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Einbrecher
Es ist halb vier Uhr nachts. Du liegst im Bett und schläfst, richtig ausgestreckt, denn du bist allein, weil deine Frau auf Kur ist. Plötzlich wirst du vom einem Geräusch aus dem Erdgeschoss wach. Wahrscheinlich ist nur in der Küche der Berg dreckiges Geschirr nun endlich doch in sich zusammen gebrochen, oder der Kater hat deine kostbare Aldi-Bierdosensammlung umgeworfen, trotzdem schreckst du hoch und denkst: Einbrecher!
Aber nein, wer könnte schon die fünfhundert Euro teuren Sicherheitsfenster und Sicherheitsschlösser überwinden, die du dir angeschafft hattest, nachdem in Unterpöselsheim die Kriminalitätsrate um 0,003 Prozent angewachsen war, und die deinen 125 Euro Farbfernseher von Penny und deinen 39,95 Euro DVD-Player vom „Ichbindochnichtblöd“-Markt bewachen.
Während du noch schwankst, ob du dich in die relative Sicherheit deines Bettes zurückziehen, oder lieber doch mal unten nachsehen solltest, gibst du so den vermeintlichen Einbrechern genug Zeit, dein Haus komplett auszuräumen und vielleicht noch neu zu tapezieren. Schließlich siegt mehr oder weniger gesunder Menschenverstand über Angst und Faulheit und du willst nachsehen.
Natürlich gehst du nicht ohne die passende Ausrüstung. Eine Taschenlampe liegt griffbereit im Nachtschränkchen, leider zeigen sich die Batterien wenig zuverlässig und streiken. Das aber macht nichts, denn du hast ja Augen wie eine Katze. Leider keine Krallen, also muss noch eine Waffe her, um die feigen Diebe heldenhaft bis zum Anrücken der GSG9-Kommandos in Schach zu halten. Dein Blick fällt auf den verendenden Kaktus im Schlafrock, der die Nachttischlampe deiner abwesenden Göttergattin darstellt, da meldet sich dein Selbsterhaltungstrieb und mahnt an, dass dir das deine Schwiegermutter nie verzeihen würde.
Dann fällt dir endlich dein nagelneuer Baseballschläger ein, den du dir gekauft hattest, nachdem in Unterpöselsheim nochmal die Kriminalitätsrate um 0,003 Prozent angewachsen war. Also wuchtest du dich aus dem Bett, stolperst nach wenigen Schritten über genau diesen Schläger und stößt dir dein Knie am Kleiderschrank. Auf Grund des dich plötzlich durchzuckenden Schmerzes verlässt ein mühsam verhaltener Fluch deine Lippen und veranlasst den imaginären Einbrecher ein Etage tiefer vor Schreck den Kleistereimer fallen zu lassen.
Egal, du bist ein Mann und du musst dich der Gefahr stellen, dein Haus und Hof verteidigen. Du bemühst dich leise das Erdgeschoss zu erreichen und machst dir eine geistige Notiz: Türen im ganzen Haus prophylaktisch ölen! Natürlich knarren heute Nacht genau die Stufen, welche sich bisher immer als besonders still erwiesen hatten.
Endlich hast du den Flur erreicht. Langsam, den Schläger zum blitzschnellen Hieb bereit, tastest du dich blind vorwärts. Dein Herz hämmert vor Erregung, es könnten ja jederzeit gefährliche Ganoven aus diversen Schuhschränken und -schachteln hervorspringen. Dann hast du das Wohnzimmer erreicht. Ist da hinten nicht ein Schatten? Neben der Kommode? Ja, genau dort steht eine schmale, längliche Gestalt mit einer markanten Frisur, bereit, die Schubladen nach Schecks und Bargeld zu durchwühlen. Du straffst dich, fertig zum Angriff. Der Eindringling scheint regungslos erstarrt zu sein, er ahnt anscheinend die drohende Gefahr. Gerade in dem Moment, als du mit todesverachtendem Geschrei drauflos stürmen willst, siehst du im Licht eines vorbeifahrenden Autos: Die Zimmerpalme.
Zufrieden mit dir, da du ja anscheinend durch dein aggressives und überlegenes Vorgehen alle potentiellen Angreifer und Kriminellen verscheucht hast, und auch etwas erleichtert, da die Zimmerpalme deinen Beinaheangriff überstanden hat und dann doch wohl nur aus Wassermangel langsam eingehen wird, drehst du vor dem Zubettgehen noch eine Runde am Kühlschrank vorbei. Rechtschaffen müde gehst du nach oben, lässt die Baseballkeule dort fallen, wo du bei nächster Gelegenheit wieder darüber stolpern wirst und legst dich erschöpft, aber glücklich auf dein Bett. Langsam schläfst du ein, während unten leise die Rauhfasertapete trocknet.
Gute Nacht.