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Die Wache

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30.01.2006
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Die Wache

Die Nacht brach herein. Die Hörner erklangen und die Schlachtgeräusche verstummten allmählich. In der Südmauer klaffte ein neues Loch. Doch kaum waren die letzten Krieger teils humpelnd, teils mitgeschleppt von ihren Kameraden, verschwunden, fanden sich die Steinmetze ein, das durch die Belagerer aufgebrochene Gestein auszubessern. Allerdings fiel ihre Arbeit von Nacht zu Nacht schlampiger aus – die vielen durchgearbeiteten Nächte und schlaflosen Tage forderten ihren Tribut.

Quentin hatte für diese Nacht eine vergleichsweise einfache Aufgabe erhalten. Er saß vor einer kleinen Holztür auf der Rückseite der Stadt, wo die Mauer direkt an die steile Küste grenzte. Besucher vermuteten oft, die ganze Stadt sei dem Felsen entwachsen. Die Einheimischen jedoch wussten, dass dem mitnichten so war – hatten doch viele ihrer Vorfahren den Tod beim Bau von Enual gefunden. Und selbst von den Einheimischen wussten nur sehr wenige, dass die plumpe Holztür, vor der Quentin nun seine Nachtwache antrat, zu mehr zu gebrauchen war, als den Abfall der Stadt in den Abgrund zu werfen. Ein schmaler Pfad wand sich entlang der Küste und er endete gut zwei Meter unter besagter Tür. Mit einem Seil konnten Besucher von oben in die Stadt gezogen werden – wenn Sie denn den Pfad bezwangen.

In den letzten zwei Wochen war das niemandem gelungen. Die Belagerer hatten jeden umgebracht, der es hätte versuchen können. Seufzend wandte sich Quentin dem brutzelnden Fleisch über dem Lagerfeuer zu. Zwar hatte er heute Nacht keinen schweren Dienst vor sich, aber ein Besuch in der Taverne und ein paar nette Mädchen wären ihm lieber gewesen. Die glühenden Holzscheite zischten, als etwas von Quentins Abendessen hineinfiel. Missmutig stocherte er mit seinem Schwert in der Glut, bis er den Finger gefunden hatte. Er hatte den Dreh immer noch nicht richtig raus. Auf die Finger, die seine Kameraden als Delikatesse zu schätzen gelernt hatten, musste er stets verzichten. Immer ließ er sie verkohlen, bevor der Rest des Unterarms durchgegart war.

Am Anfang hatte es noch Widerstand gegen den Erlass des Herzogs gegeben. Vor allem die Frauen weigerten sich, das Fleisch der Gefallenen zuzubereiten oder zu essen. Auch wenn nur die Leichen der Besatzer verzehrt werden sollten (wobei Quentin nichts dagegen gehabt hätte, seinen fetten, nichtsnutzigen Schwager zu grillen): Überwindung hatte es sie alle gekostet. Aber irgendwann machte jeder mit und der Geschmack war nicht schlechter als der der Ratten, die sie zuvor gejagt hatten, um den Hunger zu vertreiben.

Und so stellte Quentin erfreut fest, dass die Finger zwar wie immer ungenießbar, der restliche Arm des feindlichen Bogenschützen jedoch zum Verzehr bereit war. Gerade, als Quentin seine Zähne in das heiße, saftige Fleisch graben wollte, erklang eine Stimme von der anderen Seite der Tür.

„Hallo? Ist da jemand? So lasst mich doch ein!“

Etwas missmutig legte Quentin sein ersehntes Abendessen beiseite und entriegelte die Tür. Vorsichtig schielte er über den Rand der Klippe.

„Ah, da ist ja doch jemand. Nun lasst mich schon rauf!“

Die Selbstverständlichkeit, mit der die unscheinbare Person auf dem Felsvorsprung unter ihm Einlass forderte, verblüffte Quentin. Zudem schien die junge Frau nicht ein bisschen erschöpft zu sein – und das, obwohl sie mindestens zwei Tage mühseligste Kletterei hinter sich haben musste.

„Nun mal langsam. Bevor ich Euch hier hoch helfe, müsst Ihr mir schon die ein oder andere Frage gestatten!“
Quentin zupfte nervös an seiner Uniform herum.
„Wie lautet Euer Name?“

„Mein Name?“
Die Frau auf dem Absatz unter ihm klang belustigt.
„Komm schon Bursche, du kennst mich doch. So viele Wochen war ich dir eine treue Begleiterin, bevor euer Herzog mich aus der Stadt warf, dieser gierige Bastard. Sieh mir einmal in die Augen und sag mir dann noch einmal, dass du meinen Namen nicht kennst.“

Verdutzt beugte sich Quentin noch ein wenig weiter über die Kante und starrte hinab in die schwarzen, großen Augen der Fremden. Die Leere in ihnen hatte eine Art grausame Faszination für Quentin. Mit jeder Sekunde, die er in ihre Augen starrend verharrte, spürte er eine Sehnsucht, die sich langsam von seinem Kopf aus im ganzen Körper auszubreiten schien. Gleichzeitig drang ihm intensiv der Geruch seines Abendessens in die Nase und sein Magen begann sich zu verkrampfen und knurrte wie ein ausgehungerter Bär. Trotz diesem Verlangen, dass sich langsam in all seine Gedanken schlich, kam Quentin nicht darauf, was die Fremde meinte. Woher sollte er sie kennen? Erst als sein Magen sich derart verkrampfte, dass er stöhnend auf die Knie sank und die Erinnerung an die Zeit vor dem Erlass des Herzogs vor seine Augen trat, wusste er, mit wem er es zu tun hatte.

In seinen Gedanken sah Quentin alles nur wieder allzu deutlich vor sich: Die dünnen Arme und beine der Kinder, mehr dürre Hölzer als kräftige Gliedmaßen. Die ausgemergelten Gesichter der Alten, die verzweifelten Blicke der Mütter, die keine Milch mehr hatten für ihre Neugeborenen. Und in all diesen Bildern fand sich nun -wieso hatte er das nur früher nie bemerkt - im Hintergrund die Fremde, die hier um Einlass bat.

„Du bist der Hunger!“, keuchte Quentin schließlich außer Atem, nachdem es ihm gelungen war, den Blick zu lösen.

„Ach, wie nett. Der Hunger, schon klar. Die Brüste hab ich heute nur zum Spaß. Es heißt die Hunger, wann lernt ihr ignoranten Menschen das endlich? Die Sehnsucht nach Essen, die Gier nach Fleisch, die Lust auf Süßigkeiten, die Völlerei! Es ist kein Zufall, dass ihr Männer mich zuweilen auch verspürt, wenn ihr die hübschen Mädchen seht. Hunger ist weiblich.“

Sie formte mit ihren Lippen einen Schmollmund und schien tatsächlich beleidigt zu sein.

„Entschuldige bitte“, rief Quentin zu ihr hinunter, „natürlich hast du Br..., ähm, bist du weiblich, bitte verzeih mir.“

Als er sich halbwegs gefangen hatte, fiel ihm jedoch seine eigentliche Aufgabe wieder ein.

„Warum sollte ich ausgerechnet Hunger zurück in die Stadt lassen, kannst du mir das mal erklären? Es tut mir ja leid, aber auf deine Gesellschaft können wir hier sehr gut verzichten! Und überhaupt: Wir haben genug zu essen, was willst du hier?“

„Ach Junge“, seufzte Hunger und ließ sich mit einer eleganten Bewegung in den Schneidersitz nieder. Der kalte Wind, der die Felswand entlangpfiff, schien sie nicht im Geringsten zu stören.

„Ich habe es ja versucht, da draußen, bei den Zelten eurer Belagerer. Aber die leben im Überfluss! Eure Bauern haben genügend Tiere und Feldfrüchte zurückgelassen, da wird für mich auf Wochen nichts zu holen sein. Naja, und ich kann meinem Bruder ja nicht alles durchgehen lassen...“

„Deinem Bruder?“ Quentin war entsetzt. „Und wer soll das bitte sein?“

„Der Wahnsinn natürlich“, sagte Hunger mit einer Gelassenheit, die bei Quentin das Fass zum Überlaufen brachte.

„Weißt du was? Ich rede nicht mehr mit dir. Hunger, dass ich nicht lache. Bestimmt bist du eine Hexe, die der Feind hierher geschickt hat, um mich zu verwirren.“

Er wollte gerade die Tür zuschlagen, als ihre flehende Stimme sein Ohr erreichte: „Besinne dich doch! Denk doch einmal daran, wie ihr seit Tagen euren Hunger stillt. Denkst du wirklich, der gutmütige Herzog hätte jemals ein solches Gesetz erlassen, wenn nicht mein Bruder sein Berater wäre? Und alles nur, um mir eins auszuwischen. Er macht das ständig, weißt du? Andauernd hängt er sich an mich ran. Er nutzt es aus, dass ich eure Gedanken ein klein wenig an meine Struktur anpasse - ich bin für ihn nicht mehr als ein blöder Hintereingang zu eurem Bewusstsein.“

Quentin ließ die Tür einen Spalt offen, aber obwohl Hunger regelmäßig nach ihm rief, brauchte er doch ein wenig Zeit, um nachzudenken. Schließlich öffnete er wortlos die Tür und ließ ein Seil hinab. Sie wog fast nichts, schon nach kurzer Zeit stand er ihr direkt gegenüber, wobei er vermied, ihr in die Augen zu sehen.

„Ich habe dich eingelassen, obwohl du nichts Gutes für uns bedeutest, willst du mir auch einen Gefallen tun?“

Drei Tage später wurde die Belagerung Enuals abgebrochen, nachdem das Söldnerheer vor der Stadt von einer unglaublichen Insekten- und Rattenplage heimgesucht worden war. Gierig hatten sich die Tiere auf alles gestürzt, Lebensmittel waren unbrauchbar geworden durch ihren Kot und die Söldner waren entstellt durch die Stiche tausender Mücken und Wespen. Das Lager wurde förmlich überrannt von hungrigen Tieren aller Art.

Nachdem der Feind abgezogen war, wurden die Tore Enuals geöffnet, um den Bauern die Heimkehr auf die zerstörten Höfe zu ermöglichen. Die ersten, die die Stadt verließen, war ein fröhliches Geschwisterpaar, dass einen Siegesmarsch pfeifend dem Heer hinterherzog, während in der Stadt gefeiert wurde und der Herzog mit Schamesröte im Gesicht den Verzehr von Menschenfleisch verbot.

Quentin saß nachdenklich auf der Stadtmauer und hoffte, dass er so schnell niemanden mehr aus Hungers weitläufiger Verwandtschaft kennenlernen würde.

 
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Hallo penny_lane,

fanden sich die verbliebenen Handwerker ein, dass durch die Belagerer aufgebrochene Gestein zu erneuern.
das

wo die Mauer direkt an die steile Küste zu grenzen schien. Fremde hatten schon oft geäußert, es scheine so, als sei die ganze Stadt dem Felsen entwachsen. […] als den Abfall der Stadt in den Abgrund zu werfen. […]Mit einem Seil konnten Besucher von oben in die Stadt gezogen werden […]und entriegelte die Tür. Vorsichtig schielte er über den Rand der Klippe.
Ein Schwachpunkt der Geschichte: Ich habe während des Lesens eine ganze Weile gerätselt, wie jetzt die Position der Stadt ist.
Das muss eingängiger gehen!

legte Quentin sein ersehntes Abendessen bei Seite und
beiseite

DER Hunger, schon klar.
Großbuchstaben sind unschön, haben immer was von schreien, setz doch kursiv.

Br.., ähm
Zwei Punkte gibt's nicht

der die Felswand entlang pfiff
entlangpfiff

da draußen, bei den Zelten eurer Belagerer. Aber die leben im Überfluss! Eure Bauern hatten so viele Vorräte eingelagert, da wird für mich auf Wochen nichts zu holen sein.
Hier hab ich auch gestockt. Bauern lagern ein? Ich glaub eher, das wird gleich in dieStadt gebracht, und da verkauft oder eingelagert.

habt ihr ja schließlich auch rein gelassen..“
reingelassen; zwei Punkte...

pfeifend dem Heer hinterher zog
hinterherzog

So. Ich fand das interessant, Hunger und Wahnsinn zu personifizieren, obwohl das Bild nicht so ganz gelungen ist, weil sich diese Dinge an mehreren Orten gleichzeitig ausbreiten können (und auch tun) und nicht erst irgendwie eingelassen werden müssen. Aber war mal was Neues.
Was mich gestört hat, war die Einbindung des Ganzen. Zuerst schilderst du alles möglichst realistisch mit Kampf, Position der Stadt, Not, die Wache usw., und dann driftest du in dieses Märchenartige ab, und die Wache wundert sich nicht mal, als die Frau sich zu erkennen gibt.
Ich finde, das passt nicht recht zusammen. Ein durchgängiger, märchenhafterer Stil wäre m.E. für die Story angemessener.

Viele Grüße,
Maeuser

 

Hallo Maeuser!

Erst mal Danke für die Korrekturhinweise, habe die Rechtschreibfehler gleich rausgenommen (selbst 5-maliges Nachlesen hat nicht geholfen...).

Großbuchstaben sind unschön, haben immer was von schreien, setz doch kursiv.

Ich mag kursive Schrift nicht besonders, das liest sich meiner Meinung nach nicht so schön. Den Einwand mit den Großbuchstaben kann ich trotzdem verstehen, ich hab's jetzt mal mit Fettschrift versucht.

Ansonsten kann ich nur sagen, dass ich mit der Geschichte selbst noch nicht recht zufrieden bin, aber mir spukt diese Idee vom Geschwisterpaar Hunger und Wahnsinn schon länger im Kopf herum.

Vielleicht sollte ich das Ganze noch einmal aus einer anderen Perspektive angehen.

Vielen Dank für die konstruktive Kritik!

Penny

 

Hallo Penny!

Nur kurz vom Drüberscrollen: Fettdruck wirkt irre aufdringlich (als hätte der Text Masern). Kursiv ist nunmal Standard, das versteht der Leser, nimmt es einfach als das, was es darstellen soll: als Betonung.

Grüße
Chris

 

Hallo Ymm!

erst einmal Danke für die Kritik, auf vielfachen Wunsch habe ich jetzt auch Kursivschrift verwendet.

Außerdem habe ich die Stelle, an der Quentin kapiert, mit wem er es zu tun hat, gehörig überarbeitet.

Ich denke, so wirkt das Ganze nicht mehr allzu abstrus.

Grüße,

Penny

 
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Hallo penny_lane,

Ich fand die Geschichte uneinheitlich, stilistisch schwach und darum nicht sehr erfreulich.
Die Personifizierung von Hunger und Wahnsinn ist nicht neu, vor allem nicht in Kriegs-, Krankheits- und Endzeitgeschichten. In der Bibel gibt es die Apokalyptischen Reiter, der dritte und vierte decken Hunger und Wahnsinn ab.
Der Stilbruch, der schon in einem Vorkommentar erwähnt wurde, macht meiner Meinung nach den Inhalt kaputt. Die Sprache wird zwar schon vorher einleitend angeflapst, so daß ich schonmal mit Stirnrunzeln anfangen konnte, aber dann kommt wieder eine bierernste Szene mit Magenkrämpfen und verhungernden Kindern ... Jedenfalls, sowas Albernes

„Ach, wie nett. Der Hunger, schon klar. Die Brüste hab ich heute nur zum Spaß.
hatte ich nicht erwartet. Und dann noch die Art von Fantasyhumor, die mir nicht gefällt. Elfen mit Blähungen, Götter mit Potenzproblemen, Hunger mit Brüsten: Sowas verzeihe ich Pratchett, wenn es als kleiner Teil einer großen Geschichte daherkommt. Hier fand ich es nur platt. Ist ja nicht so, daß der philosophische, esoterische oder sonstwie tiefschürfende Aspekt dieser Aussage glaubwürdig präsentiert oder für die Geschichte wichtig wäre. Das wird so nebenher abgeflapst. Humorige Redebegleitsätze und unnötige Erklärungen wie diese hier

Die Frau auf dem Absatz unter ihm klang belustigt.
keuchte Quentin schließlich außer Atem, nachdem es ihm gelungen war, den Blick zu lösen.
Sie formte mit ihren Lippen einen Schmollmund und schien tatsächlich beleidigt zu sein.
Nun war Quentin doch ein wenig beleidigt. Man wird ja nicht alle Tage von einem vermeintlich personifizierten Gefühl als Narr beschimpft.
Hunger musterte Quentins ratloses Gesicht
Quentin war wirklich ziemlich durcheinander.
Sie grübelte und setzte schließlich zu einer Erklärung an, die der einfache Soldat verstand:

könntest Du genausogut ersatzlos streichen. Die strecken nur den allerschwächsten Teil der Geschichte, und: Getletenel Qualk wild bleit, nicht stalk, sagt ein altes chinesisches Sprichwort.

Zum Plot: Ich finde, Hunger macht da Aussagen, die zwar klangvoll ... äh ... klingen wollen, deren Sinn sich mir aber nicht erschließt. Nun sollte man ja meinen, daß Hunger logische Aussagen trifft, immerhin geht es um das Fleisch. Was will aber das bedeuten?

"Hast du schon mal etwas von multiplen Persönlichkeiten gehört? (...) Wohl eher nicht (...)Stell dir einmal vor, ich hätte Schwestern. Viele Schwestern. Aber wir teilen unsere Gedanken miteinander. Ist kompliziert. Und immer da, wo jemand Hunger hat, ist auch eine meiner Schwestern. Beziehungsweise, dort wo wir sind, bekommt jemand Hunger. Oder auch nicht. Hängt davon ab, ob die Menschen uns hereinlassen oder nicht."
Sie hätte? Was soll an diesem Bild einfach sein? Da sind viele Worte, aber kein Bild. Die sind also manchmal auch zuerst da, und dann kriegt jmand Hunger? Aber nur, wer sie einlässt? Man muß den Hunger also zulassen, richtig? Und die Lust auf Süßigkeiten und die Gier nach Fleisch! Verstockte lernen beim Therapeuten in zwanzig Hypnosesitzungen in vier Fastenwochen, ihre Hungerblockaden zu überwinden und sich auch mal richtig unterzuckert zu fühlen (Kost und Logis im Preis inbegr.)-
Entschuldigung, ich neige zu Unsachlichkeiten, ist ja auch kompliziert, aber ich bin nah am Thema. :D

Quatsch! Hältst du mich wirklich für so blöd, dass ich mich jedem Menschen einfach zeige? Normalerweise nimmst du mich als Person gar nicht wahr. Weil ihr Narren ja immer viel zu sehr mit euch selbst beschäftigt seid. Ganz selten kapiert ihr mal, wenn mein Vetter Tod vor euch steht - aber das war dann wohl eine sehr späte Erkenntnis, die nützt euch dann auch nichts mehr."
Hier dachte ich auch sofort: Was für ein Quatsch. Den Hunger nicht wahrnehmen, weil man mit sich selbst beschäftigt ist ... Richtiger Hunger betrifft die ganze Person und löscht alles andere aus, wenn man nicht nebenher noch einen Bauchschuß abkriegt oder sowas. Ob das jetzt der Hunger oder der Hunger als Person sein soll: Unerheblich, denn da wird ja kein Unterschied gezeigt.

Du kannst mir sagen, das sei nicht so auf Logik getrimmt, immerhin habe Hunger ja auch Brüste! Außerdem streitet sie mit Wahnsinn, sie streift lange in einem Lager herum, in dem sich alle fröhlich sattessen, ein Mensch lässt sie beim Abendessen herein, danach wird in der Stadt aber nicht gehungert, die Belagerung endet auch nicht durch das Ende des herzöglichen Wahnsinns (Kapitulation, Zaubertrick, Nächtliche Volksflucht durch vergessenen Geheimgang, Diplomatie o.ä), sondern durch Insekten bei den Belagerern: Ein kleiner Gefallen von Hunger mit Brüsten für den einfachen Soldaten beim Grill, denn ohne dessen Doofheit wäre diese Wahnsinnsmacht (mit Brüsten) ja nicht durchs Tor gekommen ...

Logik ist kein allumspannendes Gerüst, das man entweder als Aufhängung benutzt oder nicht. Vernachlässigte interne Logik lässt sich nicht verbergen. Selbst wer beim Lesen damit nicht übermäßig kritisch ist, wird den Mangel spüren: Die Geschichte schwächelt. Trägt nicht, zieht nicht, bleibt nicht im Kopf wie eine, die stimmig ist. Das gilt vor allem für phantastische oder groteske Handlungen. In Märchen reden Tiere, wachsen Zöpfe vom Turm bis auf den Boden und leben Menschen in Glasbergen, und balkendicke, archaische Logik hält das zusammen und macht es nachvollziehbar.

Mich störten auch ganz viele Kleinigkeiten. Ein paar davon werd ich Dir noch rauspicken und erklären, über was ich gestolpert bin.

Die Nacht senkte sich gnädig wie eine dunkle Decke auf das geschundene Land.
Wetten, genau diesen Satz (mit einem, zweien oder allen drei Adjektiven) gibt es schon hundertmal? Der ist völlig abgegriffen. Da würde ich schon aus Trotz sowas Ehrliches wie "Es wurde dunkel" oder "Der Tag war vorbei" lieber schreiben.

fanden sich die verbliebenen Handwerker ein, das durch die Belagerer aufgebrochene Gestein zu erneuern.
Aufgebrochenes Gestein erneuern? Mit ganz neuem Gestein? :D
Die reparieren die Mauer, nehme ich an. Mauern das Loch zu. Ersetzen rausgebrochene und kaputte Steine. Eine Mauer ist kein Gestein, und beim Reparieren wird nicht gesteinmetzt, sondern gemörtelt.
Das Fette ist überflüssig, weil logisch.

wo die Mauer direkt an die steile Küste zu grenzen schien.
Grenzt sie oder grenzt sie nicht? Wieso scheint die zu grenzen? Wem?

Fremde hatten schon oft geäußert, es scheine so, als sei die ganze Stadt dem Felsen entwachsen.
Das ist auch schwach. So viel Distanz zu einem eigentlich eindrucksvollen Bild. Fremde hatten oft geäußert, es scheine: Das klingt wie in Kontaktanzeigen: Manche haben manchmal gemeint, ich könne supertoll aussehen.

Mit einem Seil konnten Besucher von oben in die Stadt gezogen werden – wenn Sie denn den Pfad bezwangen.
In den letzten zwei Wochen war das nicht mehr der Fall gewesen.

Der Fall? Mir klingt das alles komisch. So umständlich! Hohes Gericht, wir haben hier den Fall, daß Besucher von oben, wenn sie den Pfad bewingen, mit Seilen in die Stadt gezogen werden können. Warum nicht einfach schreiben, was Sache ist? Seit zwei Wochen kommt kein Besucher mehr, weil alle tot sind. Hier muß man erstmal rätseln, ob keiner mehr den Pfad bezwungen hat oder keiner mehr hochgezogen werden konnte ... Verstehst Du, warum ich die Formulierung ungeschickt finde?

Die Belagerer hatten wohl jeden umgebracht, der es noch hätte versuchen können.
Klassische Streichkandidaten. Völlig überflüssig.

Er hatte den Dreh immer noch nicht richtig raus. Auf die Finger, die seine Kameraden als Delikatesse zu schätzen gelernt hatten, musste er stets verzichten. Immer ließ er sie verkohlen, bevor der Rest des Unterarms durchgegart war. (...)
Und so stellte Quentin erfreut fest, dass die Finger zwar wie immer ungenießbar, der restliche Arm des feindlichen Bogenschützen jedoch zum Verzehr bereit war.
Hä? Er mag Finger, denn er verzichtet nicht freiwillig, sondern, weil er das Fingerbraten nicht raushat. So steht das da. Und dann stellt er aber erfreut fest ... was denn? Daß die Finger verkohlt sind? Daß der Arm durch ist? Und die wichtigste Frage überhaupt: Warum läßt er die Scheißfinger nicht an dem Arm dran? Dann könnten sie nicht ins Feuer fallen. So einem Doofmann gibst Du hier die Hauptrolle ... Ein Semester am Deutschen Kugelgrill, und der hätte das drauf, aber ist ja Fantasy. :D

Vor allem die Frauen weigerten sich, das Fleisch der Gefallenen zuzubereiten oder gar zu essen.
Hehehe. Das schwächliche Weib muß erstmal an die rohe Fleischnahrung herangeführt werden. Gutes Beispiel dafür, was Füllwörter anrichten können.
Ratten, die sie zuvor gejagt hatten, um den Hunger zu vertreiben.
Mooomentmal! Ich dachte, den Hunger hätte erst der Wahnsinnige Herzog mit seinem Kannibalismuserlass vertrieben? :susp:

Ich muß jetzt aufhören und Abendessen machen. Ich hoffe, Ich konnte Dir vermitteln, wie ich die Geschichte gelesen habe, auch, wenn ich diesmal nicht Zielgruppe war. Wenn Du von meiner Kritik was brauchen kannst, freut es mich.

Gruß,
Makita.

 

Die Personifizierung von Hunger und Wahnsinn ist nicht neu, vor allem nicht in Kriegs-, Krankheits- und Endzeitgeschichten. In der Bibel gibt es die Apokalyptischen Reiter, der dritte und vierte decken Hunger und Wahnsinn ab.
Fast, nicht ganz - bis ca. 1850 war Wahnsinn als alternativer, anormaler (teils auch mystischer) Zustand angesehen, aber nicht als Krankheit diagnostiziert.
Dritter: Hunger.
Vierter: Seuche / Pest.
Bis auf den weissen Reiter stehen alle fuer den Tod.

;)

 

bis ca. 1850 war Wahnsinn
Aber jetzt ist 2011. So ein Apokalyptischer Reiten muß mit der Zeit reiten, das schließt die Erweiterung des Krankheitsbegriffs ein.
Nur durch Fortbildung und Umschulung der Mitarbeiter von Pocken auf Chemtrails und Facebook kann das Seuchen- und Apokalypsensegment sich den Anforderungen der Neuzeit stellen und sich weiterhin auf einem expandierenden Markt behaupten. :D

 

Hi Makita,

wenn ich deine Kritik mal auf einen Satz zusammenfasse, dann kommt wohl das dabei heraus:

Die Geschichte gefällt dir nicht, du findest sie albern und die Hauptfigur ist ein Vollidiot.

Ist in Ordnung, jedem das Seine. Ein paar der vielen Kritikpunkte werde ich wahrscheinlich umsetzen, andere nicht.

Trotzdem danke, dass du dir meinetwegen die Mühe gemacht hast.

Grüße,

Penny

 
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wenn ich deine Kritik mal auf einen Satz zusammenfasse
Du bist lustig. Wenn sich alles, was ich geschrieben habe, zu diesem Satz zusammenfassen ließe: Warum hab ich das nicht getan? Und was hast Du von solch einer Zusammenfassung? Hättest Du lieber nur diesen Satz gehabt?
Ach, egal. Das sind keine Fragen, die Antworten brauchen.

 

Hi Makita,

nicht beleidigt sein, aber beim ersten Lesen deiner Kritik kam es mir nun mal so vor, als wäre das die Hauptaussage.

Tatsächlich hat mir deine Kritik (und auch die von Ymm) auf jeden Fall etwas gebracht. Ich habe einige Dinge nochmals überarbeitet und den zugegebenermaßen blödsinnigen Erklärungsversuch, wieso Hunger an mehreren Orten sein kann, rausgenommen (mea culpa).

Hehehe. Das schwächliche Weib muß erstmal an die rohe Fleischnahrung herangeführt werden. Gutes Beispiel dafür, was Füllwörter anrichten können.

Wäre ich im Leben nicht drauf gekommen, danke! Im Nachhinein finde ich es richtig lustig, habe es aber gelöscht, ganz und gar.

Mooomentmal! Ich dachte, den Hunger hätte erst der Wahnsinnige Herzog mit seinem Kannibalismuserlass vertrieben?

Das hast du schon richtig verstanden, aber es steht in der geschichte ja auch nirgends, dass die Städter mit der Rattenjagd erfolgreich gegen den Hunger kämpften. Ich meine, wie viele Ratten pro Tag baucht es wohl, damit man keinen Hunger mehr hat? (Nein, ich werde es nicht ausprobieren.)

Also, zum Schluss nochmal ein großes Dankeschön für die Mühe und die konstruktive Kritik. Das ist etwas, was ich in diesem Forum wirklich zu schätzen weiß. Ich revanchiere mich bei Gelegenheit.

Viele Grüße,

penny

 

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