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Ein grauer Tag
Im Haus moderte es an allen Ecken und Kanten, der Geruch wäre früher nicht mal in der Toilette vorzufinden; ich stehe hier in der Küche. Ich konnte den Luftzyklus der verpesteten Umgebung regelrecht folgen, wie die entsetzlichen Überreste einer tiefen, sauberen Luft ausgehend von den vier schmutzigen Wänden um mich herum und all dem toten und abgestandenen Zeug, das sich vor meinen Füßen ausgebreitet wie ein kleines Meer vorfindet, und das wohl bei genauerer Betrachtung auch keiner mehr anfassen wollte, in meine Lungen fuhr. Mein krächzendes, unkontrolliertes Husten leistete seinen Beitrag. Gesund war das nicht, aber was war es schon, wenn es eine Welt wie diese ist, die man tagtäglich erlebt.
Ich war gezwungen, so schnell wie möglich wieder aus diesem Überbleibsel einer Bude zu entfliehen, unter den freien Himmel am Besten, hoffend auf Regen; jawohl, das würde mir jetzt einiges erleichtern. Zu schade, dass ich hier noch nicht ganz fertig bin.
Die Luft war stickig zu dieser Zeit. Ein Atemzug ist nicht mehr das, was er mal war. Häuser modern, da sinkt die Qualität zusätzlich zu den schon unter freiem Himmel schlechten Umständen. Und die Aussicht war wenig hoffnungsvoll, so macht es doch seit Wochen keinen Anschein, die Erde würde noch einmal neue Frische erfahren: Zu düster sind die Aussichten; zu sehr lastet die Umwelt unter den Umständen dieser Tage.
Meine Suche trug mich zur Türschwelle jener Küche. Ein erster Blick war wenig verheißungsvoller als beim letzten Besuch eines fremden Hauses. Es war eine offene Küche in der ich mich befand, üblich in dieser Gegend, wo doch alle Häuser so groß sind und genügend Platz haben für alle möglichen „Spielereien“. Für mich bedeutet das einfach nur strenger zu suchen; ätzend – die Zeit rennt sowieso schon gegen mich.
Ich sah im Augenwinkel die verdreckten Umrisse einer leicht in den Raum geschobenen Tür. Seichte Sonnenstrahlen schienen zwischen dem dünnen Spalt hindurch, enden vor meinen Füßen. Der Boden ist voll mit schmutzigem, alten Gerümpel; keine Chance, wenn man so will.
Blick in die Küche; die ehemaligen Besitzer hatten entweder nicht das nötige Kleingeld oder einfach keinen Geschmack: Eine schreckliche Küche, so sehr, dass der Gedanke an eine andere vor dem Vorfall gar nicht erst kam; ein blutverschmierter Herd, heruntergerissene Vorhänge – wahrlich abgeneigt, noch länger zu verharren. Die Nervosität in mir stieg mit jeder verstrichenen Sekunde weiter auf, mein Puls nähert sich immer weiter dem kritischen Level an. Ständig bin ich auf der Suche, STÄNDIG, um einmal zu finden. Ja, zu finden. Der Gedanke; unvorstellbar. Vor nicht allzu langer Zeit, da wäre ich in mein Auto gestiegen, hätte einen Supermarkt angefahren und hätte mir es gekauft, das verdammte Spray. Doch nun, wo es heißt, es nicht zu haben, einem so qualvolle Stunden zu bereiten vermag, ist es die wahre Pest. Ich hoffte nur , einmal noch Glück zu haben.
Da suche ich schon in diesem Viertel, das ich doch unbedingt vermeiden sollte, und trotzdem: Gebracht hat es mir nichts. In einem der Häuser muss es doch noch etwas geben. Jedes Haus hat einen Medizin-Schrank für Notfälle mit zumindest den wichtigsten Medikamenten, und dazu gehört seitdem auch Atemspray.
Meiner war früher immer in der Küche, vollgepackt damit. Denn ehrlich gesagt: Wann kam es schon vor, dass ich etwas anderes brauchte: Bis auf mein Atemproblem ist meine Krankenakte seither ein unbeschriebenes Blatt.
Alle meine bisherigen Versuche nach meiner Medizin blieben erfolglos, nur nutzlosen Krimskrams fand ich, für den ich weder vor dem Vorfall noch jetzt auch nurim Entferntesten Verwendung finden kann. Ich brauchte das Atemspray, besser gestern als morgen. In meiner Verzweiflung schwenkte mein Blick in der Küche umher: Von Kühlschrank zu Herd, von Herd zu Mikrowelle – die Küche wollte in meinen Augen auch nicht mehr freundlicher werden. Mein Blick blieb an der breiten Balkontür neben der eigentlichen Küche kleben, hinaus blickend in Richtung des offen angelegten Garten, dann starrend in die Ferne: Die Sonne lag bereits auf den dunklen Baumwipfeln im Hintergrund, kurz davor mir für heute ihr Tageslicht endgültig zu rauben. Meine Probleme wurden nicht weniger, dachte ich. Ich verließ die Küche, und schoss den Wohnungsflur wie irre entlang, ohne Ahnung zu haben, wo ich fündig werde – ob denn überhaupt! Die Zeit wird knapp.
Und das Haus war größer als gedacht. Mein Kopf spielte mir Bilder vor von Sachen, die ich mal vor langer Zeit erlebt hatte,oder waren es keine Erinnerungen; doch ich rannte einfach.
Es trieb mich an das andere Ende des Hauses. Auf dem Weg durch den langen Flur lief ich an weiteren Fenstern vorbei, die Sonne war nun nicht mehr zu sehen, einzig die spärlichen Lichtstrahlen, die mir die Stube noch wenige Minuten hell halten würden, schenkten mir noch ein Quantum Hoffnung in diesem Moment. Auf den nächsten Metern kam ich an einer weit geschwungenen Wendeltreppe entlang. Oben müssten die Schlafzimmer sein, aber warum sollten dort Medizinschränke aufbewahrt werden, verstand ich. Schließlich erreichte ich das Ende des Flures. Vor mir eine letzte Tür; ich drückte die Klinke. Die Tür öffnete sich langsam,Ein kurzes, Knarzen ertönte beim Anschlag der alten Tür, und ich warf einen ersten Blick in das Zimmer.
>Das dürfte das Wohnzimmer sein<, nuschelte ich überlegt leise vor mich hin. Ein tiefes Husten folgte. Jetzt ja nicht verrecken, dachte ich mir.
Wissend, dass das mein letzter Aufenthalt auf Erden sein würde, sollte ich nun versagen, drehte ich mich reflexartig um, umso sofort verzweifelt mir ein Bild vom Raum zu machen, die Augen aufmerksam absuchend in den Raum gerichtet, um dieses verdammte Atemspray zu finden, und tatsächlich: Dort lag die Rettung. Auf der Fensterbank befand sich ein Koffer,, versehend mit einem roten Kreuz. Endlich mal etwas bekanntes, so wie ich das von mir zu Hause kenne., nuschelte ich in mich hinein. Ich konnte schon ausgerollte Beipackzettel und diverse Asthma-Verpackungen daneben erkennen, anscheinend haben sie es nicht lange geschafft.
>Volltreffer<, ich war überglücklich, >egal ob die abgelaufen sind<. Und obgleich mein Leben gerettet sein sollte, zitterten doch auf einmal meine Knie. Meine Strapazen in letzter Zeit haben mich zwar ohne Frage sehr mitgenommen, doch es waren ja nur noch ein paar Meter. Es wäre zu blöd. Aber es war etwas anderes:Was ich nicht bemerkt hatte: Es war das knarzende Geräusch, das, gerade als ich zu meiner Rettung eilen wollte, meine Ohren vernahmen.
Die Stille hüllte den Lichtleeren Raum mit vollkommen-lebloser Atmosphäre.