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Serie Dumm Gelaufen, erster Durchgang: Der Hoden

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31.10.2009
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Dumm Gelaufen, erster Durchgang: Der Hoden

"Dance, Fucker, Dance!
He never had a chance..."

The Offspring, 'You're gonna go far, kid'

Rückblick

Es hat Vor- und Nachteile, eine soziale Randerscheinung zu sein.
Hier hätten wir einen Nachteil: Man tendiert dazu, der Letzte zu sein, der versteht, was eigentlich vor sich geht. Zumindest in deinem Fall gilt die Faustregel nicht, dass man als Außenstehender einen nüchterneren Blick auf die Geschehnisse hätte. Für dich ist es ein rätselhaftes Gewusel, ein hektisch surrender Ameisenhaufen, in dem alles seinen Platz hat und wo Zusammenhänge nur dann erkennbar werden, wenn man es irgendwie geschafft hat, Teil des Wahnsinns zu werden.
In deinem Fall wirkt bereits der bloße Anblick dieses Reigens abschreckend.

So war es auch, als du zum fünften und, wie sich herausstellen sollte, letzten Mal in deiner schulischen Laufbahn die Lehranstalt wechseltest. Das vorletzte Schuljahr.
Während der ersten Schulstunde hattest du bis zuletzt Zweifel, ob du auch wirklich in der richtigen Klasse gelandet warst. In deinen Augen schienen alle anderen älter zu sein, größer. Auch dass du damals immerhin einen Meter fünfundsiebzig groß warst und ständig weiter wuchst, trug wenig dazu bei, diesen Eindruck loszuwerden.

Freunde. Du weisst nicht, ob du Richard als Freund bezeichnen würdest. Sicher, ihr sitzt häufig im Unterricht nebeneinander, und gelegentlich redet ihr über weltbewegende Dinge wie Die Neuordnung Europas. Gleichzeitig kann es vorkommen, dass ihr einander nicht mal grüßt, wenn ihr euch begegnet.
Richard scheint im sozialen Gefüge auf eigene Weise glücklich zu werden: Er verachtet so gut wie jeden in eurer Klasse und zögert nicht, es auch zu sagen, was ihm tatsächlich einen gewissen Respekt einbringt. Seine Freunde sind vier Mädchen, allesamt umwerfend deiner bescheidenen Meinung nach. Maria, Julia, Rachel und Morgana. Nur Maria ist in eurer Klasse, die anderen sind in Parallelklassen oder anderen Klassenstufen. Genau erinnerst du dich nicht.
Abgesehen davon scheint er mit einigen anderen Burschen aus eurer Klasse eine ähnlich sachliche Beziehung zu haben wie mit dir. Er vermeidet aber Gruppen, wenn er sich auf jemanden einlässt, dann meist nur einer auf einmal. Du bist dir nicht sicher, ob er schwul ist. Du musst auch sagen, das es dir relativ egal ist und der Hauptgrund, warum wir dieses Thema überhaupt anschneiden darin besteht, dass es dir schwer fällt, auf den Punkt zu kommen.
Was waren das für Tage, damals, bevor dein Leben in einen alptraumhaften Abgrund hinabglitt? Davor, das waren diese ewig gleichen Tage auf der Schulbank, die leeren Wochenenden. Die Einsamkeit? Was für ein romantisches Wort für so eine ordinäre Angelegenheit. Leere. Du würdest eher von Leere sprechen.

Der Großteil deiner Zeit war dadurch ausgefüllt, dass du ruckartige Bewegungen vermiedest, weswegen die meisten deiner Bewegungen ruckartig waren, mehr oder weniger zusammenhangslos vor dich hin dachtest und dich vage fragtest, wie du Demütigungen vermeiden könntest.
Insgesamt war dein Leben jedoch ziemlich friedlich und ereignislos, zumal du diesmal auf einer Privatschule warst und kaum einer deiner Mitschüler so unfein zu sein schien, sich auf so etwas Primitives wie Mobbing einzulassen. Du bildetest dir ein, zarte Wellen der Verachtung und des Misstrauens im Nacken zu spüren, doch das konnte auch bloß deine übliche Dosis Paranoia sein. Das ist einer der Nachteile, wenn man außerhalb des Gefüges steht: Man weiß oft nicht, was eigentlich vor sich geht.

Der Hoden

1. Der Bus

Die Schule ist zu Ende, und da der Herbst schon etwas weiter fortgeschritten ist und wir uns im Mittelosten unseres schönen Landes befinden, wird es bereits dunkel.
Du verlässt das Schulgebäude gemeinsam mit Richard und seinen Freundinnen. Heute hast du eine deiner seltenen Offensiven gestartet und versucht, in jedem möglichen Moment an ihren Fersen zu kleben.
Du genießt es, ihrem wilden, fröhlichen Geplapper zu lauschen, auch wenn du dich noch ein wenig wie ein Fremdkörper fühlst und nicht genau weißt, wie du in diesen strudelnden Bach eintauchen könntest. Aber du fühlst dich willkommen. Die Mädchen sind neugierig und Richard auf seine übliche Weise herablassend wohlwollend. Da ist vor allem dieses unwahrscheinlich dünne Mädchen, Julia, wenn du dich nicht täuscht. Mit Namen hast du so deine Probleme. Sie begrüßt dich stets mit einem schallenden "Hi, Edward!", und das ist schön. Sie weiß natürlich, daß du nicht Edward heißt, andere Leute haben schließlich kein Problem mit Namen. Aber sie hat dir mal genau erklärt, warum du wie ein Edward aussiehst, und du willst ihr nicht widersprechen.
Jetzt stößt noch jemand zu euch, und offensichtlich handelt es sich um Julias Freund. Sehr offensichtlich, wenn man nach der Gestik geht.
"He Klaus, du hast doch Geld, oder? Ich bin wieder total blank! Plus ich fühle den immensen Drang, denen im Alleingang die Fässer zu leeren ..."
Man muss noch dazu sagen, dass es Freitag ist, und das bedeutet in diesem Teil der Welt eine lange Nacht mit kopfschmerzendem Morgen.
Bevor Klaus etwas erwidern kann, drückt sie ihm noch einen Kuss auf, hakt sich bei ihm unter und strahlt weiter übers ganze Gesicht. So wie sie vor sich hinhüpft ist das Pärchen schon bald an der Spitze eurer kleinen Gruppe.
"He, Julia, du hast da ein Loch im Po!" Ruft ihnen das Mädchen hinterher, welches du als Morgana in Erinnerung hast.
Julia streckt ihrer Freundin rasch die Zunge raus und plappert dann weiter auf ihren Klaus ein. Vor allem geht sie sicher, dass er noch genau weiß, wie man eine Alkoholvergiftung frühzeitig erkennt.
Die Bushaltestelle ist direkt vor der Schule. Logischerweise, denn die ist das einzig bebaute Gelände auf der Hügelkuppe. Das Dorf liegt unten im Tal.
Du weißt, dass Richard und die anderen den Bus in die entgegengesetzte *Richtung nehmen werden, um zu ihrer Stammkneipe im Dorf auf der anderen Seite der Hügelkette zu gelangen. Die Frage ist, ob du bei ihnen sein wirst.
Spontan tippst du auf Ja, bloß hattest du bisher nicht die Gelegenheit, sie zu fragen.
Vielleicht jetzt?
"Mensch, dieser Aufsatz ist für Montag, oder? So ein Blödsinn, morgen habe ich Kater und Sonntag ist Sonntag, wie stellen die sich das eigentlich vor...?"
Es ist unhöflich, andere zu unterbrechen, nicht wahr? Du Memme.
"Die machen dich noch total kaputt. Wißt ihr, die Ärmste kann ja nicht mal auf einen Ninja-Turtle Marathon vorbeikommen..."
"Rachi, ich sagte bereits, dass... Ich meine, italo-amerikanische Schildkröten mit Nunchaku? Im Ernst?"
Ihr seid bei der Haltestelle, und der Bus kommt in Sicht. Wenn es nicht schon zu spät ist, dann wäre genau JETZT deine letzte Chance.
Der Bus hält, und die Leute, die du gerne als deinen Freundeskreis bezeichnen würdest, steigen ein.
Du wirst sie jetzt fragen. Du wirst ihnen sagen, dass du noch nie in dieser Kneipe gewesen bist und es satt hast, jeden Abend allein zuhause zu vergammeln.
"He", sagst du folgerichtig, "Ich gehe nach Hause. Bis Montag..."
Einige drehen sich um und du stellst verbittert fest, das sie etwas verdutzt aussehen, als wärst du wie aus dem Nichts hinter ihnen aufgetaucht und hättest sie erschreckt. Und da bist du froh, dass du nicht mit ihnen fahren wirst.
"Guten Heimweg! Dass du dich nicht im Wald verirrst!"
"Seeya, Genosse. Bis Montag."
"Tschüss, Edward...!"
Julias Stimme ist belegt, sie klingt unangenehm überrascht. Aber das könnte auch bloß Einbildung sein, nicht wahr?

2. Der Wald

Der kleine Ort heißt Tal. Du bist dir nicht sicher, ob er seinem Namen gerecht wird. Er liegt in der Spalte zwischen zwei bewaldeten Hügeln. Ein Fluss, kaum mehr als ein Bach, links und rechts von ihm die beiden Hauptstraßen, und an den Hauptstraßen die Häuser wie aufgefädelt, von den Hügeln hinunter ins flache Land, wo die große Landstraße und der Bahnhof die vielen kleinen Gemeinden der Region direkt mit der Hauptstadt verbinden.
Dein Haus ist die vorletzte Adresse am rechten Bachufer. Bald danach kommt schon der Wald, der die Straße verschlingt, um sie erst auf der Hügelkuppe wieder auszuspeien.
Was bedeutet, dass du zu Fuß nachhausegehen kannst. Unter der Woche kommen die Busse selbst Abends mehrmals pro Stunde, doch du bevorzugst es zu gehen. Umso mehr, da der Bus erst beim Rathaus hält, weswegen du direkt an deinem Haus vorbeifahren und von der Stadtmitte aus wieder bergauf gehen müsstest.

Zu deiner dümmlichen Überraschung stellst du fest, dass es im Wald doch schon um einiges finsterer ist als oben auf dem Felde. Dein Heimweg kostet dich meist nicht mehr als eine Viertelstunde, aber langsam dämmert es dir, warum von denjenigen deiner Mitschüler, die unten im Ort leben, keiner zu Fuss nachhause geht. Du tendierst dazu, dich für einen Naturburschen zu halten. Doch um der Wahrheit die Ehre zu geben: Als die Straße unter den hohen Bäumen wegtaucht, wünscht du dir, du hättest brav an der Haltestelle auf den Bus gewartet.
Natürlich wäre das nicht das einzige Fehlkalkül, das je deine Hirnschale heimgesucht hat. Du denkst daran, dass du in diesem Moment in einem Bus in die andere Richtung unterwegs sein könntest. Und du fragst dich, warum es nicht sein konnte. Was hat bei dir den alten Fluchtreflex ausgelöst? War es, dass Richard und seine Leute dich nicht wirklich wahrzunehmen schienen, so freundlich sie auch waren? Aber das war doch deine eigene Schuld, oder? Letzten Endes läuft alles auf das gleiche Ergebnis hinaus: Du suchst nach den Spalten, durch die du in die Gesellschaft der Menschen eindringen könntest, doch du bist kurzsichtig und schreckhaft und mürrisch. Und so schleichst du herum und kratzt an den Außenwänden. Mit einem Mal hast du ein ziemlich klares Bild davon, wie du aussehen würdest, würde ein Seelenspiegel dir dein wahres Gesicht zeigen. Die Härchen in deinem Nacken richten sich auf.
Die wachsenden Schatten tragen nicht dazu bei, deine Stimmung zu heben. Und obwohl Kummer keine besonders lustige Angelegenheit ist, versuchst du weiterhin, dich in Gedankenströme über deine soziale Inkompetenz zu vertiefen, anstatt dich näher mit dem zu beschäftigen, was am Rande deines Bewusstseins herumschleicht und den Schatten im Wald eine enorm hohe Bedeutung zumisst.
Es ist erstaunlich, wie das Unterholz in einem abendlichen Wald zu rascheln und knacken anfängt, sobald ein Neurotiker wie du vorbeispaziert.*
Im übrigen gehen jetzt die Straßenlaternen an, die sich auch in den Wald hinein erstrecken.
"Das haben sie so eingerichtet, weil sie es satt hatten, auf dieser Strecke dauernd von Werwölfen vergewaltigt zu werden", sagst du dir. Was nicht ganz die aufheiternde Wirkung hat, die du dir erhofft hattest.
Da kommt der Bus den Hügel herunter und an dir vorbei. Das erste Haus kommt bereits in Sicht.

Erst viel später solltest du entdecken, dass du zu genau diesem Zeitpunkt eine einwörtige SMS mit unbekanntem Absender erhalten hast.
"Bald".
Falsch verbunden, wirst du denken.

3. Der Schmerz

Nachdem du ein Kühlschrankbier getrunken und einige Zeit im*Internet verplempert hast, beschließt du, früh schlafen zu gehen. Wenn du nicht tiefer sinken kannst, krieche am Grund herum, eine alte Devise.

Die Schmerzen fangen etwas später in der Nacht an, so gegen zwei. Du krümmst dich im Bett und suchst nach einer erträglichen Schlafposition. Einige Stunden später würde man dir erklären, dass du ab genau diesem Augenblick eine Verdrehung deines rechten Hodens durchlebt hast. Momentan aber weißt du nur, dass es höllisch wehtut an einer Stelle, wo du Schmerzen herzlich wenig tolerieren kannst.
Was du tust ist, vor Schmerzen erst in deinem Zimmer und dann im ganzen Haus auf und ab zu laufen. Eine halbe Stunde verbringst du damit, mit dem rechten Fuß gegen ein Sofa zu treten, weil das die Schmerzen aus irgendeinem Grund zu mildern scheint.
Gegen fünf ist dir klar, dass es sich keineswegs um einen Krampf handelt, der von selbst vorübergehen wird. Dass du definitiv ins Krankenhaus musst. Um halb sechs beschließt du, deine Mutter zu wecken, was einen ziemlich guten Einblick in deine Lebensphilosophie ermöglicht.
Nach einigem Telephonieren ist das nächstbeste Krankenhaus identifiziert, und ihr macht euch auf den Weg.

Das Wochenende verbringst du in der Klinik. Sie schneiden dich auf, nur um dir nachher zu sagen, dass der Hoden sich von selbst wieder in die alte Position zurückgedreht hat und dass dies nicht passiert wäre, wenn deine Hoden etwas größer wären.

4. Die Einladung

Montags bist du schon wieder in der Schule. Keiner scheint dein unbeholfenes Watscheln besonders merkwürdig zu finden.
In der Mittagspause bleibst du wie so häufig einfach in eurem Klassenraum zurück, den Kopf auf der Tischplatte und im Bestreben, so zu wirken, als wärst du übernächtigt und bräuchtest ein Nickerchen. Die Wahrheit ist, dass du wie so häufig einfach nicht weißt, was du sonst mit deinem Gesicht anstellen solltest.
Heute bleibt Richard ebenfalls hier. Es scheint, als würde er noch an dem Aufsatz feilen, den ihr heute abgeben müsst. Du hast natürlich nichts anderes dabei als ein ärztliches Attest.
Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Du hoffst immer noch darauf, dass dich einer deiner Mitschüler auf den Aufsatz anspricht und du stolz verkünden kannst, dass du in der Notaufnahme und später in deinem Krankenzimmer irgendwie nicht dazu gekommen bist, dich konstruktiv über französische Literatur zu ergießen. Was vielleicht paradox erscheint, wenn du mal genau darüber nachdenkst.
Doch da kommt plötzlich wieder Leben ins Klassenzimmer.
"Hi, Edward!", hörst du im Nacken.
Richards höchstpersönlicher Harem scharrt sich zum Picknick mit Kaffee und Muffins.
Du drehst dich um und lächelst zaghaft.
"Dauernd klebst du auf der Tischplatte. Du bist ein humanoider Siebenschläfer. Ich habe gehört, solche haben sie in Tschernobyl. Bist du aus Tschernobyl, Edward?"
"Allerdings... bei Gelegenheit zeige ich dir, welcher Teil von mir im Dunkeln leuchtet..."
Julia lacht. Oh Wonne. Und zu Recht. Das ist etwa das Schlagfertigste, was du jemals gesagt hast. Daraus müsste sich doch etwas machen lassen.
Tatsächlich fangen sie an, über die Feier am Freitag zu reden. Du hast Schwierigkeiten, überhaupt dem Gespräch zu folgen, weil es größtenteils aus Insidern besteht.
Im Übrigen ist der Harem nicht vollzählig.
"Morgana ist heute gar nicht aufgetaucht..."
"Pff... Schwänzeln wird sie, weil sie ihre Arbeiten nicht erledigt hat und sich der Verantwortung entzieht..."
"Tja, das Wochenende war wirklich ziemlich ausgefüllt..."

"Da fällt mir ein", ruft Julia plötzlich, "Edward, kommst du nächsten Freitag mit?"
"Euhm, klar."
Na bitte. Du hast einige Mühe, ein erleichtertes Seufzen zurückzuhalten und nicht zu angenehm überrascht zu klingen.
Alles, was du brauchst, ist eine direkte, zuckersüße Einladung. Das Universum hat ja eine ganze Weile gebraucht, um das auf die Reihe zu kriegen. Also wirklich. Jetzt brauchst du nur noch eine perfekte Gelegenheit, um deinen Hoden irgendwie ins Gespräch zu bringen, dann kriegst du noch einige weitere wohlige Schauer Aufmerksamkeit. Gute Güte, hörst du dir eigentlich selbst beim Denken zu? Ach warte... genau das tust du ja.

"Edward, du kennst die andere Seite noch gar nicht, oder?", ereifert sich Julia, womit sie dich wieder aufschreckt.
Du verlagerst unbehaglich dein Gewicht von einer Backe auf die andere.
"Na ja..."
"Nix 'Naja'! Es wird höchste Zeit, dass du mal was von der Welt siehst! Kannst nicht immer brav zuhause bleiben und lernen..."
Ha! Lernen! Wann hast du das letzte Mal gearbeitet? Bloß 'zuhause' stimmt genau.
"Ja, voll", sagt Maria, "Wir schleifen dich mit. Wäre doch gelacht!"
"Ist natürlich reiner Blödsinn", belehrt dich Richard, "Reine Zeitverschwendung. Primitive Orgien. Kulturmenschen wie wir müssen sich aus sowas eigentlich raushalten... Wenn ich nicht auf meine Mädchen aufpassen müsste..."
"Jaja, mein Streberfürzchen! Bestellst immer brav deinen Martini, und danach tanzt du auf dem Tisch..."
"...Oben ohne!"
Ein Anblick, den auch du dir in Zukunft nicht entgehen lassen musst, wie es aussieht.

6. Das Mädchen

Morgana taucht nicht wieder auf. Die anderen scheinen sich nicht daran zu stoßen.
"Ihre Mama sagt, sie wäre spontan einige Tage aus der Stadt. Sieht ihr übrigens ähnlich."
Es ist schon Donnerstag. Richard und Co haben sich auf einer Bank am Rande des Pausenhofes hingelümmelt, und du lümmelst dich vorsichtig dazu.
"Ob sie bis Freitag wieder da ist?"
"Besser wäre das. Sie hat da was versprochen..."
"Was denn?", fragst du neugierig, froh über die Gelegenheit, dich einzumischen.
"Oh Edward, das ist ja so ein Insider..."
"Was sie sagen will", fügt Richard erklärend hinzu, "Du würdest keine Freude daran haben, wenn sie es dir erzählt."
"Es gibt Dinge, die muss man erleben!"
"Ihr tut ja ziemlich geheimnisvoll..."
"Zu Recht! Das nennt man den Fluch der Newbies."
"Du meinst 'Noobs'!", beschwert sich Julia.
"Newbies!"
"Noobs!"
"Newbieeees!"
"Du bist doof."
"Du auch. Gott sei Dank."
Was folgt ist wieder eine Phase, wo du nichts einzuwenden weißt. Deswegen lässt du deinen Blick gleiten.
Dieser dein Blick fällt schließlich auf ein Mädchen, das in einer anderen Ecke des Pausenhofes sitzt und ein Buch liest.
Es sieht zart aus, trägt einen dicken rosa Pullover und hat langes, schwarzbraunes Haar...
"Edward, es ist eine Wonne, dir beim Gucken zuzugucken. Sitzt einfach da und kontrollierst, ob der Himmel noch oben und der Boden noch unten ist, und ob die Bäume noch mit den Wurzeln in der Erde stecken..."
"He, diesmal habe ich sogar ein Motiv", verteidigst du dich, nicht ohne einen gewissen Stolz. "Wer ist die Kleine da drüben?"
" 'Die Kleine'? Du hast Nerven. Wenn das zufällig eine meiner Freundinnen ist kannst du was erleben nein warte du meinst die da drüben?"
Julia runzelt die Stirn, als sie deinen Blickwinkel nachzeichnet.
"Ach, die. Die Jüd-... Ich meine, die war schon immer hier. Ein bisschen eigenartig. Immer allein. Passt nicht so recht dazu..."
"Schüchtern wird sie sein..."
Maria grinst breit. Bei der Gelegenheit fällt dir wieder auf, dass sie ein ziemlich beeindruckendes Gebiss hat.
"In dem Feld bist du ja Experte, nicht wahr? Dann schlag mal zu."
Bei Gelegenheiten wie diesen wünscht du dir, du wärst mit einer pechschwarzen Haut gesegnet, und nicht mit der transparenten Variante 'Europa-Schweinchen'.
"Mal sehen..."
"Also ich an deiner Stelle würde aufpassen..."
Du schniefst verächtlich.
"Wieso? Weil es einen guten Grund haben muss, wenn jemand keine Freunde hat?"
Schon im nächsten Moment hoffst du, dass sie nicht gemerkt haben, wie bitter deine Stimme war.
"Mhm... Versuch dein Glück, wenn du magst..."
"Du könntest übrigens eine gute Gelegenheit haben.", verkündet Rachel, das Nesthäckchen der Gruppe. "Am Freitag wird sie auch auf der anderen Seite sein..."
"Wie ein Partyhengst sieht sie eigentlich nicht aus... Partystute, meine ich... Ähäm."
"Look who is talking", flötet Julia.
Es läutet. Du schaust dich nochmals um, doch das Mädchen mit dem Buch scheint bereits entwichen zu sein.

6. Morgana

Am Freitag ist einer eurer Lehrer krank, weswegen die zwei letzten Stunden sausen gehen. Was bedeutet, dass du dir noch die Nase pudern kannst, bevor es auf zur "anderen Seite" geht.
Du kannst dich also auf einen gemütlichen Nachmittag vor dem Computer freuen, und dann eine Nacht voller Abenteuer. Das Beste aus beiden Welten, sozusagen.
Deine Eltern sind beide nicht zuhause, aber du hast ihnen schon unter der Woche gesagt, was du vorhast. Sie hatten keinerlei Einwände, was dir merkwürdig erschien, denn im Grunde sind deine Erzeuger nicht besonders freizügig. Was wohl bedeutet, dass dein Mangel an sozialer Aktivität inzwischen auch ihnen unangenehm aufgefallen sein muss.
Erstaunt und wehmütig fragst du dich, ob du damit den Übergang hinter dich gebracht hast vom streng an der Leine gehaltenen Kind zum nichtsnutzigen Erwachsenen, der noch bei seinen Eltern lebt.
Du lässt dich auf den Stuhl vor deinem Schreibtisch sinken, doch noch bevor dein Gesäß das Holz berührt, schreckst du auf, weil sich Morgana zu Wort meldet.
"Ich brauche deine Hilfe..."
Einen wirklich bizarren Moment lang versucht dir dein Gehirn einzureden, sie wäre der Stuhl, und du hättest dich gerade fast auf ihr... Gesicht gesetzt.
Tatsächlich liegt sie aber auf deinem Bett. Mit ihrer dunklen Kleidung, und weil sie so still gelegen hat, und weil du ein vertrottelter Traumtänzer bist, *hast du sie beim Hineinkommen nicht bemerkt.
"Morgana! Du hättest mich fast getötet!"
Jetzt erlebst du den Nachschreck, das ist das Erschrecken darüber, dass du dich erschreckt hast. Gehört leider zu deinem üblichen Repertoire.
Morgana sieht aus wie aus einem Alptraum emporgestiegen. Sie ist bleich und ihre Kleidung ist zerrissen.
Sie richtet sich langsam auf und schwingt ihre Beine über die Bettkante.
"He, ich habe mich eben einfach selbst eingeladen, ich hoffe, du nimmst es mir nicht allzu übel..."
"Wie bist du überhaupt hineingekommen?"
"Ich kann gut klettern."
Was bei ihren vergleichsweise breiten Schultern kein Wunder ist. Morgana ist ein Sportass. Wobei so ziemlich jeder ein Sportass ist und breite Schultern hat, wenn man deine Maßstäbe anlegt. Muss doch mal gesagt werden.
Dein Blick schweift zum deinem großen Fenster, welches Blick auf euren Hintergarten bietet- und auf den einzigen Baum, der dort steht. Das Fenster sollte eigentlich sperrangelweit offen stehen. Kalte Jahreszeit hin oder her, du lüftest praktisch permanent.
"Dagegen solltest du übrigens mal was unternehmen. Könnte dir eines Tages zum Verhängnis werden... Ich war so frei, den ersten Schritt zu tun und es zu schließen. Nachdem ich drin war, versteht sich. Es war kalt... "
Morgana wiegt unsicher ihren Kopf hin und her.
"Wäre es cool, wenn ich einige Zeit hier bleibe?"
"Sicher... Ich meine ich müsste meine Eltern fragen und wir haben ein Gästezimmer oder aber ich müsste dich verstecken und das kann sich ziemlich eklig entwickeln oder... aber was ist eigentlich los?"
"Ich weiß nicht. Das ist ärgerlich. Ich weiß nur, dass ich nirgendwo sicher bin..."
Sie grinst dich schief an.
"Du müsstest spätestens jetzt zu dem Schluss kommen, dass ich total wahnsinnig bin, oder?"
"Macht nichts. Ich habe keine Vorurteile gegen Verrückte."
Und jetzt lächelt Morgana tatsächlich.
"Ich werde dir nicht besonders viel erzählen. Eigentlich gar nichts. Ich weiß nicht, was vor sich geht. Ich weiß nur, dass ich in Gefahr bin... In Gefahr, in Gefahr..."
Sie steht vom Bett auf.
"Hör zu, erzähl niemandem, dass du mich gesehen hast, okay? Es ist besser so."
"Kein Problem. Trotzdem wüsste ich gern mehr darüber."
"Ein andermal vielleicht. Kannst du damit leben?"
"Ja."
"Guter Junge. Wo ist Klo?"
"Oh. Ja. Klar. Am Ende des Flurs. Es sind zwei nebeneinander, du hast die Qual der Wahl."
"Luxusmenschen seid ihr hier."
Sie verschwindet, und du bleibst etwas verdattert auf deinem Stuhl zurück. Doch langsam wandelt sich die Überraschung in freudige Erregung. Ein Hauch von Abenteuer liegt in der Luft. Und außerdem:
"Huhu, ich habe ein geheimes Mädchen in meinem Zimmer..."
Du meinst, du hast ein geheimes Mädchen auf deinem Klo.
"Ach, halt's Maul..."

Panisches Trappeln auf dem Flur.
Die Tür geht auf, und Morgana stürzt wieder ins Zimmer. Sie hält einen ganzen Batzen Klopapier gegen ihre Nase gepresst. Es verfärbt sich langsam rot.
"Okay tut mir leid ich hab' mich geirrt. Hier ist es auch schlecht. Ich gehe."
"Morgana, deine Nase... Kann ich dir irgendwie helfen?!"
Du stehst auf und machst mit ausgebreiteten Armen einige Schritte auf sie zu. Wie heroisch.
Sie lächelt nur schief und hebt abwehrend die Hand.
"Nasenbluten. Männer. Wenn man jedesmal in Panik ausbrechen müsste, wenn man ein bisschen Blut verliert..."
Sie legt den Kopf in den Nacken.
"Aber im Ernst. Ich muss weg. Raus aus diesem Haus."
"Bist du sicher? Es..."
"Ich bin dir dankbar für deine Hilfsbereitschaft. Aber ich kann nicht bleiben. Punkt."
Unwillkürlich gleitet dein Blick zum Fenster. Aus den Augenwinkeln siehst du, dass sie nickt.
"Ganz recht, ich gehe auf dem gleichen Weg, den ich gekommen bin."
"Morgana, was ist los? Hast du dich verletzt? Oder fällt das wieder in den Bereich, der mich nichts angeht...?"
"Mir geht es gut. Naja. Nichts, was du für mich tun könntest, glaube ich. Hast du Taschentücher hier? Danke. Ich nehme gleich die ganze Packung, wenn's dir recht ist..."
Nachdem sie einige Minuten mit erhobenem Gesicht ausgeharrt hat, fertigt sie sich dicke Nasenstöpsel aus einem weiteren Paar Taschentücher. Dann öffnet sie das Fenster und steigt auf den nächstbesten Ast.
"Kann ich wirklich nichts für dich tun?"
"Für mich...? Ich fürchte nein. Aber halte die Augen offen, den Rat kann ich dir geben... Tschüss übrigens."
Und damit verschwindet sie aus deinem Leben.

Du wirfst einen Blick in die Klos. Nichts eigenartiges zu entdecken- ausser dem einen Blutstropfen, der auf einer der verkachelten Wände antrocknet. Du schnüffelst. Deine Nase ist chronisch verstopft, aber du bildest dir ein, Scheuermittel zu riechen. Du machst dir gar nicht erst die Mühe, das Schränkchen zu öffnen und den Pegel des Scheuermittels sowie den Zustand des Lappens zu überprüfen.
"Gute Güte, Mädchen, wie viel Blut hast du eigentlich wirklich verspritzt...?"
Du wirfst einen flüchtigen Blick in den kleinen Spiegel.
Irgendwas an deinem eigenen Blick lässt dich frösteln, und du wendest dich eilig ab.

Ein Blick auf die Uhr verrät dir, dass es Zeit ist, sich für die Fete vorzubereiten.
Eine Ablenkung ist jetzt vermutlich genau das Richtige.
Du gehst unter die Dusche, wobei du im Badezimmer nach wie vor den Blick in den Spiegel so gut es geht vermeidest.
Nachdenklich betrachtest du deinen nackten Hodensack, den seit einigen Tagen eine üppige Narbe verunziert. Die Fäden beginnen bereits, sich aufzulösen.
"Biologisch abbaubar..."
Gotta Love it. Du erinnerst dich noch daran, was der Doktor gesagt hat?
"Beim Abtrocknen tupfen, nicht reiben. Danke sehr."
Wird schon schiefgehen. Wer weiß, vielleicht kannst du diese Narbe bald bei einer ruhmreicheren Gelegenheit vorzeigen...
"Peinlich, Alter."
Man kann halt nicht aus seiner Haut...

7. Die andere Seite

Du kannst dir ruhig eingestehen, dass du nervös bist. Ist nämlich besser so: Die Angst zu erkennen und zu überwinden ist doch allemal gesünder, als sich zwanghaft zu verkrampfen, während das Unterbewusstsein nur so tobt.
Du kannst nicht tanzen. Deine Fähigkeiten im Felde der Konversation sind begrenzt, genau wie dein Charme. Außerdem hast du Angst vor allem und kennst fast niemanden.
Na und? Es ist allemal besser, die Sache einmal auszukundschaften, so unergiebig sie letzten Endes auch sein mag. Was ist das Schlimmste, was dir widerfahren kann? Dass dich alle auslachen? Du überschätzt deine eigene Wichtigkeit. Viel wahrscheinlicher ist es, dass du in irgendeiner Ecke versauern wirst. Und das unterscheidet sich nun wirklich nicht von deiner allgemeinen Lebensperspektive.
Das alles ist schön und gut, aber dir kribbelt es nach wie vor überall.

"It's going to be an Adventure, Charlie!"
Adventure!

Gerade, als du aus dem Haus gehen willst, läutet dein Handy.
"Hi Edward."
"Hi Julia. Was gibt's?"
"Edward, machst du dich langsam auf die Socken? Ich bin bereits bei der Schule und warte auf den nächsten Bus. Kann ich mit dir rechnen?"
"In eben diesem Moment schließe ich die Haustür ab."
"Ah, fein. Edward?"
"Ja?"
"Du bist nicht zufällig Morgana über den Weg gelaufen?"
Du zuckst zusammen.
"Nein?"
"Mhm. Es ist nämlich so, wir haben versucht, sie zu erreichen, aber Fehlanzeige. Ich denke aber, dass sie inzwischen wieder in der Stadt sein müsste..."
"Also... warum würde sie ausgerechnet bei mir vorbeischauen?"
"Ja, warum wohl."
Und dann klingt ihr Ton plötzlich einen Tick schärfer.
"Und warum würdest du es mir vorenthalten, wenn es so wäre?"
"Uh, keine Ahnung. Eine Verschwörung?"
"Sowas in der Art... Also, ich sehe dich dann oben an der Haltestelle, okay?"
"Jo. Bis gleich."

Du hast Julia nie deine Nummer gegeben, nebenbei gesagt.

Die Busfahrt mit Julia ist vielleicht der beste Teil der ganzen Woche. Ihr sitzt nebeneinander und sie plappert fröhlich auf dich ein, und du plapperst zurück. Entdeckt so viele Gemeinsamkeiten. Das ganze Repertoire.
"Dein Klaus ist doch keine misstrauische Natur, oder?"
"Küsse mich und er bringt dich um. Er hat da eine sehr praktische Einstellung."
"Sehr vernünftig ..."
Hoffentlich merkt sie nicht, dass du beim Stichwort 'Küssen' wieder rot geworden bist. Einfach aufgrund der Ungeheurlichkeit diesen Wortes. Wie süß.
"Schon erstaunlich, wie schnell es jetzt immer dunkel wird ..."
"Umso besser. Die wirklich aufregenden Dinge passieren nur nachts. Besonders hier."
Nach zwanzig Minuten hält der Bus an einer Haltestelle, die nicht mehr als ein moosbedeckter Kasten im Wald ist. Weit und breit ist niemand zub sehen. Auch von den Insassen des Busses macht keiner Anstalten, auszusteigen.
"He, warum hält der hier überhaupt?"
"Aus Gewohnheit, nehme ich an."
Bleiche Baumskelette tanzen im Lichtkegel der Scheinwerfer, und rings herum nichts als Schwärze.
"Ich könnte mir keinen Kontext vorstellen, wo ich an so einer Haltestelle aussteigen wollte..."
"Es gibt schlimmere. Apropos, unsere ist die nächste."

Der Ort auf der anderen Seite ist um einiges kleiner als Tal. Von der Bushaltestelle zur Kneipe sind es nur ein paar Schritte.
Schon auf halbem Wege trefft ihr auf Rachel und Maria.
"Na ihr Hübschen. Pünktlich wie immer."
"Klaus ist doch auch schon da, oder?"
"Er hat bei den Vorbereitungen geholfen, wie du gesagt hast."
"Braver Junge."
So geht das noch eine Weile weiter. Schließlich wagst du es, zu unterbrechen.
"Von was für Vorbereitungen redet ihr?"
"Wirst du schon noch sehen, Grünschnabel."
"Ihr macht mich gerade ziemlich nervös..."
"Keine Sorge, es wird lustig."
"Vor allem für uns", fügt Rachel trocken hinzu.

Die Kneipe ist grell erleuchtet. Umso eigenartiger findest du es, dass keiner sonst da zu sein scheint. Nur von Ferne hörst du das Gemurmel einer größeren Menschenansammlung.
Im Vorbeigehen nickt Julia dem Barkeeper zu.
"Alles bestens?"
"Läuft reibungslos heute Abend. Den Weg muss ich euch wohl nicht deuten."
Die Mädchen führen dich auf etwas, was du zunächst für einen Hinterhof hältst. Dann korrigierst du deine Einschätzung nach oben: Es ist ein ganzer Biergarten, von durchaus beeindruckenden Ausmassen.
Und hier, im Schein zahlreicher Laternen, tummeln sich die Gäste mit Zigaretten, Kaffee oder Bierkrügen. Keiner scheint über zwanzig zu sein.
Es zeichnet sich eine Bewegung zum anderen Ende des Biergartens hin ab. Immer mehr Leute setzen sich in Marsch.
Deine Führerinnen halten gar nicht erst, sondern klinken sich sofort in die allgemeine Tendenz ein.
"Wo gehen wir überhaupt hin?"
Diesmal antworten sie dir nicht einmal. Gerade überlegst du dir, ob du deine Frage etwas drängender wiederholen solltest, als ihr zum Ende des Biergartens kommt. Ein morscher Zaun schließt das ganze Gelände ab, doch ihr gelangt zu einem weit geöffneten Tor. Und von da aus geht es in den Wald.
Auf einem Trampelpfad geht es eine kleine Hügelkuppe hinauf. Dem Widerschein nach sind dort weitere Laternen aufgestellt.
"Ist es eigentlich normal, um diese Jahreszeit die Tische noch draußen aufzustellen? Mir macht's ja nichts aus, aber für euch hoffe ich, dass die da Wärmespender aufgestellt haben..."
Kurz bevor die andere Seite des Hügels in Sichtweite käme, haltet ihr an.
"Julia, hast du nicht was vergessen?"
"Hetz mich nicht."
Und damit holt sie einen kleinen Knüppel aus der Jackentasche, den sie dir mit erstaunlicher Wucht über den Schädel zieht.
"Geht doch", ist das Letzte, was du hörst, bevor dich die Schwärze einholt.

Es ist nicht weiter verwunderlich, dass dein Schädel summt, als du wieder zu dir kommst. Noch bevor du die Augen öffnest, spürst du die Kälte und die Steifheit deiner Glieder. Dein Hals kratzt.
Du setzt dich probeweise in Bewegung. Doch deine Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt, du windest dich wie ein Wurm.
"Gerade zum rechten Zeitpunkt, Schlafmütze. "
Julias Stimme klingt so unbekümmert wie immer.
Du versuchst, etwas zu sagen, doch die entsprechenden Organe verweigern vorläufig den Dienst.
"Klaus, wärest du so freundlich?"
Du wirst emporgehoben. Und dann geworfen. Ein kurzer, jedoch ertsaunlich turbulenter Flug mit hartem Aufprall.
Du findest dich in einem großen Lichtkegel wieder, es ist so grell, dass du zunächst die Augen zusammenkneifen musst.
Du atmest tief durch. Einmal. Zweimal.
Du horchst in deine Gliedmaßen hinein und stellst fest, dass du deine Beine bewegen kannst.
Dein linker Arm ist eigenartig verdreht. Du stellst fest, dass er dir fest auf den Rücken gebunden ist. Mit Isolierband oder etwas ähnlichem.
Auch dein rechter Arm fühlt sich seltsam eingezwängt an, wie in einem Gips. Du drehst dich auf den Rücken, oder besser auf den linken Arm, und versuchst den ganzen Schlamassel zu erfassen.
Als du an dir herabsiehst, braucht es eine Weile, bis die Eindrücke zu einer vorläufigen Schlussfolgerung verarbeitet werden können.
Ein Messer. Da, wo deine Hand sein sollte, ist nun ein fetter, unförmiger Klumpen aus braunem Band, aus dem eine Klinge ragt. Dein Oberkörper ist ebenfalls eingeschnürt, anscheinend, um deinen linken Arm so gründlich wie möglich aus dem Verkehr zu ziehen.
Du willst schreien, doch du kannst deiner Kehle lediglich ein Krächzen entwinden.
Du schwingst die Beine, und einige steife Verrenkungen später bist du in der Hocke. Mit dem rechten Arm, dem Messerarm, stützt du dich am Boden ab. Es ist bereits, als wäre die Klinge ein Teil von dir, wie ein Fingernagel monströser Länge.
Du siehst dich um. Deine Nase läuft, tropft.
Du stehst auf einer kreisrunden Fläche aus gelbem Licht. Irgendwo oben muss sich ein Scheinwerfer befinden. Der Boden ist uneben, auch wenn er scheinbar von vielen Füßen festgestampft wurde. Hie und da ragen Wurzeln und Felsen hervor.
Um den Kreis herum geht eine primitive Umzäunung. Und dahinter die Umrisse zahlreicher Zuschauer. Und die dazugehörigen Augenpaare, in denen sich der Glanz des Scheinwerfers spiegelt.
Jedenfalls redest du dir ein, es wäre der Widerschein des Scheinwerfers.
Du schließt die Augen und versuchst, dich zusammenzureißen.
Stille. Nichts als das Geräusch zahlloser Menschen, die keine einzige Gliedmaße rühren und kein Wort sagen. Untermalt vom fremdartigen Surren des Scheinwerfers.
"Was geht hier vor. Kriege ich eine Antwort? Etwa, jetzt sofort?"
"Shhh. Die Dinge werden dir schon bald sehr klar werden."
"Tatsächlich sind sie erschreckend einfach."
Sind das Julia und Maria? Die Stimmen klingen so kalt, monoton. Reptilienhaft.
"Nein im Ernst, ich brauche jetzt ein paar Hinweise."
"Nun, da drüber hättest du bereits einen."
Du drehst den Kopf und entdeckst eine zweite Gestalt innerhalb des Kreises.
Mit weit aufgerissenen Augen starrt dich das Mädchen an, das du einst, vor langer Zeit, auf dem Pausenhof entdeckt hattest. Das Mädchen, das allein in der Ecke gesessen hatte.
Es trägt den gleichen rosa Pullover. Ansonsten ist es so bleich, wie ein menschliches Wesen nur sein kann, und genau so präpariert wie du. Nur, dass man ihr die rechte Hand auf den Rücken gebunden hat. Eure Messer scheinen Zwillinge zu sein.
"Na schön..." Du kicherst unbeholfen. "Wie stellt ihr euch das vor?"
"Nur einer von euch kann den Ring lebend verlassen. Tut, was dazu nötig ist."
"Das ist ein Scherz."
Das Mädchen verlagert sein Gewicht von einem Fuss auf den anderen. Es schluckt geräuschvoll. Seinem Gesichtsausdruck nach schätzt es die Entfernung ein.
"Das könnt ihr nicht machen. Ich meine, das ist doch technisch unmöglich..."
Du versuchst, dem Mädchen direkt in die Augen zu sehen.
"Darauf müssen wir uns nicht einlassen. Das ist totale Scheisse. Die KÖNNEN uns gar nicht dazu zwingen, uns gegenseitig abzuschlachten..."
"Gut, dass du gerade von 'technisch unmöglich' gesprochen hast, Edward", erklingt es aus der anonymen Dunkelheit hinter dem Zaun. "Demonstration."
Ein brennender Schmerz durchzuckt deinen Leib. Ein hohles Quietschen entwindet sich deiner Kehle. Es ist, als wären deine Adern mit Amazonasameisen gefüllt.
So unverhofft, wie er gekommen ist, verschwindet der Schmerz auch wieder.
"Und das war nur die Variante 'Kitzeln'. Die unterste Stufe von etwa einem dutzend. Nimm dir ein Beispiel an deiner Kameradin: Sie scheint besser zu begreifen, vor was für einer Wahl sie steht..."
Tatsächlich scheint das Mädchen in Stellung zu gehen. Wacklig auf den Beinen, aber mit unerschütterlichem Willen. Seine Augen scheinen fast aus dem Schädel zu treten.
"Aber warum?! Was geht hier überhaupt vor sich?!"
"Ein Insider, Edward. Später erzählen wir dir mehr. Sorge du nur dafür, dass es ein 'Später' für dich gibt."
"Fickt doch eure Insider! Ich will wissen, warum ihr uns UMBRINGEN wollt!!"
"Tss, tss. Nur die Ruhe. Wenn du in Panik gerätst, bietest du deinem Gegner zu viele Vorteile..."

Das Mädchen stürzt auf dich zu. Es stolpert fast über eine Wurzel, fängt sich aber rechtzeitig. Ohne weiter nachzudenken ergreifst du die Flucht, im festen Bestreben, über den Zaun zu springen.
Doch quasi in der Luft ereilt dich ein weiterer Nesselschock. Du fällst und krümmst dich auf dem sandigen Boden.
"Letzte Warnung. Die nächste Dosis wird um einiges höher sein. Und ja, und unsere Reichweite ist erstaunlich hoch."
Du versuchst, dich aufzurichten, und kannst dich gerade noch zur Seite werfen, um das Messer des Mädchens an dir vorbeifliegen zu sehen.
Du wirfst dich vor und stößt das Mädchen vor die Brust, sodass es auf dem Hintern landet. Dies nutzt du aus, um auf die andere Seite des Rings zu rennen. Der Messerstreich, mit dem das Mädchen dich zu Fall bringen will, streift dich nur oberflächlich.
Deine Narbe am Hoden schmerzt tierisch, als du so über den holprigen Boden hinwegfegst. Zwei Wochen kein Sport, haben die Ärzte gesagt. Können vor Lachen.
"Das ist Wahnsinn!"
"Allerdings."
Richard. Seine ruhige, sachliche Stimme macht die Situation noch einen Tick surrealer, als sie ohnehin schon ist.
"RICHARD! Das kann doch nicht euer Ernst sein!"
"Widerlich, nicht wahr? Diese kleinen, inzüchtigen Orte haben eigenartige Bräuche. Man gewöhnt sich dran. Leider Gottes kann ich meinen Mädchen nichts abschlagen... Sonst würden sie mir etwas abschlagen, fürchte ich."
"Oh ja, Richard, du bist unser tragischer Held", höhnt eine andere Stimme aus dem Dunkel. Maria? Oder doch Rachel? Und wenn kümmert es?

Deine sogenannte Gegnerin scheint ihren nächsten Angriff zu planen. Langsam dämmert es dir, dass du irgendwann zurückschlagen musst.
Du denkst an die Leere deines Daseins, deine Geschlechtsorgane, die eher zum Operiertwerden als zum Geschlechtsverkehr gemacht zu sein scheinen, dein klägliches Kratzen an den Wänden einer Gesellschaft, zu der du keinen Zugang findest. Wie fern dies alles jetzt scheint.
Du kommst zu dem Schluss, dass du dieses Mädchen töten wirst, wenn die Aussicht besteht, dass du damit dein eigenes Leben retten kannst.
"Wir sind alle auf deiner Seite, Edward!"
Julia.
"Wir können die Drecksjüdin nichts ausstehen. Was meinst du, warum wir sie gegen so einen stattlichen Knaben wie dich antreten lassen?"
"Du würdest viel besser zu uns passen! Wirklich! Wir glauben fest an dich!"
"Toi toi toi, Junge! Zeig, was du drauf hast!"
Du versuchst, das grausame Anfeuern zu ignorieren. Es tut dir weh. Nicht so schlimm wie die Nesselschocks, aber beim Himmel, es tut weh.

Feierliche Stille.
Du preschst vor. Es ist sehr schwer, mit steifen Beinen und nur einem Arm das Gleichgewicht zu halten, noch dazu auf unebenem Boden.
Die Naht an deinem Hoden platzt. Du knurrst überrascht, aber du lässt dich nicht aufhalten.
Lass es nur schnell vorüber sein. Bitte, bitte, lass es ganz schnell vorüber gehen... Danach kommt alles weitere.
Du holst mit dem Messer aus, schwingst es im weiten Bogen, als wolltest du dein Gegenüber zersäbeln.
Das Mädchen flieht, weicht aus, sticht zu. Direkt an deiner Flanke vorbei. Fällt auf den Bauch.
Du wirfst dich auf es drauf. Es dreht sich auf die Seite, noch bevor du es unter dir einquetschen kannst. Mit deiner Masse bist du im Vorteil. Doch die Refelxe des Mädchens scheinen besser zu sein.
Deine Gegnerin rammt dir das Messer in den Oberschenkel. Du spürst nur ein unangenehmes Gleiten, für Schmerz hast du keine Zeit. Beim Versuch, ihren Schlag abzufangen, schlitzt du ihr den Bizeps auf. Du hoffst wider besseren Wissens, dass es tief genug ist, um etwas auszurichten.
Du stichst zu, ziehlst auf ihre Kehle. Sie tritt aus und verpasst dir einige Kniehiebe auf Brust und Unterkiefer. Deine Zähne schlagen schmerzhaft aufeinander. Du weichst gerade genug zurück, damit sie sich unter dir herauswinden kann.
Du versuchst, ihre Füße anzustechen, um sie wieder zu Fall zu bringen. Fehlanzeige.
Sie rennt zum anderen Ende des Platzes.
Als du dich aufrichtest, stellst du fest, dass ziemlich viel Blut aus deiner Wunde am Oberschenkel fließt. Sie scheint tiefer zu sein, als du gedacht hattest. Du erinnerst dich nicht, jemals so viel geblutet zu haben. Dein Hodensack kribbelt und brennt, aber das ist momentan seltsam nebensächlich.

Du stellst fest, dass du nur noch humpeln kannst.
Keine Zeit verlieren. Zuschlagen, solange Erschöpfung und Schmerz dich nicht einholen.
Dir ist klar, dass du dieses Mädchen töten musst, nicht wahr? Und zwar bald.

Du wagst einen erneuten Vorstoß. Ungleich linkischer als der vorherige, der ebenfalls keine Glanzleistung war.
Das Mädchen fuchtelt mit dem Messer vor sich in der Luft herum. Du störst dich daran nicht.
Einfach zustechen. Irgendwie ihren Bauch oder ihre Brust finden. Verletzen. Blutend machen. Töten.
Sie erwischt deinen Hals. Die Klinge gleitet links daran weg. Luftröhre und Halsschlagader scheinen glimpflich davongekommen zu sein, immerhin.
Du verfehlst ihren Bauch und landest stattdessen auf ihrer Hüfte. Solltest du sie verletzt haben, so lässt sie sich das jedenfalls nicht anmerken.
"Sie macht das nicht zum ersten Mal", dämmert es dir plötzlich.
Deine Gegnerin sticht dir in den Skalp und säbelt dir ein Stückchen Kopfhaut weg. Es brennt.
Du stichst erneut zu und landest in ihrer Achselhöhle.
"Ich werde nicht verlieren", denkst du. "Egal was auch geschieht, so geht es nicht zu Ende..."
Du wirfst dich mit deiner ganzen Körpermasse auf sie. Ihr Messer fährt dir direkt in den Bauch.
Ihr stürzt beide zu Boden, du liegst auf ihr, dein Ellenbogen auf ihrer Kehle. Du presst, so hart du kannst. Sie windet sich nach Leibeskräften, doch du lässt nicht locker.
Deine Sicht verschwimmt bereits.
Dann schafft sie es endlich, dich von sich herunter zu hebeln. Du landest auf dem Rücken. Mit deinem einen freien Arm kannst du dich inzwischen nicht mehr aufrichten. Die Welt ist wabberig, nass und unstetig. Du erkennst, dass der rosa Pullover des Mädchens inzwischen rot ist, kannst daraus aber keine Schlüsse ziehen. Überhaupt scheint sich das Rot auszubreiten.
Und so viele, viele rote Augen, die in der Dunkelheit außerhalb des Rings glühen.
Die Gestalt des Mädchens, die jetzt immer weiter an Konturen verliert, richtet sich auf und kommt auf dich zu. Du wimmerst, vermutlich, da ein kleiner, unschuldiger, kindlicher Teil von dir Gnade erhofft.
Du hebst den Messerarm vor dich, doch nun kannst du ihn kaum länger als eine Sekunde oben halten.
Deine Augen schließen sich, zwei nasse Schlitze sind das Letzte, was du von der Welt siehst.
Dann gleitet etwas in deine Kehle. Rasch. Sauber. Endgültig.

8. Ausblick

Die letzte Nachricht auf deinem Handy kriegen wir gar nicht mehr mit.
Eine letzte, einwörtige SMS mit unbekanntem Absender.
"Bye."

 

Hallo neustrasbourg,

als erstes muss ich direkt mal sagen, dass mir deine Geschichte sehr gefallen hat.

Ich bin aber niemand der besonders Tipps geben kann wie man es besser machen kann.

Dein Stil, dass das Gewissen? / die Gedanken? des Jungen mit ihm sprechen, fand ich sehr gut, es hat hier gepasst.

Ich hätte gerne mehr über die Bewohner erfahren. Oder was im Badezimmer passiert ist. Aber so hat mir das Ende auch gut gefallen.

Sehr gut.

Gruß Thomas

 

Hi Thomas G !

Freut mich natürlich wahnsinnig, dass du was damit anfangen konntest.
Vor allem bei der Du-Perspektive wusste ich nicht, wie sie ankommen würde.

Was die ungelösten Rätsel angeht, ich habe vor, noch ein paar Geschichten zu dieser Welt zu machen, in denen nach und nach alle Klarheiten beseitigt werden :D

Vielen Dank für deine Antwort!

 

Hey neustrasbourg,

mich hast du für deine Serie gewonnen. So etwas eigenartiges habe ich schon lange nicht mehr gelesen (das soll ein Kompliment sein)

Die Perspektive (irgendjemand wird dir aber Briefform vorwerfen. wart's ab) und deine klare Sprache verstärken diese schräge Stimmung noch und lassen tatsächlich eine eigentümliche Welt entstehen. Und der Titel, hehehe!


Ich finds sehr cool!

Besten Gruß
krilliam Bolderson

 
Zuletzt bearbeitet:

Guten Abend, neustrasbourg!

Das ist ja eine abgefahrene Geschichte, die Du da geschrieben hast. Zuerst wollte ich sie gar nicht lesen, weil mich der Du-Stil abgeschreckt hat, aber jetzt bin ich froh, daß ich drüber hinweggekommen bin.
Das erzählt so vor sich hin und greift aus dem Hinterhalt: Während ich noch dachte: Nachher schreib ich einen Verriß!, hat es mich voll gepackt.

Ich könnte jetzt eimerweise Stellen rausschreiben und sagen: Die ist saugut! Und die da! Aber stattdessen schreib ich Dir ein paar Fehler raus, die ich gefunden hab, dann riecht das mal nach Textarbeit hier. :aua:


als du zum fünften kein Komma und, wie sich herausstellen sollte, letzten Mal
einen Meter fünfundsiebzig groß warst und ständig weiter wuchst, trug wenig dazu bei
Du musst auch sagen, dass es dir relativ egal ist kein Komma und der Hauptgrund, warum wir dieses Thema überhaupt anschneiden, darin besteht, dass es dir schwer fällt, auf den Punkt zu kommen.
mehr oder weniger zusammenhangslos vor dich hin dachtest
zusammenhanglos.
in jedem möglichen Moment an ihren Versen zu kleben.
Hehehe. Meintest Du Fersen? Falls ja: Besonders Schöner Fehler!
Die Mädchen sind neugierig kein Komma und Richard auf seine übliche Weise herablassend wohlwollend.
die Fässer zu leeren...
vor ... gehört ein Abstand. Kommt öfter vor.
mit kopfschmerzendem Morgen.*
Was sollen die Sternchen? Kommen auch öfter vor.
So, wie sie vor sich hinhüpft, ist das Pärchen schon bald an der Spitze eurer kleinen Gruppe.
Julia's Stimme
Den Apostroph würde ich ganz schnell streichen, bevor's jemand merkt.
dass du zu Fuß nachhause gehen kannst.
entweder nachhausegehen oder nach Hause gehen.
Da kommt der Bus den Hügel hinunter
herunter
eine einwörtige SMS
einwörtig ist ein tolles Wort. Deine Erfindung?
Ich habe gehört, solche haben sie in Tschernobyl.
Wenn das zufällig eine meiner Freundinnen ist kannst du was erleben nein warte du meinst die da drüben?
Sind da absichtlich keine Kommata drin? Vom atemlosen Reden zB? Ansonsten gehören mindestens drei rein.
noch bevor dein Gesäß das Holz berührt, schreckst du auf,
Einen wirklich bizarren Moment lang versucht dir dein Gehirn einzureden, sie wäre der Stuhl, und du hättest dich gerade fast auf ihr... Gesicht gesetzt.
Einer meiner Lieblingsmomente, bevor es richtig krass wird.
Okay tut mir leid ich hab' mich geirrt.
Da müßten auch Kommas rein, eigentlich.
Noch bevor du die Augen öffnest, spürst du die Kälte und die Steifheit deiner Glieder
Doch deine Bewegungsfreiehit ist eingeschränkt
freiheit
Ein leidlnehmer Flug
Ähm?
das Geräusch zahlloser Menschen, die keine einzige Gliedmaße rühren
Ich hab ernsthaft noch nie gelesen, daß jemand bei Gliedmaßen den Singular benutzt. Respekt. Aber hört sich extrem komisch an. :D
genau so präpariert wie du
"FICKT DOCH EURE INSIDER!!
Großbuchstaben bei Geschrei brauchst du genausowenig wie doppelte Satzzeichen.
Du preschst vor.

Sehr geile Geschichte. Und die wird fortgesetzt? Kauf ich. :D

Willkommen hier und freundliche Grüße!
Makita.

P.S. Der Titel hingegen, also, den finde ich doof. *schäm*

 

Erstmal Hallo und vielen Dank kriliam Boldersohn und Makita für's Lesen und Kommentieren!

Über den Titel scheint ihr euch uneins zu sein, hehe. Ich muss auch sagen, dass ich Mühe hatte, etwas zu finden. Es musste etwas sein, was den Eindruck fröhlich-grotesker Verdammnis durchscheinen lässt ("Dumm gelaufen"). "Erster Durchgang" ... nun, das kommt daher, weil es sich im Sinne der Serie tatsächlich um den ersten Durchgang handelt, mehr will ich jetzt mal nicht vorwegnehmen. Kann man sich natürlich fragen, ob das in einen Titel gehört.
Schließlich "Der Hoden"... Tja. Dass euch der nicht schon abgeschreckt hat, ist eine feine Sache. Ich glaube, damit wollte ich hauptsächlich Neugier wecken. Tja.

Natürlich, wenn jemand einen besseren Vorschlag hat, dann möchte ich diesen gerne klauen, also immer nur her damit ...!

Makita, auf deine Antwort hin habe ich den Text noch mal rasch überarbeitet. Viele, viele Flüchtigkeitsfehler. Beim Schreiben und Korrekturlesen stören die einen überhaupt nicht, aber ich weiß selbst, dass einem dies als Leser schnell zum Halse raushängt ...

Achso, die Sache mit den "..." - um offen zu sein, die habe ich bisher immer einfach hinter das letzte Wort geknallt, also hast du heute etwas für meine Bildung getan. Die von mir erfundenen Wörter und Nullkommasätze habe ich einfach mal gelassen. Das mit den Gliedmaßen überleg' ich mir.

Ansonsten muss ich zugeben, dass ich bei deiner Beschreibung, wie die Geschichte auf dich gewirkt hat, schön gezittert habe. Ich hatte Angst, ich wäre zu langatmig und würde die Aufmekrsamkeit des Lesers nicht behalten.

Anscheinend hab' ich noch mal Schwein gehabt, und das macht eure positiven Kommentare um so süßer :D

Danke und schöne Grüße aus Neustrasbourg.

 

Hallo Neustrasbourg,

Da ich mich ja mehr einbringen will, hier meine Meinung:

Toll! Fand die Idee mit der Erzählerperspektive sehr spannend.
Schön war auch der Spannungsaufbau. Schön langsam und dann ohne Umschweife den Knall reinsetzen.

Hast wirklich eine schöne Atmosphäre entwickelt. (Jetzt weiß ich auch was bei mir fehlt!)

Obwohl ich sagen muss das mir eine Erklärung von Morgana fehlte.

Vielleicht im nächsten Teil?

Der Teil mit den Liedern ist mir aber leider nicht ganz klar geworden.
Passte zwar in die Geschichte, hätte aber nicht sein müssen.

Schöne Grüße silvib

 

Hallo Neustrasbourg

Deine Story war mal wieder eine von denen, wo man nicht geblättert hat, um herauszufinden wie lang die Geschichte noch geht. Genauso soll’s sein! Die Story war nicht nur spannend, sondern auch schön erzählt. Auch fand ich die Charakterzeichnung deines Prots „Hoden“ sehr gelungen.
Trotzdem hatte ich ein paar Schwierigkeiten mit der Story; angefangen beim Titel.
Um ehrlich zu sein, hab ich die Story nur gelesen, weil ich zufällig den lobenswerten Kommentar von Makita entdeckt hatte. Wenn der nicht gewesen wäre, dann wäre mir echt was entgangen.
Die andere Schwierigkeit war das „Du“. Gerade am Anfang fand ich das sehr gewöhnungsbedürftig und einen besonderen Sinn der gewählten Perspektive kann ich in Nachhinein immer noch nicht erkennen.
Ansonsten hast du meiner Meinung nach ein sehr solides Werk geschrieben. Leider hat mich die Auflösung dann etwas enttäuscht. Das Thema ist bekannt und reizt mich persönlich recht wenig. Zumal ich über folgende Logikhürde gestolpert bin: Wenn der „Hoden“ vor Ort aufgewachsen ist, wieso kennt er dann die heimischen Bräuche nicht? Immerhin scheint das Mädchen mit dem rosa Pulli ja kampferprobt zu sein. Hat sie von diesem Ritus also gewusst? Hatten seine Eltern Kenntnis von dem Brauch des Messerkampfes? Und wenn ja, weshalb haben sie seinen Sohn nicht trainiert?
Außenseiter hin oder her, als Alteingesessener kennt man die Bräuche, seien sie nun geheim, oder nicht. Zumindest sollte man Gerüchte kennen, oder es könnte heißen, dass man diese und jene Personen meiden sollte. Jedenfalls kann ich mir bei so vielen Menschen, die da Zuschauer gespielt haben, nicht vorstellen, dass so ein Brauch geheim bleiben kann.
Aber vielleicht, die Story scheint ja ne Fortsetzung zu bekommen, lösen sich meine Fragen in Wohlgefallen auf. Jedenfalls bin ich gespannt, wie sich alles weiterentwickeln wird.

Grüße

Mothman

Ach ja: über den Ausdruck bin ich auch gestolpert:

Ein leidlnehmer Flug

 

Hi Mothman!

Zunächst mal danke für dein Kompliment bezüglich der "Fesselung", das geht natürlich runter wie Öl :D

Ja, das mit dem Titel ist das alte Lied... Ich werde wirklich versuchen, mir da etwas mehr Mühe zu geben.
Und das mit dem "leidlnehmen Flug" ist mir beim Durchlesen auch mal aufgefallen, habe ich aber immer wieder vergessen. Werde das endlich mal ändern.

Ansonsten

Wenn der „Hoden“ vor Ort aufgewachsen ist, wieso kennt er dann die heimischen Bräuche nicht?
Ist er nicht.
So war es auch, als du zum fünften und, wie sich herausstellen sollte, letzten Mal in deiner schulischen Laufbahn die Lehranstalt wechseltest.
Vermutlich war ich da nicht explizit genug. Ich hatte einfach angenommen, man könnte ahnen, dass Wechsel der Schule und Fremdsein am Ort auf Umzug schließen ließen.

Was das Ende angeht ... Ich muss sagen, dass ich für die Geschichte eine bestimmte Situation, eine Stimmung vor Augen hatte. Die eigentliche Handlung hat sich drum herum entwickelt. Wenn ich dazu komme, mein Projekt umzusetzen und eine Serie daraus zu machen, kommt hoffentlich auch mal ein Ende zu Stande, dass dir eher taugt!

Beste Grüße
neustrasbourg

 

Moinmoin neustrasbourg.

Also mir hat die Geschichte sehr gefallen, da sie am Ende keine Fragen offen lässt und für meine Begriffe sehr gut geschrieben ist. Die Du-Perspektive finde ich gut gewählt und umgesetzt (auch wenn mir persönlich der Name Edward nicht gefällt^^), an einigen Stellen (wie der "Newbies-Noobs"-Szene) musste ich sogar lachen.
Sonst kribbelte es die ganze Zeit meinen Rücken herunter, auch immer dann, wenn sich das Gewissen (oder vielleicht auch Zweitgedanken?) meldeten und etwas dazugaben und die "Hauptperson" nicht eindimensional erscheinen lassen.

Vielen Dank für diese wunderbaren Minuten Lesespaß und viele Grüße,

Medi

 

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