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Serie Ein Kommissar auf Abwegen: Wochenbeginn

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Ein Kommissar auf Abwegen: Wochenbeginn

15. März 1999:

Ich sitze im Büro; der Vormittag war langweilig. Vielleicht doch der falsche Job?

Der Nachmittag ist dann schon ein wenig aufregender. Ort des Geschehens: Vorstadt-Wohnsiedlung, Häuserblöcke, die geldgierige Stadtplaner wohl in Ostdeutschland für einen Sonderpreis gekauft, dann dort ab- und hier wieder aufgebaut haben. In jedem Haus bestimmt 30 Mietparteien. Nicht ums Verrecken würde ich hier einziehen, außer, ich müsste. Ich gestehe mir ein, dass die dort Wohnenden wohl ähnlich denken dürften.

Die P6 (die Dienstwaffe) in Vorhalte stehen drei Zivilbeamte der Fahndung vor einer Tür im dritten Stock. Daneben zwei Uniformierte, einer davon mit einer Türramme bewaffnet, und ich zur Ergänzung der Fahndung. Hier soll also der mutmaßliche Discomörder wohnen. Der "Vollpfosten" hatte, nachdem er nicht ins „Max“ eingelassen wurde, sich noch ein wenig künstlich aufgeregt, dann die Fliege gemacht, ist als Wespe wiedergekommen und hat den Türsteher abgestochen. Bekloppt.

Warum machen das Menschen? Warum so oft junge Ausländer? Liegt es darin, dass sie sich nicht akzeptiert fühlen? Liegt es an uns, dass wir nicht fair und angemessen integrieren? Aber gleich töten deswegen? Doch ich schweife ab. Und mit dem Thema sollten viele Jahre später Sarazzin und Co. für Aufsehen sorgen und scheitern…

Also gut, lassen wir uns kurz mal darauf ein: Warum sind diese gescheitert? Nicht nur, weil es ein wirkliches schwieriges Thema ist, eines, das nicht mit Pauschalisierungen fundiert zu durchdringen ist. Nicht nur, weil jemand, der sich kritisch dazu äußert, schnell ein braunes Abzeichen an die Stirn gepappt bekommt. Fakt ist (das zeigt schon die vom BKA ausgegebene Polizeiliche Kriminalstatistik dem fachkundigen Leser), dass die Relation der durch Ausländer, insbesondere islamischen Ursprungs, begangenen Straftaten höher ist als bei Deutschen.

Es wird jedoch nicht darauf eingegangen, warum dies so ist. Es liegt nicht für jeden auf der Hand, dass Straftaten grundsätzlich von jüngeren Männern begangen werden, dass der Anteil der jüngeren Männer in der ausländischen Bevölkerung höher ist als bei Deutschen. Dass diese jüngeren Männer häufiger aufgrund fehlender beruflicher Tätigkeit finanziell schwächer gestellt sind und wesentlich mehr Zeit haben, Unsinn anzustellen. Aber genug, es ist nicht mein Ansinnen, weltanschauliche Reden zu schwingen.

Zurück zu meinem montäglichen Diensttag: Die Abklärung beim Einwohnermeldeamt ergab, dass auch noch fünf weitere Angehörige für die ca. 80 qm große Wohnung gemeldet sind. Aus dieser dringt laut das muntere Gebrabbel einer Privatfernsehnachmittagsshow á la Sabrina mit Gästen, die gerne wenigstens debil wären, vermutlich mit dem Thema „Hilfe, meine beste Freundin will Sex mit meinen Freund. Darf ich ihr dafür die Augen auskratzen?“.

Überhaupt ist es im Flur recht interessant. Vereinzelte Schreie hallen durchs Treppenhaus. Türschlagen. Der Aufzug rattert verdächtig. Mütter schimpfen mit ihren Kindern etc... Hurra, ein Highlight! Ich darf klingeln.

Hinter der Tür wird in Türkisch lautstark verhandelt, wer nun die Tür zu öffnen habe (fragen Sie mich nicht, woher ich weiß, ich kann kein Türkisch, außer „Merhaba“ und „Teshekür ederim“). Zunächst scheint es, dass sie sich geeinigt haben, dass es keiner muss. Es vergehen polizeiliche Ewigkeiten und ein paar erneute Klingler sind vonnöten, bis die Tür zögerlich aufgezogen wird. Die Frau dahinter wird gemeinsam mit der Tür ins Zimmer gestoßen und fällt auf den Hintern, egal, und Glück für die Tür, denn der Schupo mit der Ramme freute sich schon auf seinen und ihren Einsatz.

Sechs wild gewordene Polizisten stürmen partiell geordnet unter ständigem Ausrufen von „Polizei, keiner bewegt sich!“ oder ähnlich freundlichen Aufforderungen in die Wohnung. Der letzte schließt die Tür. Die Knarre in Vorhalte, durch meinen Bereich in Sichtrichtung schweifend, vermeintliche Bösewichte suchend, komme ich mir vor wie Bruce Willis in „Die Hard“ oder wenigstens wie Nash Bridges beim Kaffeetrinken.

Dann Sicherheitsmeldung: alle Zimmer sind in polizeilicher Hand und alle potentiellen Störer fixiert. Stille kehrt ein. Das heißt, nachdem einer den unmenschlich lauten Fernseher ausgestellt hat. Wen haben wir denn da? Mist, unser Mann ist nicht dabei. Eine Mutti mit Schmerzen am Hintern, zwei Lausebengel im Alter von ca. 12 Jahren, eine 16-jährige und ihre vielleicht vier Jahre ältere Schwester. Schlechte Ausbeute.

Also, alle erst mal aufs Sofa. Während ein Schupo bei den Gastgebern stehen bleibt und uns dadurch sichert, durchsuchen wir restlichen bösen Bullen die Zimmer nach versteckten Personen, der Tatwaffe oder anderen Hinweisen, die uns auf die richtige Fährte des Täters führen könnten.

Mein Gott, ist das langweilig und auch ein wenig widerlich. Sie können sich gar nicht vorstellen, was manche Menschen unter dem Bett oder in den Schränken so alles verstaut haben. ... Und der Geruch dazu. Und natürlich finden wir nichts.

Auf die nun wirklich dämliche, aber ganz gewiss ernst gemeinte Frage der 16-jährigen, ob sie mich nicht schon mal im Fernsehen in GZSZ oder so gesehen hätte, fällt mir auch nichts Besseres ein, als peinlich berührt zu verneinen. Bin halt nicht so schlagfertig.

Na ja, vielleicht würde das mehr Spaß machen. Ich denke mal darüber nach...

Damit endet mein Einstieg in die Woche.

 

Hallo Waldsohn!

Ich würde es mal so ausdrücken: Bloß weil Polizisten im Text auftreten/handeln, ist der Text noch lange kein Krimi.

"Mein Gott, ist das langweilig"
=> Eben. Darf ich dich fragen, warum du schreibst, was du schreiben willst? Bist du selbst Polizist und ist das ein Tagebucheintrag? (Kennst du die Polizei-Poeten?)

Unter einem deiner anderen Texte hast du geschrieben: "Ich gestehe, Inhalt war da bisher nicht viel..."
=> Dann empfehle ich dir - vorausgesetzt, du möchtest wirklich Leser für deine Texte interessieren - dich zunächst einmal mit Spannungsaufbau zu beschäftigen. Warum sollte ein Leser sich für deine Texte interessieren? Sie müssen eben von Anfang an interessant sein. Ohne Inhalt wird das kaum funktionieren.

Oh, und lies auch andere Texte hier und kommentiere sie. Das (wenn du über andere Texte nachdenkst) hilft dir ganz sicher dabei, herauszufinden, wie Geschichten funktionieren und wie nicht. Im Übrigen freut sich natürlich jeder hier über Kommentare. Geben und nehmen, du kennst das sicher.

Grüße,
Chris

 

Hallo Waldsohn,

ich bin zugegebenermaßen gar kein Krimi-Fan. Da ich beruflich etwas vorgeschädigt bin, lese ich Krimis leider immer zu sehr durch die Glaubwürdigkeitsbrille. Da hat Deine Story noch ein paar Ungereimtheiten, die sich auch im Sinne Spannungsaufbau klären ließen. Warum haben die denn gleich eine Ramme dabei? Erwartet man Kleinkriminelle, Terroristen? Welchen Hintergrund hat der ganze Einsatz?

So frage ich mich, was will mir der Autor damit sagen? Schon Chris bemängelte den Mangel an Inhalt. Die Story hat im Moment in dieser Form keinen Mehrwert für mich. Sie erzählt mir nichts, sie baut keinen Plott auf und sie lässt viele Fragen des Lesers im Dunkeln.

Ansonsten ist mir noch das Folgende aufgefallen:

Warum machen das Menschen? Warum so oft junge Ausländer? Liegt es darin, dass sie sich nicht akzeptiert fühlen? Liegt es an uns, dass wir nicht fair und angemessen integrieren?

Abgesehen davon, dass mir der Ich-Erzähler gleich mega-unsympathisch wird, fallen diese "philosophischen" Sätze stilistisch aus dem Rahmen. Vorher und nachher hat er eher so eine abgehakte Umgangssprache und jetzt plötzlich bringt er ganze Sätze raus. Das gilt auch für die nächsten zwei Abschnitte. Das ist einfach ein Stilbruch.

Aber genug, es ist nicht mein Ansinnen, weltanschauliche Reden zu schwingen.

Ähm, doch. Genau das tut er.

Auf die nun wirklich dämliche, aber ganz gewiss ernst gemeinte Frage der 16-jährigen, ob sie mich nicht schon mal im Fernsehen in GZSZ oder so gesehen hätte, fällt mir auch nichts Besseres ein, als peinlich berührt zu verneinen. Bin halt nicht so schlagfertig.

Nachdem, was er so denkt, scheint es ihm nicht an Schlagfertigkeit zu mangeln. Er hat offenbar dann vielmehr nicht die Traute seine Gedanken auch gegenüber Dritten zu äußern.

Ich hoffe, ich konnte schon einmal einen ersten Eindruck vermitteln, woran Du noch arbeiten kannst. Das soll ja offenbar ein Auftakt für eine Serie sein. So eine Krimi-Serie á la Eberhofer hat sicherlich Potenzial, aber Du musst unbedingt an der Charaktere Deines Protagonisten und v.a. am Inhalt arbeiten, damit die Leser neugierig werden.

Viele Grüße
Maedy

 

Liebe Maedy,

Danke dir; ich freue mich sehr über deinen lehrreichen Kommentar.

Insbesondere pflichte ich bei, wenn du darauf verweist, der Protagonist sei besser auszugestalten und der Inhalt bedürfe größerer Arbeit.

Eingehend auf einige deiner Punkte:

1. Ramme: Das kommt tatsächlich vor bei Tötungsdelikten. Und im echten Leben genau so passiert.

2. Kommentar zu jungen Ausländern: Gerade hier halte ich den Ich-Erzähler für ehrlich, aber auch fachkundig. Denn er gibt Fakten wieder, deren Existenz er auch gleich zu relativieren sucht. Schließlich werden gerade solche Daten vielfach (absichtlich) falsch interpretiert.

Der Ich-Erzähler führt an:
"Es liegt nicht für jeden auf der Hand, dass Straftaten grundsätzlich von jüngeren Männern begangen werden, dass der Anteil der jüngeren Männer in der ausländischen Bevölkerung höher ist als bei Deutschen. Dass diese jüngeren Männer häufiger aufgrund fehlender beruflicher Tätigkeit finanziell schwächer gestellt sind und wesentlich mehr Zeit haben, Unsinn anzustellen."

Ob der Ich-Erzähler dazu überhaupt etwas sagen sollte, das steht auf einem ganz anderen Blatt. Jedoch dürften gerade Polizisten durch ihr tägliches Erleben in dieser Hinsicht oftmals negativ geprägt sein. Da halte ich einen Beamten, der differenziert seine Meinung kundtut, für gar nicht so übel und nicht mehr für soooo mega-unsympathisch...

Alles in allem folge ich, wie schon oben, deiner konstruktiven Kritik. Meine Take-aways sind:
1. Eine deutlichere Story haben.
2. Protagonisten charakterisieren.
3. Keine Änderungen im Stil anwenden. (Ist das zwingend?)
4. Krimi á la Eberhofer könnte funktionieren.

Ich bedanke mich noch mal herzlich!

VG,
Waldsohn

 

Hallo Waldsohn,

kurz zu Deinen Rückfragen:

3. Keine Änderungen im Stil anwenden. (Ist das zwingend?)

Zwingend ist das nicht. Bei Deiner Story fällt mir nur auf, dass Dein Protagonist teilweise sehr umgangssprachlich denkt und dann eher intellektuell. Überzeugender wäre es m.E, wenn z.B. seine direkte Rede umgangssprachlich wäre und sein Denken dann stilistisch anders (dann würde er sich anders geben, als er ist). So wirkt es auf mich etwas eigenartig. Aber vielleicht gibt es noch andere Meinungen dazu.

Bezüglich der Ramme erfasst Du genau den Kern meiner Kritik. Der Leser möchte wissen, warum diese Gerätschaft mitgenommen wird. Hier hättest Du die Möglichkeit Spannung aufzubauen. Der Tag beginnt langweilig, aber dann kommt doch ein großer, vielversprechender Einsatz (und sei es für den persönlichen Erfolg). Alles wird auf die Schnelle durchgeplant, man ordert Personal an, die Ramme usw. Dein Protagonist malt sich schon die nächste Beförderung oder jedenfalls ein Lob vom Vorgesetzten aus.

Am Ende kann ja durchaus die Enttäuschung stehen, dass man sich geirrt hat oder der Täter bereits geflohen ist.

In der Realität ist der Polizeialltag sicher nicht immer so spannend. Ich durfte eine Zeit lang rechtsmedizinische Berichte auswerten. Das liest sich ungefähr so packend wie ein Telefonbuch und hat gar nichts von "Bones" oder so. Diese Seite des Jobs Deines Protagonisten könntest Du aber auch über sein "Denken" darstellen oder vielleicht auch die Enttäuschung, dass trotz des ganzen Aufwands am Ende des Tages nichts herausgekommen ist. Der Leser benötigt aber einen gewissen Spannungsaufbau, um bei der Sache zu bleiben.

Liebe Grüße
Maedy

 

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