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Drei Freunde
Drei Freunde
Es war einer dieser schönen, wolkenlosen Nachmittage im frühen Juni. Die Sonne hatte schon Kraft und ein leichter, warmer Windhauch brachte Hoffnung auf den kommenden Sommer.
Sie saßen auf der kleinen Terrasse des Straßencafés in der Innenstadt, einige Stufen über der nur wenig befahrenen Straße, nahe der Fußgängerzone.
Karl und Jan hatten Constantin gegenüber Platz genommen und beobachteten, wie er konzentriert und mit ernster Miene in seinem dicken Geschäftskalender blätterte, hin und wieder Eintragungen machte und Werte verglich.
Seine schwarzen Haare waren streng gescheitelt und die Sonnenstrahlen zeichneten glänzende Strähnen darauf.
Trotz der Wärme trug er einen dunklen Anzug, der ihm die Aura eines erfolgreichen Geschäftsmannes verlieh. Das weiße Hemd strahlte und eine rote Seidenkrawatte schimmerte matt im Sonnenlicht.
Der Kontrast zu Karl konnte kaum größer sein. Dessen kurzgeschorener Schädel hatte wohl einmal Autorität ausgestrahlt, doch nicht an diesem Tag, dazu war sein Blick zu schwermütig. Der Stoff seines grauen und verschlissenen Militäranzuges hing ihm am Körper wie eine blasse, faltige Haut.
Ebenso Jans schmutziger Overall, dessen ausgefranste Risse wie schorfe Wunden wirkten. Seine blonden Haare waren zottelig und eine Strähne hing ihm über der Stirn.
Sie sprachen nicht. Sie saßen einfach nur da und sahen zu, wie Constantin seine Notizen machte.
Nach einer Weile lehnte er sich zurück und nickte kaum merklich.
Mit feinen, gelassenen Bewegungen schraubte er die Kappe auf den Federhalter und schob ihn in eine Innentasche seiner Jacke.
Ein leichter Windzug wirbelte die Buchseiten auf. Constantin erhob sich, nahm den Kalender, schaute kurz wieder hinein, als wolle er sich vergewissern, lächelte schwach und raunte: „Das war’s.“
Ohne ein weiteres Wort verließ er die Terrasse und stieg die Stufen hinunter zu dem breiten Gehweg.
Karl und Jan tauschten nachdenkliche Blicke.
„Erinnerst du dich noch daran, wie er früher war?“ Jan wandte sich um und sah gerade noch, wie Constantin nebenan in dem kleinen Zeitschriftenladen verschwand.
„Ja, sehr gut sogar.“ Karl nickte nachdenklich. „Damals sind wir drei zusammen um die Häuser gezogen.“ Sein Blick hatte etwas Melancholisches. „Und er hat die Mädels klar gemacht.
Auch für mich.“
„Für mich auch.“ Jans Stimme war leiser geworden, er sprach fast zu sich selbst und es war nicht sicher, ob Karl ihn verstand.
Eine Kellnerin kam, räumte Constantins leere Kaffeetasse vom Tisch und wischte mit einem feuchten Tuch über die Platte. Dann schaute sie zum blauen Himmel hinauf, lächelte und verschwand, leise ein Lied summend, wieder in Lokal.
„Wann hatte das aufgehört?“
„Ich weiß nicht genau. Es ist wohl einfach so passiert,“ sagte Jan. „Nachdem Conny und ich geheiratet hatten, waren da zunächst noch unsere Skatabende und irgendwann ist er nicht mehr gekommen, bis …“ Jan schluckte. „... bis Jahre später meine Werkstatt nicht mehr lief und man uns das Haus wegnahm. Er hatte es für einen Spottpreis bekommen.“
Constantin verließ den Laden mit einer zusammengerollten Zeitung und trat an seinen Wagen, ein großes, schwarzes Cabriolet, das in der Sonne glänzte wie frische Kohle. Das Dach war offen und die Sonne ließ die Armaturen blitzen.
„Mit mir wollte er zur Armee.“ Karl spielte gedankenversunken an einem Rangabzeichen, das an seinem Ärmel hing.
„Er hatte mich überredet und wir haben uns dann gemeinsam gemeldet. Als es wirklich losging, stand ich alleine da.“
Constantin öffnete den Kofferraum und beugte sich hinein.
„Es ist seltsam, aber trotzdem fehlt mir unsere gemeinsame Zeit.“ Karl sah Jan an, als wolle er um Verständnis bitten. Jan schaute zur Straße, wo Constantin noch immer an seinem Kofferraum stand. Der Wind hatte aufgefrischt. Am Himmel schob sich eine kleine Wolke vor die Sonne und tauchte Constantin in einen weichen Schatten.
„Ja, mir fehlt da auch etwas und wir sollten das ändern.“ Jans Blick wurde härter und Karl nickte entschlossen.
Sie hörten nicht, wie Constantin den Kofferraum schloss. Er trat auf die Straße, öffnete die Fahrertür …
Jan nickte ganz leicht in Constantins Richtung.
… Und dann quietschten Reifen, ein Motor brüllte auf, ein Knall schlug mit aller Gewalt zwischen die Häuserfronten, wurde als vielfaches Echo zurückgeworfen und mischte sich in das helle Wimmern und Schlagen von zerreißendem Blech.
Stille.
Rufe und Schreie der Passanten wurden laut. Sie umringten den LKW und das Wrack des schwarzen Cabrios. Die Menge der Neugierigen und Helfer wurde dichter. Bald durchdrangen Sirenen das Geschrei. Blaulicht zuckte über die Wände der Häuser.
… Und dann … dann stand da Constantin, abseits, verwirrt, unbeachtet von den Menschen. Die Sonne schob einige Wolkenfetzen beiseite und ließ seine graue Gestalt fast silbern erscheinen.
Karl und Jan traten näher an die Treppe.
Jans Blick war ernst und doch offen, als stimme er mit dem Schicksal überein.
„Wir sollten ihn begrüßen.“
Karl nickte kaum merklich. Eine Amsel flog durch seine Schulter und setzte sich auf die Lehne eines Stuhles.
Gemeinsam stiegen sie die Stufen hinunter.
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