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Die Kindheit im Altmühltal!

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27.06.2001
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Die Kindheit im Altmühltal!

Vorwort!
Ich habe mal vor ettlichen Jahren versucht ein Buch zu schreiben, dass aus Geschichten bestehen sollte, die mir mein Großvater aus seiner Jugend, dem dritten Reich und der Nachkriegszeit, erzählte.
Heute ist mir zufälliger Weise dieser beginn eines manuskriptes wieder in die Hände gefallen und ich habe mir gedacht, dass ich doch einen Teil davon zu einer Kurzgeschichte formen könnte, ohne meinen damaligen Schreibstil zu ändern. Das hab ich dann auch versucht und dieses Ergebnis gepostet. Ich wünsche Euch viel Spass beim lesen und tut mir den Gefallen und spart nicht mit Kritiken!Vorwort!

Die erhoffte Geburt!

Im Bayern der Nachkriegszeit, genauer gesagt im oberbayrischen Altmühltal, wuchs ein Bauernjunge, der auf den für das Land typischen Namen Hans Meier getauft wurde, auf. Selten wurde eine Geburt so herbeigesehnt wie die des zweiten Kindes der Meierfamilie. Denn wie in den Geschichtsbüchern nieder geschrieben wurde, fand am zwanzigsten Juno im Jahre Neunzehnhundertachtundvierzig die Währungsreform statt. An diesem Tage bekam jeder deutsche Staatsbürger den festgelegten Betrag von fünfzig Deutsche Mark ausgehändigt.
Tagelang wurde die Hebamme, von dem Ehepaar Meier gepiesackt etwas zu unternehmen, um die Bäuerin um des heranwachsenden Knaben zu erleichtern, der sich standhaft weigerte den warmen Leib seiner Mutter zu verlassen. Welche Tricks die Geburtshelferin anwandte um der jungen Frau diesen verständlichen Wunsch zu erfüllen, ist nicht bekannt. Jedenfalls wurde der kleine Hanse am neunzehnten Juno Neunzehnhundertachtunvierig kurz vor Mitternacht geboren .

Holzscheitelknieen!

Aus dem Meier Hanse wurde bald ein stämmiger und kräftiger Bursche, der bereits nach zehn Jahren seinen älteren Bruder Willy um Haupteslänge überragte. Dieser Umstand brachte den Meierbauern oft in Schwierigkeiten, denn zu jener Zeit war es Usus, dass man, wenn man vom "grossen Buben" sprach, normalerweise den Erstgeborenen meinte.
Dachte nun einer der Dorfbewohner, man müsse dem Familienoberhaupt des Maierhofes von einem Lausbubenstreich seiner Sprösslinge berichten, wurde Anstatt eines Namens nur die Bezeichnung "Dein Größter" verwendet. Wenn dann nachgefragt wurde, ob es sich nun um den Hanse oder den Willy handelte, bekam er nicht selten "Du wirst doch wohl am besten wissen, wie du deine Söhne hast taufen lassen!" zur Antwort.
Da er nicht wollte, dass seine Söhne zu Notlügen griffen oder sich gegenseitig der Schuld bezichtigten, wurden kurzerhand beide mit Holzscheitelknieen bestraft. Diese damals sehr beliebte Züchtigung bestand darin , dass man ein, mit der Axt zu einem Dreieck gespaltenen Holzstück, mit der Spitze nach oben legte und sich der Sünder darauf knieen musste. Dabei wurden Gebete aufgesagt, deren Länge auch die Zeit bestimmte, wie lange die unbequeme Position eingehalten werden musste. Meist wurde nur ein "Vaterunser", oder ein "Ave Marie" aufgesagt. Doch einmal musste der Meierbauer zu drastischeren Mitteln greifen.
Es wurde ihm von einem benachbarten Bauern berichtet, dass seine Söhne den Stier des Nachbarn solange geärgert und mit einem roten Tuch gehetzt hatten, bis das Tier tot zusammenbrach. Da in den frühen fünfziger Jahren ein Bulle der schwer im Saft stand nicht mit Gold aufzuwiegen war, liess der Meierbauer den Hanse und den Willy auf einem Holzscheit knieend zweimal den kompletten Rosenkranz herunterbeten.
Als das nach fünfundvierzig Minuten geschehen war, durften sie die Küche verlassen. Nun stellte sich aber heraus, dass das Knieen an sich gar nicht die grösste Bestrafung war. Denn das Befördern des Körpers in die aufrechte Position, wobei keinerlei Hilfsmittel und auch nicht das Aufstützen auf den Fussboden erlaubt waren, wurde zu einer sehr schmerzhaften Angelegenheit. Auch das anschliessende Gehen war die reinste Qual, die vor allem den etwas übergewichtigen Willy peinigte.

Der "Schinderpreiss"!

Zur Qual wurde für die Meierbuben auch des öfteren der Schulbesuch. Nicht der beschwerliche Weg in die Lernanstalt, der im Sommer in einer, aber im Winter in drei Stunden bewältigt wurde, war der Grund. Auch nicht die Tatsache, das die beiden Buben nach dem, für den Nachbarstier tödlich endenden, Zwischenfall täglich um fünf Uhr morgens die Stallarbeit für den Elterlichen und den Nachbarhof erledigen mussten, liess sie nachts Stundenlang wach liegen.
Es war die Angst vor dem Lehrer! Als hätte es nicht schon gereicht, das der Pädagoge ein "Saupreiss" war, so stellte sich auch noch heraus, dass er während dem Kriege Angehöriger der Waffen-SS war. Wie er der eigentlich verdienten Bestrafung durch die Amerikaner entronnen war, konnte keiner der Schüler genau sagen. Aber nun, da dieser Mann für die Bildung der Jugend zuständig war, hatte er es sich zum Ziel gesetzt, die "Söhne Deutschlands", wie er seine Schüler nannte, zu stahlharte Männer zu formen.
Dabei scheute er keine Strafen auch wenn sie des öfteren nah an der Grenze zur Brutalität lagen.
Es waren nicht wenige Abende, an denen die Meierbuben mit blutigen Fingerknöchel, die auf unzählige Schläge mit einem Rohrstock zurückzuführen waren, die Küche betraten. Klagen oder Beschwerden seitens der Schüler bei ihren Eltern wären umsonst gewesen, da die Bauern der Ansicht waren, dass ein Mensch, der studiert hatte, schon selbst wisse, wie er mit Kindern, die den Kopf voll Streiche hatten, umgehen
müsse.
Also wurden die Qualen hingenommen, denen sie während des Unterrichts ausgesetzt waren und sehnsüchtig auf ein bestimmtes Datum gewartet. Die Rede ist von der Nacht vom dreissigsten April auf den ersten Mai und wurde im Volksmund nur die "Woipernacht" genannt. Vor diesen Tage hatte der "Schinderpreiss", wie der Lehrer von seinen Schülern hinter vorgehaltenen Händen genannt wurde einen heiden Respekt. Denn an diesem Datum hatten die Kinder sozusagen Narrenfreiheit. Sämtliche Streiche, die weder Körper oder Eigentum des Opfers beschädigten, waren erlaubt und wurden akzeptiert.
So konnte es passieren, dass die Wohnstube des des Schulhauses mit beissendem Rauch ausgefüllt war, weil ein großer Erdbatzen im Kamin steckte und somit den Abzug für den, aus brennenden Holz entstehenden Qualm unmöglich machte. Es war auch möglich, dass der Pädagoge das Gebäude durch das Fenster verlassen musste, da ein Holzstoss, der fein säuberlich aufgeschichtet war, die Haustüre blockierte.
Doch in der Woipernacht im Jahre Neunzehnhundertfünfundfünfzig, geschah etwas, dass die Stammtische noch Monate später erheiterte. Denn am frühen Morgen des ersten Mai war es üblich, dass die Pfarrgemeinde nach Bettbrunn, zur Sankt Salvatorkirche walfahrtete. Es gab auch damals noch den Brauch, dass die Honoratioren, zu denen auch der Lehrer gehörte, von der Gebetsgemeinschaft abgeholt wurden.
An diesem Tag war der "Schindepreiss"mit besonders guter Laune gesegnet , da bisher noch nichts Aussergewöhnliches geschehen war. Der Rauch des Feuers hatte sich dieses Mal ohne Hindernisse den Weg aus den Kamin bahnen können. Die Haustüre war nicht verbarrikatiert worden und sogar das Gartentor war noch an dem ihm angestammten Platz.
Als nun der Walfahrtszug vor dem Schulhaus stand, verlies der Lehrer bestens gelaunt sein Quartier und stolzierte den, mit feinstem Riesel bestreuten, Gartenweg entlang, auf die wartende Gemeinde zu. Aber plötzlich sackte der Pädagoge in eine etwa fünfzig Zentimeter tiefe Grube, die mit einem sandfarbenen, sehr dünnen Brett zugedeckt worden war. Als würde es nicht reichen, dass der Mann vor allen Leuten in ein Loch gefallen war, war dieses auch noch bis zum Rand mit bester Jauche von friedlebenden Kühen gefüllt. Als nun der "Schinderpreiss" mit seinem besten Sonntagsanzug ein Bad in dem penedrant riechenden Urin nahm, gab er ein derart komisches Bild ab, dass es den Zuschauern nicht mehr möglich war, ernst zu bleiben.
Das schallende Gelächter, dass aus mehreren Dutzend von Kehlen an die Ohren des Lehrers drang, war zuviel für dessen Gemütszustand. Mit wild fuchtelnden Armen und nicht jugendfreien Flüchen, befreite er sich aus seiner doch etwas misslichen Lage und stürmte, eine stinkende Spur hinter sich herziehend, auf die beiden Meierbuben, die in der Ministrantentracht an der Spitze des Zuges standen, los.
Noch bevor die beiden Knaben begreifen konnten wie ihnen geschah, hatte der Mann sie mit gut platzierten Kinnhacken niedergestreckt und wollte sich gerade wieder auf sie stürzen, als ihn der Wagner Xaver, der als Schmid in dem Ort seinen Lebensunterhalt verdiente und dadurch mit einer Kraft wie ein Stier gesegnet war, am Jauche getränkten Kragen packte und ihm links und rechts eine saftige Watschen servierte.
Nach diesem delikaten Vorfall blieb die Schule wegen einer angeblichen Erkrankung des Lehrers für zwei Wochen geschlossen. Den "Schinderpreiss" hatte dann auch niemand mehr gesehen. Es ging aber das Gerücht um, dass er eine Stelle als Leiter eines Heimes für schwererziehbare Kinder im Chiemgau angenommen hatte!

 

Unterhaltsam geschrieben eigentlich, leider ist mir die Geschichte nicht spektakulär genug, um es mal so auszudrücken (noch hat sie eine Kernaussage, die gewichtig genug wäre, um das auszugleichen).

Das Zeitgefühl fängt die Story aber gut ein - auch wenn sie nicht unbedingt die Art von Geschichte ist, die ich persönlich gerne lese.

 

Danke Batch für deine Kritik. Und auch Dank für deine lobenden Worte.
Wie ich schon in meinem Vorwort erwähnt habe, besteht die Geschichte hauptsächlich aus Erzählungen meines Großvaters. Und dass war für mich spektakulär genug. Natürlich ist jetzt da die Geschichten niedergeschrieben sind, dieser Effekt etwas verflacht, was evtl. auch auf meinen Schreibstil zurückzuführen ist.
ich finde jedenfalls, dass die Geschichte sehr wohl eine kernaussage hat.
Ich könnte ja ein beliebtes Spielchen machen und fragen ob ihr wisst welche dass ist, aber das hatten wir ja schon.
Ich finde, dass die Aussage schon allein im Thema steckt. Nämlich in der Kindheit während der Nachkriegszeit!

 

Unterhaltsam geschrieben eigentlich, leider ist mir die Geschichte nicht spektakulär genug, um es mal so auszudrücken (noch hat sie eine Kernaussage, die gewichtig genug wäre, um das auszugleichen).

Äh ... Lieber Batch! Natürlich wäre es spektakulärer gewesen, Außerirdische zu integrieren oder einen Spionagefall, aber wenn ich das richtig verstanden habe, ging es bei der Geschichte darum, Lokalkolorit einzufangen - und das Leben ist meistens nun mal unspektakulär. ;)

@ Boa Gewiss könnte man das spannender erzählen, aber ich fand die Beschreibungen amüsant genug!
"Holzscheitlknien" gab es bei uns auch und ich möchte nicht wissen, wieviele Scheiß-Nazis hernach ein gemütliches Leben führen konnten.

Es ist schön, mal etwas "Abwechslung" hier zu lesen!
Wenn du noch mehr Geschichten dieser Art hast, wirst du dich mit ihnen hier sicher nicht unbeliebt machen. :cool:

 

Da sieht man mal Rainer, wie sehr du mich beachtest. :(
Ich habe nämlich erst letzte Woche eine Ähnliche Geschichte gepostet.
Sie spielt zwar zur jahrhundertwende und die Konservation ist in Dialekt, aber es zielt wie die Geschichte auf das bayrische ländliche Leben ab!

 

Da sieht man mal Rainer, wie sehr du mich beachtest. :(
Ich habe nämlich erst letzte Woche eine Ähnliche Geschichte gepostet.
Sie spielt zwar zur jahrhundertwende und die Konservation ist in Dialekt, aber es zielt wie die Geschichte auf das bayrische ländliche Leben ab!

 

Schon gut, du brauchst mich nicht gleich ZWEIMAL daran erinnern! :D

 

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