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Die Verbeugung

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13.07.2017
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Die Verbeugung

Vor ihm würde er sich so tief verbeugen, wie nie zuvor im Leben. Bis die Nase die Knie berührt. Mit glühenden Wangen sitzt Yun in der U-Bahn. Sein Brustkorb füllt sich mit Wärme, ehe ein Krächzen in der Tonbandschleife über Errungenschaften und Republikfeinde ihn aus dem Tagtraum reißt. Yun hetzt zur Tür. Auf dem Weg vom U-Bahnhof zum Eisstadion schmerzt der rechte Fuß wieder. Niemals würde er gegenüber dem Trainer oder den anderen ein Wort darüber verlieren. Sie sollen nicht befürchten, dass er an ihrem wichtigsten Tag scheitert.
Als er die Tür zur Eishalle aufstößt, sind alle Deckenlichter aus. Normalerweise ist der Strom in dem Stadtteil um diese Zeit schon wieder angestellt. Ihm genügt das einfallende Tageslicht. Die Halle ist leer. Einen Moment lang steht Yun an der Bande und spurt mit seinem Blick die Furchen vom gestrigen Training nach. Er wärmt sich auf, läuft ein paar Runden auf dem Eis, setzt sich auf eine der altersschwachen Bänke und schaut zur Uhr über dem Eingang. Ohne die Anweisungen seines Trainers kann er nicht beginnen. Die Füße liegen schwer auf der Gummimatte, kleine Pfützen bilden sich unter ihnen.
In den Umkleideräumen hört er die Stimmen der anderen Sportler. Auf seine Fragen hin blinzeln sie verlegen und kramen in ihren Sachen. Einer von ihnen poltert heraus, dass Yun den Trainer nicht wiedersehen werde, weil dieser in die Berge geschickt worden sei. Die anderen strafen ihren Freund mit scharfen Blicken ab.

Yun verlässt mit der Sporttasche in der Hand die Eishalle, sich der Bedeutung der Aussage bewusst, die man nur leise, hinter vorgehaltener Hand ausspricht. Dennoch ergibt es für ihn keinen Sinn. Die U-Bahn ist so früh vor dem regulären Schichtende seltsam leer, die weiten Plätze vor den großen Statuen vereinsamt. Den restlichen Tag weiß Yun nichts mit sich anzufangen. Er könnte seine Eltern besuchen. Sie haben sich schon lang nicht mehr gesehen. Besser nicht. Die beiden würden sich bloß Gedanken über sein versäumtes Training machen.
In der Nacht steht Yun ganz oben. Der Stolz nimmt ihm fast den Atem. Doch niemand sonst ist da, bei dem Dreistufenpodest inmitten der tiefgrün leuchtenden Reisfelder. Yun sieht einen Reiher durch die Luft gleiten, in manchen Nächten ist er selbst der Reiher, und hört die Zikaden. Dann wird das Zirpen dumpfer und lauter. Schlaftrunken öffnet er die Tür. Zwei Uniformierte fordern Yun auf, ihnen zu folgen. Er widerspricht nicht.

Die trockenen Lippen reißen auf, als Yun sie aufeinanderpresst. Sechs Tage fristet er bereits in dieser Zelle mit einer Liege und einem schmalen Fenster. Der breit gefächerte Riss an der Wand erinnert ihn an den Straucheibisch vor dem Haus seiner Eltern. Das Einkommen vom Vater reichte aus für einen Kühlschrank, einen Fernseher und die ersten Schlittschuhe. Der kostbarste Besitz der Familie war die Parteimitgliedskarte des Vaters. Yun springt auf, als ein Staatsbeamter die Zelle betritt. Er teilt Yun mit, dass sein Prozess am gestrigen Tag stattgefunden habe.
Ihm werde gemeinschaftliche Planung zur Republikflucht vorgeworfen. Die heruntergeratterten Worte überschlagen sich auf dem Weg von Yuns Ohren in seinen Kopf. Der Tatbestand gelte durch Zeugenaussagen und das Geständnis des Trainers als erwiesen. Yun schmeckt Blut. Noch am selben Tag werde er die Strafe von sieben Jahren Arbeitslager antreten.
Yun steht kerzengerade und sagt nichts. Sein Atem verlässt stoßweise die Nase. Er starrt durch die Gitter seiner Zellentür auf die großen Porträts am Ende des Flurs.

 

Moin Wegen.
Nun, Offensichtlich spielt das Ganze in Nordkorea, aber alles andere bleibt nur ein noch nicht interessantes Streiflicht. Da ist viel zuwenig Futter, Yun bleibt blass und schemenhaft, keine Gedanken, die sich dem Leser mit-teilen, keine Beschreibung des absurden Wahnsinns, der dauernden Beklemmung, der ständigen Überwachung, der Angst, des dauernden Mangels und der harten Regeln denen Sportler unterliegen. Auch der Trainer wird weiter nicht beschrieben. Sehr schade ! Als Rahmen für eine Geschichte gut, als Geschichte an sich ungenügend. Meine Empfehlung: Mach mehr daraus. Sprachlich sollte das für Dich kein Problem sein meint der LORD

 

Hoppla - das klingt nach koreanischem Namen, da nimmt aber jemand Oh Lu(e)mpia zu einem systemkritischen Hauch von Kafkanistan zu verbreiten, aber von

wegen,

ein bisschen spielt das bürgerliche Privateigentum in den Possessivpronomen mit. Nicht, dass sie inflationär hereinbrechen, was ich zunächst befürchtete (wessen Nase könnte sonst gemeint sein), aber mit den Knien ist die Flut ja erst wieder abgeflaut. An sich auch vernachlässigbar das gedoppelte "hören"

In den Umkleiden sind die Stimmen der anderen Sportler zu hören. Als sie seine Frage hören, ...
(Zum zwoten eignen sich aufschnappen oder mitbekommen...)

Bezeichnend, dass Yun trotz Schmerzes seinen vermeintlichen staatsbürgerlichen Pflichten im Training nachkommen will - obwohl das Unheil des Großen Bruders ja schon lauert ...

Gern gelesen vom

Friedel

 

Hallo wegen,

du hast deine kleine Geschichte karg und kalt geschrieben - passend zum Regime und dem Leben in dem Land, in dem es wohl handelt, das finde ich sehr gut.

Vor ihm würde er sich so tief verbeugen, wie nie zuvor in seinem Leben.
Kleiner Raketenmann …

ehe ein Krächzen in der Tonbandschleife ihn aus seinem Tagtraum reißt.
Das Krächzen der Tonbandschleife hat mich zwar nicht rausgerissen, aber mir etwas den Einstieg erschwert. Da hatte ich nicht gleich die Verbindung zur U-Bahn, sondern er selbst könnte auch Tontechniker sein, oder eben daheim ein altes Tonbandgerät benutzen. Vielleicht geht es aber nur mir so. (ansonsten irgendwas mit Durchsage und/oder Lautsprecher, krächzen kann es ja trotzdem)

Niemals würde er gegenüber seinem Trainer oder den anderen ein Wort darüber verlieren.
Never!

Ohne die Anweisungen seines Trainers kann er nicht beginnen.
Auf gar keinen Fall!

Mit wenigen Wörtern schaffst du wirklich eine triste, kalte Atmosphäre:
Eishalle, alle Deckenlichter aus, leer und so weiter – sehr schön gemacht

Einer von ihnen poltert heraus, dass Yun seinen Trainer nicht wiedersehen werde, weil dieser in die Berge geschickt worden sei, bevor ihn die anderen mit scharfen Blicken stoppen

Bei „bevor ihn die anderen mit scharfen Blicken stoppen“ dachte ich erst, es bezieht sich auf den Trainer, vllt. kannst du den Satz umbauen.

seltsam leer, die weiten Plätze vor den großen Statuen vereinsamt
trostlos …

Den restlichen Tag weiß Yun nichts mit sich anzufangen.
Sagt ihm ja auch niemand, was er machen soll …

Er könnte seine Eltern besuchen. Hatten sie sich doch schon lange nicht mehr gesehen. Besser nicht.
Besser keine Gefühle zulassen …

In der Nacht kommen wilde Träume, die erst am frühen Morgen ein Ende finden, als jemand an seine Tür hämmert.
Sicher waren die Träume nur halb so wild, wie das, was folgt …

Er starrt durch die Gitter seiner Zellentür auf die großen Porträts am Ende des Flurs und verfällt in tiefe Traurigkeit.
Zuerst war mein Empfinden, dass es besser wäre, das mit der Traurigkeit wegzulassen, aber je länger ich drüber nachdenke, desto besser finde ich es so, wie es dasteht. Jetzt hat er Zeit zum Nachdenken und für Gefühle …

Liebe wegen, deine Geschichte hat mir gut gefallen.

Viele Grüße von Raindog

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Lord Arion,

danke für deinen Kommentar.

Nun, Offensichtlich spielt das Ganze in Nordkorea, aber alles andere bleibt nur ein noch nicht interessantes Streiflicht. Da ist viel zuwenig Futter, Yun bleibt blass und schemenhaft, keine Gedanken, die sich dem Leser mit-teilen, keine Beschreibung des absurden Wahnsinns, der dauernden Beklemmung, der ständigen Überwachung, der Angst, des dauernden Mangels und der harten Regeln denen Sportler unterliegen.
Es fiel mir schwer zu entscheiden, wieviel Nordkorea-typische Details ich in den Text unterbringen kann und sollte, ohne die Geschichte und deren Regimekritischen Unterton zu plakativ werden zu lassen.
Sprachlich sollte das für Dich kein Problem sein meint der LORD
Danke für das Kompliment. :)

Viele Grüße
wegen


Friedrichard
Hallo Friedel,

, aber von
wegen,
Du hast schon Spaß an meinem Nick, oder? Aber meinetwegen. :Pfeif:


ein bisschen spielt das bürgerliche Privateigentum in den Possessivpronomen mit. Nicht, dass sie inflationär hereinbrechen, was ich zunächst befürchtete (wessen Nase könnte sonst gemeint sein), aber mit den Knien ist die Flut ja erst wieder abgeflaut.
Ich verstehe was du meinst. Alternativ Bis die Nase die Knie berührt. zu schreiben, fand ich aufgrund der entstehenden Dopplung des Artikels unschön. Ich würde es jetzt erstmal so lassen.


An sich auch vernachlässigbar das gedoppelte "hören"
In den Umkleiden sind die Stimmen der anderen Sportler zu hören. Als sie seine Frage hören,
Oh ja, das sollte ich ändern. Danke!
In den Umkleiden sind die Stimmen der anderen Sportler zu hören. Auf seine Frage hin, blinzeln sie verlegen und kramen in ihren Sachen.

Lieben Dank für die Hilfe und deine Gedanken zum Text.
Viele Grüße
wegen

Hallo Raindog,

du hast deine kleine Geschichte karg und kalt geschrieben - passend zum Regime und dem Leben in dem Land, in dem es wohl handelt, das finde ich sehr gut.
Es ist schön zu lesen, dass das auch so rüberkommt. Ich wollte in der kurzen Geschichte möglichst viel zwischen den Zeilen erzählen und dabei nur kurze Brocken zum Aufzeigen des Settings streuen. Den kleinen Raketenmann hatte ich z.B. erst als „großer General und geliebter Marschall“ bezeichnender im Text erwähnt.


ehe ein Krächzen in der Tonbandschleife ihn aus seinem Tagtraum reißt.
Das Krächzen der Tonbandschleife hat mich zwar nicht rausgerissen, aber mir etwas den Einstieg erschwert. Da hatte ich nicht gleich die Verbindung zur U-Bahn, sondern er selbst könnte auch Tontechniker sein, oder eben daheim ein altes Tonbandgerät benutzen. Vielleicht geht es aber nur mir so. (ansonsten irgendwas mit Durchsage und/oder Lautsprecher, krächzen kann es ja trotzdem)
Hmm, ist vielleicht zu abstrakt formuliert. In der U-Bahn und generell an öffentlichen Plätzen gibt es in Nordkorea eine Propaganda-Dauerbeschallung über Lautsprecheranlagen.


Mit wenigen Wörtern schaffst du wirklich eine triste, kalte Atmosphäre:
Eishalle, alle Deckenlichter aus, leer und so weiter – sehr schön gemacht
:shy: Danke schön!

Einer von ihnen poltert heraus, dass Yun seinen Trainer nicht wiedersehen werde, weil dieser in die Berge geschickt worden sei, bevor ihn die anderen mit scharfen Blicken stoppen
Bei „bevor ihn die anderen mit scharfen Blicken stoppen“ dachte ich erst, es bezieht sich auf den Trainer, vllt. kannst du den Satz umbauen.
Ja, an diesem Satz hänge ich auch immer. Hast du eine Idee für mich?
Edit: Ich habe es jetzt getrennt. Vllt. reicht das schon:
Einer von ihnen poltert heraus, dass Yun seinen Trainer nicht wiedersehen werde, weil dieser in die Berge geschickt worden sei. Die anderen stoppen ihn mit scharfen Blicken.

Ganz herzlichen Dank für deine detaillierten Eindrücke. Die einzelnen Kommentare zu den Textstellen haben mir gut gefallen. :)

Viele Grüße
wegen

 

Einer von ihnen poltert heraus, dass Yun seinen Trainer nicht wiedersehen werde, weil dieser in die Berge geschickt worden sei. Die anderen stoppen ihn mit scharfen Blicken.

Hallo wegen nochmal,
ja, genau, so finde ich das nicht mehr verwirrend.

LG

 

Danke dir Raindog, für deine Rückmeldung zu der Textstelle. :gelb:
Bis bald, mit Rocky in Zughausen.

wegen

 

Hallo wegen,

Vor ihm würde er sich so tief verbeugen, wie nie zuvor in seinem Leben.

Hier schimmert die anfängliche unkritische Haltung gegenüber der politischen Führung schön durch. Falls du die Wandlung deines Protagonisten deutlicher herausarbeiten willst, dann würde ich hier schon beginnen und evtl. noch ein weiteres subtiles Detail der Ergebenheit einflechten. Dieser Prozess der Desillusionierung könnte meines Erachtens noch verstärkt werden.

Ohne die Anweisungen seines Trainers kann er nicht beginnen.

Sehr schönes Bild der Unmündigkeit! :thumbsup:

Yun öffnet und sieht sich zwei Uniformierten gegenüber, die ihn mit kühlem Blick auffordern, ihnen zu folgen. Yun hinterfragt ihre Anweisungen nicht.

Den fettmarkierten Satz würde ich streichen. Der ist nicht aus Yuns Perspektive geschrieben und sagt nur, was nicht ist.

Nach sechs Tagen in einer Zelle mit einer Bodenmatte und einem schmalen Fenster bekommt er Besuch von einem Stadtsbeamten

Bei der Bodenmatte denke ich wieder an Sport, das finde ich irritierend. Außerdem zu komfortabel. Ich tippe auf verschimmelten Zementboden. :sad:
Und ich nehme an, du meinst einen Staatsbeamten.

Yun steht kerzengerade und sagt kein Wort. Sein Atem verlässt stoßweise die Nase. Er starrt durch die Gitter seiner Zellentür auf die großen Porträts am Ende des Flurs und verfällt in tiefe Traurigkeit.

Das Fettmarkierte finde ich plakativ beschreibend. Da würde ich überlegen, zu streichen. Vielleicht zeigst du mir seine Traurigkeit auf andere Weise? Vielleicht reicht es aber auch schon so. Indem er auf die großen Porträts starrt, schließt sich ja der Kreis zum Anfang der Geschichte. Er sieht die Anführer nun mit anderen Augen.

Oh weh, schlichte, bittere Geschichte. Hab ich gerne gelesen.

LG, Anne

 

Hi Anne49,

schön, dass du bei meinem Geschichtchen vorbei schaust.

Zitat von wegen
Yun öffnet und sieht sich zwei Uniformierten gegenüber, die ihn mit kühlem Blick auffordern, ihnen zu folgen. Yun hinterfragt ihre Anweisungen nicht.
Den fettmarkierten Satz würde ich streichen. Der ist nicht aus Yuns Perspektive geschrieben und sagt nur, was nicht ist.
Ich glaube, ich verstehe was du meinst. Ganz ohne den Satz fehlt mir das Bild, dass er (bereitwillig) mitgeht. Da fällt mir auch gerade nichts anderes ein. Ich behalte es im Hinterkopf.


Zitat von wegen
Nach sechs Tagen in einer Zelle mit einer Bodenmatte und einem schmalen Fenster bekommt er Besuch von einem Stadtsbeamten
Bei der Bodenmatte denke ich wieder an Sport, das finde ich irritierend. Außerdem zu komfortabel. Ich tippe auf verschimmelten Zementboden.
Und ich nehme an, du meinst einen Staatsbeamten.
Hast Recht. Ich ändere die Bodenmatte in Liege. Und logo, ich meinte Staatsbeamten. Danke! :shy:


Zitat von wegen
Yun steht kerzengerade und sagt kein Wort. Sein Atem verlässt stoßweise die Nase. Er starrt durch die Gitter seiner Zellentür auf die großen Porträts am Ende des Flurs und verfällt in tiefe Traurigkeit.
Das Fettmarkierte finde ich plakativ beschreibend. Da würde ich überlegen, zu streichen. Vielleicht zeigst du mir seine Traurigkeit auf andere Weise? Vielleicht reicht es aber auch schon so. Indem er auf die großen Porträts starrt, schließt sich ja der Kreis zum Anfang der Geschichte. Er sieht die Anführer nun mit anderen Augen.
Ich würde dir zustimmen, wäre es meine Absicht gewesen seine steigernde Desillusionierung damit zu zeigen. Eigentlich verfällt er in tiefe Traurigkeit, weil ihm bewusst wird, dass sein Traum, sich dem großen General als würdig zu zeigen, geplatzt ist. Complete and utter brainwash! Yun ist unschuldig, sein Trainer wahrscheinlich auch. Dennoch stellt er das System und dessen Entscheidungen nicht in Frage. :sad:

Lieben Dank für deinen Kommentar und noch eine schöne Woche.
wegen

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo wegen,

was mir hier sehr gut gefällt: mit der kühl-distanzierten Erzählstimme vermeidest du Betroffenheitsliteratur, emotionale Manipulation.
Ich hab den Text mehrmals aufmerksam gelesen, und der Einstieg wirkt zweifellos anders, wenn man um das Ende weiß. Solche Kurztexte, in denen ein weitreichendes, im Grunde globales Problem isoliert nur über Details erzählt werden, schätze ich an sich. Und mir gefällt ausnehmend gut, dass du explizite Kritik (Auflösung oder Erzählermeinung/Kommentar) unterlässt.

Trotzdem lässt mich die Geschichte unbeteiligter, als Inhalt und verknappter Stil es müssten. Sie bleibt auf Aussageebene eines Zeitungsartikels, weil sie über ein fiktionales Beispiel für aktuelles Tagesgeschehen wenig hinausgeht. Das liegt auch nicht an viel show statt tell (damit hab ich kein Problem, solange es eine individuelle Erzählstimme ist.)

Die zwei Schwerpunkte in der Geschichte sind: Das vorausgesetzte Wissen um die politischen Zustände, und imA arbiträr hervorgehobene Details der Turnhalle und der Trainingsumgebung. Problem: Der politische Hintergrund ist abstrakt und damit unpersönlich. An der Turnhalle und all den Details ist nichts anders, als bei anderen Turnhallen, inner- oder außerhalb von totalitären Regimen, und damit keine sinnvolles Bild. Ich kann mir vorstellen, dass du durch die emotionale Distanziertheit des Prots und diese Detailwahrnehmung einen Schockzustand wiedergeben möchtest (sollte er schon ahnen, dass er dem Trainer folgt, dagegen spricht allerdings die Sache mit der Verbeugung), aber dazu passt die Erzählperspektive nicht. An dem Punkt ist auch noch überhaupt nicht klar, worum der Text geht, und ich frage mich, ob die Details nicht besser funktionierten, wenn man anfangs bereits ahnte, dass da eine persönliche Katastrophe eintritt. Nach den ersten zwei Absätzen hätte alles kommen können: Abrichtung, Gewalt, eine Sportgeschichte um Zweifel & Erfolg mit Happy End. Man tappt zu lange ohne Plot-Wissen durch den Text.

Was für mich – wenn ich das Vage der Ausgangssituation und die emotionale Isolation / Sprachlosigkeit durchweg belasse – besser funktionierte, wäre, all diese kleinteiligen Beobachtungen weniger durch einen kühlen Beobachter zu beschreiben, als stärker durch die Augen des Prots (in Ich-Form oder personal). Du hast zwar die Erzähler schon gemischt (was okay ist), aber an welcher Stelle mit welcher Stimme erzählt wird, ist für mich nicht ganz optimal, und die Distanz bleibt in beiden Perspektiven bestehen

Ein bißchen was zum Text:
Das Intro klingt, als sei dein erster Satz verloren gegangen. „Ihm“ am Anfang ist ein Rückbezug, nur fehlt der hier. Es stimmt, dass von der Grammatik her die Satzteile relativ austauschbar sind, aber wir lesen Gewichtung und Bezüge aus der Wortfolge. Eigentlich soll der Satz aber sagen: Yun würde sich heute vor dem Trainer (oder dem Diktator?) besonders tief verbeugen. Das zu verdrehen und alle dabei erwähnten Personen völlig im Unklaren zu lassen, bringt für mich keinen Mehrwert.

Krächzen in der Tonbandschleife -> das ist schief

Tagtraum reißt und er zum Aussteigen aufsteht. Auf dem Weg vom U-Bahnhof zum Eisstadion schmerzt sein rechter Fuß wieder. -> da bleibt das Setting zu lange unklar, ich war davon ausgegangen, dass er zu Hause ist dann (Tonband) in einem Gebäude, dann erwähnst du die Metro erst nach dem Aussteigen („Aussteigen aufsteht“ kannst du sicher eleganter sagen).

Sie sollen nicht befürchten -> Finde ich interessant. Tatsächlich hat er selbst ja etwas zu befürchten, wenn er versagt, nicht der Staat (gedacht: der Staat fürchtet nichts, er ahndet nur, was ihm Gesichtsverlust beschert). Ist das Absicht, dass der Prot hier glaubt, er sei mehr als nur ein austauschbares Zahnrad in der Maschine?

aufstößt, sind alle Deckenlichter aus. Normalerweise ist der Strom um diese Zeit schon wieder angestellt -> auf – aus – um - an ist nicht so schön. Wenn du diesen mit dem nächsten Satz zusammenfasst und was kürzt, würde das weniger holpern.

Beim Aneinanderschlagen der Schuhe fliegen Kristalle nach allen Seiten. Dann liegen die Füße schwer auf der Gummimatte und unter ihnen bilden sich kleine Pfützen. -> Irgendwie erwarte ich bei der Knappheit und Kürze des Textes, dass das handlungsrelevant ist – und es irritiert mich. Auch, woher das Eis an den Schuhen kommt, wenn man ihn grad nur auf der Bank sitzend verortet hat (denn er hat grad behauptet, er könne nicht allein anfangen).

Umkleiden -> das ist ein echt furchtbares Wort. Wenn Umkleidekabinen zu lang / bürokratisch klingt, nimm doch lieber Kabinen. „Umkleide“ ist so ein Girliemagazin-Slang.

wohl wissend -> getrennt (ich meine, das benötigte einen Anschluss auf ,dass)

sind die Stimmen der anderen Sportler zu hören -> hier brichst du aus der Perspektive aus (‚man‘ statt ‚er‘).

stoppen ihn mit scharfen Blicken -> Perspektivbruch: da ist dein Erzähler plötzlich mit in der Kabine, es fehlt ein Übergang, bzw. ein personaler Erzähler, der draußen bleibt, kann das nicht sehen.

Er könnte seine Eltern besuchen. Hatten sie sich doch schon lange nicht mehr gesehen. Besser nicht. -> Da stimmt was mit der Syntax nicht. Sowohl bei Wortstellung wie auch Anschluss.

In der Nacht kommen wilde Träume -> Hier hätte ich ein Traumbild mitreißender gefunden, das klingt so nach „Jo mei …“. (Wilde Träume sind auch eher ein Synonym für erotische Fantasien).

ein Ende finden, als jemand an seine Tür hämmert -> Understatement of the year? :D Du verspielst hier, die Todesangst des Prots UND den Terror des Regimes in einem einzigen Halbsatz subtil zu vermitteln.

Hinterfragt -> Ich komm nicht drauf, aber das scheint mir der falsche Begriff. Es wird beim Mithören der anderen Sportler schon deutlich, dass er die Verschleppungen hinterfragt, wenn auch zögerlich / schwach. So blind kann er nicht sein, dass er seine eigene Verhaftung okay findet.

aufeinander presst -> gertrennt

Nach sechs Tagen (…) mit einer Liege und einem schmalen Fenster -> Infos bissl ordnen. Dieser Absatz steigt nun ganz aus der personalen Stimme aus und wirkt sehr protokolliert. Ich finde, hier verspielst du am stärksten, emotionale Wirkung zu entfalten: der arme Junge sitzt irgendwo in Isolationshaft, der Prozess hat ohne ihn stattgefunden (Stalins Troikas lassen grüßen), und das ist eine der schlimmsten Situationen, die man sich vorstellen kann. Keiner hilft, weder im, noch außerhalb des Knastes, weil er eigentlich schon aufgehört hat, zu existieren. Ich kann mir das jetzt selbst denken, aber davon zu lesen, wie ein Autor das beschreibt – dafür suche ich Geschichten statt Sachbücher.

Er starrt durch die Gitter seiner Zellentür auf die großen Porträts am Ende des Flurs und verfällt in tiefe Traurigkeit. -> ein schönes und schlimmes Bild am Schluss (auch wenn mir die Emotion zu einfach verkürzt und beschreibend / wertend ist) – obwohl der Satz kurz ist, könnte er für die Wirkung knapper sein: Durch die Gitter seiner Zellentür sieht er auf das Porträt am Ende des Flurs
(Würde ich im Singular bevorzugen, auch wenn da in der Realität vllt. mehrere hängen, weil es dann was von einem persönlichen Zweierkonflikt - Prot vs Diktator - bekommt, der immer dramatischer wirkt).

Sorry, mein Komm ist vermutlich doppelt so lang, wie dein Text. Ich hoffe einfach, du kannst mit einigen Anmerkungen etwas anfangen, ich freue mich jedenfalls, solche Erzählstimmen zu lesen.

Viele Grüße,
Katla

 

Hej wegen,

ich finds toll, dass du so fleißig und abwechslungsreich schreibst und somit übst und mich daran teilhaben lässt.

Vor ihm würde er sich so tief verbeugen, wie nie zuvor in seinem Leben. Bis seine Nase die Knie berührt.

Das übe ich auch seit Jahren. ;) Aber der Rest meines Körpers behindert mich daran.
Was aber wichtiger ist, ich mag den Einstieg sehr gerne.

In der Nacht kommen wilde Träume, die erst am frühen Morgen ein Ende finden, als jemand an seine Tür hämmert.

An dieser Stelle wäre gut zu zeigen, was ihn treibt und ängstigt, finde ich, wie er wirklich zu alldem steht.

Yun öffnet und sieht sich zwei Uniformierten gegenüber, die ihn mit kühlem Blick auffordern, ihnen zu folgen. Yun hinterfragt ihre Anweisungen nicht.

Die vielen Pronomen lesen sich gar nicht schön. Du könntest sie streichen oder ersetzten, z.B. mit einem Artikel beim letzten Satz ... oder aber auch nicht. :shy:

Er starrt durch die Gitter seiner Zellentür auf die großen Porträts am Ende des Flurs und verfällt in tiefe Traurigkeit.

Echt? Traurig ist er? Ich habe versucht, mich hineinzufühlen, aber dafür ist diese Erzählung zu knapp und Yun mir zu fremd. Alles passiert so ... unmotiviert für mich. Für Yun aber ja auch. Das passt dann ja auch wieder.

Dennoch ist ein guter Versuch, diese Seltsam- und Willkürlichkeit eines Regimes im Kleinen zu zeigen. Mit dem Städtenamen verbinde ich aber derzeit eine eher angenehme Assoziation, die mich dann eben emotional herausschlägt aus deinem Text.

Die Teilnahmslosigkeit deines Sportlers trifft es dagegen sehr gut zum ganzen Prozess und eben auch die Knappheit und Kühle. Deswegen verwirrte mich wohl auch diese Traurigkeit am Ende.

Ein Leseeindruck und freundlicher Gruß, Kanji

 

Hallo wegen,

wie praktisch, dass du eine neue Geschichte postest. Da kann ich mich ja direkt für deinen Kommentar bei mir revanchieren. :)

Deine kleine Geschichte gefällt mir. Vielleicht ist sie mir sogar etwas zu klein für dieses große Thema.

Ich habe vor kurzem eine Nordkorea-Doku gesehen und man sitzt mit offenem Mund vor dem Fernseher, weil diese Welt so fremd ist. Wie ist es dort zu leben, dort aufgewachsen zu sein. Was geht wirklich in den Köpfen der Menschen dort vor? Als Mitteleuropäer kann man sich das nur schwer vorstellen.

Die Vorstellung füllt Yuns Brustkorb mit Wärme
Ist es wirklich Wärme, die er fühlt? Ich stelle mir darunter ein wohliges Gefühl vor, Geborgenheit und Liebe. Aber wie wäre es, wenn Yun wirklich den großen Führer treffen würde? Wäre da nicht eher Ehrfurcht im Spiel und auch Angst etwas falsch zu machen?

ehe ein Krächzen in der Tonbandschleife ihn aus seinem Tagtraum reißt
Du hast in einem der Kommentare bereits erklärt, dass du hier die Propagandedauerbschallung meinst, aber ich bin mir nicht sicher, ob das ohne Erklärung klar wird.

Die Szene in der Eissporthalle gefällt mir sehr gut. Diese Einsamkeit und Unsicherheit was zu tun ist, bringst du gut rüber.

In den Umkleiden sind die Stimmen der anderen Sportler zu hören.
Wieso waren die anderen nicht auf dem Eis? Kamen sie erst nach Yun in die Kabine, oder warum hat er nicht vorher mit ihnen gesprochen?

Einer von ihnen poltert heraus, dass Yun seinen Trainer nicht wiedersehen werde,
Es ist also nur Yuns Trainer? Irgendwie kann ich mir den Job nicht ganz vorstellen. Yun ist professioneller Eishockeyspieler? Oder Eiskunstläufer? Was machen die anderen Sportler dort?

Mir fehlen hier Absätze nach „mit scharfen Blicken“ und „keinen Sinn“.

Yun hinterfragt ihre Anweisungen nicht.
Das ist mir etwas zu wertend. Vielleicht einfach so was wie: Yun nimmt seine Jacke und geht mit.

Besuch von einem Staatsbeamten der ihm mitteilt
Komma nach Staatsbeamten

dass sein Prozess am gestrigen Tag stattfand.
Stattgefunden hat? Stattgefunden habe?

Dieser hatte während des Verhörs seine Absicht bestätigt
Hier komme ich etwas ins stolpern, bei den ganzen Herren.
Vielleicht: Dieser hatte während des Verhörs Yuns Absicht bestätigt.

In seinem Mund schmeckt Yun Blut, während der Beamte fortfährt.
Wo sonst? Einfach: Yun schmeckt Blut

verfällt in tiefe Traurigkeit.
Ich finde diesen Schluss gut. Es passt zu Yun. Er ist unfähig zu denken, traut sich nicht zu kritisieren oder gar zu fragen. Er vertrat auf den Führer und am Ende wird dieses Vertrauen enttäuscht. Ich fände es unglaubwürdig, wenn er wütend würde. Er ist einfach traurig und fragt sich wahrscheinlich noch was er falsch gemacht hat.

Am Ende ist es mir dann doch was wenig. Den Ansatz finde ich echt gut und dein Schreibstil bringt diese beklemmende Atmosphäre gut rüber. Aber ich hätte gerne noch mehr erfahren. Mehr über Yuns Alltag, vielleicht auch im Gegensatz zu anderen Leuten.

Viele Grüße,
Nichtgeburtstagskind

 

Hey Katla,
danke, dass du dich so intensiv mit meiner Geschichte beschäftigt hast und mir einen so detaillierten und hilfreichen Kommentar hier lässt.

Und mir gefällt ausnehmend gut, dass du explizite Kritik (Auflösung oder Erzählermeinung/Kommentar) unterlässt.
Danke. Ich glaube wir haben dazu alle eine recht ähnliche Haltung und Meinung. Da brauche ich nicht mit dem erhobenen Zeigefinger kommen.


An der Turnhalle und all den Details ist nichts anders, als bei anderen Turnhallen, inner- oder außerhalb von totalitären Regimen, und damit keine sinnvolles Bild.
Das stimmt wohl. Der gewohnheitsmäßige Stromausfall sollte da ein Indiz zur Abgrenzung sein. Ich habe jetzt noch eine altersschwache Bank eingebaut. Ich wollte einen Sportler zeigen, der allen Grund hat fliehen zu wollen, es aus tiefster Überzeugung niemals tun würde und dann kranker Weise genau dafür verknackt wird.


Was für mich – wenn ich das Vage der Ausgangssituation und die emotionale Isolation / Sprachlosigkeit durchweg belasse – besser funktionierte, wäre, all diese kleinteiligen Beobachtungen weniger durch einen kühlen Beobachter zu beschreiben, als stärker durch die Augen des Prots (in Ich-Form oder personal).
Danke für den Hinweis. Die Perspektive liegt jetzt mehr auf Yun.


Das Intro klingt, als sei dein erster Satz verloren gegangen. „Ihm“ am Anfang ist ein Rückbezug, nur fehlt der hier. Es stimmt, dass von der Grammatik her die Satzteile relativ austauschbar sind, aber wir lesen Gewichtung und Bezüge aus der Wortfolge. Eigentlich soll der Satz aber sagen: Yun würde sich heute vor dem Trainer (oder dem Diktator?) besonders tief verbeugen. Das zu verdrehen und alle dabei erwähnten Personen völlig im Unklaren zu lassen, bringt für mich keinen Mehrwert.
Mit „ihm“ ist Kim Jong Un gemeint, der erfolgreichen Sportlern schon mal einen Besuch abstattet. Den Satzbau habe ich gewählt, um seine erhabene Stellung für Yun zu betonen und den Leser in Yuns Euphorie hinsichtlich eines Treffens rein zuziehen.


Tagtraum reißt und er zum Aussteigen aufsteht. Auf dem Weg vom U-Bahnhof zum Eisstadion schmerzt sein rechter Fuß wieder. -> da bleibt das Setting zu lange unklar, ich war davon ausgegangen, dass er zu Hause ist dann (Tonband) in einem Gebäude, dann erwähnst du die Metro erst nach dem Aussteigen („Aussteigen aufsteht“ kannst du sicher eleganter sagen).
Ja, da ist was dran. :hmm: Ich habe es weiter ausgeführt.


Sie sollen nicht befürchten -> Finde ich interessant. Tatsächlich hat er selbst ja etwas zu befürchten, wenn er versagt, nicht der Staat (gedacht: der Staat fürchtet nichts, er ahndet nur, was ihm Gesichtsverlust beschert). Ist das Absicht, dass der Prot hier glaubt, er sei mehr als nur ein austauschbares Zahnrad in der Maschine?
Nicht ganz. „Sie“ bezieht sich auf seinen Trainer und die anderen Sportler der nordkoreanischen Mannschaft, die im vorherigen Satz erwähnt werden.


Beim Aneinanderschlagen der Schuhe fliegen Kristalle nach allen Seiten. Dann liegen die Füße schwer auf der Gummimatte und unter ihnen bilden sich kleine Pfützen.
-> Irgendwie erwarte ich bei der Knappheit und Kürze des Textes, dass das handlungsrelevant ist – und es irritiert mich. Auch, woher das Eis an den Schuhen kommt, wenn man ihn grad nur auf der Bank sitzend verortet hat (denn er hat grad behauptet, er könne nicht allein anfangen).
Yun hatte sich erwärmt, bevor er sich auf die Bank setzte. Ich habe jetzt noch eingefügt, dass er ein paar Runden auf dem Eis gelaufen ist. Die fliegenden Kristalle und die Gummimatte sind die Bilder für sein Warten.


Umkleiden -> das ist ein echt furchtbares Wort. Wenn Umkleidekabinen zu lang / bürokratisch klingt, nimm doch lieber Kabinen. „Umkleide“ ist so ein Girliemagazin-Slang.
:lol: Jetzt sind es Umkleideräume. Kabinen sind für mich eher einzeln abgetrennte Bereiche.


wohl wissend -> getrennt (ich meine, das benötigte einen Anschluss auf ,dass)
Satz ist geändert. Danke.


Er könnte seine Eltern besuchen. Hatten sie sich doch schon lange nicht mehr gesehen. Besser nicht.
-> Da stimmt was mit der Syntax nicht. Sowohl bei Wortstellung wie auch Anschluss.
Ja, war der Versuch als stilistisches Mittel. Ich habe den zweiten Satz entschärft.


In der Nacht kommen wilde Träume
-> Hier hätte ich ein Traumbild mitreißender gefunden, das klingt so nach „Jo mei …“. (Wilde Träume sind auch eher ein Synonym für erotische Fantasien).
Echt? :Pfeif: Dann ändere ich es lieber und verpasse ihm gleich ein paar schöne jugendfreie Bilder.


Nach sechs Tagen (…) mit einer Liege und einem schmalen Fenster
-> Infos bissl ordnen. Dieser Absatz steigt nun ganz aus der personalen Stimme aus und wirkt sehr protokolliert.
Stimmt schon, das war alles ganz schön zackig und gefühlslos aufgesagt. Ich habe dem Absatz einen familiären Flashback verpasst und damit die Sätze des Beamten getrennt.

Er starrt durch die Gitter seiner Zellentür auf die großen Porträts am Ende des Flurs und verfällt in tiefe Traurigkeit.
-> ein schönes und schlimmes Bild am Schluss (auch wenn mir die Emotion zu einfach verkürzt und beschreibend / wertend ist) – obwohl der Satz kurz ist, könnte er für die Wirkung knapper sein: Durch die Gitter seiner Zellentür sieht er auf das Porträt am Ende des Flurs …
(Würde ich im Singular bevorzugen, auch wenn da in der Realität vllt. mehrere hängen, weil es dann was von einem persönlichen Zweierkonflikt - Prot vs Diktator - bekommt, der immer dramatischer wirkt).
Ich hoffe, die Emotion ist durch meine Ergänzungen weniger verkürzt. Es müssen (für mich) der Authentizität wegen zwei Porträts bleiben.


Sorry, mein Komm ist vermutlich doppelt so lang, wie dein Text. Ich hoffe einfach, du kannst mit einigen Anmerkungen etwas anfangen, ich freue mich jedenfalls, solche Erzählstimmen zu lesen.
Katla, es ist der Wahnsinn, was für Gedanken du dir zu meiner Geschichte gemacht hast. Ich konnte vieles von deinen Hinweisen und Ideen nutzen.

Lieben Dank für deine Hilfe und viele Grüße
wegen

Hi Kanji,
ich freu mich sehr, dass du mir schreibst.

ich finds toll, dass du so fleißig und abwechslungsreich schreibst und somit übst und mich daran teilhaben lässt.
Weißt du, ich habe so eine Genre-Checkliste zum Abstreichen: Romanze-check, Jugendkrimi-check, Gesellschaftsdrama-check, Horror-…, Erotik-…, Mundart-… :lol:

Vor ihm würde er sich so tief verbeugen, wie nie zuvor in seinem Leben. Bis seine Nase die Knie berührt.
Das übe ich auch seit Jahren. Aber der Rest meines Körpers behindert mich daran.
Was aber wichtiger ist, ich mag den Einstieg sehr gerne.
Vielen Dank. Das ist schön zu lesen. :shy:


In der Nacht kommen wilde Träume, die erst am frühen Morgen ein Ende finden, als jemand an seine Tür hämmert.
An dieser Stelle wäre gut zu zeigen, was ihn treibt und ängstigt, finde ich, wie er wirklich zu alldem steht.
Stimmt, das hat Potential etwas zu transportieren. Ich habe da ausgebaut. Wenn du magst, versuche dich ruhig an einer Traumdeutung.


Yun öffnet und sieht sich zwei Uniformierten gegenüber, die ihn mit kühlem Blick auffordern, ihnen zu folgen. Yun hinterfragt ihre Anweisungen nicht.
Die vielen Pronomen lesen sich gar nicht schön. Du könntest sie streichen oder ersetzten, z.B. mit einem Artikel beim letzten Satz ... oder aber auch nicht.
Danke für den Hinweis. Ich habe es ein bisschen entpronomisiert.


Er starrt durch die Gitter seiner Zellentür auf die großen Porträts am Ende des Flurs und verfällt in tiefe Traurigkeit.
Echt? Traurig ist er? Ich habe versucht, mich hineinzufühlen, aber dafür ist diese Erzählung zu knapp und Yun mir zu fremd. Alles passiert so ... unmotiviert für mich. Für Yun aber ja auch. Das passt dann ja auch wieder.
Ich verstehe was du meinst. Der letzte Absatz ist jetzt emotionaler. Dann kommt das mit der Traurigkeit vllt. nicht so plötzlich und ist stimmiger.


Dennoch ist ein guter Versuch, diese Seltsam- und Willkürlichkeit eines Regimes im Kleinen zu zeigen. Mit dem Städtenamen verbinde ich aber derzeit eine eher angenehme Assoziation, die mich dann eben emotional herausschlägt aus deinem Text.
Ohne den Städtenamen bin ich mir nicht sicher, ob die Fluchtmöglichkeit bei einem Sportwettkampf im Ausland erkennbar ist. Man kennt das von kubanischen Sportlern. Ich wollte in der Geschichte zwei aktuelle Themen aufgreifen und vielleicht eine Sicht hinter Tanzshows und Medaillenspiegel erzeugen.

Liebe Kanji, vielen Dank für deine Gedanken zum Text und ein sonniges Wochenende!
wegen

Hallo Nichtgeburtstagskind,

wie praktisch, dass du eine neue Geschichte postest. Da kann ich mich ja direkt für deinen Kommentar bei mir revanchieren.
Sehr gern. Schön, dass du mir schreibst. :)

Ich habe vor kurzem eine Nordkorea-Doku gesehen und man sitzt mit offenem Mund vor dem Fernseher, weil diese Welt so fremd ist. Wie ist es dort zu leben, dort aufgewachsen zu sein. Was geht wirklich in den Köpfen der Menschen dort vor? Als Mitteleuropäer kann man sich das nur schwer vorstellen.
Ja, in letzter Zeit kam eine Menge über Nordkorea. Wahrscheinlich haben wir die gleichen Dokus gesehen.


Die Vorstellung füllt Yuns Brustkorb mit Wärme
Ist es wirklich Wärme, die er fühlt? Ich stelle mir darunter ein wohliges Gefühl vor, Geborgenheit und Liebe. Aber wie wäre es, wenn Yun wirklich den großen Führer treffen würde? Wäre da nicht eher Ehrfurcht im Spiel und auch Angst etwas falsch zu machen?
Der große General ist wie eine Vaterfigur für Yun. „Ehrfurcht“ finde ich aber schon gut. Ich behalte es mal im Hinterkopf.


ehe ein Krächzen in der Tonbandschleife ihn aus seinem Tagtraum reißt
Du hast in einem der Kommentare bereits erklärt, dass du hier die Propagandedauerbschallung meinst, aber ich bin mir nicht sicher, ob das ohne Erklärung klar wird.
Mja, da kann der Leser ruhig ein bisschen grübeln, was da in einer Schleife abgespielt wird.


Die Szene in der Eissporthalle gefällt mir sehr gut. Diese Einsamkeit und Unsicherheit was zu tun ist, bringst du gut rüber.
Danke! :)


In den Umkleiden sind die Stimmen der anderen Sportler zu hören.
Wieso waren die anderen nicht auf dem Eis? Kamen sie erst nach Yun in die Kabine, oder warum hat er nicht vorher mit ihnen gesprochen?
Jo, die kamen halt später zum Training als Yun. Finde ich jetzt o.k.


Einer von ihnen poltert heraus, dass Yun seinen Trainer nicht wiedersehen werde,
Es ist also nur Yuns Trainer? Irgendwie kann ich mir den Job nicht ganz vorstellen. Yun ist professioneller Eishockeyspieler? Oder Eiskunstläufer? Was machen die anderen Sportler dort?
Ich hatte ihn mir als Eiskunstläufer vorgestellt. In einer Nationalmannschaft gibt es immer mehrere Sportler in einer Disziplin. Bei Eishockeyspielern, das kann ich mir gar nicht bei Nordkorea vorstellen, wäre in der Halle viel mehr los.


Mir fehlen hier Absätze nach „mit scharfen Blicken“ und „keinen Sinn“.
Hinter den Blicken habe ich einen Absatz eingefügt. Danke für den Tipp.


Yun hinterfragt ihre Anweisungen nicht.
Das ist mir etwas zu wertend. Vielleicht einfach so was wie: Yun nimmt seine Jacke und geht mit.
Ich habe es jetzt umgestellt. Vllt. passt es so auch besser für dich?


Besuch von einem Staatsbeamten der ihm mitteilt
Komma nach Staatsbeamten.
Satz ist jetzt komplett anders.


dass sein Prozess am gestrigen Tag stattfand.
Stattgefunden hat? Stattgefunden habe?
Echt? Klingt für mich o.k.. :schiel:


Dieser hatte während des Verhörs seine Absicht bestätigt
Hier komme ich etwas ins stolpern, bei den ganzen Herren.
Vielleicht: Dieser hatte während des Verhörs Yuns Absicht bestätigt.
Es sollte des Trainers Absicht sein.


In seinem Mund schmeckt Yun Blut, während der Beamte fortfährt.
Wo sonst? Einfach: Yun schmeckt Blut
Ja, logo. Gekauft!


verfällt in tiefe Traurigkeit.
Ich finde diesen Schluss gut. Es passt zu Yun. Er ist unfähig zu denken, traut sich nicht zu kritisieren oder gar zu fragen. Er vertrat auf den Führer und am Ende wird dieses Vertrauen enttäuscht. Ich fände es unglaubwürdig, wenn er wütend würde. Er ist einfach traurig und fragt sich wahrscheinlich noch was er falsch gemacht hat.
Das denke ich auch. Armer, systemtreuer Tropf.


Am Ende ist es mir dann doch was wenig. Den Ansatz finde ich echt gut und dein Schreibstil bringt diese beklemmende Atmosphäre gut rüber. Aber ich hätte gerne noch mehr erfahren. Mehr über Yuns Alltag, vielleicht auch im Gegensatz zu anderen Leuten.
Ich wollte vieles zwischen den Zeilen lesbar gestalten. Hat nicht so ganz geklappt. Darum habe ich an mehreren Stellen ergänzt und ausgebaut.

Hab vielen Dank für deinen Revanche-Kommentar!
Viele Grüße
wegen

 
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"Gestapozentrale. Eine Zelle. Mehrere Leute eng nebeneinander im Raum. Kein Platz zum Sitzen geschweige denn von Liegeplätzen. Die Tür geht auf. Ein alter Jude mit blutverschmierten Gesicht wird im großen Bogen in die Zelle hineingeworfen. Er prallte laut gegen den Boden und stöhnte. Die Menschen im Raum eiten zu ihm, hoben ihn vorsichtig auf und fragten besorgt:

"Schmerzen?!"
"Nur, wenn ich lache..."


Guten Abend, Wegen,

Vielen Dank für deine Story!

Ich habe viele Menschen in meinem kurzen Leben kennen lernen dürfen, die ein oder sogar mehrere Konzentrationslager überlebten.

Dabei muss ich sagen, dass meine ersten Begegnungen mit diesen Menschen keineswegs von Trauer geprägt waren. Ich durfte jedesmal zu meinem eigenen Erstauen feststellen, dass diese Menschen, trotz oder vielleicht wegen deren Vorgeschichte, vielleicht die humorvollsten Menschen waren, die ich in meinem immer noch sehr kurzen Leben kannte.

Bei diesen Begegnungen dachte ich immer, wie kann es sein, dass diese Leute immer noch im Stande waren, zu lachen, Witze zu reißen, überhaupt zu lächeln. Ich habe vielleicht mehrere Jahre gebraucht, bevor ich geschafft habe, meinen Gesichtsausdruck, meine Mundwinkel bei solchen Treffen nach "Oben" zu schieben.

Humor ist eine der Form des kontrafaktischen Bewältigungsgeschehens. Besonders in extremen Lebenssituationen, wo der gesunde menschliche Verstand nicht mehr weiter weiß, schaltet dieses Mechanismus ein, und man fäng an, die Realität zu verdrehen, "verrückt" zu spielen, u.a. über die Gegenwart zu lachen. Später versucht man über die Vergangenheit zu lachen, vor allem deswegen, weil sie so schmerzhaft ist... Das Wichtigste ist aber, dass diese Menschen irgendwann, vor langer Zeit oder,besser gesagt, in den alten guten Zeit überhaupt die Gelegenheit hatten, diese Lebensqualität, nämlich zu lachen, zu erwerben.

Deine Story zeigt dem Leser eine andere Geschichte. Dein Protagonist ist meilenweit davon entfernt, zu "lachen", "verrückt zu sein", kontrafaktisch zu denken, weil diese Situatioin, in der er sich gerade befindet Normalität ist. Er kennt kein Korea ohne Terror, ohne Haft, Verschleppung und Vernichtung. Dieses Bild ist für ihn absolute Normalität. Höchstwahrscheinlich wird er auch keine andere Normalität kennen lernen (wollen). Und diese Tatsache macht diese Story um einiges furchtbarer, zumindest für einen nicht eingeweihten Außenstehenden.

Diese Story ist trotzlos, weil sie mir als Leser kein Happy-Ende, keine Hoffnung verspricht. Ich meine nicht damit die Goldmedaille oder Freilassung, sondern eine "positive" Abweichung von dieser seit Jahren etablierten "NOrmalität". Eine Normalität, die allein in den Köpfen der Menschen steckt.

Jetzt zu dem Titel: Die Verbeugung. Diese Verbeugung deutet dein Erzähler in einem Traum von Yun an: eine Form vom kontrafaktischen Denken. Sehr interessant. Das Bewusstsein versucht eine parallele Welt zu kreieren. Kaum ist er aber wieder auf dem kalten Betonboden in seiner Zelle, verfällt er wieder in seinen normalen Zustand der steifen Trauigkeit (wie ein Junge, der in der Schule zum Nachsitzen verdonnert wurde, mit entsprechenden gemässigten Gefühlen) - diesmal ohne Verbeugung vor den Porträts am Ende des Flurs. Eine sehr starke Szene!!!

Viele Grüße
Herr Schuster

 

Hallo Herr Schuster,

Dein Protagonist ist meilenweit davon entfernt, zu "lachen", "verrückt zu sein", kontrafaktisch zu denken, weil diese Situatioin, in der er sich gerade befindet Normalität ist. Er kennt kein Korea ohne Terror, ohne Haft, Verschleppung und Vernichtung. Dieses Bild ist für ihn absolute Normalität. Höchstwahrscheinlich wird er auch keine andere Normalität kennen lernen (wollen). Und diese Tatsache macht diese Story um einiges furchtbarer, zumindest für einen nicht eingeweihten Außenstehenden.
Fluch und Segen der Unwissenheit: Solange Yun in Nordkorea unter ständiger Propagandabeschallung lebt, in einem autoritären Systems, dass keinen offenen Blick (von und) nach Außen zulässt, fällt ihm gar nicht auf wie viel besser es ihm und dem restlichen Volk gehen könnte und müsste. Das Land ist vollkommen abgeschottet, ohne Internetzugang, die Medien komplett unter staatlicher Kontrolle. Manch einer findet in straffen Strukturen, mit klaren Gesetzen Halt. Die willkürlichen Bestrafungen, bei gleichzeitiger Bevorteilung der Parteitreuen, sind für mich auch unfassbar. Es wäre aber interessant zu sehen wie es mit Yuns Loyalität steht, sobald er während eines Wettkampf im Ausland ein Stück Freiheit zu kosten bekommt.

Lieben Dank für deine Gedanken zu diesem Thema.
Viele Grüße und einen schönen Sonntag.
wegen

 

"Ihr Gang z. E., ihre Verbeugungen, brauchen gar nicht bäurisch zu sein;
sie können so gut und zierlich sein, als sie nur immer ein Tanzmeister kehren
kann; denn warum sollte sie von ihrem Tanzmeister nichts gelernt haben,
da sie sogar Quadrille gelernt hat?"​

Kaum ist Korea wieder aus den Sportnachrichten verschwunden und nur mehr historisch in der Zeit bis Peking, das wie selbstverständlich Süd-Korea in den Schatten stellen will, zitiert der aus Lessings Hamburgischer Dramaturgie von 1767 (nach http://gutenberg.spiegel.de/buch/hamburgische-dramaturgie-1183/15). Was will der damit,

wirstu dich fragen,

liebe/r (?) wegen,

wie so manch anderer auch.

Das Zitat ist überhaupt der erste schriftliche Nachweis des Substantivs "Verbeugung" im Deutschen, dessen Bedeutungsvielfalt inzwischen von der Ehrenbezeugung über den Kratzfuß bis zum Kotau reicht, also je nach Bedarf verwendet werden kann und im negativsten Sinn auch etwas von "Vorbeugung" wider potentiellen Unheils hat.

Sein Verb - "verbeugen" - jedoch ist "nur" positiv besetzt, man neigt Kopf und Oberkörper nach vorn zur Begrüßung und Ehrerbietung, aber auch des Dankes (wie ja auch der Händedruck oder das Händefalten jenseits des Gebetes). Da meine ich vorschlagen zu müssen (oder doch eher nur ein "dürfen") - ohne dass irgendwer es gutheißen müsste - , den Titel in "Kotau" umzuwandeln, ist doch neben Japan auch Korea ein Produkt chinesischer Kultur und der Kotau eine auf Knien vollzogene Verbeugung, bei der die Stirn den Boden berührt, wiewohl der Kotau durchs Sichniederwerfen vor der Gottheit oder ihrer irdischen Stellvertreter noch erniedrigender ist.

Die negative Seite des Verbs "verbeugen" klingt nicht nur ähnlich, ist sogar verwandt mit dem Verb "verbiegen", an sich ein technischer Begriff (wenn etwas in Form gebracht wird oder die Form verliert), der mit dem Reflexivpronomen auf den Menschen übertragen wird, der sich verbiegt oder verbiegen lässt zum Wohle der eigenen Karriere oder aus Angst und Furcht.

Also: Warum etwas Vergängliches wie Nordkorea für eine Geschichte aus Kafkanien oder Kafkanistan nehmen, die zudem nahe der "Strafkolonie" endet - das einiges länger schon existiert und weiter existieren wird.

Nicht nur die Familie Kim betrachtet "ihr" Volk und Land als persönlichen Besitz, Privateigentum. Das hat jede Herrscherfamilie wie heute noch jede autoritäre Persönlichkeit es versucht, die den reichs- oder staatstragenden Säulen der Gesellschaft ein bisschen Macht zu Lehen gab und gibt. Darum relativieren sich auch die würde-Konstruktionen für mich.

Warum nicht Futur statt der sprachlichen Wahrscheinlichkeitsrechnung bei einem Geschehen, dass sich immer wieder wiederholen wird, sofern das Anthropozän - wahrscheinlich eines der kürzesten Erdzeitalter ever - noch besteht.

Vor ihm würde er sich so tief verbeugen, wie nie zuvor in seinem Leben.
Nein, er wird sich verbiegen!, wie auch jeder, der allein oder mit einer kleinen Gruppe auf deutschen Fußballplätzen in einen Trupp Hooligans, Pegida oder sonstigen Mob gerät, denn nicht jeder taugt zum Märtyrer.
Bis seine Nase die Knie berührt.
Noch tiefer: Bis die Stirn den staubigen Boden berührt! Und der Vergötterte stellt noch einen (vielleicht sogar gestiefelt und gespornten) Fuß auf den Hinterkopf, um die Erniedrigung zu feiern.
Die Vorstellung füllt Yuns Brustkorb mit Wärme, ehe ein Krächzen in der Tonbandschleife ihn aus seinem Tagtraum reißt.
Und die übt dem Volk Neusprech ein, wie das Simsen das kurze Wort und die bellende Aküspra.
Ohne die Anweisungen seines Trainers kann er nicht beginnen.
Jeder braucht einen Platzanweiser und Flüsterer, die Weisheit des Großen Bruders.
Die anderen stoppen ihn mit scharfen Blicken.
Soziale Kontrolle. The lonely crowed des außengeleiteten Menschen, die peer-group als gesellschaftstragende Säule.
usw., usf.

Sonstiges,
zunächst die Frage hierzu

Einen Moment lang steht Yun an der Bande und spurt mit seinem Blick die Furchen nach
bzgl. des spurenden Blicks, der wohl die Spur vorwegnehmen will, aber zugleich die andere Seite des Verbes "spuren" als - ich zitier Duden.de - "sich beugen, folgen, sich fügen, gehorchen, Gehorsam leisten, gehorsam sein, jemandes Anordnungen entsprechen/nachkommen, nach jemandes Pfeife tanzen, parieren, sich unterordnen, sich unterwerfen; (gehoben) willfahren; (umgangssprachlich) hören; (Papierdeutsch) Folge leisten", aber auch "(Skisport) eine Spur anlegen, eine Spur ziehen".

Letzte Trivialitäten (hoff ich doch)

Dieser hatte während des Verhörs seine Absicht bestätigt, nach den Wettkämpfen in Pyeongchang nicht wieder zurück zu kommen.
zurückzukommen, zurückkommen ein Wort

Zusammenschreibung muss noch öfters gepflegt werden, wie hier

Yun steht ganz oben, um die verdiente Medaille entgegen zu nehmen.
"entgegenzunehmen"
Die trockenen Lippen reißen auf, als Yun sie aufeinander presst.
aufeinanderpressen
..., nach den Wettkämpfen in Pyeongchang nicht wieder zurück zu kommen.
zurückkommen

Auf seine Frage hin, blinzeln sie verlegen und kramen in ihren Sachen.
Komma kann weg, um evtl. hier eine Heimat zu finden
Den restlichen Tag weiß Yun[,] nichts mit sich anzufangen.
(die Infinitivgruppe ist von "Yun" abhängig, der ja im Reflexivpronomen widerscheint)

Flüchtigkeit

..., wiederspricht den beiden aber nicht.
widersprechen

Gern gelesen und genauso gern besprochen vom

Friedel

 
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Friedrichard

Hallo Friedel,
großartig, dass dir meine kleine Geschichte genug Futter gibt, um dich ein zweites Mal zur ihr zu äußern.

Da meine ich vorschlagen zu müssen (oder doch eher nur ein "dürfen") - ohne dass irgendwer es gutheißen müsste - , den Titel in "Kotau" umzuwandeln, ist doch neben Japan auch Korea ein Produkt chinesischer Kultur und der Kotau eine auf Knien vollzogene Verbeugung, bei der die Stirn den Boden berührt, wiewohl der Kotau durchs Sichniederwerfen vor der Gottheit oder ihrer irdischen Stellvertreter noch erniedrigender ist.
Schöne Idee und sehr bezeichnend für den Hintergrund der Geschichte. Mit dem fremdsprachigen Titel hätte ich allerdings auch eine ganze Menge an kritischen Kommentaren bekommen. Und so richtig stimmig mit Yuns Vorstellung von der Siegerehrung, wäre das Bild für den Leser(und für mich) nicht.


Also: Warum etwas Vergängliches wie Nordkorea für eine Geschichte aus Kafkanien oder Kafkanistan nehmen, die zudem nahe der "Strafkolonie" endet - das einiges länger schon existiert und weiter existieren wird.
Hm, ist das eine Frage, warum die(!) wegen ausgerechnet eine Geschichte über einen Sportler in Nordkorea erzählt? :schiel:


Darum relativieren sich auch die würde-Konstruktionen für mich.
Warum nicht Futur statt der sprachlichen Wahrscheinlichkeitsrechnung bei einem Geschehen, dass sich immer wieder wiederholen wird,
Auch hier Friedel, muss/möchte ich nachfragen. Sind das (sehr richtige) kontemplative Gedanken oder rätst du mir den Text zu ändern, z.B. „Vor ihm wird er sich so tief verbeugen, …“ ?


Vor ihm würde er sich so tief verbeugen, wie nie zuvor in seinem Leben.
Nein, er wird sich verbiegen!, wie auch jeder, der allein oder mit einer kleinen Gruppe auf deutschen Fußballplätzen in einen Trupp Hooligans, Pegida oder sonstigen Mob gerät, denn nicht jeder taugt zum Märtyrer.
Bis seine Nase die Knie berührt.
Noch tiefer: Bis die Stirn den staubigen Boden berührt! Und der Vergötterte stellt noch einen (vielleicht sogar gestiefelt und gespornten) Fuß auf den Hinterkopf, um die Erniedrigung zu feiern.
Die Vorstellung füllt Yuns Brustkorb mit Wärme, ehe ein Krächzen in der Tonbandschleife ihn aus seinem Tagtraum reißt.
Und die übt dem Volk Neusprech ein, wie das Simsen das kurze Wort und die bellende Aküspra.
Ohne die Anweisungen seines Trainers kann er nicht beginnen.
Jeder braucht einen Platzanweiser und Flüsterer, die Weisheit des Großen Bruders.
Die anderen stoppen ihn mit scharfen Blicken.
Soziale Kontrolle. The lonely crowed des außengeleiteten Menschen, die peer-group als gesellschaftstragende Säule.
usw., usf.
Du, ich freu mich total, dass du diese Stellen in meinem Sinn verstanden hast.

Sonstiges,
zunächst die Frage hierzu
Einen Moment lang steht Yun an der Bande und spurt mit seinem Blick die Furchen nach
bzgl. des spurenden Blicks, der wohl die Spur vorwegnehmen will, aber zugleich die andere Seite des Verbes "spuren" als - ich zitier Duden.de - "sich beugen, folgen, sich fügen, gehorchen, Gehorsam leisten, gehorsam sein, jemandes Anordnungen entsprechen/nachkommen, nach jemandes Pfeife tanzen, parieren, sich unterordnen, sich unterwerfen; (gehoben) willfahren; (umgangssprachlich) hören; (Papierdeutsch) Folge leisten", aber auch "(Skisport) eine Spur anlegen, eine Spur ziehen".
Letztendlich half Yun alles spuren nicht. Was war deine Frage hierzu?


Dieser hatte während des Verhörs seine Absicht bestätigt, nach den Wettkämpfen in Pyeongchang nicht wieder zurück zu kommen.
zurückzukommen, zurückkommen ein Wort
Danke.
Zusammenschreibung muss noch öfters gepflegt werden, wie hier
Yun steht ganz oben, um die verdiente Medaille entgegen zu nehmen.
"entgegenzunehmen"
Danke.

Die trockenen Lippen reißen auf, als Yun sie aufeinander presst.
Aufeinanderpressen
Hm, das habe ich auf einen Kommentar hin getrennt. Hätte ich da besser nicht spuren sollen?

..., nach den Wettkämpfen in Pyeongchang nicht wieder zurück zu kommen.
Zurückkommen
Hey, Fehler doppelt listen ist unfair. ;)

… Danke auch für die anderen Korrekturen.


Lieber Friedel,
deine Ausführungen zu den Wortbedeutungen, auch in Bezug auf das Sujet, fand ich spannend und danke dir dafür. Als bei der letzten Überarbeitung der Straucheibisch dazu kam, dachte ich an dich. Dein Durchleuchten der gewählten Wörter und Namen hat mich sensibilisiert, beim Schreiben auf solche Details zu achten. Vielen Dank für deinen Kommentar und wärmende Grüße.
wegen

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey, Fehler doppelt listen ist unfair

So ist die Welt,

liebe wegen,

aber sollte man nicht immer wissen, was ein Wort bedeutet? Aber ich weiß ja, dass es mich auch gelegentlich überkömmt.

Aber um auf Korea zu kommen: Während der Spiele wurden Landsleute von uns gefragt, wie wir das mit der Wiedervereinigung gemacht hätten ... und ist nicht die Teilnahme der Geschwisterstaaten der erste Schritt? Nun, vielleicht denkt man wie Beckenbauer zur WM 1990, dass die gemeinsame Fußballmannschaft auf Jahrzehnte den Fußball bestimmen würde. Naja, statistisch hat er alle 20 Jahre ziemlich recht.

Tschüss

Friedel

 

Hey wegen,


ich gehe gleich mal in den Text.

Vor ihm würde er sich so tief verbeugen, wie nie zuvor in seinem Leben. Bis seine Nase die Knie berührt. Die Vorstellung füllt Yuns Brustkorb mit Wärme, ehe ein Krächzen in der Tonbandschleife ihn aus seinem Tagtraum reißt. Fast hätte er seine Station verpasst. Auf dem Weg vom U-Bahnhof zum Eisstadion schmerzt sein rechter Fuß wieder. Niemals würde er gegenüber seinem Trainer oder den anderen ein Wort darüber verlieren. Sie sollen nicht befürchten, er würde an ihrem wichtigsten Tag scheitern.
Du verwendest im ersten Abschnitt zu viele Würde-Konstruktionen und Pp für meinen Geschmack -
könntest das sicher eleganter lösen.
Das Krächzen in der Tonbandschleife konnte ich nicht richtig einordnen, die Station in Folge auch nicht, erst der darauf folgende, zweite Satz gibt Aufschluss. Ich würde Yun klarer verorten, ich sehe keinen Mehrwert darin, so kryptisch vorzugehen. Vllt. Durchsage und Haltestelle?

... und spurt mit seinem Blick die Furchen nach.
Das Pp finde ich wieder vermeidbar, zudem hätte ich eher eine glatte Eisfläche erwartet - es ist ja sonst niemand in der Halle. Er könnte in Gedanken Elemente der Kür durchgehen (Einkunstläufer, nicht?), den "Königssprung", Dreifach-Axel, whatever. Vielleicht hat er z. Zt. Probleme damit, weil der Fuß ja Scherereien macht (dann hättest du noch 'ne Brücke mit drin). Nur mal so als Idee.

Seinen Augen gehen wieder zur Uhr über dem Eingang. Ohne die Anweisungen seines Trainers kann er nicht beginnen.
Da stimmt was nicht, und mMn verwendest du jetzt eindeutig zu häufig das Pp.
Dass die Augen zur Uhr gehen ... Mja, kannst du besser, denke ich.

Die anderen stoppen ihn mit scharfen Blicken.
Das suggeriert, er hätte sonst noch mehr erzählt - ich denke aber, er hat bereits erzählt, was es zu erzählen gab, nicht? Vielleicht strafen ihn die anderen einfach mit Blicken ab. Oder du schreibst das ganz um, um nicht wieder was mit "Blick" zu schreiben.

Den restlichen Tag weiß Yun nichts, mit sich anzufangen.
Komma kann (muss?) weg.

Er könnte seine Eltern besuchen. Sie hatten sich lange nicht mehr gesehen.
Der Bezug ist unsauber.

Sie würden sich bloß sorgen und sich Gedanken über sein versäumtes Training machen.
Ich würde mich entscheiden, wirkt irgendwie doppelt gemoppelt.

In der Nacht kommt wieder der Traum.
Unschön.

Yun steht ganz oben, um die verdiente Medaille entgegenzunehmen. Der Stolz nimmt ihm fast den Atem. Doch niemand sonst ist da. Das Dreistufenpodest steht inmitten von tiefgrün leuchtenden Reisfeldern.
Gerade bei so kurzen Texten würde ich WW vermeiden.

Yun sieht einen Reiher durch die Luft gleiten, in manchen Nächten ist er selbst der Reiher, und hört die Zikaden. Dann wird das Zirpen dumpfer und lauter. Mit schlaftrunkenem Blick öffnet er die Tür und sieht sich zwei Uniformierten gegenüber, die ihn mit kühlem Blick auffordern, ihnen zu folgen. Yun kann sich die Anweisung nicht erklären, widerspricht den beiden aber nicht.
...

Die trockenen Lippen reißen auf, als Yun sie aufeinanderpresst. Sechs Tage ist er bereits in dieser Zelle mit einer Liege und einem schmalen Fenster und wartet.
Unschön. Also verwende doch lieber ein starkes Verb bzw. lasse ihn doch gleich warten.

Der breit gefächerte Riss an der Wand erinnert ihn an den Straucheibisch vor dem Haus seiner Eltern. Seine Familie war nie besonders wohlhabend. Aber das Einkommen seines Vaters reichte aus, für einen Kühlschrank, einen Fernseher und seine ersten Schlittschuhe. Der kostbarste Besitz der Familie war die Parteimitgliedskarte seines Vaters.
Da stimmt was nicht.
Exemplarisch nochmals der Hinweis auf die vielen Pp.

Die Wörter überschlagen sich auf dem Weg von Yuns Ohren in seinen Kopf. Der Beamte rattert seinen Text kühl runter. Der Tatbestand gelte durch Zeugenaussagen und dem Geständnis seines Trainers als erwiesen. Dieser hatte während des Verhörs seine Absicht bestätigt, nach den Wettkämpfen in Pyeongchang nicht wieder zurückzukommen. Yun schmeckt Blut. Noch am selben Tag werde er seine Strafe von sieben Jahren Arbeitslager antreten.
Yun steht kerzengerade und sagt kein Wort. Sein Atem verlässt stoßweise die Nase. Er starrt durch die Gitter seiner Zellentür auf die großen Porträts am Ende des Flurs und verfällt in tiefe Traurigkeit.
...

Er starrt durch die Gitter seiner Zellentür auf die großen Porträts am Ende des Flurs und verfällt in tiefe Traurigkeit.
Ich würde den letzten Satz nochmals überdenken. Ohne diese Traurigkeit gewänne der Schluss noch eine schöne Portion Kühle und Distanz. Er könnte sich auch überlegen, ob er selbst doch etwas falsch gemacht hatte, oder ob jemand etwas vom verletzten Fuß mitbekommen hatte ;). Das wäre fies, würde vllt. noch mehr Unverständnis bewirken und das Brainwashing andeuten ... Nur mal so als spontaner Einfall.


Also, wegen, jetzt habe ich 'ne Menge an Kritik für so einen kurzen Text im Schlepptau (oder gerade deswegen) - so viel dann aber doch nicht, wiederholt sich das meiste ja nur.
Abgesehen davon hat mir der Text gut gefallen, ich mag es, dass du dich als Autor positionierst, ohne auf den ersten Blick allzu wertend zu sein - es wirkt, als bildest du einfach ab und ließest den Text als solchen sprechen. Und er spricht, ist dir wirklich gut gelungen, finde ich. Er regt auch zum Nachdenken an, ja, wenngleich diese Gedanken keine neuen Wege nehmen müssen, was ja auch nicht sein muss.
Sprachlich könntest du noch etwas nachlegen, letztendlich sind es aber nur Kleinigkeiten, die mir negativ aufgefallen sind, also keine große Sache ...
Fazit (en gros): Hab ich sehr gerne gelesen.


Vielen Dank fürs Hochladen

hell

 
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Friedrichard

aber sollte man nicht immer wissen, was ein Wort bedeutet?
Unbedingt! Ich bin klar dafür, nur Wörter in seinem Text zu verwenden, deren Bedeutung man kennt. Ohnehin bin ich der Meinung, dass es sich ein Autor nicht leichter macht, wenn er über seine sprachlichen Fähigkeiten hinaus schreibt. Das versuche ich auch selbst einzuhalten. :lol:
Aber ich meine es gibt einen Unterschied zwischen dem notwendigen Wissen um die Bedeutung und dem Backgroundcheck à la Friedel. Und gerade bei kürzeren Texten erscheint es mir machbar und zielbringend unter den Wörtern mit der "richtigen/passenden" Bedeutung eines zu wählen, was den Leser evtl. dazu bringen kann, in anderen Bahnen zu denken. Das finde ich erstrebenswert. Verstehst du, was ich meine?

Oder wolltest du mir sagen, dass du die Worte Verbeugung und spuren im Text falsch verwendet findest und hast ihre Bedeutung deshalb ausführlich beschrieben? :schiel:

Viele Grüße
wegen


hell: Ich komm später zu deinem Kommentar. Danke dir schon mal! VG

 

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