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Die letzten fünf Tage
Amanda hatte am Bett gesessen und die Hand ihrer kleinen Schwester gehalten bis diese ganz kalt und hart wurde. Sie war stundenlang nicht von Marias Seite gewichen. Sie wollte sie nicht allein lassen in ihren letzten Stunden. Nun war Maria tot.
Amanda erhob sich. Sie löste die kleine Hand behutsam aus ihrer. Maria sah nun aus wie eine Puppe. Weiß und regungslos. Amanda hatte ihr Leben lang immer Angst vor dem Tod gehabt. Jetzt, wo sie so direkt damit konfrontiert wurde, fiel alle Angst von ihr ab.
Seit dem Tod der Eltern vor einem Jahr hatte Amanda das Sorgerecht für ihre kleine Schwester gehabt. Es war sehr hart für sie. Nicht nur, dass sie ihre Schwester verloren hatte, sie empfand auch Schuld gegenüber ihren toten Eltern. Sie hatte Maria nicht retten können.
Amanda war dreiundzwanzig, Maria war erst vierzehn gewesen. Sie hatte die letzten fünf Tage ihres Lebens hier in diesem Krankenhausbett verbracht und es war von Anfang an klar gewesen, dass sie dieses Krankenhaus nicht mehr lebend verlassen würde. „Es ist zu spät, wir können ihr nicht mehr helfen.“, hatten die Ärzte gesagt.
Maria war lange krank gewesen. Krebs. Am Ende hatten die Ärzte sie aufgegeben. „Sie soll sich noch ein paar schöne Wochen machen. Es hat keinen Sinn sie im Krankenhaus zu lassen. Wir können ja doch nichts tun“.
Die letzten Wochen waren nicht schön gewesen. Maria hatte gelitten. Sie war abgemagert und ständig hatte sie Schmerzen gehabt. Trotzdem hatten beide versucht, dass beste aus der letzten Zeit zu machen. Sie hatten lange Gespräche geführt und wenn es Maria gut genug ging, waren sie in den Garten gegangen und Maria hatte die letzten Sonnenstrahlen des Herbsts genossen.
Amanda saß den Rest der Nacht am Bett ihrer toten Schwester. Sie fühlte nichts außer einer großen inneren Leere.
Drei Wochen später konnte sie zum ersten Mal richtig weinen.