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Es scheint, als würde sich der Himmel auftun, um die Welt zu verschlucken.

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19.03.2003
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Es scheint, als würde sich der Himmel auftun, um die Welt zu verschlucken.

Der Himmel flimmerte gelb vor Hitze.
Ich radelte entlang der Alster aufs Land, um für meinen Bruder die Lebensmittel zu besorgen, die er brauchte, um gesund zu werden. Ich fuhr an einem abgeernteten Kartoffelfeld vorbei. Mein Magen knurrte, weil er schon seit Wochen nur Brotsuppe zu verdauen hatte, die letztendlich mehr aus Wasser als aus Suppe bestand. Die Marken in meiner Tasche waren praktisch wertlos, denn Lebensmittel erhielt man eigentlich nur noch, wenn man etwas beim Bauern dafür eintauschen konnte. Ich hatte nichts zu tauschen und daher beschloss ich, auf dem Kartoffelacker mein Glück zu versuchen. Die Bauern hatten zwar schon eingefahren, aber vielleicht konnte ich so viel Kartoffeln nachstoppeln, dass unsere Mutter uns Kartoffelpuffer mit Apfelmus braten konnte, denn einen Apfelbaum hatte ich auch erspäht. Ebenso wollte ich Kurts Ration an Milchmarken einlösen und ich hoffte, nicht lange anstehen zu müssen. Meist war mehr Molke als Milch in der Kanne. Aus der Ferne hörte ich den Luftalarm und kurz darauf die Flak und Bomber. Der Hafen wurde bombardiert. Der Luftangriff war viel zu weit von meinem Standort entfernt, als dass er mir gefährlich werden konnte. Dennoch war ich besorgt, ein Angriff bei Tage war ungewöhnlich und daher wollte ich meine Familie nicht zu lange alleine lassen. Ich war zwar erst zwölf, aber ich fühlte mich trotzdem zuständig, für meine Mutter und Kurt zu sorgen, weil Mutter immer weniger wurde und der kleine Kurt immer nur greinte.

Mein Vater und mein großer Bruder Helmut waren an der Front. Meine Mutter versuchte uns durchzubringen, so gut sie konnte, doch seit Tagen hatte sie diesen merkwürdigen abgestumpften Blick. Immer wieder las sie den letzten Feldpostbrief meines Vaters. Kurt wimmerte in ihren Armen und zupfte sich das rechte Ohr. Nachdem eine klebrige Flüssigkeit heraus rann, schlief er ein. Das Trommelfell war endlich geplatzt und die Schmerzen ließen nach.

Ich trat kräftig in die Pedale und irgendwie tröstete es mich, dass ich vor Anstrengung keuchte. Ich hatte das Gefühl wirklich zu leben, ich spürte nicht mehr den Hunger, auch glaubte ich, unverwundbar zu sein, weil die drückende heiße Luft an meiner Haut klebte wie Sirup und mich ermutigte, noch kräftiger zu treten, um den süßen Schwindel in meinem Kopf zu verstärken.

„Ich bin zurück!“
Die Milchkanne in der einen Hand, den Sack mit Kartoffeln und grünen unreifen Äpfeln in der anderen, wuchtete ich meine Ausbeute auf den Küchentisch. Mutters Augen glänzten und ich freute mich, dass es ihr anscheinend besser ging.
„Marie, wir haben Nachricht vom Helmut!“
In ihrer Hand befand sich ein grauer Umschlag mit der Feldpostnummer meines großen Bruders.
„Es geht ihm gut, schreibt er, und er bekommt Heimaturlaub, weil er den Feind besiegt hat.“
Ihre Freude versetzte mir einen Stich. Meine Kartoffeln waren klein und Helmut war der Held, in dessen Ruhm meine Mutter aufblühte wie eine Eintagsblume. Nur Kurtchen patschte nach den Knollen, gluckste vor Freude, als sie über den Boden kullerten.

Selbst später im Luftschutzkeller erzählte Mutter den Nachbarn alles von Helmut, dass er bald käme, wie mutig er sei, als Fallschirmjäger für das Vaterland zu kämpfen. Alleine die Vorstellung, aus einem Flugzeug zu springen, während die Flak draußen in den Himmel ballerte, wurde ausgiebig bewundert.

Ich ballte meine Hände zu Fäusten und schämte mich meiner Schrunden, die ich mir beim Ausgraben der Früchte zugezogen hatte, weil die Neuhaus von nebenan meiner Mutter zuraunte, dass ich als junges Mädchen doch auf mein Äußeres zu achten hätte. Überhaupt, warum ich denn mein Haar abgeschnitten hätte, fügte sie mit zusammengepressten Lippen hinzu.

Ich verschränkte meine Arme und versuchte, nicht hinzuhören. Es gab kein Wasser, aus den Leitungen tröpfelte es nur. Frau Neuhaus und meine Mutter nahmen es nicht zur Kenntnis, denn dieser Umstand passte nicht zu dem sauberen Reich, das blond und tüchtig und aufrecht war. Ich streichelte meinem kleinen Bruder übers Gesichtchen. Er schlief ruhig in meinen Armen und ich sog seinen Babyduft ein. Ich verstand nicht, warum Mutter so kühl zu ihm war. Er war so süß, seine Haare kringelten sich in feuchten Locken um sein Gesicht.

Nach dem letzten Heimaturlaub meines Vaters, wölbte sich der Bauch meiner Mutter. Doch bevor er sich wölbte, tat sie absonderliche Sachen. In einer Nacht als sie dachte ich schliefe, trank sie Rotwein, den sie wohl irgendwo aufgetrieben hatte und sprang danach immer und immer wieder vom Küchenstuhl. Sie schlug auf ihren mageren Körper ein. Insbesondere den Bauch malträtierte sie mit ihren Fäusten. Sie brach in Tränen aus und ich holte Karin von nebenan, aus Furcht, meine Mutter hätte einen Koller und würde sich töten. Meine Mutter klammerte sich an Karin, jammerte, sie solle es wegmachen, sie sei doch Engelmacherin.
„Sei still!“, herrschte Karin meine Mutter an, „nimm dich zusammen!“
Sie schlug meiner Mutter zweimal ins Gesicht, dass es nur so klatschte.
„Willst du uns ins Gefängnis bringen?“
Meine Mutter starrte sie an, als sei sie gerade aus einem Traum erwacht. Sie schüttelte den Kopf.
„Ein Kind zu gebären ist ein Geschenk für den Führer, auch wenn man schon die vierzig überschritten hat“, sagte Karin. „du musst dann auch nicht mehr in die Fabrik, Anne.“ Karin fasste Mutter bei den Händen und zog sie an sich.
„Ich kann dir nicht helfen, noch nicht“, flüsterte sie und wiegte meine Mutter, wie ein kleines Kind in den Armen. Sieben Monate später entband sie Kurtchen. Mutter lag erschöpft von den Wehen im Elternbett. Karin nahm ein Kissen und drückte es Kurt aufs Gesichtchen.
„Nein!“, schrie ich. Sirenen heulten und der Blockwart klopfte an unsere Tür. Er hatte Kurt gerettet, ohne es zu wissen.

Es war Sonntag und schwarze Rauchwolken verdunkelten im Westen der Stadt den Himmel. Mutter hatte sich fein angezogen. Kurt krähte vor Vergnügen, denn die Morgensonne kitzelte ihn. Ich holte eine Handkarre vom Dachboden und verstaute darin unsere Habseligkeiten.
„Was machst du da?“, fragte mich meine Mutter.
„Wir gehen zu Tante Miezie“, trumpfte ich auf.
Tante Mietzie war Mutters Schulfreundin, die nach ihrem Landjahr den Jungbauern geheiratet hatte. Sie hatte uns nach Kurts Geburt einen Brief geschrieben, uns eingeladen zu kommen, falls die Bombenangriffe Überhand nehmen.
„Das geht nicht Kind. Wie soll uns Helmut finden?“
„Wir können doch eine Nachricht auf der Wand hinterlassen“, schlug ich vor.
„Marie, nein!“, antwortete Mutter.
„Helmut ist doch noch an der Front ..., er hat nicht geschrieben, wann er den Heimaturlaub bekommt. Mietzie hat doch auch reichlich genug zu essen!“, rief ich, fassungslos, weil Mutter die furchtbaren Angriffe und den Hunger weiter in Kauf nahm. So sehr ich auch bettelte, Mutter wollte nicht fortgehen. Sie blieb hart, nahm unsere wenige Habe wieder aus dem Wägelchen und verstaute sie in den Schränken.

Mit dem leeren Handkarren zog ich durch die Straßen. Die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt hatte zwischenzeitlich wegen der schrecklichen Verluste der gestrigen Bombennacht im Westen Hamburgs Lebensmittel herbeigeschafft. Es gab frisches Wasser und Brot, Obst in Hülle und Fülle. Viele Ausgebombte drängelten sich nach vorne. Es war grauenhaft. Wie wilde Tiere fraßen sie, stopften sich das Brot in den Mund, schluckten ohne zu kauen. Ihre Lumpen, die Haare, sie selbst stanken nach verbranntem Fleisch. Ich würgte meine aufkommende Übelkeit hinunter und sackte ein so viel ich konnte.

Der Hamburger Hafen war schwer getroffen worden. Den ganzen Tag hatte ich Essbares aufgetrieben. Viele Ausgebombte irrten durch die Straßen. Es war immer noch heiß und drückend. Ich hatte Angst. Nachdem ich zurück war, aßen wir etwas Obst und Brot zu Abend. Kurt ging es viel besser. Ich wickelte, kämmte, herzte ihn. Legte ihn ins Bett. Mutter saß mit verkniffenem Mund am Fenster im Schaukelstuhl. Sie schwieg, wie meistens, döste.

Früher war sie nicht so untätig. Immer fanden ihre Hände Arbeit. Doch gegen den Staub aus Schutt und Asche kamen wir ohne Wasser nicht mehr an. Auch zerrte der Schlafmangel an unseren Kräften. Schon seit Wochen hatten wir nachts regelmäßig gegen Mitternacht Fliegeralarm. Die Flieger kamen aus dem Westen über die Elbmündung. Wir stolperten in den Keller und warteten auf Entwarnung, weil die Flugzeuge nach Norden abdrehten und ihre Bomben abwarfen.

Nach der Verdunklung legte ich mich neben Kurt, fiel völlig erschöpft und übermüdet in einen unruhigen Schlaf. Die Alarmsirenen heulten und meine Mutter raffte die Feldpostbriefe und Kurtchen an sich, um in den Keller zu gehen. „Marie komm!“, rief sie mir zu.

Und wieder hatte ich das Gefühl unverwundbar zu sein. Die Wohnung war so heiß und stickig, statt in den Keller zu laufen, schlummerte ich erneut ein, träumte von Wasser und von kleinen Würmern, die sich darin wanden. Plötzlich knallte es ohrenbetäubend und ich spürte einen heftigen Schlag. Mir war, als wollte das Haus kippen. Die Fenster waren samt Rahmen ins Innere der Wohnung gesprengt worden. Noch ein Schlag ließ das Haus wanken. Draußen brannte es, orgelten die Bomben über Hamburg und ich spürte, wie die Luft aus dem Haus gesogen wurde. Ich konnte nur noch flach atmen. Mit allerletzter Kraft sprang ich aus dem Fenster in das zehn Meter tiefe dunkle Fleet unter mir. Das schwarze Wasser schlug über mir zusammen und ich versank in der Tiefe. Ich versuchte, an die Oberfläche zu kommen. Über mir war Feuer. Auch das Wasser brannte. Meine Lungen schmerzten. Mit jedem Atemzug wurde es schlimmer. In meinen Ohren steckte etwas wie Watte, ich war taub und doch hörte ich den Feuersturm, der sich durch die Stadt fraß, wie ein wütender Drache. Brennende Menschen stürzten sich ins Fleet. Ich schloss die Augen, trieb im Wasser und konnte es kaum glauben dort zu sein. Erinnerungsfetzen jagten durch meinen Kopf. Unser Urlaub in Travemünde. Helmut baute eine Sandburg und ich verzierte sie mit Muscheln. Er warf den Mädchen am Strand sonderbare Blicke zu, ließ seine Muskeln spielen, als er die Schaufel zur Hand nahm. Ich bewarf ihn mit Algen und einer Qualle. Wir lachten und sprangen ins Meer.

Wir schwimmen weit hinaus. Das Wasser trägt uns, es ist wunderschön.

Irgendwann wurde es Tag. Trotzdem war es dunkel. Es war, als würde sich der Himmel auftun, um die Welt zu verschlucken. Nur mich spie der Himmel wieder aus. Ich robbte an Land. Ich wusste nicht, wo ich war, denn es gab keine Häuser mehr. Ich glaubte, tot zu sein und ich war verrückt vor Angst. Ein Wehrmachtswagen ratterte an mir vorbei. Alte Männer sprangen von der Ladefläche. Ich sah sie, die verschrumpelten und verkohlten Überreste der Toten bergen und auf die Ladefläche werfen. Einer von ihnen kam näher zu mir und rüttelte an meiner Schulter. „Die Deern lebt noch!", hörte ich ihn rufen. Hände hoben mich auf.

Marie fand Unterschlupf bei Tante Mietzie in Pöppendorf nahe Travemünde. Kurt und Maries Mutter erstickten bei dem Angriff im Keller. Maries Bruder Helmut wurde 1944 im freien Fall abgeschossen. Maries Vater kehrte 1956 als gebrochener Mann aus Sibirien heim. Er starb 1961 an einer Thrombose.

 

Hallo Goldene Dame,

großes Kompliment: wenn ich nicht wüsste, dass du eindeutig zu den jüngeren Geschöpfen gehörst, hätte ich gesagt, du hast anschaulich deine eigenen Kriegserlebnisse wiedergegeben. Deswegen großes Kompliment, du hast offensichtlich gut zugehört, als man dir das alles berichtete.

Ich fand deine Geschichte spannend.

Am Anfang war ich ein wenig enttäuscht, dass du nicht weiter erzählt hast, wie sie auf dem Feld die Kartoffeln sucht oder was ihr widerfährt, um an die Milch ranzukommen, aber das ist sog. Künstlerfreiheit, da die Geschehnisse zusammen zu raffen.
Es könnte z.B. noch ein versprenkelter Jagdbomber im Tiefflug übers Feld donnern und sie fast zu Tode erschrecken.

Gut gefallen hat mir, dass du nicht nur die Erlebnisse schilderst, sondern die Protagonisten vor meinem Auge zu Leben erweckt werden. Ich sehe wie in einem Film deine Protagonistin und kann ihre Nöte und ihre Sorge und vor allen Dingen verstehen, dass sie sich benachteiligt fühlt.
Die damalige Zeit ließ gar nichts anderes zu, als die Wertigkeit des Soldaten immer höher anzusetzen als die der Frau, egal wie tüchtig sie war, nicht wahr?

Das ändert ja aber nichts an der Unzufriedenheit der Mädchen und Frauen, die in der Heimat schwer daran arbeiten mussten, die Familie mit Nahrung zu versorgen.

Und was mir auch gut gefallen hat, war die Ignoranz der Frauen untereinander und das Abverlangen von Dingen, die die Kinder eindeutig überforderten.

Die Nachbarin, die meint, das Kind müsse sich mehr pflegen, die Mutter, die nicht sofort das Kind in Schutz nimmt, das war so damals. Ich habe aus den Berichten und Erzählungen meiner Verwandten es genauso, wie du es hast, deutlich raushören können.

Ich erinnere mich an etwas, was ich selbst irgendwann zu einer Geschichte verarbeiten möchte, die sich mit den Bombenangriffen beschäftigen wird. Meine Tante berichtete mir, dass sie bei Fliegeralarm in den Luftschutzkeller oder auch - bunker liefen und sie und ihre Mutter nebeneinander saßen. Meine Tante, sie war damals so alt wie deine Protagonistin, berichtet, dass sie von ihrer Mutter angestupst wurde, sie möge sich gefälligst zusammen nehmen und keine Angst zeigen während um sie herum die Bomben niedergingen.

Diese armen kleinen Wesen, denen die Kriegszeit nicht nur viele Möglichkeiten nahm, als Kind fröhlich und unbeschwert zu leben, sondern die sie auch in weiten Teilen nun kleine Erwachsene werden ließ.

Genau das kommt in deiner Geschichte deutlich hervor.

Was mir leider gar nicht gefällt, ist der Schluss. Er wirkt auf mich so, als habe jemand gesagt: "Petra, mach hinne, wir müssen nun los." :D

Zum einen erklärst du nicht, wieso es nun bei Tante Miezie besser sein sollte, aber einen Grund hat es garantiert gegeben. Könnte mir gut vorstellen, dass das Gerücht umging, dass die Tommys Stück für Stück die Stadtteile zerbomben und der Stadtteil, in dem die Familie lebte, einer der nächsten sein würde. Fleet bedeutet ja auch Hafennähe unter Umständen. Da gingen die Bomben ja sehr viel systematischer runter. Aber darüber musst du den Leser aufklären.
Schreib es!

Zum andren wirst du ab hier

Die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt hatte Lebensmittel herbeigeschafft, es gab frisches Wasser und Brot, Obst in Hülle und Fülle. Ich sackte ein.
zu schnell und gerafft in deiner Erzählung.
Lass dir Zeit, ich hätte noch stundenlang weiter lesen können. Berichte doch wie Mutter immer wieder nur von Kurt redet und sich vorfreut auf ihn, Tag um Tag. Sie richtet alles für ihn her und der Fliegeralarm treibt die Familie immer wieder in den Luftschutzkeller. Auch Tag für Tag.
Mein Vater berichtete mir, dass er irgendwann sich weigerte in den Luftschutzkeller zu laufen. Er blieb in der Wohnung. Es war ihm egal.

Die weiteren Szenenzum Ende der Geschichte hin sind so furchtbar für die Menschen gewesen, dass du ihnen mehr Raum geben musst. Du musst die sog. Unverwundbarkeit der Prota mehr schildern. Die Bombardierung des Hauses ist nachvollziehbar, aber ab dem Sprung ins Fleet muss mehr an Details berichtet werden. Sachverhalt und Emotionen. Verzeih mir, wenn ich laufen "muss" schreibe. Ich möchte damit die Wichtigkeit unterstreichen, dich aber keinesfalls zwingen wollen.

Im Moment am Ende der Geschichte hängt deine Prota immer noch im Wasser. Wie schlägt sie sich durch? Wen findet sie? Und wie tut sie das? Schließlich gabs damals ja nix mehr, was man an Kommunikationsmitteln hätte nutzen können.

Ich finde wichtig, liebe Goldene, dass du der Geschichte mehr mehr mehr Raum gibst. Sie ist es wert zuende , wenigstens weiter erzählt zu werden.

Ich habe die Berichte meiner Eltern, Großeltern und Tanten und Onkel immer so aufgefasst, dass man mir als Jugendliche eines begreiflich machen wollte:

NIE WIEDER KRIEG !

Das ist aus meiner Sicht auch deine Aufgabe, liebe Goldene.

Lieben Gruß
lakita

 

Hallo Goldene Dame,
mir hat deine Geschichte auch sehr gut gefallen. Normalerweise lese ich nicht so gerne Kriegsgeschichten, aber bei deiner hat mich zunächst der Titel neugierig gemacht und als ich einmal angefangen hatte, konnte ich nicht mehr aufhören, da ich unbedingt wissen wollte, wie es Marie weiter ergeht.
Ist das wirklich so passiert oder sind die Personen erfunden?
Es tat mir so Leid, als Marie mit ihren Kartoffeln und Äpfeln nach Hause kam, froh, dass die Familie endlich mal was anderes zu essen bekommt, als die ewige wässerige Brotsuppe und dann bekommt sie nicht ein lobendes Wort von der Mutter, die nur an ihren Sohn denkt.
Auch unvorstellbar für mich, da ich selbst Mutter bin, war, dass sie Marie einfach nach dem Bombenalarm oben im Haus zurückließ. Warum hat sie nicht gleich nach ihr geschaut, als sie nach dem Rufen keine Antwort bekam. Oder sie hätte erst den Kleinen nach unten bringen können und dann noch einmal nach Marie schauen müssen. Aber wer weiß, was damals in den Frauen vorging. Wenn man das selbst nicht mitgemacht hat, kann man es sicherlich nicht nachvollziehen.
Den Schluss hätte ich mir auch ein wenig länger gewünscht. Vielleicht hättest du Marie selbst ihre Mutter und Kurt im Keller finden lassen können, anstelle es im kursiven Nachwort zu schreiben.
Was ist übrigens ein Fleet? Auch wenn ich mich jetzt vielleicht blamiere, habe ich noch nicht gehört. :D

Wie gesagt, gerne gelesen.
LG
Blanca

 

Zitat von lakita:

großes Kompliment: wenn ich nicht wüsste, dass du eindeutig zu den jüngeren Geschöpfen gehörst, hätte ich gesagt, du hast anschaulich deine eigenen Kriegserlebnisse wiedergegeben.

Für diese Information: Danke Lakita!

Liebe Goldene Dame,

Wow, was diese Geschichte bei mir auslöst, kann ich gar nicht so schnell einordnen. Traurigkeit auf alle Fälle. Mir fallen Menschen ein, die ähnliches berichteten. Bücher, die ich mit grosser Angst und Schauder las. Meine Eltern und Grosseltern, die schwiegen, weil sie die Worte nicht mehr fanden.
Hier hast Du auf kleinem Raum so vieles erzählt, was mir ein ganzes Feld von eigenen Gedanken ermöglicht. Von daher kann ich die Kürze oder das, was Du 'ausgelassen' hast nicht bedauern oder bemängeln. 'Es' denkt und phantasiert von selbst weiter in mir.
Ich könnte mich trotzdem Lakita anschliessen und Dich um einen Ausbau der Geschichte bitten. Aber da ich selbst, wie Du weisst :), so um Kürze bemüht bin, fände ich's merkwürdig, Dich um etwas zu bitten, was ich selbst nicht bringen kann. Aber vielleicht kannst Du es ja :)

Ich hab keine Stolpersteine gefunden und gerne gelesen.
Lieben Gruss,
Gisanne

 
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Hallo lakita

Schläfst du nie :)

großes Kompliment: wenn ich nicht wüsste, dass du eindeutig zu den jüngeren Geschöpfen gehörst, hätte ich gesagt, du hast anschaulich deine eigenen Kriegserlebnisse wiedergegeben. Deswegen großes Kompliment, du hast offensichtlich gut zugehört, als man dir das alles berichtete.

Meine Eltern sind Kriegskinder. Als ich noch Kind war, hat mir meine Mutter viel erzählt. Mein Vater ebenso. Auch meine Tante, die jetzt in Schweden lebt. Vieles schrachen Sie nicht aus, weil die Erinnerungen doch zu schrecklich für meine Kinderohren oder für sie selbst waren. Je älter ich wurde, desto mehr habe ich den Wunsch gespürt ihre Kindheit in Erinnerung zu rufen. Meine Mutter wird demnächst 80 Jahre alt, mein Vater ist tot, seine Schwester (meine Tante) ist Deutschland entwurzelt. Wenn sie nicht mehr sind, kann keiner mehr ihre Geschichten erzählen.

Ich fand deine Geschichte spannend
Das tut gut zu lesen, besonders, da ich das Gefühl hatte, während meiner Kreativpause eingerostet zu sein :)

Gut gefallen hat mir, dass du nicht nur die Erlebnisse schilderst, sondern die Protagonisten vor meinem Auge zu Leben erweckt werden. Ich sehe wie in einem Film deine Protagonistin und kann ihre Nöte und ihre Sorge und vor allen Dingen verstehen, dass sie sich benachteiligt fühlt.
Die damalige Zeit ließ gar nichts anderes zu, als die Wertigkeit des Soldaten immer höher anzusetzen als die der Frau, egal wie tüchtig sie war, nicht wahr?

Ich freue mich, wenn ich dir meine Charaktere lebendig machen könnte. Das war mir auch sehr wichtig. Sie sollten glaubhaft in das Zeitgeschehen eingebunden werden und das war auch das Schwierige in der Geschichte, wenn man selbst den Krieg nicht miterlebt hat, muss man sich trotzdem in die Figuren hineinversetzen und sie authentisch leben lassen. Mir hat dabei geholfen, was meine Mutter erzählt hat, wie sie den Krieg erlebt hat. Ihre Tränen sagten mehr als 1000 Worte.
Was mir leider gar nicht gefällt, ist der Schluss. Er wirkt auf mich so, als habe jemand gesagt: "Petra, mach hinne, wir müssen nun los."

Ich habe überlegt, wie ich Schluss machen sollte. Die Geschichte selbst erzählt vom Feuersturm in Hamburgs Bombennächten. Maries Geschichte endet daher mit ihrer Ausbombung und mit ihrem Überleben. Da ich aber genau wusste, dass man wissen will, was den anderen widerfahren ist(Ich habe ja schließlich autobiographisch erzählt, habe ich im Nachsatz über den Verbleib ihrer Familie berichten wollen. Mir selbst gefällt es auch nicht so. :D

Lass dir Zeit, ich hätte noch stundenlang weiter lesen können.

Ja, vielleicht werde ich Marie mehr Raum geben, als nur diese Zeit des Angriffs.
Ich habe auch ein wenig gezögert, mehr zu schreiben, weil ich mehr über die Zeit als über Marie schreiben wollte. Dazu muss ich natürlich intensiv recherchieren, denn meine Zeitzeugen wissen auch nicht alles. Hamburgs Geschichte haben meine Eltern nicht mit erlebt.

NIE WIEDER KRIEG !

*UNTERSCHREIB*

Danke für deine Gedanken, ich werde bestimmt einiges nachbessern.

Hallo Blanca

Normalerweise lese ich nicht so gerne Kriegsgeschichten, aber bei deiner hat mich zunächst der Titel neugierig gemacht und als ich einmal angefangen hatte, konnte ich nicht mehr aufhören, da ich unbedingt wissen wollte, wie es Marie weiter ergeht.
Ist das wirklich so passiert oder sind die Personen erfunden?

Bislang habe ich mit Titel nicht so ein glückliches Händchen gehabt. Offenbar ist es diesmal anders *FREU*
Die Handlung basiert auf geschichtlichen Fakten, fiktiv ist Marie, ihre Familie, Helmut ist eine autobigrafische Figur. Er war mein Onkel. Ihn wollte ich in Maries Geschichte mit einflechten. Marie trägt die Züge meiner Mutter, die im Krieg die Verantwortung tragen musste, weil Vater und Bruder eingezogen waren. Beide kehrten nicht wieder. Sie waren verschollen. Meine Mutter hat 15 Jahre später, als ihre Mutter gestorben war, über den internationalen Suchdienst erfahren wo sie gefallen sind.

Den Schluss hätte ich mir auch ein wenig länger gewünscht. Vielleicht hättest du Marie selbst ihre Mutter und Kurt im Keller finden lassen können, anstelle es im kursiven Nachwort zu schreiben.

Nach dem Feuersturm über Hamburg waren ganze Stadtteile verschwunden. Verkohlte zusammengeschrumpfte Leichen lagen eng zusammen. Da gab es nichts mehr zu erkennen. Ich wollte mir dieses greuliche Element für Marie ersparen. Sie war ohnehin durch das Erlebte traumatisiert. Aber wie gesagt: Ich arbeite dran.

Danke fürs Lesen und Kommentieren.

Hallo Gisanne

Wow, was diese Geschichte bei mir auslöst, kann ich gar nicht so schnell einordnen. Traurigkeit auf alle Fälle. Mir fallen Menschen ein, die ähnliches berichteten. Bücher, die ich mit grosser Angst und Schauder las. Meine Eltern und Grosseltern, die schwiegen, weil sie die Worte nicht mehr fanden.
Hier hast Du auf kleinem Raum so vieles erzählt, was mir ein ganzes Feld von eigenen Gedanken ermöglicht. Von daher kann ich die Kürze oder das, was Du 'ausgelassen' hast nicht bedauern oder bemängeln. 'Es' denkt und phantasiert von selbst weiter in mir.

Natürlich freut es mich, wenn die Geschichte deinen Nerv so wunderbar getroffen hat. :)

Ich könnte mich trotzdem Lakita anschliessen und Dich um einen Ausbau der Geschichte bitten. Aber da ich selbst, wie Du weisst , so um Kürze bemüht bin, fände ich's merkwürdig, Dich um etwas zu bitten, was ich selbst nicht bringen kann. Aber vielleicht kannst Du es ja

Ich arbeite daran. Hoffentlich liest du sie dann auch wenn sie länger ist ;)

Dabke für deine ermunternden Worte.


Lieben Gruß

Goldene Dame

 
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Hallo Goldene Dame,

zunächst einmal das, was mir gleich auffiel:

Dein Titel scheint dich selbst so begeistert zu haben, dass du ihn gleich 2 x im Text wiedergibst. Ich finde, du solltest dir im Einstieg die Wiederholung des Titels sparen, er gewinnt seine Kraft (und seine Berechtigung) tatsächlich erst und viel besser am Ende. Am Anfang empfinde ich ihn störend und weiß gar nicht, was du damit eigentlich zum Ausdruck bringen willst. Radelt sie dahin, während die ersten Luftangriffe kommen?

Zitat: Tatsächlich fuhr ich nur mit meinem Fahrrad entlang der Alster aufs Land, um für meinen Bruder die Lebensmittel zu besorgen, die er brauchte, um gesund zu werden. Ich fuhr an einem abgeernteten Kartoffelfeld vorbei.

Den ersten Satz finde ich ziemlich schwerfällig, schon allein durch das "Tatsächlich". Die Wortwiederholung ließe sich beim zweiten Mal durch "kam" vermeiden.

Zitat: Ich hatte nichts zu tauschen und daher beschloss ich auf dem abgeernteten Kartoffelfeld mein Glück zu versuchen. Vielleicht konnte ich soviel Kartoffeln auftreiben, dass unsere Mutter uns Kartoffelpuffer mit Apfelmus braten konnte, denn einen Apfelbaum, der noch nicht gänzlich abgeerntet war, weil die Früchte noch klein und unreif waren, hatte ich auch erspäht.

Das Wort "abgeerntet" ist zu ungewöhnlich, das stört sehr als Wortwiederholung. Da solltest du dir beim Apfelbaum etwas Besseres einfallen lassen.

Zitat: Ebenso wollte ich Kurts Ration an Milchmarken einlösen und ich hoffte nicht lange anstehen zu müssen, um meine Kanne füllen zu können.

Umständlich. Warum nicht: Außerdem wollte ich Kurts Ration an Milchmarken einlösen und ich hoffte, dafür (mit der Kanne) nicht so lange anstehen zu müssen.

Zitat: Kurt wimmerte in ihren Armen und zupfte sich das rechte Ohr. Erst als eine klebrige Flüssigkeit heraus rann, schlief er ein.

Hier fehlt mir eine Erklärung. Ich habe keine Ahnung von Ohrenerkrankungen. Was war das für eine Flüssigkeit? Und warum konnte er erst einschlafen, als diese klebrige Flüssigkeit aus dem Ohr rann? Und müsste es nicht korrekterweise heißen "nachdem die Flüssigkeit aus dem Ohr geronnen war"? Wo ist da der Zusammenhang. Du musst auch an deine unwissenden Leser denken!

Zitat: „Ich bin zurück“, die Milchkanne in der einen Hand, den Sack mit Kartoffeln und grünen Äpfeln in der anderen Hand, wuchtete ich meine Ausbeute auf den Küchentisch.

Vorschlag: "Ich bin zurück!" Die Milchkanne in der Hand, den Sack mit Kartoffeln und grünen Äpfeln in der anderen, wuchtete ich ...

(Schon allein deshalb, weil dann im übernächsten Satz gleich noch einmal eine "Hand" kommt!)

Zitat: So sehr ich auch bettelte fort zu gehen, Mutter wollte nicht.

Besser klänge: So sehr ich auch bettelte, fortgehen zu dürfen ...

Außerdem fehlen in deinem Text hier und da Kommas.

Zur Geschichte: Das Thema finde ich sehr interessant, weil es beispielsweise von meiner Familie auch viele Aufzeichnungen dazu gibt, mit denen ich mich schon beschäftigte. Ich nehme mal an, du beziehst dich auf das Unternehmen Gomorrha, die schweren Luftangriffe, die vom 25. - 30 Juli 1943 täglich auf Hamburg geflogen wurden - mit einem nachträglichen Angriff am 3.8.1943. Panik, Chaos, Feuersturm, am 27. Juli 1943 starben in einer Nacht bei einem Angriff von 800 Kampfflieger 40.000 Menschen!

Wenn dem so ist, dann wird deine Geschichte dem Schrecken, der damals über Hamburg herein brach, nicht gerecht. Weil du den Fokus sehr klein hältst und die Handlung ziemlich kurz ist. Viel zu kurz und zu sehr gerafft.

Grundsätzlich könnte man bestimmt viel aus dieser Geschichte machen, aber ich denke, um sie atmosphärisch packender und für mich als Leser spürbarer zu machen, musst du den Text stärker ausarbeiten und intensiver gestalten. Und der wahre Schrecken des Krieges muss mehr verdeutlicht werden. Da ging es ja nicht nur um Lebensmittelbeschaffung und Sorgen um die Männer an der Front. Da ging es knallhart ums eigene Überleben. Hamburg war eine sterbende Stadt.

Ich kenne viele deiner anderen Geschichten und nehme mir deshalb die Dreistigkeit raus zu sagen, dass dein Stil im Vergleich dazu tatsächlich etwas eingerostet wirkt. Das ist nicht böse gemeint sondern mehr als Aufmunterung gedacht, dass du an dieser Geschichte noch mehr feilst - weil es sich auf jeden Fall lohnen würde. Es gibt ein paar atmosphärisch gute Stellen, aber es gelingt dir nicht, dies auf die gesamte Geschichte zu übertragen. Dadurch wirkt sie auf mich irgendwie unfertig und nicht ganz ausgereift.

Vielleicht hilft dir mein Kommentar ja. Ich bin so ausführlich geworden, weil ich mich lange Zeit selbst mit dem Gedanken trug, aus alten Familienaufzeichnungen aus dieser Zeit, speziell zu den damaligen Bombenangriffen, eine Geschichte zu machen. Ich bin immer wieder gescheitert. Da bist du mit deinem Text schon um Einiges weiter gekommen!

Grüße von Rick

 

Hallo rick,
vielen Dank für deine ausführliche Kritik. Ich habe deine Anmerkungen gerne angenommen und stilistisch gefeilt. Ebenso habe ich inhaltlich ergänzt und umgestellt. Auch meinen Darling habe ich gekillt. Vielleicht gefällt dir die Geschichte jetzt besser?

LG
GD

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Are-Efen,

Die Arbeiterschicht in den Städten musste sich bereits seit 4 Jahren mit Rationsmarken begnügen und es war leider schon so, dass die Obrigkeit dafür gesorgt hat, dass die Rationen knapp waren, um sich selbst noch den Überfluss zu sichern. Außerdem war es vorrangig, dass die Soldaten mit Nachschub versorgt werden. Heranwachsende Kinder waren chronisch unterversorgt. Die damaligen Kinder erlitten durch die Mangelernährung z.B. Schäden im Knochenaufbau die irreversibel waren und zum größten Teil dazu geführt haben, dass diese Menschen vorzeitig gealtert sind.

Der Feuersturm fand ja in einer ungewöhnlich heißen Periode des Sommers
Ende Juli, Anfang August statt. Zu dieser Zeit wurden auch schon Kartoffeln geerntet.

Wenn ich jedoch die Nahrungsbeschaffung hier nur als Ausdruck des unbedingten Lebenswillens, sogar im Sinne einer "natürlichen" Auslese, ansehe, komme ich eher damit klar.
In diesem Moment wird praktisch ein Sonderverhaltensprogramm unbewusst aufgegriffen, das, was dem anderen, dem Bruder, helfen sollte, hilft nun nur noch dem Prot selbst, jetzt, wo es um alles oder nichts geht.

Vielleicht kannst du es besser nachvollziehen, wenn ich dir sage, das die Nahrungssuche und die Zugehörigkeit zu einer Gemeindschaft ein elementares und impulsives Grundbedürfnis des Menschen ist. In Zeiten des Überflusses mag dieses Grundbedürfnis verschüttet sein, doch in Notzeiten rettet dieser Impuls die Existenz.

Man darf nicht vergessen, dass das "Unternehmen Gomorrha" vom Namen her auf ein biblisches Ereignis zurückgreift und damit schon gewisse Empfindungen bei den Betroffenen heraufbeschworen haben wird.

Die Betroffenen damals wussten es nicht

Gläubigen Menschen könnten Dinge in den Kopf gekommen sein, wie sie in der Überschrift zum Ausdruck kommen.
Zu dem ureigenen Überlebenswillen kann bei diesem Mädchen also noch eine Botschaft aus Ebene des Glaubens gekommen sein, zu der die anderen Familienmitglieder nicht mehr diesen Zugang haben.

Das Mädchen ist nicht religiös, sondern hat in einem Zustand sich wiederholender Traumata dissoziiert.

Sie selbst ist ja dann gar nicht auf solche großen Worte gekommen und auch nicht vom Himmel, sondern vom Wasser verschlungen worden...
Diese Schilderung ist mir wiederum zu wenig nachvollziehbar oder glaubwürdig, kann jedoch auch einfach als die letzte Rettung vor dem Feuer des Himmels aufgefasst werden.

Wenn man autobigrafisch erzählt, dann reflektiert man auch das seinerzeit Wahrgenommene und dazu gehört es auch sich mit dem dissoziativen Erleben auseinander zu setzen.

Danke fürs Lesen und deine Gedanken

Goldene Dame

 

Hallo Goldene Dame,
wollte dir nur eben sagen, dass mir der Schluss jetzt viel besser gefällt.
LG
Blanca

 

Hallo Goldene Dame,

deine Geschichte hat mich sehr interessiert. Vor allem, weil ich selbst schon Kurzgeschichten mit ähnlicher Thematik verfasst habe.

Vor einigen Wochen habe ich ein Buch gelesen "Kriegskinder - Das Schicksal einer Generation".
In diesem Buch werden verschiedene Einzelschicksale aufgearbeitet - Bombennächte, verschwundene Väter, herumliegende Leichen, Hunger... Und doch ergibt sich aus all diesen Geschichten ein gutes Bild wie die Kinder damals gelebt haben. Ihre Ängste etc. zählten nicht - was sie immer wieder zu hören und zu spüren bekamen: Sie froh, dass du überhaupt noch am Leben bist.

Im Grunde genommen ist das auch dass, was ich aus deiner Geschichte herauslese: Da ist ein Mädchen, dass allein gelassen wird. Es gibt niemanden, der mit ihr über die traumatischen Erlebnisse spricht. Niemand, der ihre Leistung würdigt. Und in ihrem Fall gibt es sogar noch eine Steigerung: Sie ist im Prinzip die Erwachsene, die sich um alles kümmern muss. Ihre Mutter vergräbt sich, sitzt untätig herum und wartet auf Helmuts Rückkehr.

Ich bin mir - trotz zweimaligem Lesens - nicht sicher, ob mir deine Geschichte gefällt. Klar ist, dass mir die Thematik gefällt - und auch das von dir geschilderte Schicksal finde ich interessant.
Was mir nicht so gut gefallen hat ist der Erzählton - er klingt so emotional entfernt. Als wäre die Erzählerin nicht direkt betroffen. Irgendwie passt das aber auch: Auch in oben genannten Buch, haben die betroffenen Personen das ganze sehr neutral geschildert. Als wäre das alles jemand anderem passiert. Vielleicht muss das so sein, dass man überhaupt mit derart schrecklichen Erlebnissen leben kann.
Ich finde auch, dass die Geschichte mehr Raum braucht: Momentan zeigst du dem Leser vieles wie durch den Zeitraffer. Ich hätte die Protagonisten und ihr Leben gern besser kennengelernt ... vielleicht erfahren welche Träume Marie hatte, ehe der ganze Wahnsinn begann. Oder wie das Familienleben aussah, ehe Vater und Bruder in den Krieg ziehen mussten. Und natürlich auch das Alltagsleben von Marie im Krieg - geht sie noch zur Schule? Hat sie eine beste Freundin? Ich weiß, wenn du solche Dinge einbauen würdest, wäre das eine ganz andere Geschichte. Mir würde das halt besser gefallen. :)

Alles in allem habe ich deine Geschichte aber gerne gelesen.

Viele Grüße, Bella

 

Hallo Bella

Im Grunde genommen ist das auch dass, was ich aus deiner Geschichte herauslese: Da ist ein Mädchen, dass allein gelassen wird. Es gibt niemanden, der mit ihr über die traumatischen Erlebnisse spricht. Niemand, der ihre Leistung würdigt. Und in ihrem Fall gibt es sogar noch eine Steigerung: Sie ist im Prinzip die Erwachsene, die sich um alles kümmern muss. Ihre Mutter vergräbt sich, sitzt untätig herum und wartet auf Helmuts Rückkehr.

Diese Geschichte erzählt ein Einzelschicksal aus dem 2. Weltkrieg. Sie erzählt über Maries Kindheit im Krieg. Der Punkt ist, dass die kriegstraumatisierten Kinder von damals meistens ohne proffesionelle Hilfe ihre schrecklichen Erlebnisse verarbeiten mussten. Es gibt heute einige wenige Beratungsstellen, die der Kriegskindgeneration helfen und sie erzählen lassen, was eigentlich für sie damals der Krieg bedeutet hat. Und genau das soll diese Geschichte erzählen.

Was mir nicht so gut gefallen hat ist der Erzählton - er klingt so emotional entfernt. Als wäre die Erzählerin nicht direkt betroffen.

Der Erzählton ist authentisch.

Ich finde auch, dass die Geschichte mehr Raum braucht:

Im Prinzip gebe ich dir Recht. Aber es sollten hier nur die Bombennächte auf Hamburg thematisiert sein. Die Idee hatte ich, weil das Bunkermuseum ausführlich darüber ausgestellt hatte.

Danke fürs lesen und deine Gedanken :)
Goldene Dame
Hallo Are-Efen

Nicht der Himmel flimmert, sondern die Luft.

Falls du einmal einen Hitzetag im Norden der Republik erleben solltest:
Der Himmel flimmert gelb vor Hitze :D Lass es dir gesagt sein.

Und dass das Mädchen einen ganzen Sack Kartoffeln und Äpfel nebst Milchkanne nach oben wuchtet, scheint mir ein bisschen zu stark.

Meine zwöfjährige Tochter kann das auch ...


LG
Goldene Dame

 

Hallo Goldene Dame,
Eine tolle Geschichte. Sie zog mich richtig rein.
Keine Kritik von meiner Seite nur ein hohes iLob
LG
Bernhard

 

Hallo Goldene Dame

Die Geschichte hat mich sehr berührt, hat in mir jene Saiten zum Klingen gebracht, die mir meine Mutter (80 Jahre alt) in vielen Erzählungen spannte. Es sind Erlebnisse, die wir uns nicht vorstellen können und doch gibt es unter der Haut, unter den Erlebnissen der Eltern, unter der Geschichte empfängliche Sensoren, um das Gehörte mit eigenen Worten zu beschreiben. Die Möglichkeit, sich auf einer anderen Ebene auf Ereignisse einzustimmen, die selbst nicht erlebt wurden, ist gegeben, ist heute längst bewiesen. Ein Bekannter erzählt Dir, wie er beim Skifahren gefallen sei, das Bein gebrochen habe und der Knochen unterhalb des Knies aus der Haut ragte - und plötzlich spürst Du genau an der Stelle einen Schmerz ... es gibt sie, die metaphysische Verbindung. Ich versetze mich auch gerne in solche "gehörten" Erlebnisse und spüre nach einiger Zeit beim Schreiben, als hätte ich das Furchtbare selbst erlebt. Genau dieses Gefühl erlebe ich beim Lesen Deiner Geschichte und es ist Dir zum großen Teil gelungen.
Die Stelle, wo sie die Kartoffeln sammelt und die Flieger kommen; hier verlor ich kurz den Faden, weil offen blieb, was wirklich geschah. Der Schluss ist fast makaber, aber durch seine Kürze und Kälte wie ein Schuss, der den Leser nur einen kurzen Blick auf das Elend werfen lässt, aber die Phantasie mit ausreichend Nahrung versorgt, um sich diese Schrecken auszumalen.
Danke für das Vermitteln von Gefühlen.

... noch zwei kleine Missgeschicke:

... als nach Essbaren zu suchen. ... Essbarem

... es ohrenbetäubend und ich spürte ich einen heftigen Schlag. ... ein ich kannste streichen ...

... in einigen Sätzen fehlen Kommas, aber ich kann nur nach meinem Gefühl gehen und bin mir nicht sicher, da ich nicht sattelfest bin in Kommaregeln.

Liebe Grüße
Detlev

 

Hallo Detlev

Die Stelle, wo sie die Kartoffeln sammelt und die Flieger kommen; hier verlor ich kurz den Faden, weil offen blieb, was wirklich geschah.

Ich habe hier nachgebessert.


Danke für deine Worte, die mir zeigen, dass die Geschichte "den Schrecken des Krieges" rüberbringt.

LG
GD

 

Hallo Goldene Dame,

großes Kompliment für Deine Geschichte. Sie erinnert mich an Erzählungen meiner Eltern, vor allem meines Vaters, von den Bombenangriffen im zweiten Weltkrieg. Haarsträubende Erinnerungen und für uns Nachkriegskinder ein unfassbares Glück, sowas nicht erleben zu müssen.

Der Feuersturm über Hamburg war mir durch den Fernsehfilm und die anschließende Doku bekannt, die ich vor ein paar Jahren sehr interessiert verfolgt habe. Deine Schilderungen wirken sehr authentisch und haben mich berührt.

LG
Giraffe.

 

Hallo Goldene Dame,

es ist sehr eindringlich, wie Du die seelischen Nöte der betroffenen beschreibst, die Not, schwanger zu werden in dieser Zeit, der Zwiespalt, zu bleiben oder zu fliehen.
Es sind viele einzelne Geschichten in diesem Text, sodaß es insgesamt keine Chance hat eine Kurzgeschichte zu werden. Mich stört das nicht wirklich, aber ich frage mich, ob Du nicht Teile davon - z.B. den Traum und die Rettung - als Kurzgeschichte noch viel wirkungsvoller darstellen könntest. Alles andere würde die Phantasie ergänzen. So, wie Du es erzählst, ist es eine Erzählung, die ihren Aufzählcharakter am besten überwindet, indem sie noch etwas ausführlicher und am Schluß abgerundet präsentiert wird. Du könntest auch parallel beide Wege gehen, beide würden sich lohnen.

"Selbst später im Luftschutzkeller, erzählte Mutter den Nachbarn alles von Helmut, dass er bald kommt, wie mutig er sei, als Fallschirmjäger für das Vaterland zu kämpfen, alleine die Vorstellung, aus einem Flugzeug zu springen, während die Flak draußen in den Himmel ballerte, wurde ausgiebig bewundert."

Hier hoffe ich, daß Du es Dir nicht ausgedacht hast. Es ist wieder die seelische Not, die überall nach Strohhalmen sucht, hier ist der Stolz auf den Helden ein Strohalm, den die Kriegspropaganda anbietet. Es ist also nicht unglaubwürdig, aber - ich kenne so eine Reaktion nicht. Ich bin auch schon für eine Geschichte kritisiert worden, weil sie dieses Element der Kriegsbegeisterung und Identifizierung mit Propagandainhalten gerade nicht thematisiert. Ich kenne nur Verzeiflung und Ablehnung des Krieges einerseits, und stoisches Hinnehmen und Verdrängen andererseits; diese Aufrichten an dem "Heldentum" der Männer oder Söhne habe ich nie auf privatem Wege mitgeteilt bekommen. Darum interessiert mich auch, ob es das wirklich gegeben hat.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Giraffe

Haarsträubende Erinnerungen und für uns Nachkriegskinder ein unfassbares Glück, sowas nicht erleben zu müssen.

Wir sehen den Krieg täglich im Fernsehen und ich bin mir nicht sicher, dass es uns doch irgendwann wieder treffen könnte.

Danke fürs Lesen und deine Gedanken.

Hallo Setnemides

Mich stört das nicht wirklich, aber ich frage mich, ob Du nicht Teile davon - z.B. den Traum und die Rettung - als Kurzgeschichte noch viel wirkungsvoller darstellen könntest. Alles andere würde die Phantasie ergänzen. So, wie Du es erzählst, ist es eine Erzählung, die ihren Aufzählcharakter am besten überwindet, indem sie noch etwas ausführlicher und am Schluß abgerundet präsentiert wird. Du könntest auch parallel beide Wege gehen, beide würden sich lohnen.

Weißt du, es gibt viele Erzählungen, Romane aus der Zeit des dritten Reichs.

Mein Fokus liegt hier bei dem Mädchen, das den Krieg miterlebt hat. Ich könnte eine Geschichte schreiben, dass dieses Mädchen geheiratet hat, Kinder bekommen hat und ihr eigenes Trauma nie verarbeiten konnte, weil man lieber dazu geschwiegen hat. Letztendlich waren die Kinder des Nazi Deutschland auch Opfer eines Krieges. Doch wer hat sich darüber Gedanken gemacht? Ich kann mich erinnern, dass mein Vater noch Soldat war, als die Tommys ihn gefangen nahmen. Ich kann mich erinnern, dass ich mich mit ihm gestritten habe, als wir in der Schule mit den Naziverbrechen konfrontiert wurden. Ich kann mich erinnern, dass er seine Schuld, seinen Anteil nicht sehen konnte. Er war Jahrgang 1928, lebte in absoluter Armut bis sein Vater im dritten Reich wieder Arbeit bekam. Für ihn war das die erste gute Erfahrung, die ihn prägte. Übrigens waren seine Eltern, meine Großeltern taubstumm. Sein Vater wurde irgendwann umgebracht und seine Mutter zwangssterilisiert. Seine Schwestern sollten auch sterilisiert werden. Und trotzdem konnte mein Vater mir nicht sagen, dass der Krieg großes Unrecht an der Menschheit war und er dazu gehört hat. Irgendwo versuche ich mit meiner Geschichte dieser Generation gerecht zu werden.

Hier hoffe ich, daß Du es Dir nicht ausgedacht hast. Es ist wieder die seelische Not, die überall nach Strohhalmen sucht, hier ist der Stolz auf den Helden ein Strohalm, den die Kriegspropaganda anbietet. Es ist also nicht unglaubwürdig, aber - ich kenne so eine Reaktion nicht.

Nein, ich habe es mir nicht ausgedacht. Die autobiografische Vorlage für Helmut war mein Onkel. Meine Mutters Bruder. Auf Heimaturlaub war er der Held im Dorf. Meine Oma wollte ihn bestimmt nicht verlieren. Und für sie war es erträglicher, ihn als Held im Krieg sterben lassen zu müssen. Dass er ein Soldat war, im Kampf gestorben ist, ob die Sache für die er gekämft hat gerecht war, darüber hat sie hinweggesehen. Er musste Soldat sein. Meine Oma und meine Mutter haben überlebt. Auch sie wurden bombadiert auf der Flucht von Ostpreußen nach Lübeck. Sie verloren sich auf der Flucht aus den Augen, als sie einschifften.

Meine Mutter war auch Jahrgang 1928 und musste alleine durchkommen. Sie hat mir erzählt, sie wusste nichts von den Verbrechen. Sie wusste nur, dass sie und ihre Mutter den Hof alleine bewirtschaften mussten. Dass sie als Kind schon arbeiten musste. Dass Bruder und Vater kämpften und dass alle Frauen Angst vor den Russen hatten. Sie hat Menschen sterben sehen, Kinder sterben sehen, sie wollte nicht sterben.
Meine Schwiegermutter war ein ungewünschtes Kind. 1940 geboren und auf der Flucht überrollt. Sie hat ihre Mutter aus dem Bach gezerrt, indem diese sich ertränken wollte ...
Danke fürs Lesen und deine Gedanken

LG
GD

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Goldene Dame,

"Weißt du, es gibt viele Erzählungen, Romane aus der Zeit des dritten Reichs."
Ich wollte Dich nicht auffordern, da etwas hinzuzufügen.

"Mein Fokus liegt hier bei dem Mädchen, das den Krieg miterlebt hat."

Genau, und dazu lieferst Du so einen dichten Stoff, daß es für mehr reicht.

"Ich könnte eine Geschichte schreiben, dass dieses Mädchen geheiratet hat, Kinder bekommen hat und ihr eigenes Trauma nie verarbeiten konnte, weil man lieber dazu geschwiegen hat. Letztendlich waren die Kinder des Nazi Deutschland auch Opfer eines Krieges."

Ich glaube, daß viele von uns an dieser Geschichte schreiben. Ein solcher Krieg ist nicht in einer, auch nicht in zwei oder drei Generationen verarbeitet, überwunden. Wir alle tragen an den Traumatisierungen unserer Eltern, und können es nicht verhindern, einen Teil davon auch weiterzugeben. Es ist ein langer Weg, bis wieder freie, selbstbewußte und nicht angstgeprägte Generationen entstehen. Alle, die hier über Krieg, Angst, Gewalt oder auch nur Entfemdung schreiben, helfen dabei, das aufzuarbeiten.

"Irgendwo versuche ich mit meiner Geschichte dieser Generation gerecht zu werden."Ja, das tust Du. Die authentische Erzählung leistet es, daß man versteht, statt anzuklagen. Das ist für mich der wichtigste Schritt: nicht aburteilen vom hohen Sockel des gesicherten Nachkriegsbürgers, sondern versuchen, nachzufühlen. Wir wissen alle nicht, wie wir uns unter diesen Bedingungen verhalten würden/hätten. Hoffentlich werden wir nie auf die Probe gestellt.

Danke für die ausführliche Antwort,

Gruß Set

 

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