen anderen Schluß zu, als daß es sich um eine Frau und zwei Kinder handelt. Und was liegt dann näher, als an eine Familie zu denken. Und damit ergibt sich auch das Geschlecht des Protagonisten.

Die Stelle, an der der Protagonist sich auf einen Kai denkt, ist unklar. Diese Stelle provoziert Unverständnis.

Ich mochte den Text, die Sprache hat mir gefallen, an einigen Stellen hätte ich mir ein wenig mehr Klarheit gewünscht, doch ändert das nichts an meinem Urteil.

Vorschläge/ Detailanmerkungen:

  • "Ich setze mich nieder auf die Knie, und sehe immer noch ratlos und leer auf euer Angesicht." - 'ins Angesicht blicken', aber der Satz ist mißverständlich, da der Blick nur imaginär ist
  • "Ihn hat schlicht der Teufel geritten" - Ausdruck

 

Hi cbrucher,


Vielen Dank für deine Kritik auch für diese Geschichte; du entwickelst Dich ganz zu einem treuen FLoH-Leser, hm? ;)

Den Titel werde ich jetzt ändern lassen zu: "Letzte Grabpflege". Ein solch neutraler Titel verleitet nicht dazu, sich das Gehirn zu verrenken nach einem Zusammenhang zwischen Titel und Text. So kann sich der Leser ausschließlich auf den Inhalt konzentrieren.

Auch die Stelle am Kai werde ich abändern; ich füge explizit an, dass der Protagonist träumt.

Ein Aspekt, der am Ende auftaucht, wird m.E. sträflich vernachlässigt:
Es ist Zeit, ihm zu vergeben. Ihn hat schlicht der Teufel geritten
Hier sehe ich noch Potential, das auch den Selbstmord "verhindern" könnte. Im Zusammenhang mit einem Titel wie "Schuld" könnte sich auch noch die Dimension von Vergebung, die Du noch in einem Kommentar erwähnst, aber im Text nicht durchführst, hinzugesellen. Die Frage ist dann, auf wen sich die Schuld bezieht, auf Vater oder Sohn.
Diese Frage ist es auch schon so. Gewiss habe ich es jedoch versäumt, die Vergebung klarer auszudrücken: "Es tut mir leid" ist nicht unbedingt eine Vergebung, zumal das ja eigentlich der Junge sagen müsste. Dem Prot tut eigentlich nur leid, dass er seit dem Tod seiner Familie dem "übrig gebliebenen" Sohn soviel Feindlichkeit entgegen gebracht hat. Ich werde es so schreiben, dass der Vater eine deutliche Vergebung ausspricht.
Dennoch wird das Ende so bleiben. Es bleibt ja geradeso offen, ob der Prot sich und seinen Sohn wirklich in den Tod fährt. Er hat ihm schließlich vergeben ;).
Auch wenn ich bisher anderer Meinung war, könnte die Motivation zum Selbstmord gleichwohl eine andere sein, nicht umbedingt das "Nichtmehrkönnen". Denkt mal darüber nach ;).

Dazu ist die oben zitierte Textstelle allerdings zu knapp geraten. Zwar wirkt der Befehl, mit dem der Erzähler David zum Wasserholen anweist unwirsch, auch die Aufforderung, nun wieder zu gehen. Das Verhältnis der beiden zueinander beadrf aber noch mehr Klarheit.
Ich denke, dass ich schon genug Hinweise eingebaut habe. Auch will ich dem Leser Interpretationsspielräume lassen. Das hier sollte keineswegs nur "seichte Unterhaltung sein".

"Ihn hat schlicht der Teufel geritten" -> wird geändert :).

Also: ich bedanke mich nochmal herzlich für deinen Kommentar. Weiterhin viel Spaß auf kg.de! :anstoss:
(EDIT: Sehe grad, du bist mit 133 Beiträgen ja kein Neuling mehr. Aber trotzdem...)

FLoH.

 

Hallo floh,
mit der Geschichte habe ich eine Menge zu tun, sie zu verarbeiten usw., usw.. Ziemlich hart, aber aus meiner Erfahrung als ehemaliger aktiver Feuerwehrmann mit vielen Einsätzen auf einer Autobahn, absolut realistisch. Nicht unbedingt alltäglich, oder doch?
Egal, sie ist gut, die Geschichte.
Nachdenklich Gruß von Siggi

 

Hallo Floh,

beim ersten Durchlesen dachte ich auch, es handle sich um Freunde, also Jugendliche, die bei einem Unfall ums Leben kamen.

Beim zweiten Mal lesen - auch nach den Kommentaren - wird das ganze natürlich deutlicher. Ich interpretierte auch keinen Suizid, da ich nie auf die Idee käme, wenn einer sagt, er würde jemand Verstorbenes gerne wiedersehen, er auch den Tod dafür in Kauf nehmen würde. Das finde ich auch vom Vater sehr ungerecht, über das Leben des weiteren Kindes zu entscheiden. Aber das kann man ja so sehen und soll keine Kritik am Ablauf der Geschichte sein.

Jedenfalls eine sehr gelungene KG, deshalb stört mich das Thema Suizid nicht :).

Lieber Gruß
bernadette

 

Wow, danke Boettger und bernadette für eure Kommentare :).

beim ersten Durchlesen dachte ich auch, es handle sich um Freunde, also Jugendliche, die bei einem Unfall ums Leben kamen.
Hm, ich überlege gerade krampfhaft, ob ich nun doch an einer möglichst unauffälligen Stelle das Wort "Familie" einflechte. Aber ich lasse es vorerst so wie es ist; sollte es aber weitere Kommentare geben, die das bekritteln, werde ich's umsetzen.


FLoH.

 

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