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Erlösung?

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06.09.2004
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Erlösung?

Die kalten, trostlosen Pflastersteine blickten ihn an...sein Kopf war gesenkt...wie jeden Morgen um diese Uhrzeit. Seine Stirn war mit Schweißperlen bedeckt und seine Schritte schienen kraftlos. Aus dem, mit dunklen Wolken verhängten Himmel drangen die ersten Regentropfen, welche durch seinen dünnen Pullover hindurch drangen und seine Haut erfassten. Nicht mehr weit war es....bis zur Schule, dem Platz an welchem er nicht gerne verweilte. Die letzten Schulkinder fuhren mit dem Fahrrad an ihm vorbei, manche drehten sich um und lachten. Der Weg über den Schulhof war jeden Morgen gleich schwer für ihn...jeden Morgen das selbe...Gelächter und Beschimpfungen. Es störte ihn nicht mehr, er fraß alles in sich hinein, den ganzen Frust, welchen er Tag für Tag hier an diesem Ort erlebte.
Auch im Klassenraum nahmen die Spöttereien kein Ende. "Assi"..."geh` nach Hause, du Penner", tönte es aus der anderen Ecke des Raumes. Er zeigte keine Reaktion, starrte schier leblos geradeaus, nahm es einfach nicht wahr. Die Schulstunden schlichen vor sich hin, schienen kein Ende zu nehmen. Geistig anwesend war er nicht, sein Blick schweifte abermalig ab. Selbst in den Pausen blieb er im Klassenraum und starrte weiter vor sich hin. Er wollte nicht auf Konfrontationskurs mit den anderen gehen.
Gegen zwei Uhr hatte er es dann endlich geschafft, jedenfalls für diesen Tag blieb er von weiterem Hohn und Spott verschont.
Auf Zuhause konnte er sich nicht freuen, der Weg war lang...den Bus nehmen? Das wollte er nicht, da ihm die Erniedrigungen in der Schule wahrlich genügten, zudem hatte er kein Geld für solch eine Investition.
So blieb ihm nur der beschwerliche Weg zu Fuß übrig, welcher ihn durch die finstersten Gegenden der Stadt führte.
Daheim bot sich ihm das gleiche Bild...wie jeden Tag. In der kleinen Wohnung bedeckte der Müll den Großteil des Fußbodens, seine kleinen Geschwister lärmten und seine Mutter lag wie so oft betrunken auf der Couch im Wohnzimmer. Mit gesenktem Blick verschwand er in seinem Zimmer. Kein Fernseher, kein Computer, keine Bücher, undichte Fenster, von den Wänden herabfallender Putz und eine nicht funktionsfähige Heizung, ein Großteil seines Zimmers stand leer.
Oft starrte er von seinem Fenster aus, mit einem verträumten Blick, vorbei an den Hochhäusern und Fabrikhallen, in den Himmel. Wie in Stagnation versetzt, verbrachte er ganze Stunden dort, fing nicht selten an zu weinen.
Das Knallen der Tür riss ihn aus seinen Gedanken.."Los Junge, hol` deiner Mutter noch was` zu Trinken aus dem Keller...", lallte seine Mutter in einem recht unverständlichen Ton. Er zeigte keine Reaktion, drehte nur kurz seinen Kopf und blickte seine Mutter an, wendete sich dann jedoch wieder dem Himmel zu. "Verdammt, hol` deiner armen Mutter...", sie unterbrach..."Ach, es hat doch eh` keinen Sinn mehr bei dir...du bist wie dein Vater"...die Tür fiel zu. Sein Blick verließ den dunklen, bedeckten Himmel und wanderte in Richtung Eisenbahnbrücke...die Geräusche der Züge hörte er den ganzen Tag, besonders nachts, wenn alles ruhig war und fast jeder schlief. Oft lag er wach in seinem Bett und horchte diesen Lauten. Es fing an zu regnen, das plätschernde Geräusch riss ihn abermals aus seinen Gedanken. Tränen bedeckten sein Gesicht.
Kurze Zeit später befand er sich wieder auf der Straße. Es war dunkel. Finstere Wolken verhängten den Abendhimmel, der Regen fiel unaufhaltsam immer Stärker aus dem unheimlichen Himmelszelt. Er schien zielstrebig, näherte sich Schritt für Schritt den Fabrikhallen und der großen Brücke unter welcher die Züge fuhren, dessen Geräusche er täglich vernahm.
Langsam schritt er die Brücke hinauf. Das grelle Licht der Autofahrer blendete ihn, sein Blick senkte sich.
Er war oben angelangt, der eisige Wind strich ihm durch seine Haare, es war wahrlich kalt an diesem Abend. Er drehte sich um, schaute noch einmal zurück, in Richtung Heimat. Seine Hände umfassten das kalte, nasse Brückengeländer...langsam steig er hinüber und stellte sich an den Rand der Brücke. Seine beinahe leblosen Augen starrten ununterbrochen in die Tiefe, auf die schweren, dunklen Gleise. Sein Blick fiel erneut zurück, er war angespannt, verzweifelt. Der Regen schien kein Ende zu nehmen, er fror und seine Kleidung war völlig durchnässt. Seine zittrigen Hände verließen das Geländer...er blickte wieder nach unten, in ein schwarzes Loch; er schloss seine Augen...und eine letzte Träne verließ sein Auge und fiel in die schier unendliche Dunkelheit.

Fin

© B.Kühl 2004

 

Hallo Herbstwind,
willkommen bei kg.de! :thumbsup:

Eine schlimme Geschichte, die deinem Protagonisten da widerfährt.

Beinahe erschien mir das Negative ein wenig zu viel – das Mobbing in der Schule, die alkoholsüchtige Mutter, düstere Wolken, die finstere Gegend des Schulweges, ... – aber das Schicksal kann manchmal grausam sein, und es gibt sicherlich so manche Kinder, die ein derartiges Leben mit wenig Zukunftsperspektive durchmachen müssen. Ein ernstes Thema.

Ein Selbstmord kann aber sicherlich nicht die Lösung sein. Und in Hinblick auf die Kurzgeschichte wurde dieses abgeschmackte Ende schon in sehr vielen Texten, auch bei kg.de, verwendet, sodass der Sprung in die Tiefe am Ende keine wirkliche Überraschung für mich war. Es gibt sicherlich zahlreiche ähnliche Geschichten.

Besser hätte es mir daher gefallen, wenn dein Protagonist beispielsweise jemanden kennen gelernt hätte, der sich für ihn interessiert hätte, es gut meint, ihn möglicherweise aus dieser hoffnungslos erscheinenden Lage hinausführen könnte, usw. Ich denke, dann wäre der Text auch spannender gewesen, man könnte mehr mit deinem Protagonisten fühlen und fiebern.

Letztendlich ist es natürlich dir überlassen, wie du die Geschichte enden lässt. Trotzdem gibt es meiner Meinung nach bessere Lösungen als einen Selbstmord.

Viele Grüße,

Michael :)

 

Hallo Herbstwind!

Da hast du dir wirklich ein ziemlich düsteres Thema ausgesucht. Mag sein, dass Michael recht hat, und das Thema Selbstmord ein wenig überstrapaziert ist, aber andererseits muss ja auch nicht jede Geschichte ein Happy-End haben. Mir gefällt deine Geschichte ganz gut, vielleicht auch gerade wegen des Endes.

Mir ist aber aufgefallen, dass du Worte wie "wahrlich" und "abermalig" magst. Allerdings passen die, meiner Meinung nach, nicht so recht in die Geschichte. "Wahrlich" würde ich eher bei einem Dialog einer historischen Geschichte oder vielleicht noch bei einer Fantasy-Story verwenden. Irgendwie klingt das hier ein wenig gesetzt.

Es würde mich auch interessieren, was dein Protagonist bei den Beleidigungen seiner Mitschüler und den Familienverhältnissen denkt und fühlt.

Alles in allem aber eine gut zu lesende Geschichte.

Liebe Grüße,
Dirk

 

Hallo,

erstmal vielen Dank für eure Antworten und Bemerkungen.

Zu der Geschichte: Es war eine spontane Idee, die mir während der Arbeit gekommen ist und dort habe ich diese auch "aus dem Handgelenk" geschrieben:-p

Zu bedenken ist, dass es ein offenes Ende darstellen soll...es ist nicht erwähnt dass er springt...davon steht in der KG nichts=) Generell ist es ja "vorgeschrieben", dass eine KG ein offenes Ende besitzen sollte (Habe ich gelesen und auch so "gelehrt" bekommen"). Der Leser soll sich selber Gedanken über das Ende machen und vielleicht auch "für sich" entscheiden.

Zu den beiden Worten: Ich wollte etwas Abwechslung in die Geschichte bringen...da ich möglichst versuche, etliche Wortwiederholungen zu vermeiden...naja, beim nächsten Mal werde ich besser aufpassen.

Nun ja, es ist schon bewusst so gemacht, dass die Geschichte so sehr "nagativ" geworden ist. Ich denke, etwas positives würde in diese KG nicht hineinpassen...jedenfalls war meine erste Idee, diese Geschichte so zu schreiben und habe es letztendlich auch getan=)

Ihr werdet sicherlich noch mehrere Geschichten von mir lesen=)

Schöne Grüße

 

hallo herbstwind

also grundsätzlich ist es ja egal, was für ein thema du dir aussuchst. über alles wurde schon irgendwie viele male geschrieben.
das was es besonders macht, sind die eigenen akzente die du selber setzt.
das vermisse ich aber bei deiner geschichte gänzlich. sprachlich bietest du keine raffinessen und der weg des jungen ist zu einfach gezeichnet. er hat es in der schule schwer, mutter trinkt und auch sonst gibt es keine freunde. da ist ein selbstmord nichts unberechenbares. es wäre doch zum beispiel viel interessanter, wenn es dem jungen gut gehen würde und er trotzdem von der brücke springen würde. oder du lässt es einfach so, der typ springt von der brücke, überlebt das alles und muss sein lebenlang im rollstuhl sitzen. nur weil er zu dämlich war einen anständigen selbstmord zu machen (sorry, ein wenig makaber)
aber ich denke, du weißt worauf ich hinaus will.

gruß
flip

 

Es steht, immer noch, nirgendwo in dieser Geschichte, dass er sich umbringt^^

Keine sprachlichen Raffinessen; der Weg ist zu einfach....o_0
Wie würde es denn aussehen, wenn es nach dir ginge?

Gruß
Benni

 

Hallo Benni,

eine düstere Geschichte...

Hin und wieder hätte ich statt einem Komma einen Punkt gesetzt.
Es ist nicht vorgeschrieben, dass eine KG einen offenen Schluss haben muss.

"Auf Zuhause konnte er sich nicht freuen, der Weg war lang...den Bus nehmen? Das wollte er nicht, da ihm die Erniedrigungen in der Schule wahrlich genügten, zudem hatte er kein Geld für solch eine Investition."

Hier musste ich überlegen, bis ich darauf kam, dass er im Bus wohl ein paar seiner Mitschüler trifft, denen er eigentlich aus dem Weg gehen will. Vielleicht könntest Du sie noch einfügen.

Och, für den Anfang fand ich sie gar nicht so übel.

LG

Andrea

 

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