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Die Katze

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31.01.2008
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Die Katze

Die Katze.

Aaron blieb stehen und schaute erstaunt auf die große Wasserpfütze. Er ging diesen Feldweg zur Schule schon einige Jahre, es ist ihm nie aufgefallen, dass der Regen an dieser Stelle eine große Pfütze hinterlassen hat.
„Seltsam“, dachte er. „Es hat schon drei Wochen nicht mehr geregnet.“
In Gedanken versunken, ging er weiter, so bemerkte er nicht, dass ihm eine Katze aus grünen Augen nachstarrte.
Kurz bevor er auf die Strasse kam, drehte er sich noch einmal um. Da fiel ihm die Katze auf. Aaron wunderte sich, sie eben nicht gesehen zu haben. Im nächsten Moment hatte er sie vergessen.
„He Aaron, warte auf mich“, rief Lilli hinter ihm her, als er den Schulhof betrat. Ihre langen, schwarzen Haare wehten, als sie auf ihn zu rannte. Sie fragte: „Warum bist du denn so in Gedanken? Hat es Ärger zu Hause gegeben?“
„Nee“, kam es aus Aarons Richtung. Der gut aussehende Junge fuhr sich mit der rechten Hand zerstreut durch seine blonden Locken. Flüchtig dachte er an das eben Erlebte. Doch schnell hatten ihn die Ereignisse, die so ein Schulleben mit sich brachte, in Beschlag genommen.
Die Mathestunde war vorbei. Aaron lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und schaute aus dem Schulfenster. „Ein tolles Wetter“, dachte er. Seine Gedanken wanderten zum Baggersee, wo er sich mit den Freunden am Nachmittag treffen wollte. Schwimmen zu gehen, war für ihn das Höchste. Hoffentlich hält die Hitzeperiode noch etwas an, in ein paar Tagen begannen nämlich die Sommerferien.
Er hörte der Lehrerin Frau Gerber nicht mehr zu. Verträumt sah er wieder aus dem Fenster, doch die Stimme der Lehrerin riss ihn aus seinen Gedanken.
Bevor er nach vorn zur Tafel blickte, bemerkte er im Augenwinkel die Katze, die außen auf der Fensterbank saß und ins Klassenzimmer hinein starrte.
Als er nach einer Weile wieder hin schaute, war sie verschwunden.
Aaron wunderte sich über sich selbst. In letzter Zeit bemerkte er überall Katzen. Eigentlich mochte er Hunde viel lieber. Wieso fielen ihm dauernd Katzen auf?
Die Gegenwart holte ihn ein. Lilli flüsterte: „Alles in Ordnung mit Nachher? Ich freue mich schon. Bei dem Wetter schwimmen zu gehen, ist genial.“
Sie strich ihre Haare hinter das Ohr und lächelte ihn verliebt an. Die anderen hatten es längst bemerkt, wie verknallt Lilli in Aaron war, nur er war anscheinend ahnungslos.
Die Klingel schrillte und kündigte das Ende der Schulstunde an. Jeder packte schnell seine Sachen zusammen, um nach draußen zu stürmen.
Bevor Aaron das Klassenzimmer verließ, sah er noch einmal zum Fenster und…da saß die Katze. Er schaute in glühende Augen.
Frau Gerber fragte erstaunt: „Aaron, ist noch was?“
Er konnte den Blick kaum von diesen magischen Katzenaugen lösen und zeigte auf das Fenster… sie war nicht mehr da. Eine leichte Gänsehaut kroch ihm langsam den Rücken hinauf. Irritiert zog der blonde Junge die Schultern hoch, verabschiedete sich und lief den anderen hinterher.
Lilli wartete mit seiner Schwester Greta, auf ihn.
Langsam schlenderten die drei in brütender Hitze über den Schulhof. „Es wird Zeit, dass die Sommerferien anfangen“, dachte er.
Den Weg zurück nach Hause, nahm er mit den Mädchen über die Hauptstrasse. Die Abkürzung über den Feldweg, ging er nur morgens. Da wollte er in Ruhe seinen Gedanken nachhängen und nicht das unaufhörliche Geplapper von Lilli und Greta hören.
Außerdem nahm Vater die beiden auf dem Weg zur Arbeit mit und setzte sie dann an der Schule ab. Aaron war nur bei schlechtem Wetter dabei.
Seine Gedanken kreisten wieder um den Feldweg, die Wasserpfütze und die Katze. Es sah bald so aus, als ob sie etwas von ihm wollte.
„So ein Quatsch“, murmelte er vor sich hin. „Die Katze kann doch nicht wissen, in welchem Klassenzimmer ich sitze.
Die Mädchen stießen sich an und Lilli sagte: „Du bist heute recht seltsam Aaron. Was ist denn los mit dir? Macht dir die Hitze so zu schaffen?“
Er gab erst einmal keine Antwort.
„Wenn ich das den Mädchen erzähle, lachen sie mich nur aus“, dachte er. Im Grunde war ja nichts. „Ich bin einfach nur urlaubsreif“, entschied er.
Am Nachmittag trafen sich Greta, Aaron und Lilli, um zum Baggersee zu gehen, wo die Freunde schon warteten. Ein Stück des Weges führte sie über den Feldweg, den er morgens ging.
Bevor sie zum See abbogen, blieb Aaron stehen und schaute in die Richtung, wo er die Pfütze gesehen hatte. Er beschattete seine Augen mit den Händen, um besser sehen zu können. Die Luft flimmerte an einer Stelle, aber etwas erkennen konnte er nicht.
Als die Mädchen wissen wollten, was es da zu sehen gab, sagte er beiläufig: „Heute Morgen war da eine große Wasserpfütze.“
„Ja, das kenn ich“, meinte Lilli. „Das ist eine Luftspiegelung, weil es so heiß ist“.
„Das ist die Erklärung“, dachte Aaron aufatmend, doch dann fiel ihm ein, dass er ja direkt davor gestanden und sein Spiegelbild in dem Wasser gesehen hatte.
Ihm war auf einmal gar nicht gut. Was passierte mit ihm? Wurde er verrückt?
Da hilft nur der Baggersee, Abkühlung, Schwimmen und Spaß haben.
Eilig ging er vor den Mädchen her. Von weitem hörten sie ihre Freunde lärmen. Aaron hatte es eilig ins Wasser zu kommen. Ruck zuck war er ausgezogen und rannte zum See hinunter, sprang hinein und schwamm hinaus.
Am nächsten Morgen hatte er die Angelegenheit fast vergessen. Er dachte nur flüchtig daran, als er den Feldweg eilig zur Schule ging. Die Uhr zeigte ihm, dass er sich mächtig beeilen musste.
Es war zu so früher Stunde schon sehr heiß. Unlustig saßen alle im Klassenzimmer herum. Da kam Frau Gerber mit der Nachricht – hitzefrei - ins Klassenzimmer. Schnell beeilten sich alle nach Hause zu kommen.
Wie gewohnt ging Aaron den Weg zurück über die Strasse. Lilli und Greta wollten mit ihren Freundinnen Lotta und Mia zum Eis essen ins Städtchen.
Der blonde Junge dachte an seine Mutter. Sie war schon lange krank.
So richtig erinnern konnte er sich nicht mehr, wann es angefangen hatte, dass sie wie ein Geist durchs Haus wanderte. Es musste mit seiner Schwester Katherina zusammen hängen, die auf seltsame Weise ums Leben kam.
Aaron war damals ca. drei Jahre alt. Vor seinem geistigen Auge sah er seine Schwester die ersten Schritte durch den Garten gehen. Die Stimme der Mutter hallte in seinem Kopf nach: „Aaron pass ein wenig auf die Süße auf. Ich kümmere mich schnell um die Wäsche.“
Was dann passierte, daran erinnerte er sich nicht mehr. Sie setzte erst wieder ein, als er die aufdringliche Sirene des Krankenwagens hörte.
Es waren auf einmal viele Leute auf dem Hof. Die schrecklichen Schreie seiner Mutter würde er nicht vergessen.
Tante Gitta, die kinderlose Schwester seiner Mutter aus Bremen, kam für lange Zeit, um ihn zu versorgen. Sie erklärte ihm, dass seine Mutter krank sei und sie länger im Krankenhaus bleiben müsse.
Er gab sich damit zufrieden, die kinderlose Tante hätte ein eigenes Kind nicht lieber haben können. In den Ferien fuhr er wieder für zwei Wochen zu ihr nach Bremen.
Greta wurde drei Jahre nach dem Unglück geboren. Sie kannte die Mutter nicht anders als ernst und teilnahmslos. Er dagegen konnte sich an ihr perlendes Lachen noch gut erinnern.
Aaron fuhr erschrocken zusammen, als ein Auto an ihm vorbei fuhr, um dann kreischend zu bremsen, weil es einer Katze ausweichen musste, die über die Strasse lief.
Mit trockenem Hals sah Aaron, wie ruhig das Tier es hingenommen hatte, bald überfahren worden zu sein. Sie blieb gegenüber am Straßenrand sitzen und schaute ihn mit großen, grünen Augen an.
Aron lief es trotz Hitze kalt den Rücken runter. Es schlich so etwas wie Angst in seinen Magen.
Als ein Lieferwagen vorbei fuhr und ihm einen Augenblick die Sicht nahm, war die Katze fort.
Eilig machte sich Aaron auf den Weg nach Hause.
Zu Hause angekommen, ging er sofort in den Garten. Mutter saß meistens im Pavillon.
Wie geschockt blieb Aaron stehen, seine Augen weit aufgerissen, schaute er auf ein seltsames Bild.
Seine Mutter lächeln zu sehen, wühlte ihn in seinem Innern auf, die Katze, die um ihre Beine strich und ihn aufmerksam ansah, ließ ihn wieder frösteln.
Aaron freute sich auf einmal sehr, zu seiner Tante nach Bremen fahren zu können. Es wurde hier immer mysteriöser, er fühlte sich äußerst unwohl. In der Gesellschaft von Tante Gitta erfuhr er Wärme und Anerkennung.
Als der Blick seiner Mutter auf ihn fiel, verlor sich ihr lächeln.
Warum Aaron sich schuldbewusst abwendete, konnte er nicht sagen.
Das Grübeln brachte auch nichts, er kam und kam nicht darauf, was sie gegen ihn hatte. Sobald er in Bremen war, wollte er Tante Gitta fragen, was damals passiert war.
Ohne Zwischenfälle verging die Zeit bis zu den Sommerferien und somit zu Aarons Abfahrt nach Bremen. Greta wollte mit einer Jugendgruppe an die See fahren. Sie lärmte durchs Haus und Vater rannte ihr ständig besorgt hinterher, damit sie beim Einpacken ihrer Sachen auch nichts vergaß.
Er sorgte sich in gewohnter Weise selber um seine Sachen.
Frau Weinhuber, die Hausangestellte, rief: „Ich bin dann mal weg, Herr Bittner.“
„Ja gut Frau Weinhuber und danke, bis Morgen.“
Aaron suchte ein Buch, welches er unbedingt mitnehmen wollte. Er kniete vor dem Schrank, seine Hände tasteten im Halbdunkeln herum. „Wo habe ich nur dieses verflixte Buch hingelegt“, murmelte er vor sich hin, als er einen Schatten neben sich bemerkte. Erschrocken schaute er zur Seite und blickte in grüne Augen. Voller Panik sprang er auf, stolperte und fiel der Länge nach auf den Boden. Als er dann auf kleine Füße starrte, quälte sich ein Schrei über seine Lippen.
Ein Kichern, was in ein lautes Lachen überging, holte ihn in die Wirklichkeit zurück. Greta stand vor ihm und schüttelte sich aus vor Lachen. Atemlos wiederholte sie ständig: „Das sah aber auch zu komisch aus Aaron, was machst du eigentlich?“
Aaron platzte bald vor Wut. Er schrie Greta an: „Ich bin froh, euch alle eine Weile nicht mehr zu sehen.“ Schob Greta aus seinem Zimmer und knallte die Tür hinter ihr zu.
Sein Herz klopfte laut und…was schon lange nicht mehr vorgekommen war, es kamen Tränen der Verzweiflung.
Immer wieder hatte er das lächelnde Gesicht seiner Mutter vor Augen, so wie er sie nicht kannte. Das sofort ernste Gesicht, als sie ihn sah, schnitt ihm tief ins Herz.
„Warum, warum nur?“ Flüsterte er vor sich hin.
Auf dem Fußboden sitzend, den Kopf angelehnt, musste er wohl eingeschlafen sein. Ein Geräusch weckte Aaron. Er schlug die Augen auf und sah seine Mutter in der Türe stehen.
Mit einem schmerzlich, traurigen Gesicht schaute sie ihn an, um dann wieder hinaus zu gehen.
„Ich kann es bald nicht mehr ertragen“, dachte Aaron.
Er hörte Greta, wie sie hin und her lief, um ihre Sachen fertig einzupacken.
Hastig und wahllos suchte Aaron nun auch seine Sachen zusammen. Als er fertig war, wollte er noch einen Spaziergang zum Baggersee machen.
Nachdenklich kam er auf den Feldweg. Er blieb stehen, um wieder in die Richtung zu sehen, wo er die Katze und die große Pfütze gesehen hatte. Das Wetter war zwar warm, aber sehr trübe.
Es schlich sich wieder das komisch, ängstliche Gefühl in seinen Magen und dann zur Kehle hinauf, als er meinte die Wasserpfütze zu sehen. Dieses Mal gab es keine Lichtspiegelung. Er hielt nach der Katze Ausschau…entdeckte sie aber nicht.
Kopfschüttelnd schlug er den Weg zum See ein.
Er grübelte, „ob ich krank werde? Vielleicht habe ich Fieber, dann sieht man ja schon mal Sachen, die eigentlich nicht da sind.“
Lange saß Aaron auf seinem Lieblingsplatz und schaute auf den See hinaus, dann machte er sich langsam auf den Weg nach Hause.
Ein seltsames Zwielicht kündigte den nahenden Abend an.
Wieder blieb er an dem Abzweigenden Weg stehen, um eventuell eine Lichtspiegelung zu erkennen, was ja gänzlich unmöglich war, schon allein wegen des nahenden Abends.
Und doch war es ihm, als erkenne er die Wasserpfütze. Magisch davon angezogen, ging er langsam in diese Richtung, um auch noch die Katze zu erkennen. Die saß starr und unbeweglich dort. Aaron hatte das Gefühl, als ob ihre grünen Augen ihm bis in die Seele schauen konnten.
Im Unterbewusstsein meinte er, dass die Pfütze riesengroß geworden sei.
Wie in Trance ging er näher und blieb davor stehen.
Die grünen Augen der Katze verschmolzen mit seinen Augen. Das Wasser spiegelte sich in ihnen. Ihm war ganz leicht zu Mute, als er sich langsam in Bewegung setzte, auf das Wasser zu ging und mit ihm verschmolz.
Aaron träumte, auf einer Wiese zu liegen. Froh gelaunt lauschte er auf die stammelnden Worte eines Kleinkindes. Die Sonne kitzelte ihn und schläfrig döste er vor sich hin. Dann muss er wohl eingeschlafen sein.
Ein gellender Schrei ließ ihn auffahren. Dann spürte er zwei Hände die ihn schüttelten, und versuchten ihn auf die Füße zu stellen.
Aaron riss die Augen auf und schaute in das ängstliche Gesicht seines Vaters.
„Kannst du mir mal sagen, was du hier auf dem Feldweg zu suchen hast? Liegst einfach da und schläfst! Das ist doch nicht normal. Oder geht es dir nicht gut? Ist dir schlecht geworden? Antworte Aaron. Ich habe mir Sorgen gemacht. Es ist mittlerweile schon dunkel. Nach deinem Wutausbruch heute Nachmittag, wollte ich nach dir sehen, doch du warst nicht da“, stammelte Vater immer weiter.
Völlig verwirrt wusste Aaron keine Antwort auf die vielen Fragen, so schwieg er.
Zusammen machten sich die beiden auf den Heimweg.
Vater versuchte das Gespräch wieder in Gang zu bringen.
„Ich weiß“, sagte er. „Ich habe dich in letzter Zeit etwas vernachlässigt. Aber weißt du, es ist für mich nicht immer leicht, euch allen gerecht zu sein. Für Mutter brauche ich viel Zeit. Greta und du, ihr seid doch schon groß. Vor allen Dingen du, da dachte ich mir, du machst dein Ding schon…
Vater tat Aaron leid. Er hatte es bestimmt nicht einfach. Aber warum überging er seine Frage immer nach dem, was damals passiert war? So leicht verzieh ihm Aaron deshalb nicht, keine Antwort zu bekommen.
Der Abend verlief ruhig. Aaron telefonierte noch mit Lilli und einigen Freunden, verabschiedete sich für die nächsten 14 Tage und ging zeitig ins Bett.
Am nächsten Tag im Zug nach Bremen, ließ Aaron noch einmal die letzten drei Wochen an seinem geistigen Auge vorbei ziehen. Er hatte für das Erlebte keine Antwort. Was wollte diese Katze von ihm? Vielleicht gab es sie nur in seinen Gedanken. Oder gab es sie doch? Aber was wollte sie von ihm? Immer wieder dröhnte die Frage in seinem Kopf.
Er musste eingeschlafen sein. Etwas Weiches strich ihn am Hals entlang. Als er die Augen schläfrig öffnete, saß eine Katze auf seinem Schoß.
Aaron sprang auf und stieß das Tier so plötzlich von sich, dass sich die Katze fauchend unter die Bank verkroch.
„Wie gehst du mit meiner Minka um?“ Wollte das Mädchen vor ihm wissen. Tränen schimmerten in ihren Augen. Während sie beruhigend auf ihre Katze einredete und sie wieder in dem Korb verstaute, stand Aaron immer noch auf derselben Stelle und starrte das Mädchen an. Er stammelte eine Entschuldigung und kam sich unheimlich blöd vor. Vor allen Dingen, wegen dem Mädchen, was in seinen Augen sehr ansehnlich war.
Mit rotem Kopf setzte er sich wieder und versuchte ein Gespräch zu beginnen.
Er erklärte ihr, dass es sicher an seinem Schlaf gelegen hat, weil er so erschrocken auf die Katze reagiert habe.
Schon versöhnt und mit leuchtenden Augen plapperte die Schöne auf Aaron ein. Ihr gefiel der große Junge. So versuchte sie auch prompt mit ihm zu flirrten.
Die Fahrt verlief für alle beteiligten recht angeregt, so dass die Zeit wie im Fluge verging.
Ab und zu schielte Aaron noch auf die Katze und schalt sich einen Dummkopf, so reagiert zu haben.
Als sie in Bremen auch noch zusammen ausstiegen, war zwischen Emmy und Aaron klar, dass sie sich wieder sehen würden. Sie tauschten die Adressen aus und stellten fest, dass Emmy in einer Seitenstrasse von Aarons Zieladresse wohnte.
Während er in die Scharnhorststrasse 87 musste, wohnte Emmy vier Strassen weiter, in der Prager Strasse.
Fast kam ihm das nun wieder seltsam vor, obwohl er sich freute Emmy in seiner Nähe zu wissen.
Tante Gitta war selig, ihren Aaron wieder verwöhnen zu können. Ihr tat der Junge unendlich leid, der unter dem Schicksalsschlag ihrer Schwester leiden musste.
Sie versprach damals ihrem Schwager Horst, Aaron niemals die Wahrheit zu sagen, was passiert war, um dem Jungen kein schlechtes Gewissen zu bereiten. Nur übersah jeder, dass es Aaron mit der Zeit gemerkt hat, dass die Krankheit seiner Mutter eng mit ihm verknüpft sein muss und das er unter der Situation zu leiden begann.
Gitta nannte Aaron in ihren Gedanken immer noch - mein kleiner Liebling -
Und ihm tat die Liebe so gut, als ob sie von seiner Mutter käme.
Der Feldweg, die Wasserpfütze und die Katze waren weit weg. Aaron genoss die unbeschwerten Tage in Bremen. Das Wetter war nicht mehr so heiß. Er unternahm mit Emmy viele Radtouren.
An einem besonders schönen Tag planten sie das Teufelsmoor ein.
Den ganzen Tag würde es in Anspruch nehmen, also nahmen sie reichlich zu essen, eine Decke und frische Sachen zum wechseln mit. Vielleicht konnten sie irgendwo schwimmen gehen. Das würde Aaron besonders freuen.
Tante Gitta konnte sich nicht verkneifen Aaron zu ermahnen gut aufzupassen, dass ihm nichts passiert. „Wie bei einem kleinen Kind“, grummelte der blonde Junge grinsend.
Er fuhr die Scharnhorststrasse runter und bog vier Strassen weiter in die Prager Strasse.
Vor Emmys Haus blieb er stehen und wartete auf sie.
Als er sich umdrehte, sah er Minka auf der Mauer sitzen. Sofort hatte er wieder dieses flaue Gefühl im Magen.
„Nur die Ruhe“, flüsterte er vor sich hin. Doch er musste wie hypnotisiert in die grünen Augen der Katze schauen. Sie kamen immer näher und er drohte darin zu versinken.
„Aaron, was machst du? Was machst du mit Minka?“ Hörte er sehr weit weg. Als er einen Schubs in den Rücken bekam, nahm er seine Umwelt wieder war.
Völlig aufgelöst setzte er sich auf die Treppenstufen und stützte seinen Kopf mit den Händen.
Emmy setzte sich neben ihn. Sie wartete eine Weile, dann fragte sie: „Magst du keine Katzen? Warum reagierst du so abweisend, wenn du einer begegnest?“
Aaron schüttelte den Kopf. Er sagte: „Komm lass uns den Tag genießen, es ist nichts.“
Etwas unsicher und Ratlosigkeit auf beiden Seiten, bestiegen sie die Räder und fuhren los.
Die unbeschwerte Leichtigkeit des Ferientages wollte nicht so recht aufkommen.
Sie fuhren die Schwachhauser Heerstrasse entlang, kamen dann zur Marcusallee und schoben ihre Fahrräder zum Botanischen Garten. Das Teufelsmoor musste noch warten, es war zu weit weg.
Es wurde doch noch ein schöner Tag, fand Emmy.
In der kommenden Nacht schlief Aaron nicht gut. Er schreckte immer wieder auf, weil er meinte, weit weg schrille Schreie zu hören.
Tante Gitta merkte, dass Aaron etwas bedrückte. Beim Frühstück sprach sie ihn daraufhin an.
„Du hast heute Nacht schlecht geschlafen, hab ich recht, mein Junge? Du warst ziemlich unruhig, hast fürchterlich gestöhnt und gejammert. Was ist los mit dir? Hast du Sorgen? Ist was mit der Schule? Oder bist du krank? Tut dir was weh?“
Sie fragte und fragte, bis Aaron laut - hör auf - rief.
Verblüfft, ihren ruhigen Jungen so aufgeregt zu sehen, schwieg sie eine Weile. Schaute ihn aber durchdringend an.
Das ist die Gelegenheit, dachte Aaron und die Frage platzte nur so aus ihm heraus:
„Was ist damals mit Mutter passiert, Tante Gitta. Sage es mir, sonst werde ich noch verrückt. Eigentlich ist nichts und doch geschieht was, was mir Angst macht. Es quälen mich merkwürdige Dinge, die ich nicht verstehe.“
Gitta machte sich sehr gerade auf ihrem Stuhl, um Zeit zu gewinnen. Ihre Gedanken wirbelten durcheinander. Damit hatte sie jetzt nicht gerechnet. Auch sie hatte die Ereignisse von dem Unglück weit weg geschoben und jetzt stand alles glasklar vor ihrem geistigen Auge.
Was sollte nun werden? Sie hatte Schwager Horst versprochen mit Aaron nicht darüber zu sprechen. Doch dem Jungen ging es richtig schlecht. „Ich muss was unternehmen“, fand sie.
Als sie dann noch Tränen in Aarons Augen sah, schluckte sie die erst einmal geplante abweisende Antwort schnell hinunter und sagte zu ihm:
„Aaron, lass mir noch ein wenig Zeit. Ich verspreche dir hier und heute, zu helfen. Nur so von jetzt auf gleich geht es nicht, da ich an ein Versprechen gebunden bin. Verstehst du das, mein Junge?“
Aaron ließ die Schultern hängen. Man hatte ihn die ganzen Jahre immer nur vertröstet. Warum sollte er gerade jetzt eine Antwort bekommen, fand er.
„Hab doch Vertrauen zu mir“, hörte er Tante Gitta sagen.
Er würde ihr so gerne glauben.
Gitta nahm sich vor, bei nächster Gelegenheit mit ihrem Schwager zu reden. Er musste sie von dem Versprechen entbinden. Irgendjemand musste ihm nun Rede und Antwort stehen.
Der Junge war schließlich alt genug, um das zu verkraften.
Heute schien die Sonne, als ob sie etwas gut zu machen hätte. Es war nicht heiß, aber angenehm warm. Wie geschaffen für eine weitere Fahrradtour mit Emmy.
Dieses Mal sollte es in die andere Richtung gehen, nämlich die Schwachhauser Strasse zur Hollerallee entlang, um in den Bürgerpark zu kommen.
Einige junge Leute, Bekannte und Freunde von Emmy, wollten sich treffen, um Handball zu spielen. Er war herzlich eingeladen.
Voll Freude kamen sie an. Es wurde ein schöner, aber anstrengender Nachmittag. Erschöpft lagen sie nachher noch auf der Wiese und diskutierten um Gott und die Welt.
Einer nach dem anderen ging dann nach Hause. Nur Emmy und Aaron blieben etwas länger.
Wieder schlummerte Aaron ein. Emmy döste vor sich hin.
Er träumte wieder auf der Wiese nahe an seinem Elternhaus zu liegen, sah ein Kleinkind die ersten Schritte tun und hörte amüsiert auf dessen Geplapper. Ein gellender Schrei erschütterte ihn bis ins Mark. Dann überkam ihn ein Gefühl des seelischen Schmerzes.
Es war eine Mischung aus Heimweh, Panik und Angst. Das verzerrte Gesicht seiner Mutter tauchte Schemenhaft auf. Wechselte mit einem Kindergesicht, wächsern und bleich.
Das ernste Gesicht seines Vaters schaute ihn durchdringend an. Seine Augen glühten schwarz. Sie wurden giftgrün und Aaron glaubte wieder darin zu ertrinken.
Dann hörte er jemanden sagen: „Jemand muss den Krankenwagen rufen. Mit dem Jungen stimmt was nicht. Sicher so ein Junkie.“ Eine andere Stimme sagte: „Rede schon Mädchen, was hat er genommen?“
„Oh nein“, dachte Aaron entsetzt. Er setzte sich auf. Sah auf Emmy, die vor ihm im Gras kniete. Ihr liefen die Tränen über ihre Wangen, während sie ihn anschaute.
„Aaron bitte, wach auf und sage was. Die schrecklichen Leute rufen sonst den Krankenwagen.“
„Was ist mit dir Junge“, sagte eine ältere Frau. „Hast du was eingenommen? Du siehst mir nicht aus wie so ein Haschpapi. Antworte mir!“ Sie nahm ihn bei den Schultern und rüttelte an ihm herum.
Hastig stand Aaron auf und versicherte allen, dass es ihm gut geht, er hätte nur geträumt.
Hämisch meint der Mann: „Das kennt man ja mit der Jugend. Was lernen wollen sie nicht, aber den ganzen Tag nur rumlungern, das können sie.“
Jetzt kriegten sich die Erwachsenen auch noch in die Haare wegen ihm. Das war Aaron äußerst peinlich. Die Frau fauchte den Mann gerade an: „Es sind doch Sommerferien, da werden sich die jungen Leute doch wohl mal ausruhen können.“
Während noch diskutiert wurde, machten sich Aaron und Emmy fertig, um nach Hause zu fahren.
In der Prager Strasse angekommen, zögerte Emmy die Verabschiedung etwas hinaus. Sie wollte unbedingt wissen, was mit Aaron los war. Er wurde ihr langsam unheimlich. Doch der blonde Junge hatte nur ein müdes lächeln für sie übrig.
„Schade“, überlegte Emmy, „das Aaron kein Vertrauen zu mir hat. Es hätte mich gefreut.“ Sie war längst in ihn bis über beide Ohren verschossen. Doch das seltsame Verhalten, was er manchmal so an sich hatte, irritierten sie gewaltig. „Ob er wirklich ein wenig verrückt ist“, grübelte sie.
In der Zwischenzeit hatte Gitta ein langes Telefonat mit ihrem Schwager. Horst erzählte ihr, dass er auch schon bemerkt habe, dass Aaron sich verändert hat. Er schob es auf die Entwicklung der Jugend hin. Was Erwachsene so gerne tun, wenn sie nicht mehr weiter wissen.
Aaron hatte gehofft, dass er in Bremen von den Träumen verschont bliebe, die er zu Hause hatte. Doch leider kamen sie nun immer öfter.
Er ertappte sich, dass er die Dunkelheit mied, die ihm nie etwas ausgemacht hatte. Auch fürchtete er sich abends einzuschlafen. Die seltsamen Schreie, die er in der Nacht hörte, ließen ihn am Tage unausgeschlafen erscheinen.
Die letzten Tage in Bremen brachen an. Normalerweise hätte Aaron versucht mit Emmy über einen Fortbestand ihrer Freundschaft nachzudenken.
Emmy brachte die Sprache immer wieder darauf zurück, aber Aaron war so verstrickt mit seinem Schicksal und damit total überfordert, dass kein anderer Gedanke Platz in seinem Kopf hatte, als seine Probleme.
Der Feldweg, die Pfütze und die Katze tauchten auch hier immer öfter in seinem Kopf auf. „Was wird nur werden, wenn ich wieder zu Hause bin. Habe ich dann dieselben Gedanken und Erlebnisse wie damals? Oder hat sich dann alles erledigt. Diese verflixten grünen Augen der Katze, werden sie mich überall hin verfolgen? Warum hilft mir denn keiner“, schluchzte er aus tiefster Seele!“
Aaron musste Emmy versprechen, ihm zu schreiben.
„Vielleicht lässt dich dein Vater an seinen PC. Dann kannst du mir ab und zu eine E-Mail schreiben“, meinte sie recht traurig.
Halbherzig versprach er es ihr. Er war mit seinen Gedanken schon zu Hause.
Am letzten Abend saß er mit Tante Gitta auf der Terrasse. Sie hatte ihm einen Kakao mit Honig gemacht. „Damit du wenigstens die letzte Nacht gut in Bremen schläfst“, meinte sie.
Dann holte sie tief Luft und begann zu erzählen:
„Aaron, ich hatte versprochen, dir eine Antwort auf deine Fragen zu geben. Es ist nicht so einfach, weißt du! Es ist damals etwas passiert, worauf du dir, wenn du es weißt, schuldig vorkommen könntest.“
Sie machte eine etwas längere Pause, dann sprach sie weiter.
Dein Vater hat mich von dem Versprechen, was ich geben musste, nicht entbunden. Ich kann dir nur wenig dazu sagen.
Du warst, glaube ich, gerade drei Jahre. Ihr ward die glücklichste Familie, die ich kannte und wenn ich ehrlich bin, war ich sogar etwas neidisch darauf. Alles war gut und eine heile Welt.
Deine Mutter, meine Schwester hatte ein kleines Mädchen geboren. Katherina. Ein allerliebstes Kind. Du warst ganz vernarrt in deine Schwester und hast sie nicht aus den Augen gelassen. Eifersucht plagte dich nicht.
Deine Mutter bezog dich bei der Pflege der Kleinen mit ein. Was ihr hervorragend gelang. Sie hatte dabei aber vergessen, dass du auch nur ein kleines Kind warst.
Plötzlich hörte Gitta auf zu reden und machte wieder eine längere Pause.
Sie sprach leise weiter.
Du musst mir glauben Aaron, auch heute noch liebt dich deine Mutter über alles. Die schreckliche Krankheit, die sie gefangen hält, lässt sie so reagieren.
Bitte lass es jetzt gut sein und gebe dich mit dieser Aussage zufrieden. Sonst muss ich mein Versprechen brechen und das willst du doch nicht, oder?“
Aufgewühlt bis in seine Seele begab sich Aaron am nächsten Morgen auf die Heimreise. Die Gedanken kreisten nur so. Dieses Mal war er auch in Bremen nicht wirklich glücklich. Es hätte so schön sein können.
Die liebenwerte Emmy, mit der er doch so schöne Tage erlebt hatte. Sie wären sich vielleicht näher gekommen, wenn nur die schrecklichen Träume nicht gewesen wären.
Wie mag es zu Hause weiter gehen? Wenn Aaron zu Ende gedacht hatte, fing alles wieder von vorne an. „Es ist zum Verzweifeln“, murmelte er vor sich hin.
Am Bahnhof angekommen, wartete Vater auf ihn. Er freute sich ehrlich, seinen großen Sohn wieder zu Hause zu haben.
„Greta kommt morgen mit dem Zug so gegen 18.00 Uhr an“, sagte Vater. „Ich hätte eine Bitte an dich Aaron. Kannst du sie abholen? Wenn du mit dem Fahrrad fährst, bekommt ihr das Gepäck gut nach Hause.“ Ich bin zu der Zeit bei Mutter. Ich musste sie für kurze Zeit ins Krankenhaus bringen“, murmelte er immer leiser werdend.
Aaron bekam wieder dieses Fahrstuhlgefühl in den Magen. Traurig dachte er: „Es wird doch nicht schon wieder los gehen, ich habe überhaupt kein Bock darauf.“
Aaron war gerne bereit seine Schwester abzuholen. Er hatte sogar etwas Sehnsucht nach ihr, obwohl sie ihm manchmal tierisch auf den Senkel ging, wie er es immer nannte.
Aufatmend kamen sie zu Hause an. Es war still zwischen ihnen geworden. Das Gespräch war nicht wieder in Gang gekommen.
Das wichtigste packte Aaron aus, dann ging er schlafen. Er versuchte es wenigstens.
Unruhig drehte er sich von einer Seite zur anderen. Meinte immer wieder leuchtend grüne Augen in der Dunkelheit zu sehen. Gegen Morgen fiel er in einen bleiernen Schlaf.

Das Wetter passte zu seiner Laune. Griesgrämig schaute er dem Regen zu, während er frühstückte.
Bis zum Abend hatte er noch viel Zeit. Aaron durfte an Vaters PC. So schrieb er Emmy einen Brief. So wirklich wusste er nicht, was er schreiben sollte. Seine Gedanken gingen wieder auf Wanderschaft. Das Fenster gab den Blick auf den Pavillon frei, in dem Mutter immer saß, wenn es das Wetter zuließ.
Und da saß sie… die Katze und schaute zu ihm ins Fenster hinein.
Aaron merkte nicht, wie er in Gedanken die Schultern hoch zog, wie er es immer machte, wenn er ratlos war, oder sich nicht wohl fühlte.
Es war schon eine Entfernung zwischen ihm und der Katze und doch meinte er, dass die grünen Augen immer näher kamen.
Das Gefühl ohne Namen war plötzlich wieder da. Heimweh gepaart mit grenzenloser Einsamkeit, dunkel und kalt. Es beherrschte ihn vollkommen.
Er hörte sich selber wie durch Watte klagende Wörter hervorbringen. In wilden Gedankenträumen sah er einen Kinderwagen, die lachende Mutter, deren Gesicht sich zur Maske veränderte und den Mund zu einem grässlichen Schrei formte. Aus dem Schrei wurde ein nervtötendes telefonklingeln, was ihn wieder auf den Boden der Tatsache zurück brachte.
Völlig fertig nahm er zitternd den Telefonhörer auf. Fröhlich sprudelnde Worte drangen an sein Ohr.
„Greta… ja, was willst du?“ Presste Aaron mühsam hervor.
„Ich komme eine Stunde früher an, wollte ich sagen. Hörst du mir überhaupt zu Aaron?“, fragte sie. „Was ist los mit dir? Habe ich dich beim schlafen gestört? Tut mir leid, also, bis nachher.“ Weg war sie
Aaron starrte das Telefon an, er konnte das alles nicht fassen, was gerade eben passiert war.
Erschöpft lehnte er sich zurück, um wieder zu grübeln. Vorsichtig schaute er zum Fenster. Ob die Katze noch da war? Nichts zu sehen. Erleichtert machte Aaron sich daran etwas aufzuräumen.
Greta redete ununterbrochen auf ihn ein. Sie erzählte ihre Urlaubserlebnisse in allen Einzelheiten. Oh, wie hatte er dieses unaufhörliche Geplapper vermisst
Aaron überlegte, dass er das gleiche noch oft hören würde. Da war noch Lilli, Mia, Lotta und Vater nicht zu vergessen. Im Moment zeigte er sich willig und interessiert, später würde er es singen können, fand er.
So war es auch. Zuerst kam Vater dran, sich ihre Geschichte anzuhören. Mitten in der Berichtserstattung unterbrach Vater sie und meinte: „Morgen gehen wir alle zur Mutter. Sie macht im Moment als Therapie ein Rollenspiel, zu dem wir auch gehören. Das wird durch ihren Arzt begleitet. Es soll ihr helfen, sich im Leben wieder zu Recht zu finden.
Die Stille war allen etwas unangenehm, bis Greta fragte: „Sag mal Vater, was hat Mutter eigentlich? Die Mütter von meinen Freundinnen sind so ganz anders. Nicht so ernst. Warum lacht Mutter nie? Warum werkelt sie nie im Haushalt herum. Sie sitzt immer nur so da. Warum Vater?“
Wieder Stille. Aaron konnte sich nicht erinnern, dass Greta so etwas jemals gefragt hatte.
Wie würde Vater jetzt reagieren? Völlig gespannt wartete er auf die Antwort.
„Nun ja“, sagte Vater. „Deine Mutter ist eben krank, Gemütskrank…
„Und warum ist sie Gemütskrank Vater?“, fragte Greta weiter.
Aaron begann zu zittern. Jetzt musste er es sagen. „Oh bitte, sag es“, flüsterte er leise vor sich hin.
Aber Vater kniff auch dieses mal. „Wir gehen jetzt schlafen, es ist schon spät und ich bin sehr müde, war ein anstrengender Tag.“ Und verschwand.
Greta schaute auf Aaron. „Weißt du was mit Mutter ist“, fragte sie. „Nein“, meinte er. „Ich gehe jetzt auch ins Bett. Gute Nacht. Schlaf gut Greta.“
„Glückliche Greta“, dachte Aaron. „Sie ist frei von solchen Gedanken und Schuldgefühlen.“
Die Nacht verlief ruhig. Einigermaßen ausgeschlafen erwartete Aaron den neuen Tag.

In welches Alter würdet ihr Aaron einordnen und in welche Klasse müsste er gehen?
Wie alt müssen die Kinder/Jugendlichen sein, die das lesen

 

Hallo gidon!

Willkommen auf kg.de.

Das ist ja ein ganz schöner Happen Text, den du uns hier zum Einstieg anbietest. An der Grammatik und der Rechtschreibung solltest du noch feilen. (Straße schreibt man noch immer mit ß, die dein Auslassungspünktchen ... benötigen Leerzeichen, die Kommasetzung hat Mängel und Zahlen solltest du ausschreiben, solange es nicht unübersichtlich wird; Abkürzungen gehören ebenfalls nicht in einen literarischen Text.).

Auch solltest du unbedingt noch ein paar ordnende Leerzeilen einbauen, die erste am besten hier: "brachte, in Beschlag genommen.
Die Mathestunde war vorbei." => Im oberen Satz hat er die Schule ja noch nicht mal betreten, und dann ist schon Mathe vorbei?

"Aaron blieb stehen und schaute erstaunt auf die große Wasserpfütze. Er ging diesen Feldweg zur Schule schon einige Jahre, es ist ihm nie aufgefallen, dass der Regen an dieser Stelle eine große Pfütze hinterlassen hat." => Tempus? Es war ihm nicht aufgefallen ...
Da sind noch mehr solche Stellen im Text, z.B. hier: "Hoffentlich hält die Hitzeperiode noch etwas an, in ein paar Tagen begannen nämlich"

"Aaron lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und schaute aus dem Schulfenster." => Und manchmal ist weniger mehr. Er ist in der Schule, schaut aus dem Fenster - also ist es mehr als klar, dass er aus dem Schulfenster schaut.

"„Ein tolles Wetter", dachte er." => Gedanken solltest du, um sie von gesprochener Rede zu unterscheiden, in 'einfache Anführungszeichen' setzen.

Inhaltlich, erstes Drittel: Ich kann nicht ganz nachvollziehen, warum Aaron sich für verrückt hält, bloß weil er öfter eine Katze sieht. Das solltest du deutlicher machen.
=> Und im zweiten Drittel hält er sich für verrückt, weil er die Katze nicht sieht?

"Es war zu so früher Stunde schon sehr heiß. Unlustig saßen alle im Klassenzimmer herum. Da kam Frau Gerber mit der Nachricht – hitzefrei - ins Klassenzimmer" => Hitzefrei gibt's doch erst ab (ich glaube) elf Uhr.

"Der blonde Junge dachte an seine Mutter. Sie war schon lange krank." => Und wie kommt er da so plötzlich drauf? Wenn das wichtig ist, solltest du es schon zu Anfang des Textes bringen, nicht nach "Eis essen".
Übrigens finde ich den gesamten Rückblick ziemlich aufdringlich, als ob dir erst verspätet eingefallen wäre, dass der Leser das alles wissen muss.

"Aron lief es trotz Hitze" => RS

"fiel, verlor sich ihr lächeln." => RS

"Frau Weinhuber, die Hausangestellte" => Wo kommt denn die auf einmal her? Und hat die überhaupt eine Relevanz für die Geschichte? Wenn nicht - streichen.

"Aaron platzte bald vor Wut." => Diese "bald" hast du öfter drin. Scheint ein regional geprägtes Füllsel zu sein, das du streichen solltest. Ich finde das nämlich verwirrend.

"warum nur?" Flüsterte er" => Komma nach der wörtlichen Rede, klein weiter. Der Fehler ist noch öfter drin.

"an dem Abzweigenden Weg" => RS

"Er musste eingeschlafen sein." => Dass der Junge dauernd einschläft, nervt auf Dauer.

"Was ist mit dir Junge" => Es sind auch ein paar Fragen drin, bei denen du das Fragezeichen vergessen hast.

"nur ein müdes lächeln für sie" => RS

"Emmy, „das Aaron kein Vertrauen" => RS

"Doch das seltsame Verhalten, was er manchmal so an sich hatte, irritierten" => Das Verhalten, Einzahl.

"In der Zwischenzeit hatte Gitta ein langes Telefonat mit ihrem Schwager." => Allgemein rate ich dir, nur aus Aarons Perspektive zu schreiben und nicht zu Nebenschauplätzen zu wechseln - das, was du dort erzählst, kannst du auch anderweitig einbauen.

"schluchzte er aus tiefster Seele!"" => Anführungszeichen zuviel.

"Aaron musste Emmy versprechen, ihm zu schreiben." => Er ihr ihm? Da stimmt was nicht.

"etwas passiert, worauf du dir, wenn du es weißt, schuldig vorkommen könntest" => Worauf du dir schuldig vorkommen könntest? Nein, das geht so nicht. Weswegen.

"dann sprach sie weiter.
Dein Vater hat mich von dem" => Fehlende Anführungszeichen, das kommt auch noch öfter.

"Ihr ward die glücklichste" => RS: wart

"Ein allerliebstes Kind." => allerliebes, würde ich sagen

"nervtötendes telefonklingeln," => RS

"den Boden der Tatsache zurück" => Tatsachen

"dich beim schlafen" => RS

"Weg war sie" => Punkt fehlt (Das ist ebenfalls öfter im Text zu finden.). Und sie war doch gar nicht da, hat nur telefoniert.

"Greta redete ununterbrochen auf ihn ein." => Die war doch gerade weg. Wie kann sie ihm denn dann etwas erzählen?

Also, sorry, aber ich finde es sehr enttäuschend, mich durch so einen langen Text gelesen zu haben, um am Ende doch nicht zu erfahren, was eigentlich los ist.
Und was hat eigentlich die Katze damit zu tun?

Insgesamt ist der Text - für den Inhalt - zu lang. Du solltest den roten Faden raussuchen und alles streichen, was irrelevant ist - und die Erklärung, warum es eigentlich geht, einbauen.

Deine Fragen (übrigens, Anmerkungen zum Text immer in einen Extrapost unter den Text) kann ich dir nicht beantworten, denn ich habe mich die ganze Zeit selbst gefragt, wie alt er ist. Und wenn das der Autor nicht weiß, wer dann?

Grüße
Chris

 

Hallo Chris,
das ist ja mächtig in die Hose gegangen. ich wollte nur mal so schauen, wie mein Geschreibsel auf andere wirkt.
Bevor ich weiter schreibe, kaufe ich mir ein Buch mit Anleitung zum Schreiben.
Und dann diese Fehler! Peinlich! Vielleicht liegt mir das Schreiben gar nicht?
Ich werde es ausprobieren.
Danke, du hast mir sehr geholfen, mich nicht weiter zu blamieren.
Gr. Gidon47

 

Hallo gidon,

auch von mir ein herzliches Willkommen auf KG.de.
Um Deine Fragen gleich vorweg zu beantworten: ich hab das Alter von Aaron etwa auf dreizehn/vierzehn Jahre geschätzt. Deine zweite Frage kann ich nicht beantworten, da die Geschichte meiner Meinung nach einfach zu viel offen lässt. Es wird schon klar, dass es um verdrängte Erinnerungen geht, dass es in der Vergangenheit einen Unfall gegeben hat, und dass Aarons Eltern froh sind, dass ihr Sohn sich nicht an den Unfall erinnern kann. Du lässt aber offen, was genau in der Vergangenheit passiert ist, deutest nur an, dass Aaron Schuldgefühle haben könnte, wenn er sich erinnern würde. Ich stelle mir aber die Frage, inwieweit ein dreijähriger Junge in der Lage ist, auf seine Schwester aufzupassen, wenn auch nur für kurze Zeit. In dem Alter kann ein Kind ja nicht einmal auf sich selbst aufpassen. Gut, die Mutter macht sich selbst Vorwürfe, hat Schuldgefühle, und daher rührt ihre "Gemütskrankheit" (den Begriff finde ich hier übrigens unschön gewählt).
Vor allem aber stelle ich mir die Frage: was hat die Katze damit zu tun? War eine Katze an dem Unfall beteiligt oder gar der Auslöser? Oder sollen die Katze und die eingebildete Pfütze der Auslöser sein, warum Aaron anfängt, sich zu erinnern? Wäre mir in dem Fall zu weit hergeholt, da nicht anzunehmen ist, dass Aaron seit dem Unfall bis zu dem Tag keine Katze (bzw. keine Pfütze) gesehen hat.
Das Thema finde ich gut, aber Du solltest, wie Chris schon geschrieben hat, den roten Faden etwas mehr herausarbeiten und vor allem alles, was nichts (oder nur wenig) mit der Geschichte zu tun hat, konsequent streichen. Der Text ist mMn viel zu lang.

Textkram:

Kurz bevor er auf die Strasse kam, drehte er sich noch einmal um.
Du meinst wahrscheinlich, kurz bevor der Feldweg an der Straße endete. So wie es da steht, frage ich mich, was Aaron auf der Straße zu suchen hat. Vermutlich wird er doch eher den Gehweg benutzen. Ist etwas ungenau formuliert.
bemerkte er im Augenwinkel die Katze, die außen auf der Fensterbank saß
Auch so ein schwammiger und ungenau formulierter Satz. In diesem Fall wäre Fenstersims passender.
Deine Mutter, meine Schwester hatte ein kleines Mädchen geboren.
Abgesehen von dem fehlenden Komma: so denkt kein Mensch, und es wirkt wie eine aufgezwungene und noch dazu überflüssige Information. Dass Aarons Mutter die Schwester seiner Tante ist, dürfte klar sein. Die drei Punkte sollen jetzt mal als Beispiele genügen. Sind noch mehr solche "Schnitzer" im Text, aber die find ich jetzt nicht alle wieder. Sind auch noch Fehler in der Groß/Kleinschreibung drin sowie hier und da vergessene Satzzeichen. Daraufhin solltest Du den Text nochmal durchsehen. Grundsätzlich hat mir die Geschichte aber gefallen, auch wenn sie inhaltlich und textlich noch überarbeitungsbedürftig ist.

Gruß, Stefan

 

Hallo Stefan,
auch dir danke ich, dass du deinen Kommentar abgegeben hast. Nur so kann ich lernen.
Die Geschichte von Aaron ist natürlich noch nicht fertig, nur wußte ich nicht, wie viel ich hier präsentieren darf. Ich bin nicht nur eine Anfängerin in der Welt der selbstgeschriebenen Geschichten, sondern habe auch ständig Streit mit dem PC.
Außerdem weiß ich nicht so recht, wie man sich in einem Forum verhält.
So taste ich hier rum und trete womöglich einigen auf die Füße.
Für Tipps bin ich sehr dankbar.
Gr. Gidon47

 

Hallo!

Herzlich willkommen hier!

Du hast dir ja zum Einstieg mit so einem langen Text ganz schön was vorgenommen! Zu Rechtschreibung und Grammatik haben meine Vorschreiber ja schon genügend gesagt.

Zum Text selbst: Für mich hat sich der Spannungsbogen total im Text verloren. Anfangs war ich an der Geschichte interessiert, wollte erfahren, welche Rolle die Katze spielt, habe aber nach etwa einem Viertel das Interesse verloren. Wie meine Vorschreiber würde ich die Geschichte extrem straffen, viel streichen und nur noch das drin lassen, was für den Leser interessant und spannend ist. Du biegst einfach zu viel nach rechts und links ab, dann drehst du wieder um, um gleich wieder abzubiegen und dann fragt man sich als Leser, wo eigentlich die richtige Straße (roter Faden) ist.

Hast du die Geschichte mal jemandem laut vorgelesen? Ist eine gute Möglichkeit, um zu testen, ob der Spannungsbogen gehalten wird (wenn der Zuhörer aufmerksam bleibt) oder ob man ihn im Text verliert. Beim lauten Lesen hört man übrigens auch viele Fehler selbst (Wiederholungen, falsche Grammatik).

So genug kritisiert ;)

Bevor ich weiter schreibe, kaufe ich mir ein Buch mit Anleitung zum Schreiben.
Und dann diese Fehler! Peinlich! Vielleicht liegt mir das Schreiben gar nicht?
Ich werde es ausprobieren.
Peinlich sein muss dir hier überhaupt nichts! Denke jeder, der schon länger hier ist, hat schon einiges an Kritik eingesteckt.
Lies dir doch mal einige Texte hier durch oder blättere in Büchern mit Kurzgeschichten. Ich finde, dabei lernt man am meisten. Und dann einfach wieder was einstellen. Ich werde es lesen - die Idee, die hinter deinem Text steckt, finde ich nämlich ausgefallen und interessant. Und an der Umsetzung kannst du arbeiten.

In diesem Sinne, schönes Wochenende und viele Grüße

bluebird

 

Vielen Dank euch allen.
Kritik wollte ich ja hören, sonst kann man sich ja nicht verbessern.
Gruß Gidon

 

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