Die Sache mit Sophie
Langsam malten Sophies Füße Kringel in den Sand. Immer die gleichen geschwungene Bewegung. Die feuchten Sandkörner kribbelten ihr zwischen den Zehen und die salzige Meeresbriese prickelte ihre in der Nase. Wie lange sie nun hier saß, konnte sie nicht bestimmen- wollte sie auch nicht. Aber etliche Stunden mussten vergangen sein, seit sie Wut entbrannt dem schmalen Weg über die Dünen gefolgt war. Hier kam sie gerne hin. Hier war sie ungestört in ihren Gedanken oder konnte sich auch einfach von den rauschen der Wellen umspülen lassen. Ihr Ärger war mit den Stunden verflogen, mit den Schreien der Möwen davon getragen.
Nun saß sie in den letzten wärmenden Strahlen der untergehenden Sonne, die ihr Haar rostrot erscheinen ließ. Warum sie sich mal wieder gestritten hatten? So recht konnte sie auch keine Antwort finden und schon gar keine Worte.
Ihr war klar, dass sie sich bei ihm entschuldigen musste, meist waren es Kleinlichkeiten, die sie wütend werden ließen. Sie hatte viel getrunken in letzter Zeit, viel zu viel! Das machte sie launisch, aggressiv und doch, er war immer noch lieb zu ihr. Dafür hasste sie ihn. Sie konnte es nicht ertragen, wenn er sie liebevoll drängte sich zu beruhigen. Dann verzog sich ihr schönes Gesicht zu einer schrecklichen Grimasse, sie speite ihm schreckliche Beschimpfungen entgegen, doch er guckte sie nur aus verzweifelten Augen an und drückte sie an sich, dann schlug sie um sich bis sie von Tränen geschüttelt zusammenbrach. Wenn er doch nur einmal zurück schreien würde. Merkte er es denn nicht? Jedes mal wartete sie auf den Schlag ins Gesicht, nein sie betete darum. Doch nie kam die erflehte Erlösung- er blieb stumm.
Als sie sich dem Haus näherte sah sie ihn schon von weitem. Er saß ruhig in einem Schaukelstuhl und das goldige Licht, wie man es oft bei Sonnenuntergängen sieht, tauchte sein Gesicht in einen Frieden aus Farben. Als sie näher kam, erkannte Sophie, dass er schlief. Sie blieb stehen und verharrte. Ihr wurden Sorgenfalten auf seinem Gesicht gewahr, die sie bisher noch nicht entdeckt hatte- oder die noch nicht da gewesen waren. Unfähig sich von seinem Bild abzuwenden, nahm sie jede Einzelheit seiner Gesichtszüge wahr. Eine warme Welle der Liebe zu diesem alternden Mann überflutete sie, drohte sie fortzuspülen. Beinahe wäre sie hinüber gerannt, hätte sich an ihn geschmiegt und ihn das erste Mal in ihrer Beziehung um Verzeihung zu bitten.
Doch im letzten Moment drehte sie sich ruckartig um. Kies flog zu allen Seiten als sie die Einfahrt runter raste und heiße Tränen nahmen ihr den Atem, als sie ihn auf der Mitte des Weges stehend, im Rückspiegel erblickte.