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Dreck und Abfall

Beitritt
19.06.2001
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Dreck und Abfall

DRECK UND ABFALL

Pater Brannigen´s Kopf lag neben mir auf dem Beifahrersitz und machte mir Vorwürfe. Ich hörte ihm nicht zu. Mich beschäftigten ganz andere Gedanken. Zum Beispiel wie ich aus dieser beschissenen Situation vernünftig rauskommen könnte. Wohin die Straße führen würde, auf der wir seit einer Ewigkeit dem Sonnenuntergang entgegen fuhren. Dieser verdammte nicht enden wollende Sonnenuntergang. Ich sah nicht nach vorn. Es war mir egal. Ich befand mich in meiner eigenen...

„Paß auf!“ schrie Brannigen´s Kopf.
„Was?“ Ich öffnete meine Augen, bremste und riß das Lenkrad um. Der Wagen drehte sich, Reifen quitschten, aber schließlich blieben wir stehen. „Scheiße.“ sagte ich.
„Du hättest sie beinahe überfahren.“ schrie Brannigen´s Kopf wütend.
Ich holte tief Luft. „Schon gut. Nichts passiert.“
„Sieh nach! Sieh nach!“
Ich drehte mich um. Auf der Straße stand ein kleines Mädchen. „Da steht ein kleines Mädchen.“ In letzter Zeit standen viele kleine Mädchen einfach so auf den Straßen. Ich zuckte mit den Schultern. „Können wir dann weiterfahren?“
„Nein!“ sagte Brannigen´s Kopf. „Du solltest nach ihr sehen.“
Ich lächelte. „Und wozu? Sie ist bestimmt so wie die anderen. Wir sollten einfach weiterfahren!“ Brannigen´s Kopf sagte nichts. „Oh Scheiße.“ Ich öffnete das Handschuhfach und nahm die Pistole. „Also gut.“ Ich stieg aus.

Langsam näherte ich mich dem Mädchen. „He, Kleines!“ rief ich. Sie stand einfach nur da. Das ist nicht wie sonst, dachte ich und blieb stehen. „Kleines?“ Und dann bewegte sie sich. Ich ging einen Schritt zurück und zielte mit der Waffe auf ihren Kopf. Die einzige Methode, um... Sie war nicht so wie die anderen Mädchen. Ich steckte meine Waffe weg und trat auf sie zu. Sie wich zurück. „Du mußt keine Angst haben.“ sagte ich leise.
„Angst?“ Das Mädchen sah mich mit fragenden Augen an.
„Ja, Angst. Weißt du was Angst ist?“
„Nein.“
Ich nickte. „Gut, das mußt du auch nicht wissen.“ Ich reichte ihr meine Hand. „Na komm. Du kannst bei mir mitfahren.“ Zögernd ergriff sie meine Hand. Wir gingen zum Wagen zurück.

„Das ist Pater Brannigen.“ sagte ich und deutete auf den Kopf. „Ich bin Jim.“ Das Mädchen sah entsetzt zu dem Kopf. Ich konnte es ihr nicht verübeln. Es war bestimmt kein leichter Anblick für sie. „He, Kleines. Und du?“
Sie sah wieder zu mir. „Was?“
„Dein Name, Mädchen.“
„Was?“
Ich zeigte auf Brannigen´s Kopf. „Brannigen.“ Dann auf mich. „Jim.“ Dann auf sie. „Und du?“
Das Mädchen überlegte.
„Hast du deinen Namen vergessen?“ fragte Brannigen´s Kopf.
„Sei ruhig!“ herrschte ich ihn an.
Das Mädchen schüttelte den Kopf und sagte leise: „Sie haben mich immer als... Dreck bezeichnet.“
„Dreck ist doch kein Name!“ sagte Brannigen´s Kopf. „Nein, so geht das nicht. Wie wäre es mit Joy? Jim? Joy ist doch ein guter Name für ein kleines Mädchen.“
„Amen!“ sagte ich. „Ja, Joy klingt doch nicht schlecht.“ Ich berührte das Mädchen am Arm. „Möchtest du Joy heißen, Kleines?“
Ihr Lächeln sagte alles.

Wir fuhren weiter, diesem verdammten Sonnenuntergang entgegen. „Was hast du auf der Straße gemacht, Joy?“ fragte ich. Bei den anderen war es immer eine Falle gewesen, die waren niemals allein. „Joy?“
„Ich stand einfach dort.“
„Einfach so?“
„Ja, einfach so.“ Sie sah aus dem Fenster. „Wohin fahren wir?“
Ich zündete mir eine Zigarette an. Scheiße, was sollte ich ihr sagen? „Tja, weißt du...“ Brannigen´s Kopf rettete mich.
„Kennst du den Garten Eden?“ fragte er Joy.
„Nein.“
„Zu diesem Ort fahren wir, Joy.“ Ich dankte ihm für diese Worte.
„Und... was ist der Garten Eden?“
Ich zog an der Zigarette und sagte: „Ein Ort nur für uns. Ein Ort, zu dem die anderen nicht gelangen können.“ Die Straße wurde etwas holpriger. Joy sagte nichts mehr, sie schien mit der Antwort wohl zufrieden zu sein. Wir drei schwiegen, während ich weiter geradeaus fuhr, wohin auch immer. Und dann sah ich den Krater. Und hielt an.

„Jim?“ fragte Brannigen´s Kopf. „Warum hälst du?“
„Warum befinde ich mich in diesem Alptraum, hm?“ entgegnete ich. „Du bleibst bei Brannigen, okay?“ sagte ich zu Joy und stieg aus.
Ich stand am Rand des Kraters und war mir nicht sicher, ob ich lachen oder weinen sollte. „Scheiße.“ murmelte ich. Ich hob eine Hand auf. „Verfluchte Scheiße!“ Ich warf sie weg. Sie waren also schon hier gewesen.
„Jim?“
Ich drehte mich um. Es war Joy, und sie hatte Brannigen´s Kopf bei sich. „Was ist das?“
Ich konnte nicht erkennen, ob sie Tränen in den Augen hatte, aber ihre Stimme zitterte. „He, Kleines. Hab keine...“ Sie ließ den Kopf fallen...
„Argh! Scheiße!“ schrie Brannigen.
Ich hob ihn auf und wischte ihm den Dreck aus dem Gesicht. „Alles in Ordnung.“ sagte ich. Dann sah ich zu Joy. Ich wußte, daß sie so etwas noch nie gesehen hatte. „Ja.“ sagte ich. „Grausam, nicht wahr?“
Fassungslos sah Joy in den Krater. „Wer hat das gemacht?“ Sie kniete sich hin und berührte einen der vielen abgetrennten Füße. „Wer hat das gemacht?“ fragte sie erneut.
Ich setzte Brannigen´s Kopf vorsichtig auf den Boden und ging zu Joy.
Sie stand auf. „Wer hat das gemacht, Jim?“
Und jetzt konnte ich ihre Tränen deutlich erkennen. „Joy.“ Ich drückte sie an mich. Ich sagte nichts mehr. Ich konnte nichts mehr sagen.
„Jim!“ rief Brannigen´s Kopf. „Jim!“
Ich ließ Joy los. „Ja?“
„Dahinten! Siehst du?“
„Ja.“ sagte ich. Ich hob ihn auf und nahm Joy an der Hand. „Wir müssen weg.“
Im Rückspiegel konnte ich die Lichter erkennen. Ich beschleunigte. Scheiße, dachte ich.
„Wenn die uns bemerkt haben, dann gnade uns Gott.“ sagte Brannigen´s Kopf.
„Amen.“ sagte ich und sah wieder in den Rückspiegel. Die Lichter kamen näher. „Scheiße!“

Wir hatten Glück gehabt. Die Lichter waren irgendwann kleiner geworden und schließlich verschwunden. Wir drei hatten uns wieder etwas beruhigt. Ich zog an der Zigarette, während sich Joy mit Brannigen´s Kopf unterhielt.
„Und dieser Garten Eden. Er ist wirklich nur für uns?“ fragte Joy.
„Oh ja. Ein Ort der Ruhe, des Friedens und Glücks nur für uns. Nur für uns, die frei von Sünde sind.“
„Frei von Sünde?“
„Ja. Wir haben uns nichts vorzuwerfen, Joy. Wir haben die Grenze nicht überschritten. Die anderen schon. Und deshalb verfolgen sie uns. Verstehst du?“
„Nein.“
Ich kurbelte das Fenster herunter und warf die Zigarette nach draußen. „Ist auch nicht so wichtig. Hauptsache, wie begegnen den anderen nicht.“ Ich sah zu Brannigen´s Kopf. „Das ist die Hauptsache, verdammt.“ Brannigen´s Kopf sagte nichts, aber ich wußte, daß er mir zustimmte. Im Rückspiegel konnte ich Joy´s Gesicht sehen. Die vielen Fragen, die sie hatte. „Ich weiß es nicht, Joy.“ sagte ich. Ich versuchte, zuversichtlich zu sein. „Ich weiß es wirklich nicht.“

Für die anderen waren wir nur Dreck und Abfall, dachte ich. Ich lächelte. Ja, das mußten wir wohl sein. Neben mir Pater Brannigan´s Kopf auf dem Beifahrersitz. Auf der Rückbank Joy, welche nur noch einen Arm hatte. Und schließlich ich, mit einem großen Loch im Bauch, am Lenkrad des Wagens.

Schweigend fuhren wir dem nicht enden wollenden Sonnenuntergang entgegen. Ob wir jemals unseren Garten Eden erreichen würden, konnte ich nicht sagen. Pater Brannigen´s Kopf glaubte fest daran. Joy war zuversichtlich. Ich aber wußte es wirklich nicht.

ENDE

copyright by Poncher (SV)

- - - - -

Sodele!

 

@Hendek:

Was bitteschön bezeichnest du hier als Eigenwerbung?

Meinst du etwa den Beitrag von Mea Parvitas?

Also wenn du mir das unterstellst, dann :mad: <IMG SRC="smilies/cwm23.gif" border="0"> <IMG SRC="smilies/madgo_ron.gif" border="0"> <IMG SRC="smilies/ak47.gif" border="0">

Klär mich bitte ganz schnell auf, daß ich falschliege!

Poncher

 

Oh Mann, dass man sich hier immer wieder erklären muss! :rolleyes: :eek:

Ich meinte lediglich deinen Freudentaummel im Chat vorgestern nacht, der mich dazu veranlasst hat, deine Geschichte zu lesen.

Ausserdem ist Eigenwerbung kursiv geschrieben, muss also nicht als solche gedeutet werden.

 

Man, das ist absolut gemein! Ponch, wo ist der Schluss, der nicht da ist? Ich will den misslungenen Schluss lesen! Eine Unverschämtheit! Ich werde überhaupt nichts zur Geschichte sagen, wenn ich den Schluss nicht lesen darf. Ponch, bitte, sag mir, wie der eigentliche Schluss war!

 

@Hendek: Okay! (Ich sag ja schon nichts mehr... :rolleyes: )

@Zaza: Reicht es dir, wenn ich sage, Itschi hat vollkommen recht gehabt? Aber nun gut, für dich tue ich (fast) alles...

Hier der blöde Originalschlußabsatz:

Bis zu dem Zeitpunkt, als die anderen uns entdeckten. Und als sie uns schließlich mit Säure überschütteten, mußte sich Pater Brannigen´s Kopf eingestehen, daß es für Dreck und Abfall wie uns keinen Garten Eden geben konnte. Niemals geben wird.

Wie Itschie schon sagte: Aufgesetzt und absolut überflüssig!

Sodele!

Ponch

 

Danke, Ponch, das fast in Klammern habe ich überlesen und jetzt muss ich erst einmal über die Geschichte nachdenken. Ich habe schon mit dem Denken angefangen. Obwohl, bevor ich mich anstrenge, hast Du Dir eigentlich, etwas bestimmtes bei der Geschichte gedacht? (Weil in einer Stunde runtergeschrieben etc.) Ich meine eine konkrete Auflösung des Ganzen. Ja?

 

Auch wenn ich es innerhalb kürzester Zeit geschrieben habe, so habe ich dennoch nicht sinnlos einfach drauflos geschrieben. Etwas habe ich mir schon dabei gedacht, das kannst du mir ruhig glauben. Es paßte einfach alles: Stimmung, die richtige Musik im Hintergrund, ein mißratener Tag, es war... perfekt!

Und als Auflösung... naja. Manchmal ist eine Auflösung nicht immer die beste... ich kann mich da nur wiederholen!

Naja...

Ponch

 

Missratener Tag? Oh, die scheinen sich aber bei Dir zu häufen. Kannst Du mit schlechter Laune besser schreiben?

 

Okay okay ... anscheinend hat mein erster Beitrag bis auf eine kleine Verwechslung (Eigenlob) kein besonderes Feedback erzeugt, deshalb noch mal die Frage an Poncher: Wie bist du dazu gekommen diese Geschichte zu schreiben bzw. wo stammen die Ideen her?

Übrigens steckt in der Fassung mit dem erweiterten Schluss die eigentliche Formulierung "Dreck und Abfall" (Titel), somit wäre es wichtig den Bezug beizubehalten, ansonsten weiß man ja gar nicht wieso die Geschichte so heißt wie sie heißt ... comprende? ;)

 

Na, das wird jetzt Hendek sicherlich freuen... es ist 0:01 Uhr, ähem... ;)

@Mea Parvitas:

Stimmt, der eigentliche Titel ist im Schlußsatz, den ich rausgenommen habe... hm, nun gut.

Du fragst, wie ich auf die Idee gekommen bin?

Hm, wie ich schon Zaza sagte, es paßte irgendwie alles. Und ich wollte was über ein paar Außenseiter schreiben. Die Ideen kommen meistens spontan, mit einigen bin auch schon gründlich baden gegangen...

Was soll ich dir jetzt genau sagen? Ich weiß es nicht! Tut mir leid!

Poncher

 

Original erstellt von Poncher:
<STRONG>

@Mea Parvitas:

Du fragst, wie ich auf die Idee gekommen bin?

Hm, wie ich schon Zaza sagte, es paßte irgendwie alles. Und ich wollte was über ein paar Außenseiter schreiben. Die Ideen kommen meistens spontan, mit einigen bin auch schon gründlich baden gegangen...

Was soll ich dir jetzt genau sagen? Ich weiß es nicht! Tut mir leid!

Poncher</STRONG>


Also zum Beispiel Brannigan's Kopf, den fand ich schon mal sehr charismatisch. <IMG SRC="smilies/cwm20.gif" border="0">

Und dass ich so nachbohre wie du auf das Ganze gekommen bist nimm mir bitte nicht übel ... Ich habe mich nur gefragt, ob du die Ansätze einiger Ideen vielleicht aus anderen Medien geschöpft hast. Seltsamerweise hat mich dein Brannigan-Kopf an eine Figur aus dem PC-Spiel Monkey Island erinnert. :D

Kennt das überhaupt noch jemand? Wie auch immer, da aber anscheinend keine weitere Hintergrundgeschichte existiert, gebe ich mich mit deiner Antwort voll und ganz zufrieden!

Also Daumen hoch und weiter so.

 

Hi Ponch!
Coole Story, hat mir ziemlich gut gefallen. Das Ganze ist ziemlich verwirrend bis man dahinter kommt, was das für drei Leute in dem Auto sind. Daher kommt der Schluss ziemlich gut rüber.

....

Äehm..*räusper*
Ich weiß, dass das jetzt nicht so ´ne tolle Kritik war. Aber nachdem Du noch nichts Neues gepostet hast, muss ich halt einer anderen Geschichte von Dir mein 2000. Posting widmen.
Außerdem lohnt es sich die Story mal wieder nach oben zu holen. :D

Ugh

 

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