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Dunkelheit

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14.10.2014
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Dunkelheit

Dunkelheit umgab den Wanderer, als er zielstrebig einen Fuß vor den anderen setzte. Langsam, denn er hatte es nicht eilig. Er kam immer rechtzeitig.
Einsam durchquerte er die hügelige Landschaft, doch daran war er gewöhnt.
Es machte ihm nichts aus, denn er hatte oft Gesellschaft, wenn auch nie für lange.
Sein Weg führte ihn an einer kleinen Quelle vorbei und eine Anhöhe hinauf. Er durchquerte das Wäldchen auf ihrer Kuppe trotz des Dunkels ohne zu stolpern oder zu stürzen. Ein paar brütende Vögel schreckten auf und zwitscherten verschlafen, doch als der Wanderer das Wäldchen hinter sich gelassen hatte, kehrte erneut Stille ein.
Im Tal war nun bereits als flackernder Lichtpunkt in der Schwärze das vorläufige Ziel seiner Reise zu erkennen.
Mit zunehmend rascheren Schritten legte er den Rest der Strecke zu dem alten, windschiefen Häuschen zurück, welches sich widerstrebend aus der Finsternis schälte.
Er erreichte es und blickte hinein.
Der spärlich eingerichtete Raum wurde nur von einer fast herunter gebrannten Kerze beleuchtet. An der Wand stand ein einfaches Bett und darüber hing das Schwarzweißfoto einer Hochzeit. Sonst gab es nur noch eine Kochstelle mit Holzofen, indem das Feuer bereits erloschen war.
Ein alter Mann, knorrig und gebeugt wie die kahlen Weiden, welche sein Haus umgaben, saß vor der Kerze am Tisch.
Er hatte den Kopf gesenkt und schien in Gedanken vertieft.
Der Wanderer beobachtete ihn. Und wartete.
Eine lange erscheinende Zeit passierte nichts, dann blickte der alte Mann auf.
Er bemerkte den stummen Wanderer und lächelte. Müde. Aber erleichtert.
Auch der Wanderer lächelte. Nicht unfreundlich. Aber unergründlich.
Dann trat er ein.
-
Der Wanderer setzt seinen Weg fort. Langsam. Zielstrebig. Doch nicht allein.
Vor ihm weicht die Finsternis dem Licht. Widerstrebend, aber unweigerlich.
Das alte Haus bleibt zurück und hinter den Fenstern herrscht Dunkelheit.

 

Mal ein sehr kurzer Versuch und sicher noch ausbaufähig... Würde mich nur mal interessieren, wie der Stil so ankommt... :)

 

Hallo Cheshire Vet,

Einsam durchquerte er die hügelige Landschaft, doch daran war er gewöhnt.
Es machte ihm nichts aus, denn er hatte oft Gesellschaft, wenn auch nie für lange.

Du meinst natürlich: Er ist an die Einsamkeit gewöhnt. Dazwischen steht aber die hügelige Landschaft, ein böswilliger Leser bezieht das "gewöhnt" also darauf, oder auch darauf. Natürlich könnte man sagen, dann schreibe ich halt für die gutwilligen Leser. Ein Text gibt sich aber eine Blöße, wenn man ihn so leicht missverstehen kann. Also lieber irgendwie umdrehen das Ganze.

Dann ist da ein Absatz vor dem „Es machte ...“ Da frage ich mich, ob wir den Absatz brauchen. Auch vor dem "rechtzeitig", eine Zeile darüber. Absätze zerhacken den Lesefluss. Man muss wissen, ob man das grade brauchen kann.

Er durchquerte das Wäldchen auf ihrer Kuppe trotz des Dunkels ohne zu stolpern oder zu stürzen

Das ist das zweite Mal, dass ich das Wort „durchqueren“ lesen muss. Und wir sind erst in der 5. Zeile.
Ach ja, es heißt "auf seiner Kuppe". Oder noch besser: „auf ihrer Kuppe trotz des Dunkels“ ganz weglassen. Ich weiß es tut weh, bei so einem kurzen Text noch zu kürzen. : )

Ein paar brütende Vögel schreckten auf und zwitscherten verschlafen, doch als der Wanderer das Wäldchen hinter sich gelassen hatte, kehrte erneut Stille ein.

hochschrecken ist hier passender als aufschrecken. Und für mich spießt sich das „schrecken“ mit „verschlafen“. Stell dir vor du schreckst in der Nacht hoch, weil dir ein Einbrecher die Taschenlampe ins Gesicht hält. Schreist du dann verschlafen?

Im Tal war nun bereits als flackernder Lichtpunkt in der Schwärze das vorläufige Ziel seiner Reise zu erkennen.

Dieser Satz ist irgendwie symptomatisch für die kleine Schwächen des Textes. Spürst du, dass da ein Knoten drin ist? Zunächst ist einfach viel reingepackt. Manches muss man opfern, auch wenn es schwer fällt. Und noch wichtiger: Suche die effizienteste Anordnung deiner Bausteine. Oft kann man mit Herumschieben eine Verbesserung erreichen. Du musst dir immer vor Augen halten, dass der Leser den Satz von links nach rechts liest, so baut er sich auch sein Bild auf.
So kann ich den Satz akzeptieren:

Das Ziel seiner Reise stieg als flackernder Lichtpunkt aus der Dunkelheit des Tals.

welches sich widerstrebend aus der Finsternis schälte.

Das hat eine ganz gute poetische Qualität.

Die letzten drei Zeilen sind auch recht stark. Plötzlich wird das metaphysisch. Man denkt sich: Ist der Wanderer die Sonne? Ist es der Tod? Die Rätselhaftigkeit ist jedenfalls auf sehr ökonomische Art erreicht worden.

Soviel für heute, hoffe du hast was davon. Und danke für deine Kurzkritik an meiner Geschichte „Im Sand“, habe mich sehr darüber gefreut.

lg

baronsamedi

 

baronsamedi schrieb:
So kann ich den Satz akzeptieren:

Das Ziel seiner Reise stieg als flackernder Lichtpunkt aus der Dunkelheit des Tals.


In diesem Vorschlag würde ich wiederum das Verb "stieg" nicht akzeptieren.

 

Aber es steigt (hebt sich) aus der Dunkelheit. Habe ich mir halt gedacht. Ist aber nicht der Weisheit letzter Schluss, gebe ich schon zu. Aber mehr habe ich heute nicht mehr zu bieten.
Ich glaube ich steige jetzt selber in die Dunkelheit.


gute Nacht, baron samedi

 

Servus Cheshire Vet

baronsamedi schrieb:
Dieser Satz ist irgendwie symptomatisch für die kleine Schwächen des Textes.
… sagt baronsamedi und schlägt dir sprachliche Verbesserungen und Bereinigungen vor. Dem kann ich mich überwiegend anschließen, allerdings hat die Geschichte für meinen Geschmack über die paar stilistischen Mängel hinaus eine viel grundlegendere Schwäche:
Sie erzählt mir viel zu wenig. Eigentlich lebt sie nur von der Idee, den Tod zu personifizieren. Ein nächtlicher Wanderer entpuppt sich letztlich als Gevatter Hein und am Ende stirbt ein alter Mann. So what?
Mir ist das zu wenig, ich gehe sogar so weit, den Text abfällig als ausschließliche Pointengeschichte zu bezeichnen. Aber einen nachhaltigen Eindruck konnte sie bei mir nicht hinterlassen.

Aufgrund deiner sprachlichen Ausdrucksfähigkeit traue ich dir aber allemal mehr zu. Erzähl mir eine Geschichte.

Willkommen hier, Cheshire.

offshore

 

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