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Es sind die Fische

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02.01.2011
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Es sind die Fische

Sie klopft ans Fenster, öffnet die Wagentür. Regen prasselt auf die Windschutzscheibe. Er stellt das Radio leiser. »Komm rein«, sagt er.
Sie steigt in den Wagen, zieht sich die Kapuze ihres Pullis vom Kopf. »Ist das ein Regen, Papa«, sagt sie.

Vor dem Haus hält er am Bordstein. Der Himmel olivschwarz, Straßenlaternen gießen gelboranges Licht. Der Asphalt nass und glänzend.
»Komm noch mal mit rein«, sagt sie. Ihr Gesicht, ihr kastanienbraunes Haar.
»Ich weiß nicht«, sagt er. Schaut auf die Straße, dann durchs Seitenfenster hoch zum Haus.

Hat seine Stiefel ausgezogen. Trägt noch die schwarze Bomberjacke – auf der Rückseite, in großen, gelben Buchstaben: ›WSDS – Sicherheit‹.
Klopft dreimal an die Wohnzimmertür. Drückt den Griff nach unten und öffnet die Tür einen Spalt breit. Hört den Fernseher laufen. »Guten Abend«, sagt er.
Seine Frau liegt unter einer hellblauen Stoffdecke auf der Couch, mit dem Kopf auf dem Bauch des anderen Mannes.
»Ich wollte nicht stören«, sagt Toni. »Sie wollte mir nur noch was zeigen«, sagt er.
Lotte setzt sich auf, fährt sich durch die Haare. Der Mann neben ihr nimmt die Fernbedienung in die Hand und schaltet die Lautstärke herunter.
»Ist okay«, sagt Lotte. Setzt sich jetzt komplett auf, stellt die Füße auf den Boden und fährt sich durch das dunkle, lange Haar. Noch in die Decke gehüllt. »Es sind die Fische«, sagt sie.
»Ja«, sagt er, »genau.«
Der Mann mit der Fernbedienung in der Hand blickt ihn an. Dunkles Haar, Fleece-Pulli. Etwa in seinem Alter. Achtunddreißig. Der Mann nickt leicht, sagt: »In Ordnung.«

»Der Blaue ist ein Panzerwels«, sagt seine Tochter. Das Aquarium steht auf ihrer Holzkommode. Ihr Zimmer mit hellblauen Wänden. Schrank, Bett, Schreibtisch, Teppich. In der oberen Ecke schwarzer Schimmel; die Dachschräge so, dass er gebückt gehen muss.
»Und der Rote mit den langen Flossen ein Skalar«, sagt sie, blickt zu ihm und lächelt.
»Schön«, sagt er. Sein Rücken schmerzt; wieder die Kopfschmerzen. Manchmal helfen die Tabletten nicht mehr, dann zieht der Ischias bis hinter die Stirn, hinter die Augen. Von unten hört er den Fernseher laufen.

Draußen ist der Regen noch stärker geworden; silberne Tropfen, die im Dunkel des Abends vom Himmel fallen.
»Na dann«, sagt er. Dreht sich unter dem Vordach von der Straße zu seiner Tochter; sie steht in der Haustür, in Plastiksandalen, blauer Jogginghose, waldmeistergrünem, weitem Kapuzenpulli. Die Haare zum Pferdeschwanz.
Er greift in die Brusttasche seines Flanellhemdes, zieht eine Pall Mall aus der Schachtel. Zündet sie an. Seine Tochter kommt zu ihm und umarmt ihn. Er legt den Arm um sie und küsst sie in ihr Haar.
»Du weißt, dass ich dich lieb hab?«, sagt sie, mit dem Gesicht vergraben an seiner Brust.
»Weiß ich«, sagt er.
»Dass du immer anrufen kannst, wenn was ist.«
Er zieht an der Kippe. Sie löst ihr Gesicht von ihm, blickt hoch zu ihm, lächelt leicht.
»Mach dir um mich mal keine Sorgen«, sagt er. Streicht ihr mit der Hand über den Kopf, sieht ihr in die Augen, nickt.

In seiner Wohnung setzt er sich mit noch nassen Klamotten aufs Bett. Regen prasselt aufs Fenstersims. Trägt noch Bomberjacke, schwarze Arbeitshose, Boots. Seine kinnlangen Haare zum Pferdeschwanz gebunden. Schaltet den Fernseher ein. In der Wohnung unter ihm lachen Männerstimmen, Stühle werden gerückt. Zieht sich eine Pall Mall aus der Brusttasche seines Hemdes. Legt seinen Kopf einen Moment in seine Hände. Seine Statur über eins neunzig. Hundertzwanzig Kilo. Kräftige Unterarme. ∆, □ und ○ auf die Fingerrücken seiner rechten Hand tätowiert. Aus den Boxen des Röhrenfernsehers die überdrehte Stimme des Nachrichtensprechers. Überschwemmungen in Sachsen. Menschen in gelben Warnwesten. Sandsäcke, Feuerwehr, technisches Hilfswerk. In Norddeutschland drohen Dämme zu brechen.

Parkt mit dem Volvo direkt auf der Baustelle. Im Heckfenster in großen, gelben Buchstaben: WSDS – Sicherheit. Links und rechts von ihm fünfstöckige Rohbauten; Sozialwohnungsbau. Zieht sich die Regenjacke über, Kapuze. Die Keller laufen jetzt voller Wasser. Läuft einmal die matschige Straße entlang, die Hände in den Jackentaschen. Kühler Nieselregen auf seinem Gesicht. Er kontrolliert, ob die Türen verschlossen sind. Kupferbrüche, Werkzeugklau – häufiger, als man denkt. Trägt nicht mal CS-Gas in der Jacke. Ein Nokia in der linken Beintasche, Kurzwahl 1 der Chef, Kurzwahl 2 die Polizei. Das war’s.

Er erinnert sich an Lottes Anruf. Kurz nach Weihnachten vor drei Jahren. Er hörte, dass sie getrunken hatte. Sie brauchte nur »Hallo« zu sagen und er wusste, wenn sie getrunken hatte. Sie sagte, sie sage es ihm am Telefon, weil sie nicht wüsste, ob sie es anders könne; ob sie es ihm dann wirklich sagen würde. Ob ihr dann nicht die Kraft dafür fehlen würde. Sie sagte, sie wüsste nicht, was sie empfinden würde, wenn sie ihn vor sich sähe. Dass sie glaube, es nicht zu schaffen, wenn sie jetzt keinen Schlussstrich ziehen würde.
Sie meinte, sie hätte ihn in einer ihrer Therapiesitzungen kennengelernt. Dass sie sich seit ein paar Monaten mit ihm treffe. Dass er ihr gut tue. Dass er noch nie einen Tropfen Alkohol in seinem Leben getrunken hätte.
Er sei Vorarbeiter bei Bosch-Rexroth. Er sei geschieden, kinderlos, und hätte ein Haus. Anna war damals zwölf.

Zuhause klingelt das Telefon.
»Ich bin’s«, sagt Lotte.
Er fährt sich mit Daumen und Zeigefinger über die Unterlippe, sieht einen Moment auf die graue Tapete des Flurs. »Alles in Ordnung?«, fragt er.
»Ja«, sagt sie. Sie atmet tief ein und aus. Atmet so, wie sie atmet, wenn sie sich durch die Haare fährt. »Nein. Es ist ...«
Ein Moment Stille.
»Ich kann’s dir nicht am Telefon sagen«, sagt sie. Hinter Lotte spricht eine Männerstimme, sagt ein paar Worte. Lottes Atem im Telefonhörer. »Es ist blöd, dir das am Telefon zu sagen«, sagt sie. »Aber ich denke, du solltest es erfahren.«

Tief hängende, schwere graue Wolken. Nieselregen. Klamme Kälte, die direkt unter die Haut kriecht. Steht mit dem Wagen am Bordstein vor ihrem Haus. Regentropfen platzen auf der Windschutzscheibe. Reibt sich die Hände. Blickt durchs Seitenfenster seines Volvos. Der andere Mann öffnet die Haustür. Jägergrüne Regenjacke, graue Stoffhose. Seine dunklen Haare wie Kohlstücke, die in feuchte Erde gerieben wurden. Der Mann steht in der Tür und zieht sich seine Schuhe über. Lotte kaum wahrnehmbar hinter ihm. Er dreht sich ins Haus, sagt etwas, nickt. Blickt zu Tonis Wagen. Schließt die Haustür. Läuft mit geradem Rücken über das kleine Stück Rasen zur Straße. Zieht sich dabei den Kragen zurecht. Öffnet die Mechanik der Beifahrertür; steht einen Augenblick regungslos mit der Hand am Griff draußen neben dem Volvo. Dann öffnet er die Wagentür, bückt sich und blickt mit zusammengekniffenen Augen in den Innenraum. »’n Tag«, sagt er. Steigt in den Wagen. Schließt die Tür. Blickt aus dem Beifahrerfenster. »Was ’n Sauwetter heute«, sagt er.
Toni nickt. Greift die Schachtel Pall Mall von der Mittelkonsole, öffnet sie und hält sie dem anderen hin. »Zigarette?«, sagt er.
Der andere Mann dreht sich um, sieht einen Moment auf die Schachtel. »Wieso nicht«, sagt er.
Gibt erst dem anderen Mann Feuer, dann sich selbst. Der andere zieht an der Kippe, pustet den Rauch aus. Schaut auf die Glut des Tabaks, dann auf das Armaturenbrett. Seine Hände dreckig, schwarz und in den Innenflächen leicht ölverschmiert. Seine Hände dick und rau, wie sie nur Leute haben, die täglich mit ihnen arbeiten. Ein blauschwarzes, verlaufenes Tattoo am Handgelenk unter seinem Jackenärmel.
»Ich will, dass du eins weißt«, sagt der Andere. »Dass ich ’nen verdammten Respekt vor deinen beiden Damen habe.« Er zieht an der Zigarette, pustet den Rauch aus den Backen. Lehnt mit dem Ellbogen am Fensterrahmen. Fährt sich mit der Hand über den Kopf. »Dass ich ’nen verdammten Respekt vor Familie habe. Familie ist alles«, sagt Andreas.
»Ja«, sagt Toni. Er zieht am Filter, lässt Rauchsäulen durch seine Nasenlöcher entweichen. Die eine Hand auf dem Lenkrad, die andere auf seinem Hosenbein.
»Die Kleine ist für mich jetzt auch Familie«, sagt Andreas. Sein Gesicht kernig und wettergegerbt. Von feinen Falten durchzogen. Seine Lippen dünn, seine Wangen glattrasiert. Seine Haare nach hinten gekämmt. Geheimratsecken. »Und wer sich mit meiner Familie anlegt –« Seine Augen blau wie Frostschutzmittel. Presst die schmalen Lippen zusammen. Atmet durch die Nase. Dreht den Kopf zum Beifahrerfenster. Fährt sich mit der Hand den Oberschenkel auf und ab. Zieht an der Zigarette.

Hohe Bäume in saftigem Grün, die vom Wind geschüttelt werden. Rechts von ihnen ein Fahrrad-Verkehrsgarten für Kinder. Dahinter die grauen Fassaden eines Gymnasiums. Weiter vorne die hohen Maschendrahtzäune eines Bolzplatzes.
»Ja«, sagt Andreas. Blickt aus dem Seitenfenster. »Hier.«
Zieht die Handbremse. Dreht den Motor des Volvos ab. »Gut«, sagt Toni. Wolkendecke grau, die Luft klar und feucht.

Gehen den Sandweg der Parkanlage entlang. Andreas einen Schritt vor ihm. Andreas’ Rücken gerade, seine Schritte groß. Jägergrüne, lange Regenjacke. Die Arme steif und gerade herabhängend, die Hände fest geballt.

»Bingo«, sagt Andreas. Blickt zu Toni und nickt vor zur Parkbank. Einer sitzt auf der Rückenlehne. Zwei tragen dunkle Caps, der Dritte an den Seiten abrasiertes, zur Seite gekämmtes, rabenschwarzes Haar. Ihre Haut sandfarben dunkel. Nicht älter als fünfzehn. Blaue und rote Adidas-Trainingsjacken. Helle, ausgewaschene Jeans, die sie bis zu den Knöcheln hochgeschlagen haben. Jogginghosen von Nike. Zigaretten in ihren Händen.
Der mit dem gekämmten Haar auf der Parkbank – sein Blick auf ihm und Andreas. Sein Blick, als ob er auf etwas Großes sehen würde: einen Felsen, eine Raubkatze, eine Lawine oder Berg.
Seine Freunde drehen sich jetzt auch. Blicken auf Toni, als ob sie auf etwas Zerfallendes blicken würden; als ob sie einen Mann stürzen oder Schnee fallen sehen würden.
»Bist du Enis?«, sagt Toni lautstark im Schritt; hält einen halben Meter vor der Parkbank an. Die Daumen seiner Hände in die Gürtelschlaufen seiner Jeans gesteckt. Schulter an Schulter mit einem der Stehenden.
»Was is’?«, sagt Enis; blickt über Tonis Schulter zu Andreas, dann wieder zu Toni.
»Was ist dein scheiß Problem, Alter?«, sagt einer der Cap-Träger.
Toni schiebt ihn mit der Hand eine Armlänge von sich. »Geht dich nichts an«, sagt er. »Geht nur mich, ihn und meine Tochter was an!«
Enis’ Augen rostbraun wie ein gesunkener, am Grund eines Meeres liegender Tanker. Wie Dellen in einem Auto.
Andreas fast geräuschlos, mit wenigen Schritten von hinten. Packt Enis in den Schwitzkasten. Enis schreit auf. »Ah!« Die beiden gehen zu Boden. Das Geräusch ihrer Schuhe, die auf dem Sandweg entlang rutschen. Der Geruch von Enis’ leichtem Parfum.
»Ey!«, schreit einer der beiden Stehenden. Wollen an Toni vorbeigehen, zu Enis und Andreas. Toni stößt beide nacheinander mit den Händen zurück. Einer fällt mit dem Rücken auf die Wiese.
»Was soll die Scheiße?«, schreit der Stehende mit der Cap. Klopft sich mit den Händen auf die Brust, streckt sie aus.
Hört Enis röcheln. Enis’ Kopf rot; schwarzer Flaumbart unter seiner Nase.
»So regeln wir das hier«, sagt Andreas. Hält Enis im Schwitzkasten, auf dem Sandweg. Dreht Enis’ Kopf. Packt ihn an den Haaren und drückt sein Gesicht auf den Sandweg. »Friss das«, sagt Andreas. »Du weißt, wofür das ist?«, sagt er. »Mach dein Maul auf!«

Schließt die Wagentür. Andreas auf dem Beifahrersitz, schnauft. Der Geruch von Blut, Erde und Regen. Andreas’ Hände rot, die Haut seiner Fingerknöchel aufgeschürft. Seine frostschutzblauen Augen weit aufgerissen.
»Alles klar?«, fragt Toni und schaut in den Rückspiegel.
»Ja«, sagt Andreas. Schnieft mit der Nase. »War nie besser.«
Schweigen einen Moment. Schnaufen. Andreas fährt sich mit der Zunge über die Unterlippe, mit der Hand durch sein Haar.
»So regeln wir das hier«, sagt Andreas.
»Ja«, sagt Toni.
Dann: »So haben wir’s hier schon immer geregelt. Jetzt wissen sie, wie wir das hier regeln. Da hilft nichts«, sagt Andreas. »Wenn du wüsstest«, sagt Andreas. Er schüttelt den Kopf, schweigt einen Moment. »Diese Nigger verstehen nur eine Sprache«, sagt er.
Toni mit dem Lenkrad in der Hand. Nickt. Dreht sich zur Rückbank, greift eine Dose Carlsberg aus dem Sechserträger im Fußraum. Blickt aus dem Seitenfenster. Nimmt die Dose zwischen die Beine, drückt den Verschluss ein.
Andreas’ Blick auf der Dose. Auf Tonis Gesicht. Dann wieder auf der Dose.
Trinkt einen großen Schluck. Kaltes, würziges Bier. Dann noch einen. Fährt sich mit dem Ärmel über den Mund.
Andreas atmet. Sein Blick auf Toni. Andreas fährt sich mit der Zunge über die Unterlippe. Mit der kräftigen, breiten Hand über die glattrasierten, wettergegerbten Wangen. Hebt die Augenbrauen hoch, zischt mit der Zunge, dreht sich zum Seitenfenster, legt die Hand auf den Oberschenkel und schüttelt den Kopf.

Vor dem Haus dreht Toni den Motor ab. Die linke Hand hat er noch am Lenkrad. In der rechten, auf seinem Oberschenkel, die Dose Carlsberg. Er blickt vor sich durch die Windschutzscheibe.
Andreas auf dem Beifahrersitz. Sitzt mit geradem Rücken da. Fleece-Pulli. Darüber die geöffnete, jägergrüne Jacke. Nieselregen prasselt auf das Autodach.
»Na dann«, sagt Andreas.

Toni blickt durch die Windschutzscheibe. Sagt kein Wort.
Andreas wischt sich mit der Hand unter die Nase. Schnieft. Sieht noch zu Toni, nickt; dreht seinen Kopf, blickt durch das Beifahrerfenster. Öffnet die Wagentür einen Spalt breit; sitzt da und hält den Griff einen Moment regungslos in der Hand. Blickt aus dem Beifahrerfenster. All der Regen. All das Wasser. Die Lichter im Haus des anderen Mannes brennen; schimmern goldgelb durch die Fenster, in die Dunkelheit des anbrechenden Abends.
Dann öffnet Andreas die Tür, steigt aus und schlägt die Tür zurück in die Karosserie.
Toni blickt durch das Beifahrerfenster. Der andere Mann geht im Regen über das Stück Rasen. Geht mit großen Schritten, aufrechtem Haupt. Die Hände vergraben in den jägergrünen Jackentaschen.

Er sitzt im Wagen. Steckt sich eine Pall Mall aus der Packung in der Mittelkonsole an. Der herbe, nach Schweiß und Holzspänen riechende Geruch des anderen Mannes noch im Innenraum. Er inhaliert den Zigarettenrauch. Pustet ihn langsam durch Nasenlöcher und Mund aus. Die Dose Carlsberg in der Rechten, auf seinem Bein. Die andere Hand am Lenkrad gelehnt. Er trinkt. Fünf, sechs, sieben große Schlucke. Stellt die leere Dose zurück in den Fußraum des Rücksitzes. Greift sich ein neues Bier, drückt den Verschluss der Dose ein. Bückt sich, blickt durchs Seitenfenster hoch zum Haus. Sieht Lotte mit verschränkten Armen an einem der Fenster im Erdgeschoss stehen, zu ihm blickend. Lotte dreht sich weg, und das Gesicht des anderen Mannes erscheint im Fenster, blickt ihn an.
Regentropfen prasseln auf die Motorhaube, die Windschutzscheibe und das Dach. Schwarze, tief hängende Wolken über dem Viertel.
Trinkt noch einen Schluck. Steckt sich noch eine Zigarette an. Sieht die Haustür sich öffnen. Sieht Lotte dort in der Tür stehen, unter dem Vordach, mit verschränkten Armen. Trägt Jogginghose, Hausschlappen und rosa Sweatshirt. Das Gesicht des anderen Mannes im Gang hinter ihr. Sie steht einen Moment da; dann blickt sie nach links und rechts, die Arme verschränkt, und läuft durch den Regen über den Rasen. An der Straße klopft sie am Beifahrerfenster. Er kurbelt die Scheibe herunter. Sie bückt sich, blickt mit zusammengekniffenen Augen in den Innenraum. Hebt grüßend die Hand. Die Arme verschränkt. »Hallo«, sagt sie.
»Hi«, sagt er.
Sie atmet tief ein. Ihr Haar feucht vom Regen. Kälte zieht in den Wagen.
»Du stehst noch hier«, sagt sie. »Vor dem Haus.«
»Ja«, sagt er. Blickt einen Moment durch die Windschutzscheibe, dann wieder zu Lotte. Schweigen einen Augenblick.
»Alles in Ordnung?«, fragt sie.
Er fährt sich über die Nase, legt die Hand vom Lenkrad auf sein Bein. »Sag du’s mir«, sagt er. »Sag du mir, ob alles in Ordnung ist.«
Sie hebt ihren Kopf aus dem Beifahrerfenster, lacht leicht, schüttelt den Kopf, dann bückt sie sich wieder. Der Regen so laut, dass sie beinahe schreien müssen. »Ich lass mich darauf nich’ ein«, sagt sie. »Ich bin durch damit«, sagt sie.
Er dreht seinen Kopf, blickt durch die Windschutzscheibe.
»Fahr nach Hause«, sagt sie. Hebt ihren Kopf. Bückt sich wieder, blickt durch das Fenster in den Wagen und hat Tränen in den Augen. »Bitte! Mach’s nicht noch schlimmer, als es ohnehin schon ist.«
Sie hebt wieder den Kopf. Dreht ihm den Rücken zu. Ein paar Kilometer entfernt ein Donnerschlag. Regen prasselt vom Himmel, dicke Tropfen platzen auf der Windschutzscheibe. Sie steht mit verschränkten Armen auf dem Gehsteig, neben dem Volvo. Dann geht sie mit großen Schritten über das Stück Rasen zum Hauseingang. Der andere Mann steht noch dort; mit geradem Rücken, im Fleece-Pulli. Blickt zu Toni. Ein Blitz am Himmel. Sie schließen die Haustür. Lottes Gesicht erscheint in einem der beleuchteten Fenster. Dann das Gesicht des anderen Mannes. Sehen ihn an. Toni zündet sich eine neue Zigarette an. Fährt sich über den Kopf. Schließt die Augen. Legt seinen Kopf in den Nacken. All die Keller, die jetzt voller Wasser laufen. All die Dämme, die zu brechen drohen. All die Menschen in gelben Warnwesten.

Sieht seine Tochter von der Haustür über den Rasen gehen, durch die silbernen, dicken Regentropfen. Er kurbelt das Beifahrerfenster herunter. Ihre Hände stecken in den Jackentaschen, sie trägt eine Jogginghose und Plastiksandalen.
»Papa«, sagt sie und lächelt. »Wie lange stehst du schon hier draußen?«
Er sieht das blaue Feilchen an ihrer rechten Wange.
»Komm rein«, sagt er, »es regnet.«
Greift sich eine neue Dose Carlsberg aus dem Fußraum der Rückbank. Drückt die Zigarette in den Aschenbecher der Mittelkonsole.

»Nein«, sagt sie, »das macht mir nichts.« Sie legt ihren Kopf in den Nacken, öffnet den Mund und streckt die Zunge heraus. Bückt sich wieder zum Beifahrerfenster. Sie kaut auf einem Kaugummi. Trägt grüne Regenjacke. Süßer Cola-Geruch in ihrem Atem.
»Eine meiner Fische ist gestorben«, sagt sie und sieht ihn an. »Ich hab ihn Rusty genannt.«
»Rusty«, sagt er.
»Ja«, sagt sie.
Er trinkt vom Carlsberger. »Was hast du mit ihm gemacht?«, fragt er. »Mit Rusty?« Dann: »Hat ihn Andreas weggeschmissen? Oder Mama?«
»Nein«, sagt sie. Sie zieht ihre Hand aus der Jackentasche und hält einen mit Wasser gefüllten Klarsichtbeutel in der Hand. Roter, schmaler Fisch mit prächtigen langen, segelgleichen Flossen treibt regungslos darin.
Ihre Augen plötzlich rot, tränengefüllt. »Ich weiß nicht, wie ich ihn begraben soll«, sagt sie. »Ich will ihn nicht ins Klo spülen oder so.« Sie schnieft. »Krieg ich ’ne Zigarette, Papa?«
Er greift nach seiner Schachtel, öffnet sie und hält sie ihr hin. Sie zieht eine Zigarette heraus, schnieft und fährt sich mit dem Handrücken über die Augen. Er hält ihr mit beiden Händen das Feuer hin. Sie raucht, fährt sich mit dem Handrücken über die Augen.
»Es war Rusty«, sagt sie.
»Ja«, sagt er.
»Ich hab ihn so lieb gehabt«, sagt sie.
»Ja«, sagt er. »Ich weiß.«
Sie raucht. Senkt den Kopf, hält sich die Hand vor ihren Augen; ihr Brustkorb bebt für einen Moment. Ihr Mund vom Weinen verzogen. Tränen mischen sich mit Regentropfen.
»Gib ihn mir«, sagt er. »Gib mir Rusty. Ich mach das.«
»Okay«, sagt sie. Fährt sich über die Augen. Sieht ihn an, schnieft. Reicht ihm den Klarsichtbeutel. »Du kümmerst dich um ihn, versprochen?«
»Ich werde ihn anständig begraben«, sagt er. »Er wird ein Grab bekommen, so wie es Rusty verdient hat.«
Sie fährt sich über die Augen. »Ja«, sagt sie. Sie steht da, sieht ihn an: gebückt, durchs Beifahrerfenster blickend; der Regen glänzend auf ihren haselnussbraunen Haaren, ihrem Gesicht, den Sommersprossen, der kurzen, spitzen, nach oben gebogenen Nase. Die dünnen Arme, die großen, blaugrünen Augen.
»Geh jetzt wieder rein«, sagt er.
»Okay«, sagt sie. Zieht an der Zigarette. »Du weißt, dass ich dich lieb hab, Papa?«, sagt sie. Ihre Augen wieder tränengefüllt. Das Zucken ihres Mundes.
»Ja«, sagt er und sieht sie an. »Ich dich auch. Ich liebe dich auch.« Er sagt: »Es gibt niemanden, den ich mehr liebe wie ich dich liebe.« All das Wasser, das vom Himmel fällt. Er sieht sie an, fährt sich über den Mund. »Aber geh jetzt wieder rein, Kleines«, sagt er.
Dann sieht er sie in großen Schritten über den Rasen gehen, zurück zum Haus. Gelbes Licht fällt durch die Fenster hinaus in die Dunkelheit. Tief hängende, grauschwarze Wolken, aus denen all das Wasser bricht. Unter dem Vordach bleibt sie stehen, dreht sich in der Regenjacke noch einmal zur Straße und hebt grüßend die Hand. Auf dem Beifahrersitz liegt der wassergefüllte Klarsichtbeutel mit dem regungslos darin treibenden roten, schmalen Fisch, mit den prächtigen, langen, segelgleichen Flossen. Kurbelt das Fenster wieder hoch.
Der aufschlagende Regen so laut, als hätte er selbst eine Stimme. Als würde er selbst zu ihm sprechen.
Er atmet tief ein und aus, fährt sich über den Kopf und legt anschließend sein Gesicht einen langen Moment in seine Hände.
Und dann, als er wieder hoch zum Haus blickte, sah er es. Er sah, wie der andere Mann an einem der beleuchteten Fenster des Hauses stand, im weißen T-Shirt, zu ihm hinausblickte und an einem orangenen Wassereis leckte. Daneben, im Fenster der Küche, sah er seine Tochter und seine Frau; wie sie nah beieinander standen, Worte zueinander sagten und sich umarmten; wie seine Tochter ihren Kopf in die Brust seiner Frau vergrub. Und im Nebenzimmer wieder der Kopf des anderen Mannes: Wie er hinter der Fensterscheibe stand, im Warmen, und mit seinen Lippen das Stieleis umschloss. Wie er sich das Eis rein und raus in den Mund schob, daran leckte. Wie er mit geöffnetem Mund seine Zungenspitze über die Ränder des Eises führte. Und ihn, der draußen im Wagen saß, dabei nicht aus den Augen ließ.

 

Hallo zigga,
nur kurz, weil es mich grad echt treibt und ich keine Zeit für einen langen Kommentar habe:
Die Stelle mit der Schrift auf der Jacke hat mich tatsächlich auch sehr gestört. Du schreibst dazu:

Ich hatte tatsächlich auch einen auktorialen Teil im Erzähler gesehen, also, dass man die Figur beobachtet, nur wissen kann, was sie weiß, aber dass das Ganze von einer unabhängigen, außenstehenden Instanz erzählt wird. Wie in einem Film praktisch, wo die Kamera weitestgehend den Prot verfolgt. Ich finde, wenn man es so sieht, könnte das doch schon gehen mit der Schrift auf dem Rücken, oder?
Die außenstehende Erzähl-Instanz empfinde ich hier nicht als auktorial. Aber auch als Kamera funktioniert das nicht, denn die Kamera würde die Schrift auf dem Rücken nicht aufnehmen. Die ist verdeckt. Zudem ist es schwierig, hier zwischen den Personen zu unterscheiden. Klar merkt man iwann, wie der Ablauf sein soll. Aber sehen kann man den neuen Mann erst dann, wenn Toni eingetreten ist. Das tut er aber erst in dem Satz danach. Ich weiß nicht, ich bin nicht so erfahren in einer guten und geschickten Benutzung verschiedener Perspektiven in einem Text. Aber hier empfinde ich es als ungeschickt und verwirrend. Es tut nichts für den Text. Hättest du die Abschnitte umgekehrt und den Satz begonnen mit "der andere hat seine Stiefel ..." begonnen, vielleicht hätte ich das mit der Schrift, und dass die von einer Kamera nicht bemerkt werden kann, gar nicht mitgekriegt.
Hat seine Stiefel ausgezogen. Trägt noch die schwarze Bomberjacke – auf der Rückseite, in großen, gelben Buchstaben: ›WSDS – Sicherheit‹.
Klopft dreimal an die Wohnzimmertür. Drückt den Griff nach unten und öffnet die Tür einen Spalt breit. Hört den Fernseher laufen. »Guten Abend«, sagt er.

Und noch eine Bemerkung zu dem Stil: Lieber zigga, es tut mir leid, das zu sagen, der hat mich richtig geärgert. Ich verstehe es nicht, warum man sätzeweise das Satzsubjekt unterschlagen soll. Tonis Sichtweise verdeutlichen? Meine Güte, das kommt mir an den Haaren herbeigezogen vor. Du hast so schöne, und sehr sehr knappe und verknappende Sätze drin, die trotzdem atmosphärisch sind und auf unaufdringliche Weise verdeutlichen, dass Toni ein sehr verschlossener Mensch ist, dem es nicht leicht fällt, seine Gefühle zu zeigen oder zu sagen, eine ganz alltägliche, aber tragische Gestalt. Warum muss man mich als Leserin dann so mit dem elliptischen Holzhammer auf den Kopf hauen, dass ich das auch ja merke. Ich komm mir vor wie ein kleiner Hund, dem man die arme Schnuppernase ins Häufchen drückt: Merks dir, kleiner Stinker, merks dir, was der Text will.
Mir kommt das einfach fürchterlich technisch vor. Und ist dem Inhalt, der Athmosphäre und der wunderbaren Vielschichtigkeit dieses Textes aus meiner Sicht richtig abträglich.
Ich hab nur die allerersten Kommentare gelesen - bis hin zu deiner Antwort mit der Stelle, die ich oben zitiert habe. Vielleicht hat sich ja über den Stil eine Diskussion entwickelt. Oder ich steh eben alleine da mit dieser Meinung. Ich hoffe aber, du merkst trotzdem das fette Kompliment, das sich hinter meiner Schimpftitade verbirgt. Und dass man einen solchen Text empfehlen will, das kann ich auch nur unterstützen und unterschreiben.
Bis denn, lieber zigga.

 
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Hallo @zigga


Nach intensiven Interpretationsversuchen in Kollaboration mit @Shaper möchte ich nun unsere Eindrücke darlegen, auch da noch einige Fragen offen geblieben sind.

Zum Stil:
Zweifellos interessant und es ist lobenswert, dass hier etwas extravagantes versucht und sogar gut umgesetzt wird. Ich schließe mich allerdings der Meinung vieler anderer Kritiker an. Teilsweise waren die Ellipsen dann doch abundant vorhanden, störten hie und da den Lesefluss. Ich würde

mach aus jeder dritten oder vierten Ellipse einen grammatisch korrekten Satz
gerne so unterschreiben. Auch denke ich, dass einige aufeinanderfolgende kürzere Sätze per Komma miteinander verknüpft werden könnten, um dieses Ziel zu erreichen, den Text an manchen Stellen flüssiger zu machen.
Damit zusammenhängend traten die Adketive etwas zu frequentiv auf. Also wirklich, ein bisschen zu dick wurde ich bestimmt aufgetragen. Die Adjektive haben zumeist wundervoll die Szene aufgebaut, waren aber insgesamt zu zahlreich.

Zum Wetter:
Nach dem ersten Lesen hatte ich diesbezüglich eine ähnliche Einstellung wie ander Kritiker hier. "So viel kann es doch nicht regnen!" Es wirkte teilweise eben einfach pentrant wiederholt, ja, aufdringlich.
Aber: Je häufiger ich die Geschichte gelesen habe, desto mehr entwickelte sich diese Aufdringlichkeit des Wetters zu einem positiven Aspekt, desto mehr lernte ich dieses Wetter lieben. Hier wird dem Leser eine allumfassende Stimmung aufgelastet, von der es kein entrinnen gibt. Ständig und überall verfolgt mich diese Niedergeschlagenheit des Textes, wird mir solange eingetrichtert, bis ich sie schließlich glauben muss - und das habe ich gerne getan. Die Atmosphäre des Textes kommt dadurch erst richtig zur Geltung,´finde ich, bitte lass es genau so.
Damit zusammenhängend brummte sich uns eine Frage immer mehr auf:
Stehen die jeweiligen Wetterlagen (die Intensität des Regens) stellvertretend für die Gefühlslage des Protas? Hier nur einige Bespiele:


»Bitte! Mach’s nicht noch schlimmer, als es ohnehin schon ist.«
Sie hebt wieder den Kopf. Dreht ihm den Rücken zu. Ein paar Kilometer entfernt ein Donnerschlag. Regen prasselt vom Himmel, dicke Tropfen platzen auf der Windschutzscheibe.
Seine Frau macht ihm deutlich, dass er verschwinden soll -> Das Wetter reagiert heftig und augenblicklich, der Regen prasselt jetzt, die Tropfen sind dick, starke Gefühlsregung, Trauer vom Prota stehen dem gegenüber
Legt seinen Kopf in den Nacken. All die Keller, die jetzt voller Wasser laufen. All die Dämme, die zu brechen drohen. All die Menschen in gelben Warnwesten.
Frau und Andreas beobachten ihn von der Haustür aus, geben ihm damit zu verstehen, dass sie nun zusammengehören, er verschwinden soll -> Die Keller laufen voller Wasser, die Dämme brechen (ja ohnehin eine bekannte Metapher für das Weinen), das Unwetter/die Verzweiflung nimmt seinen Höhepunkt
Sieht seine Tochter von der Haustür über den Rasen gehen, durch die silbernen, dicken Regentropfen.
Seine Tochter kommt auf ihn zu, geht durch den Regen, durchbricht mit dieser Geste den Regen, also die Trauer des Protas, ein Hoffnungsschimmer am Horizont.

Ähnliche Bezüge lassen sich bei den anderen Textstellen bezüglich Wetter herstellen.
Dass das Wetter Atmosphäre aufbauen, Stimmung evozieren soll, vllt sogar stellvertretend für Gefühlslagen stehen soll, ist klar, die Frage, die sich uns gestellt hat: Haben wir hier nun richtig interpretiert, wird jeder dieser Wetterlagen ein so hoher Stellenwert eingeräumt, oder haben wir und schlicht etwas zu weit aus dem Fenster gelehnt?


Die Location der "Schlägerei":
Wurde mehrfach angesprochen und wir können dem nur beipflichten. Dass die Boys im Regen auf der Parkpark chillen, ist uns nicht begreiflich. Es ist nur Nieselregen, ja, aber das macht doch keiner oder? Schonmal eine Zigarette im Regen geraucht? Macht sich nicht gut. Außerdem müsste Andreas vollkommen eingesaut sein, da er sich ja mit Enis auf dem Boden wälzt, ich würde ihn so nicht mehr in mein Auto lassen.
Uns ist ebenfalls aufgefallen, dass es doch ein sehr glücklicher Umstand, dass die beiden eben spintan losfahren, um den Enis zu finden und ihn tatsächlich auch noch auf einer Bank in einem Park antreffen. Mag ja sein, dass das sein präferierter Ort ist, aber würde ich wirklich im Regen gerade dort im Park nach ihm suchen? Fand ich zunächst unrealistisch aber damit:

»Bingo«, sagt Andreas.
hat sich das eigentlich recht schnell geklärt. Das macht das ganze Unterfangen schon wieder sehr authentisch und Zweifel an der Logik erübrigen sich dadurch schnell. Gut geklärt auf jeden Fall!
Außerdem würde mich persönlich noch sehr interessieren, warum du Enis zu einem Afrikaner gemacht hast?


Die Fische:
Kommen wir mal zu der Frage der Fragen: Was hat es mit diesen ollen Fischen auf sich? Wenn nicht der Titel so gewählt worden wäre, hätten wir dem gar keinen so hohen Stellenwert eingeräumt, aber so muss ja mehr dahinter stecken und wir würden gerne wissen was! Sind einfach nicht ganz dahintergestiegen.
Der einzige Interpretationsansatz, den hatten:
Die Fische stehen stellvertretend für die neuen Männer im Leben der Tochter. Das Haustier ist ja für ein Kind ohnehin ein Suggorat für eine Vertrauensperson, in diesem Sinne würde sich der Kreis schließen. Was uns auf diese Fährte gelockt hat:

Der Blaue ist ein Panzerwels
Seine Augen blau wie Frostschutzmittel.
Und der Rote mit den langen Flossen ein Skalar
Enis’ Augen rostbraun
Am Ende wird ja der rote Fisch entsorgt, er (Enis) ist ja für die Tochter gestorben, wird abgeschafft.
Könnte Zufall sein, oder sehr weit hergeholt. Vielleicht stehen wir auch komplett auf dem Schlauch, in jedem Fall bitten wir um Aufklärung.


Das noch:

Blicken auf Toni, als ob sie auf etwas Zerfallendes blicken würden; als ob sie einen Mann stürzen oder Schnee fallen sehen würden.
Ich habe heute erst verstanden, dass sie langsam an Toni herunterblicken. Vllt lag es an uns, wir haben uns dermaßen an dieser Stelle aufgehangen, dass sie uns jedes Mal aus dem Text katapultiert hat, haben es einfach nicht verstanden. Das ist mir doch eine sehr umwegige Beschreibung dessen, was passiert.

Hohe Bäume in saftigem Grün, die vom Wind geschüttelt werden.
Die saftigen grünen Bäume passen so gar nicht zur düsteren Stimmung des Textes.

Ich habe mich außerdem hieran gestört.

Die Keller laufen jetzt voller Wasser.
Das ist nicht falsch aber "Sie laufen voll Wasser." klingt mMn runder. Das mag eine überflüssige Kleinigkeit sein.


Haben wir uns sehr gerne mit Beschäftigt, die Geschichte hat in jedem Fall Eindruck hinterlassen, die Personen hinterlassen Abdrücke und deren Beziehungen werden mit authentisch und ungezwungen nahegebracht. Ich hoffe, Du könntest uns die ein oder andere ungeklärte Frage noch beantworten.


MfG Putrid Palace

 

Hey @Bella,

schön, mal wieder etwas von dir zu lesen.

ich habe jetzt bewusst nicht alle Kommentare gelesen, um dir einen unverfälschten Eindruck geben zu können.
danke

Hat mir gut gefallen, die düstere Atmosphäre und der gewählte Stil gehen für mich wunderbar Hand in Hand.
super

Obwohl ich den Stil zunächst als etwas zu knapp empfand, zeigte sich beim weiteren Lesen, dass das eben wunderbar harmoniert und nicht nur die grundsätzliche Stimmung, sondern auch den Protagonisten toll charakterisiert.
Super. Ja, einige haben das kritisiert, dass es zu ellipsenhaft ist; ich schaue gerade mal, was ich tun kann bzw. ob ich es hinbekomme und es mir gefällt, das noch aus- bzw. umzubauen.

Obwohl man ja nicht wirklich viel über ihn erfährt, hat man ihn dann doch gut vor Augen und weiß bzw ahnt viel mehr als da steht und das ist für mich echt die hohe Kunst der Kurzgeschichten.
Vielen Dank für das Kompliment! Freut mich natürlich, dass du es so siehst

Und für mich ist die Charakterisierung des Mannes auch das was rüber kommt, viel mehr als dieser eigentlich kurze Ausschnitt der tatsächlich erzählt wird. Echt super gemacht, sehr gerne gelesen.
Cool! Besten Dank dir fürs Lesen und Kommentieren, ich hoffe, man liest mal wieder etwas von dir?


Hallo @Novak,

vielen Dank für dein ehrliches Feedback. Und natürlich fürs Lesen und Gedankenmachen an sich.

Die Stelle mit der Schrift auf der Jacke hat mich tatsächlich auch sehr gestört. Du schreibst dazu:

Ich hatte tatsächlich auch einen auktorialen Teil im Erzähler gesehen, also, dass man die Figur beobachtet, nur wissen kann, was sie weiß, aber dass das Ganze von einer unabhängigen, außenstehenden Instanz erzählt wird. Wie in einem Film praktisch, wo die Kamera weitestgehend den Prot verfolgt. Ich finde, wenn man es so sieht, könnte das doch schon gehen mit der Schrift auf dem Rücken, oder?

Die außenstehende Erzähl-Instanz empfinde ich hier nicht als auktorial. Aber auch als Kamera funktioniert das nicht, denn die Kamera würde die Schrift auf dem Rücken nicht aufnehmen. Die ist verdeckt.

OK, ist angekommen! Ich hatte bei meiner Antwort an AWM das Ganze extra als Fragesatz geschrieben, weil ich mir letztendlich auch nicht wirklich sicher bin bei dieser Stelle. Ich überlege mal, wie ich das geschmeidig hinkriege. Perspektivbruch ist natürlich nie schön in einem Text.

Zudem ist es schwierig, hier zwischen den Personen zu unterscheiden. Klar merkt man iwann, wie der Ablauf sein soll. Aber sehen kann man den neuen Mann erst dann, wenn Toni eingetreten ist. Das tut er aber erst in dem Satz danach. Ich weiß nicht, ich bin nicht so erfahren in einer guten und geschickten Benutzung verschiedener Perspektiven in einem Text. Aber hier empfinde ich es als ungeschickt und verwirrend. Es tut nichts für den Text. Hättest du die Abschnitte umgekehrt und den Satz begonnen mit "der andere hat seine Stiefel ..." begonnen, vielleicht hätte ich das mit der Schrift, und dass die von einer Kamera nicht bemerkt werden kann, gar nicht mitgekriegt.
OK, vielen Dank für den Hinweis, ich werde hier noch mal drüber arbeiten!

Und noch eine Bemerkung zu dem Stil: Lieber zigga, es tut mir leid, das zu sagen, der hat mich richtig geärgert.
:D Braucht dir nicht leid zu tun. Merci fürs Bescheid sagen! Ich weiß, dass das oft schwerer ist, als Komplimente zu verteilen. Aber alles super, ich war gespannt, wie ihr das hier aufnehmen würdet

Ich verstehe es nicht, warum man sätzeweise das Satzsubjekt unterschlagen soll. Tonis Sichtweise verdeutlichen? Meine Güte, das kommt mir an den Haaren herbeigezogen vor. Du hast so schöne, und sehr sehr knappe und verknappende Sätze drin, die trotzdem atmosphärisch sind und auf unaufdringliche Weise verdeutlichen, dass Toni ein sehr verschlossener Mensch ist, dem es nicht leicht fällt, seine Gefühle zu zeigen oder zu sagen, eine ganz alltägliche, aber tragische Gestalt. Warum muss man mich als Leserin dann so mit dem elliptischen Holzhammer auf den Kopf hauen, dass ich das auch ja merke. Ich komm mir vor wie ein kleiner Hund, dem man die arme Schnuppernase ins Häufchen drückt: Merks dir, kleiner Stinker, merks dir, was der Text will.
Interessant, dass du das als elliptischen Holzhammer für die Verschlossenheit Tonis siehst. Also, ich will dir das gar nicht absprechen, ich kann es sehr gut nachvollziehen, und wahrscheinlich hast du recht, ich dachte da beim Schreiben und bis zu deinem Kommentar allerdings nicht wirklich daran, dass es die Verschlossenheit zeigt, und dass das auch noch so holzhammermäßig daher kommt. Also wie gesagt, ich kann es gut nachvollziehen und hatte das aber gar nicht auf dem Schirm.

Ich hab nur die allerersten Kommentare gelesen - bis hin zu deiner Antwort mit der Stelle, die ich oben zitiert habe. Vielleicht hat sich ja über den Stil eine Diskussion entwickelt.
Hat es sich! Die erste Hälfte, würde ich mal sagen, hat den Stil jetzt nicht zentral mokiert, die zweite Hälfte sah es sehr ähnlich wie du.

Ich hoffe aber, du merkst trotzdem das fette Kompliment, das sich hinter meiner Schimpftitade verbirgt. Und dass man einen solchen Text empfehlen will, das kann ich auch nur unterstützen und unterschreiben.
Das sehe ich! Vielen Dank dir. Und spornt mich natürlich an, noch weiter in die Arbeit zu gehen. Ich weiß im Moment nicht, wo ich stehe bezüglich ob ich den Stil mag und supporte, ob ich ihn "abschwäche" im Sinne von Flieges Vorschlag, einfach den ellipsenhaften Stil leicht wieder mit Worten aufzufüllen oder ob ich das zu uneingänglich an sich finde, und die Geschichte noch einmal im "klassischen" Sinn umschreibe (und ob das überhaupt möglich ist, ohne dass etwas Grundlegendes dem Text abhanden kommt). Ich denke mir einerseits, dass viele Kommentatoren, wenn sie einmal in der Story drin waren, ein wenig in den Vibe des Stils gekommen sind und er eine gute Stimmung entfalten kann, und andererseits fände ich es extrem schade, wenn das Lückenhafte potentielle Leser schon nach dem zweiten Satz so hart abschreckt, dass sie der Story gar keine Chance geben, obwohl ihnen eigentlich der Plot und die Figuren sehr getaugt haben könnten. Also in dem Sinne danke für deine Einschätzung, liebe Novak!


Hallo @Putrid Palace und @Shaper!

Hey, ich habe mich sehr über euer Interesse und eure Gedanken gefreut. Irgendwie süß die Vorstellung, dass ihr euch da zu zweit so viele Gedanken über meine Story gemacht habt! :D

Ich beantworte eure Fragen bezüglich euren Interpretationen natürlich sehr gerne. Dem möchte ich allerdings voran stellen, dass ich finde, dass ein Text immer für sich selbst sprechen muss. Also, das Schlimmste ist, finde ich, wenn sich ein Autor nachträglich neben seiner Geschichte stellt und mit dem Zeigestock dann erklärt. Ich finde auch, dass eine Geschichte in erster Linie keine verschlüsselte Symbolik sein sollte, bei der der Leser nur die richtige Übersetzung finden muss, um dann den eigentlich Sinn der Story zu verstehen. Für mich geht es darum, eine gute Geschichte zu erzählen, die einen emotional abholt, packt und vielleicht irgendwie noch ein wenig nachschwingt. Ich habe mir natürlich über einige Details, die in der Story vorkommen, Gedanken gemacht und sie nicht zufällig platziert. Allerdings ist eine Geschichte, wie jedes Stück "Kunst", auch immer Projektionsfläche für den Leser, und der Rezipient kann - im besten Fall - anhand seiner Assoziationen vielleicht mehr etwas über sich selbst erfahren, als dass es wichtig wäre, dass der Autor daher kommt und sagt: Das bedeutet das und das passiert, weil ich jenes damit sagen will. Ich hoffe ihr versteht, wie ich das meine. (Im Endeffekt: Ich will mir hier keine Deutungshoheit zuteilen und wenn jemand gewisse Dinge anders sieht, kann er genauso Recht haben.)

Zum Stil:
Zweifellos interessant und es ist lobenswert, dass hier etwas extravagantes versucht und sogar gut umgesetzt wird. Ich schließe mich allerdings der Meinung vieler anderer Kritiker an. Teilsweise waren die Ellipsen dann doch abundant vorhanden, störten hie und da den Lesefluss. Ich würde

mach aus jeder dritten oder vierten Ellipse einen grammatisch korrekten Satz

gerne so unterschreiben. Auch denke ich, dass einige aufeinanderfolgende kürzere Sätze per Komma miteinander verknüpft werden könnten, um dieses Ziel zu erreichen, den Text an manchen Stellen flüssiger zu machen.

OK! Ich schaue gerade mal, wie ich da noch drüber arbeiten kann, dass es evtl. eingängiger wird, ohne dass was von der Stimmung etc. verloren geht. Ging ja vielen so. Ich bin mir allerdings im Augenblick noch nicht sicher, was mir gefällt, was ich gut finde - da brauche ich glaube ich noch etwas Abstand zum Text, nachdem ich jetzt einige Zeit so sehr drin war.

Damit zusammenhängend traten die Adketive etwas zu frequentiv auf. Also wirklich, ein bisschen zu dick wurde ich bestimmt aufgetragen. Die Adjektive haben zumeist wundervoll die Szene aufgebaut, waren aber insgesamt zu zahlreich.
OK, ist notiert

Zum Wetter:
Nach dem ersten Lesen hatte ich diesbezüglich eine ähnliche Einstellung wie ander Kritiker hier. "So viel kann es doch nicht regnen!" Es wirkte teilweise eben einfach pentrant wiederholt, ja, aufdringlich.
Aber: Je häufiger ich die Geschichte gelesen habe, desto mehr entwickelte sich diese Aufdringlichkeit des Wetters zu einem positiven Aspekt, desto mehr lernte ich dieses Wetter lieben. Hier wird dem Leser eine allumfassende Stimmung aufgelastet, von der es kein entrinnen gibt. Ständig und überall verfolgt mich diese Niedergeschlagenheit des Textes, wird mir solange eingetrichtert, bis ich sie schließlich glauben muss - und das habe ich gerne getan. Die Atmosphäre des Textes kommt dadurch erst richtig zur Geltung,´finde ich, bitte lass es genau so.
:D Hey, das freut mich, dass du/ihr das Teil öfters gelesen habt und ihr schlussendlich das gut fandet. Vielleicht wirkt das wirklich zu viel, wenn man die Story nur einmal liest. Ich kann das gerade schlecht beurteilen, weil ich sie halt auch schon oft gelesen habe, und da vllt. zu tief drin bin. Aber im Augenblick sehe ich es ähnlich wie du, dass mir der viele Regen eigentlich gefällt

Damit zusammenhängend brummte sich uns eine Frage immer mehr auf:
Stehen die jeweiligen Wetterlagen (die Intensität des Regens) stellvertretend für die Gefühlslage des Protas? Hier nur einige Bespiele:

»Bitte! Mach’s nicht noch schlimmer, als es ohnehin schon ist.«
Sie hebt wieder den Kopf. Dreht ihm den Rücken zu. Ein paar Kilometer entfernt ein Donnerschlag. Regen prasselt vom Himmel, dicke Tropfen platzen auf der Windschutzscheibe.

Seine Frau macht ihm deutlich, dass er verschwinden soll -> Das Wetter reagiert heftig und augenblicklich, der Regen prasselt jetzt, die Tropfen sind dick, starke Gefühlsregung, Trauer vom Prota stehen dem gegenüber

Legt seinen Kopf in den Nacken. All die Keller, die jetzt voller Wasser laufen. All die Dämme, die zu brechen drohen. All die Menschen in gelben Warnwesten.

Frau und Andreas beobachten ihn von der Haustür aus, geben ihm damit zu verstehen, dass sie nun zusammengehören, er verschwinden soll -> Die Keller laufen voller Wasser, die Dämme brechen (ja ohnehin eine bekannte Metapher für das Weinen), das Unwetter/die Verzweiflung nimmt seinen Höhepunkt

Sieht seine Tochter von der Haustür über den Rasen gehen, durch die silbernen, dicken Regentropfen.

Seine Tochter kommt auf ihn zu, geht durch den Regen, durchbricht mit dieser Geste den Regen, also die Trauer des Protas, ein Hoffnungsschimmer am Horizont.

Ähnliche Bezüge lassen sich bei den anderen Textstellen bezüglich Wetter herstellen.
Dass das Wetter Atmosphäre aufbauen, Stimmung evozieren soll, vllt sogar stellvertretend für Gefühlslagen stehen soll, ist klar, die Frage, die sich uns gestellt hat: Haben wir hier nun richtig interpretiert, wird jeder dieser Wetterlagen ein so hoher Stellenwert eingeräumt, oder haben wir und schlicht etwas zu weit aus dem Fenster gelehnt?

Hey, also wie gesagt, für mich persönlich gibt es hier kein richtig und kein falsch. Wenn der eine das so liest, ist das seine Assoziation, wenn ein anderer das anders liest, dann ist das auch so. Billig wird für mich eine Metapher in einer Story, die ganz eindeutig nur einen Zweck bzw. eine Bedeutung erfüllt. Wenn es vielschichtiger wird, kann so eine Sache Stimmung erzeugen. Das ist meine Theorie zumindest. Hmm. Also wenn ihr mich persönlich fragt, wie ich das sehe, sage ich: Für mich spiegelt der Regen auch die Innenwelt des Prots wider. Letztendlich ist es ja auch seine Welt, in die wir eintauchen, seine Assoziationen, die wir hier von der Welt gezeigt bekommen, die wiederum auch ihre Wurzeln in seiner Innenwelt haben. Der Regen kann Traurigkeit, Erdrücktheit, ein Gefühl des Anschlagenseins und des Erstickens bedeuten, finde ich.
Also, ich hab das Wetter grundsätzlich nicht zufällig eingebaut. Auch der Donner in der Szene, als sie sich streiten oder der Blitz, als er und Andreas sich danach anblicken, das hab ich schon bewusst eingebaut, weil ich glaube, dass - selbst, wenn man jetzt nicht auf Metaphorik achtet oder davon als Leser weiß - die Stimmung bauchgefühlsmäßig rüberkommt. Wird übrigens auch viel in Filmen gemacht, solche Details, und noch viel subtilere.

Die Location der "Schlägerei":
Wurde mehrfach angesprochen und wir können dem nur beipflichten. Dass die Boys im Regen auf der Parkpark chillen, ist uns nicht begreiflich. Es ist nur Nieselregen, ja, aber das macht doch keiner oder? Schonmal eine Zigarette im Regen geraucht? Macht sich nicht gut. Außerdem müsste Andreas vollkommen eingesaut sein, da er sich ja mit Enis auf dem Boden wälzt, ich würde ihn so nicht mehr in mein Auto lassen.
Uns ist ebenfalls aufgefallen, dass es doch ein sehr glücklicher Umstand, dass die beiden eben spintan losfahren, um den Enis zu finden und ihn tatsächlich auch noch auf einer Bank in einem Park antreffen. Mag ja sein, dass das sein präferierter Ort ist, aber würde ich wirklich im Regen gerade dort im Park nach ihm suchen? Fand ich zunächst unrealistisch aber damit:

»Bingo«, sagt Andreas.

hat sich das eigentlich recht schnell geklärt. Das macht das ganze Unterfangen schon wieder sehr authentisch und Zweifel an der Logik erübrigen sich dadurch schnell. Gut geklärt auf jeden Fall!

Ja, es stimmt einerseits schon, dass das jetzt nicht das schlüssigste ist, dass sie im Nieselregen dort draußen sich treffen. Andererseits dachte ich mir, dass bei tagelangem Regen, wenn einmal ein Nachmittag etwas ruhiger ist, es gar nicht so weit hergeholt ist, dass man als Teenager sich dann an der Bank trifft, wo man sich eben immer trifft. Aber weil es so viele angemerkt haben, dass sie's ein wenig weit hergeholt fanden, denke ich auf jeden Fall noch mal darüber nach, es zu verändern. Mal sehen. Genau, im Endeffekt haben Andreas und Toni auch Glück, sie dort zu treffen. Wer weiß, wo sie davor schon suchen waren?

Außerdem würde mich persönlich noch sehr interessieren, warum du Enis zu einem Afrikaner gemacht hast?
Sandfarben dunkel heißt ja nicht gleich schwarz. Enis ist eigentlich ein türkischer/kurdischer Name (ich glaube aber, im Arabischen gibt es ihn auch?) Na ja, weswegen habe ich ihn gewählt. Gute Frage. Wieso nicht? In dem Milieu ist das jetzt nichts Seltenes, dass man auch mit Türken oder anderen Nationalitäten verkehrt und etwas miteinander zu tun hat. Natürlich hätte es auch ein Tobias sein können. Dann allerdings hätte ich Andreas nicht so schön negativ darstellen können, dass er in der folgenden Szene über die "Nigger" lästert; ich finde, das hat schon so einen Geschmack, wenn jemand so redet, der sich davor mit den Kids geprügelt hätte. Ich hatte jedenfalls die Vermutung, dass wenn Andreas sich mit einem Tobias geprügelt hätte und dann gesagt hätte: "So ein Arschloch!", dass man als Leser dann nicht so ein Unbehagen empfunden hätte bzw. nicht so eine Skepsis und ein Misstrauen gegenüber Andreas hätte aufbauen können. Deswegen fand ich die Szene schon wichtig, dass er so eine Art "Fratze" zeigt in einem emotionalen und physischen Ausnahemzustand, damit man als Leser die Möglichkeit hat, ihm als Person zu misstrauen und daraufhin sich auch um Lotte und Anna zu sorgen und ein wenig auf Tonis Seite zu wandern.

Die Fische:
Kommen wir mal zu der Frage der Fragen: Was hat es mit diesen ollen Fischen auf sich?
:D

Wenn nicht der Titel so gewählt worden wäre, hätten wir dem gar keinen so hohen Stellenwert eingeräumt, aber so muss ja mehr dahinter stecken und wir würden gerne wissen was! Sind einfach nicht ganz dahintergestiegen.
Der einzige Interpretationsansatz, den hatten:
Die Fische stehen stellvertretend für die neuen Männer im Leben der Tochter. Das Haustier ist ja für ein Kind ohnehin ein Suggorat für eine Vertrauensperson, in diesem Sinne würde sich der Kreis schließen. Was uns auf diese Fährte gelockt hat:

Der Blaue ist ein Panzerwels
Seine Augen blau wie Frostschutzmittel.
Und der Rote mit den langen Flossen ein Skalar
Enis’ Augen rostbraun

Am Ende wird ja der rote Fisch entsorgt, er (Enis) ist ja für die Tochter gestorben, wird abgeschafft.
Könnte Zufall sein, oder sehr weit hergeholt. Vielleicht stehen wir auch komplett auf dem Schlauch, in jedem Fall bitten wir um Aufklärung.

Hey, toll, dass ihr das Teil so intensiv und genau gelesen habt. Ich hab mir bei den Farben auch was gedacht, etwas sehr ähnliches wie ihr, und hatte gehofft, dass man es bauchgefühlsmäßig als Leser evtl. mitnimmt, in die Stimmung.

Hey, wie gesagt, eure Deutung finde ich sehr gut. Das kann man so stehen lassen.

Aber weil ihr gefragt habt, wie ich persönlich das gedacht hatte, here the answer: Ich wollte mit den Farben, die hin und wieder erwähnt werden, Bezüge zwischen den Figuren aufzeigen, v.a.: Inwieweit hat Andreas oder Toni "Einfluss" bzw. "Oberhand" über Lotte und Anna?
Annas Auge "ist" zum Schluss blau wie Andreas' blaue Augen. Auf eine schmerzhafte Art bekommt sie die Augenfarbe des neuen Mannes.
Anna trägt zum Schluss auch eine grüne Jacke, wie Andreas. Als ob er irgendwie "sich über sie gelegt hätte". Metaphorisch gesehen, natürlich.
Ich hatte den toten Fisch, den Anna zum Schluss ihrem Vater überreicht, eher als eine Symbolik für Toni gesehen. Der blaue und der rote Fische, den Anna am Anfang ihrem Vater in dem neuen Aquarium zeigt. (Eine Welt voller Wasser; ähnlich wie das Wasser in der realen Welt der Prots immer weiter ansteigt)
Ich weiß, es wird nicht explizit in der Geschichte gesagt, weil vieles weggelassen wird, was die Backstory betrifft, aber ich lese das so, dass Toni am Beginn der Story das erste Mal vor Andreas steht. Ihm wird zum ersten Mal wirklich vor Augen geführt, wie seine Familie dort bei diesem anderen Mann wirklich lebt, weil er zum ersten Mal das Haus betritt. Im Laufe der Handlung hin zum Schluss wird Toni bewusst, so verstehe ich den Text zumindest, dass er seine Familie auf eine Art an den anderen Mann verloren hat, dass Andreas "Einfluss" über seine beiden Frauen gewonnen hat. Da stirbt etwas in Toni. Für mich war der prächtige Fisch, der tot im Vakuumbeutel schwimmt eher eine Symbolik für die Art, wie sich Toni in dieser Situation fühlt: Tot und ausgestoßen in all dem Wasser (wie auch immer man das Wasser symbolisch betrachten mag).

Aber hey, ich weiß, ich hab's ein paarmal gesagt, und ich weiß, ihr habt das schon gecheckt, aber ich wollte nur noch mal anmerken, dass ich keine Deutungshoheit über die Interpretation dessen, was ich gerade beschrieben habe (jetzt hat es übrigens witzigerweise gerade in diesem Augenblick gedonnert :D) habe oder Anspruch darauf beanstande. Es ist meine Interpretation, und mir ist klar, dass das mit den Farben oder den Metaphern etwas extrem uneindeutiges ist, aber ich denke mir oft beim Schreiben, vielleicht erzeugt das Stimmung, vielleicht versteht man als Leser solche Bilder auf einer Art ganz natürlich im Unterbewusstsein, und daraufhin gewinnt ein Text an Tiefe.

Das ist nicht falsch aber "Sie laufen voll Wasser." klingt mMn runder. Das mag eine überflüssige Kleinigkeit sein.
richtig!

Die saftigen grünen Bäume passen so gar nicht zur düsteren Stimmung des Textes.
OK! Wie gesagt, der sich schüttelnde grüne Baum, da ist wieder mein Metapherding in mir durchgegangen :D

Blicken auf Toni, als ob sie auf etwas Zerfallendes blicken würden; als ob sie einen Mann stürzen oder Schnee fallen sehen würden.

Ich habe heute erst verstanden, dass sie langsam an Toni herunterblicken. Vllt lag es an uns, wir haben uns dermaßen an dieser Stelle aufgehangen, dass sie uns jedes Mal aus dem Text katapultiert hat, haben es einfach nicht verstanden. Das ist mir doch eine sehr umwegige Beschreibung dessen, was passiert.

Ah, war gar nicht so gemeint. Ja, der Vergleich hier ist ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt und vllt zu artsy, ich meinte, dass sie ihn mit einem bestimmten Blick ansehen

Haben wir uns sehr gerne mit Beschäftigt, die Geschichte hat in jedem Fall Eindruck hinterlassen, die Personen hinterlassen Abdrücke und deren Beziehungen werden mit authentisch und ungezwungen nahegebracht. Ich hoffe, Du könntest uns die ein oder andere ungeklärte Frage noch beantworten.
Besten Dank!

Jedenfalls größten Dank für euren ausführlichen Kommentar, das vielmalige Lesen und eurer Rückmeldung! :)


Besten Gruß
zigga

 

Moin!

Der erste Text, den ich hier auf der Seite gelesen habe, und dann gleich solch ein gelungener! :) Der elliptische Schreibstil und die bedrückende Atmosphäre sind genau mein Fall. Ich verstehe, dass das nicht für jeden Leser was ist, aber mich sprichst du damit total an. Erinnert mich unweigerlich an die "Sin City"-Verfilmung (da regnet es ja auch recht oft :D ).

Ich kann ja mal auf ein paar Details eingehen, die mir so aufgefallen sind:

∆, □ und ○ auf die Fingerrücken seiner rechten Hand tätowiert.
Hat das ne bestimmte Bedeutung in bestimmten Kreisen? Für die entsprechenden Buttons auf der Playstation wird es vermutlich nicht stehen... :D Ist nicht wichtig fürs Verständnis, ich wüsste es nur gerne.

Zuhause klingelt das Telefon.
»Ich bin’s«, sagt Lotte.
Er fährt sich mit Daumen und Zeigefinger über die Unterlippe, sieht einen Moment auf die graue Tapete des Flurs. »Alles in Ordnung?«, fragt er.
»Ja«, sagt sie. Sie atmet tief ein und aus. Atmet so, wie sie atmet, wenn sie sich durch die Haare fährt. »Nein. Es ist ...«
Ein Moment Stille.
»Du stehst noch hier«, sagt sie. »Vor dem Haus.«
»Ja«, sagt er. Blickt einen Moment durch die Windschutzscheibe, dann wieder zu Lotte. Schweigen einen Augenblick.
»Alles in Ordnung?«, fragt sie.
Er fährt sich über die Nase, legt die Hand vom Lenkrad auf sein Bein. »Sag du’s mir«, sagt er. »Sag du mir, ob alles in Ordnung ist.«
Sie hebt ihren Kopf aus dem Beifahrerfenster, lacht leicht, schüttelt den Kopf, dann bückt sie sich wieder. Der Regen so laut, dass sie beinahe schreien müssen. »Ich lass mich darauf nich’ ein«, sagt sie. »Ich bin durch damit«, sagt sie.

Finde ich spannend, wie diese simple, aber doch so bedeutungsschwangere Frage hier nochmal aufgegriffen wird. Du bringst damit sehr greifbar die Stimmung zum Ausdruck, die zwischen den beiden vorherrscht. Dass man sich zwar irgendwie noch um den ehemaligen Partner sorgt, aber völlig ohne jede Nähe, die früher (wohl) einmal vorhanden gewesen ist. Ihre letzten beiden Sätze suggerieren für mich außerdem, dass es wohl noch einige Zeit nach der Trennung ein Hin und Her zwischen ihnen gab. Doch jetzt ist (von ihrer Seite?) alles vorbei und die Beziehung basiert nur noch auf der gemeinsamen Tochter. Sehr bitter, sehr treffend, sehr wahr.

Zu Andreas (dieses spezielle Gefühl, wenn ein Protagonist deinen Namen trägt! :D ) wollte ich noch sagen, dass er mir zuerst irgendwie als komplettes Gegenteil zu Toni erschien. Fleece-Pulli, kinderlos, geschieden, noch nie einen Tropfen Alkohol getrunken, geht zu Therapiesitzungen, macht Small Talk übers Wetter beim Einsteigen in den Wagen, greift nur zögerlich zur Zigarette (was mich in dem Moment übrigens überrascht hat - Alkohol nein, Tabak ja?) - bis dahin wirkte er auf mich (im Kontext der Geschichte) eher ein bisschen wie ein Lappen. Erst ab

Seine Hände dreckig, schwarz und in den Innenflächen leicht ölverschmiert. Seine Hände dick und rau, wie sie nur Leute haben, die täglich mit ihnen arbeiten. Ein blauschwarzes, verlaufenes Tattoo am Handgelenk unter seinem Jackenärmel.
»Ich will, dass du eins weißt«, sagt der Andere. »Dass ich ’nen verdammten Respekt vor deinen beiden Damen habe.« Er zieht an der Zigarette, pustet den Rauch aus den Backen. Lehnt mit dem Ellbogen am Fensterrahmen. Fährt sich mit der Hand über den Kopf. »Dass ich ’nen verdammten Respekt vor Familie habe. Familie ist alles«, sagt Andreas.
hab ich dir den Vorarbeiter bei Bosch-Rexroth so richtig abgekauft. Da sind wir dann im Milieu angekommen und Andreas hat sich entsprechend verhalten.

Wie sie die Jugendlichen aufmischen, hat mir auch gut gefallen. Keine langen Vorhaltungen, sondern direkt Gesicht voraus auf den Boden gepresst.

»So regeln wir das hier«, sagt Andreas.
»So regeln wir das hier«, sagt Andreas.
»Ja«, sagt Toni.
Dann: »So haben wir’s hier schon immer geregelt. Jetzt wissen sie, wie wir das hier regeln. Da hilft nichts«, sagt Andreas. »Wenn du wüsstest«, sagt Andreas. Er schüttelt den Kopf, schweigt einen Moment. »Diese Nigger verstehen nur eine Sprache«, sagt er.
Finde ich auch sehr authentisch, wie er das immer wieder und wieder wiederholt. Wie er sich selbst vergewissert, das richtige getan zu haben, und dem Kodex des Milieus entsprechend gehandelt zu haben. "Wir" auf der einen Seite ("hier), die "Nigger" auf der anderen Seite. Übrigens (aber das hatte glaube ich auch schon jemand vor mir kommentiert), finde ich den Ausdruck hier ebenfalls nicht so passend. Der Name Enis deutet an, dass es sich um einen türkisch- oder arabischstämmigen Jungen handelt, weswegen vielleicht "Kanacken" passender wäre. Oder sind in Andreas' kleiner Welt alle, die nicht von "hier" kommen, "Nigger"? Keine Ahnung, ist auch nicht so wichtig, ist mir nur aufgefallen. ;)

Aufgefallen ist mir außerdem, dass du immer sehr viel wert darauf legst, wo die Protagonisten, besonders Toni, ihre Hände haben. An mehreren Stellen beschreibst du, dass eine Hand auf dem Lenkrad und die andere auf dem Bein liegt, letztere hält irgendwann die Bierdose. Erst an dieser Stelle

»Alles in Ordnung?«, fragt sie.
Er fährt sich über die Nase, legt die Hand vom Lenkrad auf sein Bein. »Sag du’s mir«, sagt er. »Sag du mir, ob alles in Ordnung ist.«
legt er die Hand vom Lenkrad aufs Bein. Das wirkt für mich, als hätte er den Impuls, auszusteigen, wohingegen er zuvor immer abfahrbereit ist. Was natürlich auch zu ihrer abwehrenden Reaktion passt:
Sie hebt ihren Kopf aus dem Beifahrerfenster, lacht leicht, schüttelt den Kopf, dann bückt sie sich wieder. Der Regen so laut, dass sie beinahe schreien müssen. »Ich lass mich darauf nich’ ein«, sagt sie. »Ich bin durch damit«, sagt sie.
Er dreht seinen Kopf, blickt durch die Windschutzscheibe.
»Fahr nach Hause«, sagt sie. Hebt ihren Kopf. Bückt sich wieder, blickt durch das Fenster in den Wagen und hat Tränen in den Augen. »Bitte! Mach’s nicht noch schlimmer, als es ohnehin schon ist.«
Ich weiß, dass es nicht viele Möglichkeiten gibt, die Hände abzulegen, während man im Auto sitzt, aber diese Häufung der Beschreibung hat meine Aufmerksamkeit erregt. ;)

Die Stelle mit dem toten Fisch hat mich dann nochmal richtig gepackt. Ihre Fische waren ja schon am Anfang der Geschichte ein starkes verbindendes Element zwischen Tochter und Vater. Das scheint ein Thema zu sein, für das ihre Mutter und Andreas nicht besonders viel Verständnis aufbringen. Die Mutter sagt am Anfang ja auch nur lapidar "Es sind die Fische", worin für mich eine gewisse Abschätzigkeit zum Ausdruck kommt, als würde sie nicht verstehen, wie wichtig ihrer Tochter die Fische sind. Genauso wenig wie Lotte und Andreas ihre Gefühle verstehen, als ihr Lieblingsfisch gestorben ist. "Ich will ihn nicht im Klo runterspülen", das klingt für mich, als hätte es einer der beiden vorgeschlagen. Wieder diese Abschätzigkeit. Andreas spricht zwar großspurig davon, dass ihm Familie das wichtigste sei, aber dass die Fische für seine Stieftochter (erfährt man eigentlich irgendwo ihren Namen?) eben auch zur Familie gehören, begreift er nicht. Nur Toni ist einfühlsam genug, um ihren Wunsch nach einem würdigen Begräbnis zu verstehen, denn die Fische haben anscheinend schon immer ihre Beziehung geprägt. Und bei all den Wassermassen, die in der Geschichte vom Himmel fallen, die Ufer und Deiche überfluten und Keller ausspülen, umschließt das bedeutungsvollste Wasser einen toten Fisch in einem kleinen Plastikbeutel. Hammer!

Hoppla, doch gleich eine so lange Rezension! :D Spricht auf jeden Fall für deine Geschichte. Gerne weitere Texte in dieser Richtung! :)

LG
PtG

 

Hallo Zigga,

dann möchte ich mich als doch sonst so stiller Leser anhand deiner Geschichte an meiner ersten Rezension versuchen.

Insgesamt eine schöne Geschichte, macht Spaß zu lesen. Mir gefällt der Stil, die Bilder im Kopf malen sich wie von selbst in Grautönen. Super! :thumbsup:
Mir gefällt der Regen als Aufhänger ebenfalls gut, nur dass ich mich meinen "Vorrednern" bezüglich der Szene im Park anschließen muss. Ich für meinen Teil habe in meiner Jugend versucht trocken zu bleiben :D
Ich mag es wie du es schaffst die Stimmung einzufangen die zwischen den beiden herrscht, diese kühle Distanz.

die Winschutzscheibe und das Dach. Schwarze, tief hängende Wolken über dem Viertel.

noch ein kleiner Rechtschreibfehler in der WinDschutzscheibe :p

Das meiste wurde bereits gesagt. Noch eine Sache ist die Szene in der der Protagonist mit Andreas los zieht: Diese Jägergrüne Jacke:

Der andere Mann öffnet die Haustür. Jägergrüne Regenjacke, graue Stoffhose.
Andreas’ Rücken gerade, seine Schritte groß. Jägergrüne, lange Regenjacke.
Sitzt mit geradem Rücken da. Fleece-Pulli. Darüber die geöffnete, jägergrüne Jacke.
Die Hände vergraben in den jägergrünen Jackentaschen.

Ich habe beinahe darauf gewartet, dass es zum Ende der Geschichte noch etwas mit dieser jägergrünen Jacke auf sich hat. Vielleicht hast du aber auch einfach nur eine Affinität für Grün:

in Plastiksandalen, blauer Jogginghose, waldmeistergrünem, weitem Kapuzenpulli.
Hohe Bäume in saftigem Grün
Trägt grüne Regenjacke. Süßer Cola-Geruch in ihrem Atem.
Die dünnen Arme, die großen, blaugrünen Augen.

Getreu dem Motto: "Grün grün grün sind alle meine Farben". :shy: Einfach nur ein Gedanke der mir beim lesen kam, eventuell war dieser jedoch beabsichtigt. Mir wurde es zumindest irgendwann zu grün, das ist aber denke ich Geschmackssache.

Danke für diese Geschichte und liebe Grüße,
Karamba :)

 

Ich bin ja noch Neuling, gerade beim Wortkrieger gelandet. Ich fand schon allein den Titel interessant und die Geschichte selbst hat mich nicht mehr losgelassen. Sehr interessante Schreibform, wenn du die Farben beschreibst, statt der Gefühle und doch alles damit ausdrückst. Man kann die Figuren direkt vor sich sehen und sich in sie hinein versetzen. Ich fand die Geschichte genial!

 

Hallo @zigga ,

eine wunderbare, sehr atmosphärische Geschichte. Was die Ellipsen angeht, da bin ich bei Fliege, Chai und Novak, das war mir auch zuviel.
Aber es schafft eine Spannung, so als würde die Sprache zwischen den Zähnen hervorgepresst, Gefühle zurückgehalten. Am Ende realisiert Toni, dass er seine Frau wirklich verloren hat, da löst sich die Spannung etwas und es gibt mehr vollständige Sätze.

Übrigens, der tote Fisch: Ich habe das so verstanden dass es vorher um eine Vergewaltigung ging. Die beiden Männer sind losgezogen, um den Täter einzuschüchtern und Rache zu üben, wobei Andreas der Dominantere ist. Möglicherweise geht es sogar gleichzeitig um eine Machtdemonstration Toni gegenüber, das schwingt so mit, auch wenn sie da zusammenhalten.
Aber schließlich kommt Anna mit ihrem blauen Auge und dem toten Fisch zu ihrem Vater. Mein spontanes Gefühl war, dass der Fisch für das steht, was in ihr kaputt gegangen ist bei der Vergewaltigung. Und dass der Schmerz darüber besser bei ihrem Vater aufgehoben ist. Seine Reaktion hat mich echt gerührt, das ist eine tolle Szene. Dass Andreas ihn am Ende nicht aus den Augen lässt, hat für mich auch den Grund, dass Toni weiterhin für ihn gefährlich ist. Denn Lotte wirkt noch wehmütig und für Anna steht er klar an erster Stelle.
Es gibt so viele Aspekte deiner Geschichte, über die man nachdenken kann. Das ist wirklich sehr dicht und die Empfehlung absolut verdient.

Liebe Grüße von Chutney

 

Hallo @zigga,
Was mir sehr gut gefällt, ist die greifbare Atmosphäre. Auch wenn sich das Gefühl aufdrängt, dass es nicht nötig gewesen wäre, den Regen und die damit verbundene Stimmung so dick aufs Brot zu schmieren, so ist es andererseits sehr konsequent. Hier werden Abgründe dargestellt, die sich kaum unter der harten Schicht der Figuren verbergen. Da klingt nichts gestellt oder nach Klischee-Baukasten. Spannungsbogen ist da, aber irgendwie schwelt der tiefer sitzende Konflikt ungelöst weiter, was zwar etwas unbefriedigend für mich ist, aber auch die Wirklichkeit abbildet. Mir ist es zu schwammig, was der Tochter angetan wurde. Wenn ich da genauer informiert wäre, könnte ich die Reaktion der Väter besser einordnen. Ich vermute, dass es nicht zu einer Vergewaltigung kam. Dafür wäre die Reaktion zu harmlos. Der Stil korrespondiert generell ganz gut mit dem Inhalt, allerdings würde ich die Subjekte nicht so häufig reduzieren, dafür ab und zu auf die Inquit-Formel verzichten, da sie an einigen Stellen gehäuft auftritt.
Stolperstein:

Toni nickt. Greift die Schachtel Pall Mall von der Mittelkonsole, öffnet sie und hält sie dem anderen hin. »Zigarette?«, sagt er.
Der andere Mann dreht sich um, sieht einen Moment auf die Schachtel. »Wieso nicht«, sagt er.
Bitte Subjekt Ihrer Wahl einfügen! Gibt erst dem anderen Mann Feuer, dann sich selbst.
Hier habe ich den Verdacht, dass der Autor selbst über das ausgelassene Subjekt gestolpert ist, so wie ich beim Lesen. Der andere Mann nimmt ne Fluppe und gibt dem anderen Mann Feuer? Als Ellipse funktioniert es nicht, da der andere Mann zwischendurch im Fokus steht. Oder wird ein kurzer radikaler Perspektivwechsel dargestellt? Der andere Mann ist in diesem Moment Toni? Wenn ja, dann hat mich das an der Stelle überfordert.

Guter Text, zu Recht empfohlen.

Schönen Gruß
Kellerkind

 

@PleasureToGrill

Moin!

Der erste Text, den ich hier auf der Seite gelesen habe, und dann gleich solch ein gelungener!
Hey danke.

Der elliptische Schreibstil und die bedrückende Atmosphäre sind genau mein Fall. Ich verstehe, dass das nicht für jeden Leser was ist, aber mich sprichst du damit total an
Cool, das freut mich!

Erinnert mich unweigerlich an die "Sin City"-Verfilmung (da regnet es ja auch recht oft :D ).
Cool, ich hatte tatsächlich eine ähnliche Stimmung vor Augen :D

Ich kann ja mal auf ein paar Details eingehen, die mir so aufgefallen sind:
Super, danke dir

Hat das ne bestimmte Bedeutung in bestimmten Kreisen? Für die entsprechenden Buttons auf der Playstation wird es vermutlich nicht stehen... :D Ist nicht wichtig fürs Verständnis, ich wüsste es nur gerne.
Na ja, wenn sie für dich eine Bedeutung bekommen? Ich persönlich fand das ein Detail, das charakterisieren könnte, vielleicht auch etwas über Prots Vergangenheit kurz anschneidet, deswegen habe ich es gewählt

Zuhause klingelt das Telefon.
»Ich bin’s«, sagt Lotte.
Er fährt sich mit Daumen und Zeigefinger über die Unterlippe, sieht einen Moment auf die graue Tapete des Flurs. »Alles in Ordnung?«, fragt er.
»Ja«, sagt sie. Sie atmet tief ein und aus. Atmet so, wie sie atmet, wenn sie sich durch die Haare fährt. »Nein. Es ist ...«
Ein Moment Stille.

»Du stehst noch hier«, sagt sie. »Vor dem Haus.«
»Ja«, sagt er. Blickt einen Moment durch die Windschutzscheibe, dann wieder zu Lotte. Schweigen einen Augenblick.
»Alles in Ordnung?«, fragt sie.
Er fährt sich über die Nase, legt die Hand vom Lenkrad auf sein Bein. »Sag du’s mir«, sagt er. »Sag du mir, ob alles in Ordnung ist.«
Sie hebt ihren Kopf aus dem Beifahrerfenster, lacht leicht, schüttelt den Kopf, dann bückt sie sich wieder. Der Regen so laut, dass sie beinahe schreien müssen. »Ich lass mich darauf nich’ ein«, sagt sie. »Ich bin durch damit«, sagt sie.

Finde ich spannend, wie diese simple, aber doch so bedeutungsschwangere Frage hier nochmal aufgegriffen wird. Du bringst damit sehr greifbar die Stimmung zum Ausdruck, die zwischen den beiden vorherrscht. Dass man sich zwar irgendwie noch um den ehemaligen Partner sorgt, aber völlig ohne jede Nähe, die früher (wohl) einmal vorhanden gewesen ist. Ihre letzten beiden Sätze suggerieren für mich außerdem, dass es wohl noch einige Zeit nach der Trennung ein Hin und Her zwischen ihnen gab. Doch jetzt ist (von ihrer Seite?) alles vorbei und die Beziehung basiert nur noch auf der gemeinsamen Tochter. Sehr bitter, sehr treffend, sehr wahr.

Super!

Zu Andreas (dieses spezielle Gefühl, wenn ein Protagonist deinen Namen trägt! :D ) wollte ich noch sagen, dass er mir zuerst irgendwie als komplettes Gegenteil zu Toni erschien. Fleece-Pulli, kinderlos, geschieden, noch nie einen Tropfen Alkohol getrunken, geht zu Therapiesitzungen, macht Small Talk übers Wetter beim Einsteigen in den Wagen, greift nur zögerlich zur Zigarette (was mich in dem Moment übrigens überrascht hat - Alkohol nein, Tabak ja?) - bis dahin wirkte er auf mich (im Kontext der Geschichte) eher ein bisschen wie ein Lappen. Erst ab

Seine Hände dreckig, schwarz und in den Innenflächen leicht ölverschmiert.

hab ich dir den Vorarbeiter bei Bosch-Rexroth so richtig abgekauft. Da sind wir dann im Milieu angekommen und Andreas hat sich entsprechend verhalten.

Super. Na ja, Menschen sind vielschichtig, denke ich mir. Ich konnte jetzt nicht heraushören, ob dir das zu ambivalent vorkam, oder ob es die Figur für dich eher rund gemacht hat.

Wie sie die Jugendlichen aufmischen, hat mir auch gut gefallen. Keine langen Vorhaltungen, sondern direkt Gesicht voraus auf den Boden gepresst.
Merci. Was hätte es da groß zu bereden gegeben?

»So regeln wir das hier«, sagt Andreas.

Finde ich auch sehr authentisch, wie er das immer wieder und wieder wiederholt. Wie er sich selbst vergewissert, das richtige getan zu haben, und dem Kodex des Milieus entsprechend gehandelt zu haben. "Wir" auf der einen Seite ("hier), die "Nigger" auf der anderen Seite. Übrigens (aber das hatte glaube ich auch schon jemand vor mir kommentiert), finde ich den Ausdruck hier ebenfalls nicht so passend. Der Name Enis deutet an, dass es sich um einen türkisch- oder arabischstämmigen Jungen handelt, weswegen vielleicht "Kanacken" passender wäre. Oder sind in Andreas' kleiner Welt alle, die nicht von "hier" kommen, "Nigger"? Keine Ahnung, ist auch nicht so wichtig, ist mir nur aufgefallen.

Freut mich. Ja, ich hab folgendes AWM geschrieben:

AWM: Nigger finde ich irgendwie unpassend. Das Wort ist für mich sehr amerikanisch konnotiert und in Deutschland eher jugendlich. Neger oder sowas würde ich Andreas eher abnehmen.

zigga: Ja, das stimmt. Ich hatte echt viele Varianten für das Wort ausprobiert. Kanacke, Neger, Assis oder einfach "solche". Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass Andreas an dieser Stelle noch einmal ein wenig eine Grenze überschreiten muss, sprachlich so eine Nasenlänge drüber gehen muss, nach der Schlägerei, die man ja durchaus als Leser "moralisch" abkaufen und ihn auf die Seite der "Guten" stellen könnte (ich hoffe du weißt, wie ich meine); "Neger" sagen noch einige, wahrscheinlich in der Altersklasse wie Andreas nicht ganz so verbreitet, aber in dem Milieu durchaus noch gängig und gar nicht mal als Beleidigung gemeint. Das ging mir durch dem Kopf, als ich nicht Neger genommen habe. Weil ich mir dachte, das ist zu nett, das könnte man Andreas zu leicht durchgehen lassen; ich finde, in Nigger steckt auch so etwas menschenverachtendes, richtige Aggression. Das lässt man - meinem Gefühl nach - einer Figur nicht "durchgehen" (damit meine ich, dass man der Figur an/ab so einem Punkt evtl. als Leser bauchgefühlmäßig etwas misstraut?) Aber ich denke wirklich noch mal drüber nach. Gerade, falls ich an dem Dialog an sich noch etwas kürzen sollte, die Sätze davor, könnte das noch mal ganz anders wirken und ein anderes Wort würden nach meinem Gefühl die gleiche Wirkung entfalten, wie ich es hier mit Nigger versucht habe.

Aufgefallen ist mir außerdem, dass du immer sehr viel wert darauf legst, wo die Protagonisten, besonders Toni, ihre Hände haben. An mehreren Stellen beschreibst du, dass eine Hand auf dem Lenkrad und die andere auf dem Bein liegt, letztere hält irgendwann die Bierdose.
Stimmt, das ist mir gar nicht so aufgefallen beim Schreiben. Aber ich finde, Körpersprache, und gerade, was man mit den Händen tut, sagt sehr viel aus, was in einer Figur vorgeht, was sie denkt und empfindet und ihr vielleicht gar nicht selbst zu 100% bewusst ist. Ich denke, als Mensch/Leser hat man schon sehr feine Antennen, was Körpersprache angeht, und man bekommt bezüglich einer Figur ein gewisses Gefühl, kann sie vom Bauch her besser einschätzen. Damit kann man in Storys natürlich ein wenig spielen.

Ich weiß, dass es nicht viele Möglichkeiten gibt, die Hände abzulegen, während man im Auto sitzt, aber diese Häufung der Beschreibung hat meine Aufmerksamkeit erregt.
Hat es dich gestört oder mochtest du es? :D

Die Stelle mit dem toten Fisch hat mich dann nochmal richtig gepackt. Ihre Fische waren ja schon am Anfang der Geschichte ein starkes verbindendes Element zwischen Tochter und Vater. Das scheint ein Thema zu sein, für das ihre Mutter und Andreas nicht besonders viel Verständnis aufbringen. Die Mutter sagt am Anfang ja auch nur lapidar "Es sind die Fische", worin für mich eine gewisse Abschätzigkeit zum Ausdruck kommt, als würde sie nicht verstehen, wie wichtig ihrer Tochter die Fische sind. Genauso wenig wie Lotte und Andreas ihre Gefühle verstehen, als ihr Lieblingsfisch gestorben ist. "Ich will ihn nicht im Klo runterspülen", das klingt für mich, als hätte es einer der beiden vorgeschlagen. Wieder diese Abschätzigkeit. Andreas spricht zwar großspurig davon, dass ihm Familie das wichtigste sei, aber dass die Fische für seine Stieftochter (erfährt man eigentlich irgendwo ihren Namen?) eben auch zur Familie gehören, begreift er nicht. Nur Toni ist einfühlsam genug, um ihren Wunsch nach einem würdigen Begräbnis zu verstehen, denn die Fische haben anscheinend schon immer ihre Beziehung geprägt. Und bei all den Wassermassen, die in der Geschichte vom Himmel fallen, die Ufer und Deiche überfluten und Keller ausspülen, umschließt das bedeutungsvollste Wasser einen toten Fisch in einem kleinen Plastikbeutel. Hammer!
Hey, danke dir fürs Kompliment und freut mich natürlich, dass dich das gecatched hat. Deine Gedanken sind sehr interessant und es freut mich, dass du die (Back-)Story so gut vor Augen hattest, sehr ähnlich, wie ich sie mir gedacht habe (vieles wird natürlich nicht explizit gesagt und es bleibt dem Leser überlassen, wie er sich die Situation zusammendenkt; sehr interessant für mich zu sehen, wie du als Leser das empfunden und gedacht hast.)

Hoppla, doch gleich eine so lange Rezension!
Ist doch perfekt! :D

Spricht auf jeden Fall für deine Geschichte. Gerne weitere Texte in dieser Richtung! :)
Danke fürs Lesen und Kommentieren, PtG!


Hallo @karamba!

dann möchte ich mich als doch sonst so stiller Leser anhand deiner Geschichte an meiner ersten Rezension versuchen.
Danke dir fürs Lesen und Kommentieren!

Insgesamt eine schöne Geschichte, macht Spaß zu lesen. Mir gefällt der Stil, die Bilder im Kopf malen sich wie von selbst in Grautönen.
Vielen Dank und das freut mich

Mir gefällt der Regen als Aufhänger ebenfalls gut, nur dass ich mich meinen "Vorrednern" bezüglich der Szene im Park anschließen muss. Ich für meinen Teil habe in meiner Jugend versucht trocken zu bleiben
OK, ist angekommen

Das meiste wurde bereits gesagt. Noch eine Sache ist die Szene in der der Protagonist mit Andreas los zieht: Diese Jägergrüne Jacke:
Ich habe beinahe darauf gewartet, dass es zum Ende der Geschichte noch etwas mit dieser jägergrünen Jacke auf sich hat. Vielleicht hast du aber auch einfach nur eine Affinität für Grün:

Getreu dem Motto: "Grün grün grün sind alle meine Farben". :shy: Einfach nur ein Gedanke der mir beim lesen kam, eventuell war dieser jedoch beabsichtigt. Mir wurde es zumindest irgendwann zu grün, das ist aber denke ich Geschmackssache.
OK! Ja, vielleicht kille ich da noch ein paar Farben heraus, danke der Rückmeldung!

Danke für diese Geschichte und liebe Grüße,
Danke für den Kommentar und Gruß zurück

Hallo @Ninamy67

Ich bin ja noch Neuling, gerade beim Wortkrieger gelandet. Ich fand schon allein den Titel interessant und die Geschichte selbst hat mich nicht mehr losgelassen. Sehr interessante Schreibform, wenn du die Farben beschreibst, statt der Gefühle und doch alles damit ausdrückst. Man kann die Figuren direkt vor sich sehen und sich in sie hinein versetzen. Ich fand die Geschichte genial!
Vielen Dank! Freut mich, dass die Story dich gepackt hat und du alles gut vor dir gesehen hast. Danke fürs Lesen und deine Rückmeldung!


Liebe @Chutney,

vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren auch dir.

eine wunderbare, sehr atmosphärische Geschichte. Was die Ellipsen angeht, da bin ich bei Fliege, Chai und Novak, das war mir auch zuviel.
Danke & OK! Ich arbeite da gerade drüber

Aber es schafft eine Spannung, so als würde die Sprache zwischen den Zähnen hervorgepresst, Gefühle zurückgehalten.
Das ist eine interessante Assoziation.
Am Ende realisiert Toni, dass er seine Frau wirklich verloren hat, da löst sich die Spannung etwas und es gibt mehr vollständige Sätze.
Das stimmt allerdings. Ich dachte mir das beim Schreiben auch ,dass ich zum Ende hin ein wenig mehr ausschreiben müsste. Wahrscheinlich genau aus dem Grund, den du genannt hast, den ich aber beim Schreiben gar nicht auf dem Schirm hatte. Vielleicht so ein unbewusstes Ding. Danke für diese Rückmeldung

Übrigens, der tote Fisch: Ich habe das so verstanden dass es vorher um eine Vergewaltigung ging.
Das ist natürlich gut möglich. Der Text lässt das offen.

Möglicherweise geht es sogar gleichzeitig um eine Machtdemonstration Toni gegenüber, das schwingt so mit, auch wenn sie da zusammenhalten.
Toll, dass du das so gelesen hast. Ich hatte es auch ein wenig in die Richtung gesehen

Aber schließlich kommt Anna mit ihrem blauen Auge und dem toten Fisch zu ihrem Vater. Mein spontanes Gefühl war, dass der Fisch für das steht, was in ihr kaputt gegangen ist bei der Vergewaltigung. Und dass der Schmerz darüber besser bei ihrem Vater aufgehoben ist.
Das ist eine tolle Interpretation, Chutney

Seine Reaktion hat mich echt gerührt, das ist eine tolle Szene. Dass Andreas ihn am Ende nicht aus den Augen lässt, hat für mich auch den Grund, dass Toni weiterhin für ihn gefährlich ist. Denn Lotte wirkt noch wehmütig und für Anna steht er klar an erster Stelle.
Super!

Es gibt so viele Aspekte deiner Geschichte, über die man nachdenken kann. Das ist wirklich sehr dicht und die Empfehlung absolut verdient.
Hey, vielen Dank! :)

Hallo @Kellerkind!

Was mir sehr gut gefällt, ist die greifbare Atmosphäre.
Cool!

Auch wenn sich das Gefühl aufdrängt, dass es nicht nötig gewesen wäre, den Regen und die damit verbundene Stimmung so dick aufs Brot zu schmieren, so ist es andererseits sehr konsequent.
:D Ja, es ist schon sehr dick. Ich weiß gerade auch noch nicht, ob ich ein wenig reduziere oder ob ich gerade dieses ein wenig zu viel des Regens eigentlich passend finde.

Hier werden Abgründe dargestellt, die sich kaum unter der harten Schicht der Figuren verbergen. Da klingt nichts gestellt oder nach Klischee-Baukasten. Spannungsbogen ist da, aber irgendwie schwelt der tiefer sitzende Konflikt ungelöst weiter, was zwar etwas unbefriedigend für mich ist, aber auch die Wirklichkeit abbildet.
Vielen Dank, das ist ein großes Kompliment

Mir ist es zu schwammig, was der Tochter angetan wurde. Wenn ich da genauer informiert wäre, könnte ich die Reaktion der Väter besser einordnen.
OK. Ist verbucht und ich werde mal überlegen, ob und wie ich das umsetze in einer Überarbeitung

Ich vermute, dass es nicht zu einer Vergewaltigung kam. Dafür wäre die Reaktion zu harmlos.
Ich denke, auf der einen Seite ist es irgendwie schon klar oder könnte es relativ klar sein, was der Tochter passiert ist. Du sagst es hier, und so sehe ich es auch ein wenig: Bei gewaltbereiten Männern wie Andreas und Toni, wäre - nach meinem Bauchgefühl - die Reaktion auf eine Vergewaltigung unter Umständen doch eine andere. Aber ich mag auch den Interpretationsfreiraum, der an dieser Stelle ist, ich weiß nicht, ob ich damit Lesern eher auf den Sack gehe, weil sie sich ein wenig betrogen udn Information vorenthalten fühlen, aber ich fände es irgendwie fehl am Platz oder störend und auch ein wenig langweilig, wenn ich hier klar sagen würde: Das und das ist passiert. Hmm ich denke mal drüber nach

Der Stil korrespondiert generell ganz gut mit dem Inhalt, allerdings würde ich die Subjekte nicht so häufig reduzieren, dafür ab und zu auf die Inquit-Formel verzichten, da sie an einigen Stellen gehäuft auftritt.
OK! Ich arbeite dran und melde mich noch mal :)

Bitte Subjekt Ihrer Wahl einfügen!
Haha :D
Hier habe ich den Verdacht, dass der Autor selbst über das ausgelassene Subjekt gestolpert ist, so wie ich beim Lesen. Der andere Mann nimmt ne Fluppe und gibt dem anderen Mann Feuer? Als Ellipse funktioniert es nicht, da der andere Mann zwischendurch im Fokus steht. Oder wird ein kurzer radikaler Perspektivwechsel dargestellt? Der andere Mann ist in diesem Moment Toni? Wenn ja, dann hat mich das an der Stelle überfordert.
Ja, also ich kann's nachvollziehen, dass es ein wenig verwirrend und nicht ganz leserfreundlich ist an dieser Stelle. Für mich - und da dachte ich gar nicht dran, dass man es u.U. auch anders lesen könnte - war für mich Andreas immer im Text "der andere Mann", weil die Perspektive für mich eine auktorial-personelle war, also, schon ein wenig allwissend, aber eigentlich fest an Toni geheftet. Vielleicht ist das sogar ein kompletter personeller Erzähler. Und aus dieser Sicht kann ein "anderer" Mann - so dachte ich zumindest - nur ein "anderer als Toni" sein. Aber es stimmt, es ist ein wenig schwammig, danke fürs Aufzeigen, ich werde drüber arbeiten

Guter Text, zu Recht empfohlen.
Danke und Grüße gehen raus in den Keller! Natürlich auch Danke fürs Lesen, Gedankenmachen und Kommentieren, es hat mich gefreut.


Gutes Wochenende euch
zigga

 

Handwerklich auf jeden Fall obere Skala. Sprache: siehe Fliege. So viele Subjektellipsen verderben den Brei. Fast würde ich soweit gehen und sagen, dass vor jeder zweiter oder dritten Ellipse, je nach Satzmelodie, ein Komma gehört.

Kräftige Unterarme. ∆, □ und ○ auf die Fingerrücken seiner rechten Hand tätowiert.
Da hat aber einer in der Unicode-Kiste gekramt. ;) Meinen Lesefluss hat es gestört.

»Und der Rote mit den langen Flossen ein Skalar«, sagt sie, blickt zu ihm und lächelt.
Da könnte sie doch prima sagen, dass der Fisch Rusty heißt, denn weiter unten passt es weniger gut, siehe dort in meinem Kommentar.

Er sei Vorarbeiter bei Bosch-Rexroth. Er sei geschieden, kinderlos, und hätte ein Haus. Anna war damals zwölf.
Ich muss mich wirklich etwas wundern über die weiter oben vorgebrachte Meinung, hieraus könnte man lesen, dass Andreas evtl. auch an der Tochter interessiert wäre. Wie dem auch sei, bei mir kam es richtig als Kontext an, nur so zur Kenntnis.
(Diese hysterische Gesellschaft, und da wundern die sich, dass Männer kein Interesse mehr haben, sobald sie wissen, dass ihre Angebetete schon begört ist. Boah, über dieses Vorurteil könnt ich mich gerade prima aufregen, aber ... kein Bock.)

»Bist du Enis?«, sagt Toni lautstark im Schritt;
Mag die Formulierung nicht. Eine Frage muss man fragen, »sagen« ist für mich definitiv Umgangssprache, die nur in Dialogen wirkt. Und dieses »im Schritt« ... da juckts allenfalls mal. Würde ich umformulieren zu: »Bist du Enis?«, fragt Toni und schreitet forsch zu ihnen hin.

»Komm rein«, sagt er, »es regnet.«
Du kredenzt uns hier gerade die Sonnenscheingeschichte schlechthin, in der die Menschen schon beinahe vergessen haben, was Regen ist, und dann das! Denkst du nicht einmal an mein eh schon labiles Weltbild? :D
Aber Spaß beiseite – dieses »es regnet« kommt rüber als wär es neue Information, sprich ein Rhema. Es müsste aber Thema sein, was hier aber nur funktioniert, wenn die Tochter sagt: "Der Regen macht mir nix aus.« o.ä. Alternativ könnte ich mir auch eine Umschreibung vorstellen, »es schüttet wie aus Kübeln«, oder ironisch »sonst holst du dir noch n Stich«.
»Eine meiner Fische ist gestorben«, sagt sie und sieht ihn an. »Ich hab ihn Rusty genannt.«
Taufe posthum? Dieses Perfekt im Nachsatz passt nicht so wirklich, Umgangssprache hin oder her. Warum nicht einfach »Rusty.«
Exkrement des Fehlerteufels: Einer meiner Fische.
»Okay«, sagt sie. Fährt sich über die Augen. Sieht ihn an, schnieft. Reicht ihm den Vakuumbeutel. »Du kümmerst dich um ihn, versprochen?«
Schnieft ja schon wieder. Wie alt ist die? Um einen Fisch weinen Kinder, Pubertierende vielleicht auch, aber vor ihrem Vater?
Auch das es ein Vakuumbeutel ist, reibst du dem Leser öfters unter die Nase. Ist doch aber keiner. (Gibt ja so luftdichte Beutel zum Verstauen von Kleidung, die man dann mit dem Staubsauger vakuumiert ... aber hey, komm mir nicht mit Küchendingen, weiß gerade wie man ne Mikrowelle anmacht.) Sollte Beutel nicht reichen?
Und dann, als er wieder hoch zum Haus blickte, sah er es. Er sah, wie der andere Mann an einem der beleuchteten Fenster des Hauses stand, im weißen T-Shirt, zu ihm hinausblickte und an einem orangenen Wassereis leckte. Daneben, im Fenster der Küche, sah er seine Tochter und seine Frau; wie sie nah beieinander standen, Worte zueinander sagten und sich umarmten; wie seine Tochter ihren Kopf in die Brust seiner Frau vergrub. Und im Nebenzimmer wieder der Kopf des anderen Mannes: Wie er hinter der Fensterscheibe stand, im Warmen, und mit seinen Lippen das Stieleis umschloss. Wie er sich das Eis rein und raus in den Mund schob, daran leckte. Wie er mit geöffnetem Mund seine Zungenspitze über die Ränder des Eises führte. Und ihn, der draußen im Wagen saß, dabei nicht aus den Augen ließ.
Muss der Wechsel ins Präteritum sein? Weiß nicht.
Und eine Machtdemonstration unter Männern sieht für mich anders aus. Warum küsst der andere nicht einfach »seine« Frau, son richtiger genüsslicher Zungenkuss, wo die Tochter peinlich berührt die Augen verdreht? Oder ist dir das zu provokant? Stileis schlecken ist doch eher so eine Unterwürfigkeitsgeste, Metapher für unerfülltes Begehren? Gut, nicht jeder Film ist Clockwork Orange, aber ... :D

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi @zigga

ein zum Einstieg komplexer, nach dem Einlesen fesselnder Text, den du gezaubert hast. Sitze gerade im Zug und durfte mich an deinem Schreibstil erfreuen. Hammer Ding.

Einige Kommentare habe ich überflogen und finde gar nicht mehr so viel hinzuzufügen.

Kleine Anmerkungen zum Feinschliff:

»Ja«, sagt er und sieht sie an. »Ich dich auch. Ich liebe dich auch.« Er sagt: »Es gibt niemanden, den ich mehr liebe wie ich dich liebe.«

Vielleicht das zweite "Er sagt:" doch raus. Habe hin und her überlegt, ja ist dein Stil, gehe ich mit, aber ich musste zum Beispiel hier nochmal an den Anfang des Satzes zurück, um nochmal klar zu werden wer gesprochen hatte, stört den Lesefluss und verwirrt.

Das kommt noch mal in deinem Text vor, in ähnlicher Form (wie gesgat bin im Zug und schreibe am Handy xD finde die Stelle nicht)


Jägergrüne Jacke [...] Jägergrüne Jacke [...] frostschutzblaue Augen [...] frostschutzblaue Augen [...]

Auch hier bin ich hin und her gerissen, einerseits passt die Adjektivschlacht in deine Atmosphäre, aber - vllt subjektiv- es wirkt bei der einen oder anderen Wiederholung zu viel.
(Und bin auch kein Fan von zuviel Smaragdgrüne Augen, bernsteinfarbene Haut, honiggoldenes Haar etc.)

Der Dauerregen hat mich persönlich nicht gestört

Und der kurze Rückblick, den du eingeschoben hast.
Jaaa, ich konnte die Ereignisse zeitlich so besser einordnen, dass die Lotte jetzt einen anderen hat war mir in der ersten Szene klar.... wo sie ihn kennengelernt hat... Ist mir eigentlich Latte :) Mit bisschen weniger Info wärst du hier auch gut durch gekommen.. Ich kann es aber gar nicht wirklich kritisieren, weil stimmungstechnisch hast du es gut ineinander gewoben.

Muss jetzt gleich aussteigen, 6:41, kein Regen, stattdessen schon die feuchte Wärme, wie ein Film auf der Haut, kein Fisch in einem Beutel neben mir, ich blicke aus dem Fenster, "Endstation" , sagt der Lokführer. Ich steige aus und beende mein Kommentar :D

Viele Grüße
Napier

 

»Ist das ein Regen, Papa«, sagt sie.

Ich noch ma‘, wenn ich darf, und mir is‘ grad nach anderm Wetter – muss ja nich‘ gleich die Kanalisation überfordern,

bester zigga hierorts,

nix aufregendes, aber das Pronomen-Festival

Zieht sich eine Pall Mall aus der Brusttasche seines Hemdes. Legt seinen Kopf einen Moment in seine Hände. Seine Statur über eins neunzig. Hundertzwanzig Kilo. Kräftige Unterarme. ∆, □ und ○ auf die Fingerrücken seiner rechten Hand tätowiert.
beschäftigt mich dann doch noch.
Ginge mir selbstverständlich durch, wenn nicht zigga, sondern jemand aus dem Personal hier beschriebe (wobei ich sogar Lotte ausnehme, wird sich gleich zeigen), wobei das Reflexivpronomen öfters Urständ‘ feiert, wo‘s an sich gar nicht gebraucht wird, wenn jemand eigenhändig durch sein eigenes Haar (z. B.) fährt. Selbstverständlich müsste ein Possissivpronomen her, wenn er den Kopf in eines andern Hand legte oder umgekehrt … usw. usf.
Dass es gelegentlich notwendig ist, wie hier
Zieht sich die Regenjacke über, Kapuze.
ist selbst-verständlich.

Ähnlich geht‘s mir hier mit der indirekten Rede, die ja zigga niederschreibt

Er hörte, dass sie getrunken hatte. Sie brauchte nur »Hallo« zu sagen und er wusste, wenn sie getrunken hatte. Sie sagte, sie sage es ihm am Telefon, weil sie nicht wüsste, ob sie es anders könne; ob sie es ihm dann wirklich sagen würde. Ob ihr dann nicht die Kraft dafür fehlen würde. Sie sagte, sie wüsste nicht, was sie empfinden würde, wenn sie ihn vor sich sähe. Dass sie glaube, es nicht zu schaffen, wenn sie jetzt keinen Schlussstrich ziehen würde.
Wobei der Konjunktiv II (vor allem wüsste [besser: wisse]und würde [werden + Infinitiv, das Zukünftiges ausspricht und das ist unsicher genug, ob es so oder anders oder überhaupt kommen wird] und sähe ) eher eine Nummer zu weit gegriffen wirkt – quasi schon wie eine Interpretation des Telefonates mit eingebautem Zweifel.

Im darauffolgenden Block, selbst wenn es am Anfang anders aussieht (sie sagt nicht einfach schlicht, sondern meint und das der Tropfen Alkohol wie das Haus zunächst mal eine unbewiesene Behauptung ist. In der direkten Rede

»Ich kann’s dir nicht am Telefon sagen«, sagt sie. ...
zeigt sich ja, dass Lotte nicht unbedingt Dialekt oder Soziolekt spricht, schon gar keinen Slang - um auch das gedoppelte „sagen“ zu reduzieren – von den unzähligen Synonymen (Duden.de, Stichwort „sagen“) eignet sich „bemerken“ ganz gut ... bild ich mir zumindest ein.

»Und wer sich mit meiner Familie anlegt –[...]«
»Eine[r] meiner Fische ist gestorben«, sagt sie und sieht ihn an. »Ich hab ihn Rusty genannt.«

Er sagt: »Es gibt niemanden, den ich mehr liebe wie ich dich liebe.«
Hm, da meine ich, müsste vor‘s „wie“ ein Komma gesetzt werden. Nicht, stünde dort allein „ den ich mehr liebe wie (i. S. von „als“) dich." Selbst wenn das Prädikat nach dem Satzobjekt auftaucht – es ist ein vollständiger Satz, der durch die vergleichende Konjunktion („als“ steht an sich für den Unterschied, „wie“ eher für Gleichheit - er ist größer als ich, der da ist so groß wie ich)

Wie dem auch wird, immer noch gern gelesen vom

Friedel

 

Hallo @Napier,

vielen Dank für deinen Kommentar und das Lesen meiner Geschichte.

ein zum Einstieg komplexer, nach dem Einlesen fesselnder Text, den du gezaubert hast. Sitze gerade im Zug und durfte mich an deinem Schreibstil erfreuen. Hammer Ding.
Danke!

Einige Kommentare habe ich überflogen und finde gar nicht mehr so viel hinzuzufügen.
ok

Vielleicht das zweite "Er sagt:" doch raus. Habe hin und her überlegt, ja ist dein Stil, gehe ich mit, aber ich musste zum Beispiel hier nochmal an den Anfang des Satzes zurück, um nochmal klar zu werden wer gesprochen hatte, stört den Lesefluss und verwirrt.
Ja okay ... ich hab das bei einem großen Ami aufgeschnappt und fand es ziemlich cool, auch für den Fluss, wie man sich das Gespräch der beiden Figuren vorstellt. Aber ist vermerkt, ich denke mal drüber nach

Auch hier bin ich hin und her gerissen, einerseits passt die Adjektivschlacht in deine Atmosphäre, aber - vllt subjektiv- es wirkt bei der einen oder anderen Wiederholung zu viel.
(Und bin auch kein Fan von zuviel Smaragdgrüne Augen, bernsteinfarbene Haut, honiggoldenes Haar etc.)
Ja, das haben einige angemerkt :D Ich bin da mal am Kürzen, ich bin am hin und her Überlegen, obich das gut finde oder nicht ... muss wohl noch etwas Gras über den Text wachsen lassen, bis ich etwas Abstand bekomme, schätze ich

Der Dauerregen hat mich persönlich nicht gestört
Super

Und der kurze Rückblick, den du eingeschoben hast.
Jaaa, ich konnte die Ereignisse zeitlich so besser einordnen, dass die Lotte jetzt einen anderen hat war mir in der ersten Szene klar.... wo sie ihn kennengelernt hat... Ist mir eigentlich Latte :) Mit bisschen weniger Info wärst du hier auch gut durch gekommen.. Ich kann es aber gar nicht wirklich kritisieren, weil stimmungstechnisch hast du es gut ineinander gewoben.
Ok!

Ich steige aus und beende mein Kommentar :D
Danke fürs Vorbeischauen!


Hallo @Friedrichard,

verzeih die extrem späte Antwort auf deine erneute Rückmeldung.

Ich noch ma‘, wenn ich darf, und mir is‘ grad nach anderm Wetter – muss ja nich‘ gleich die Kanalisation überfordern,
:D

nix aufregendes, aber das Pronomen-Festival

Zieht sich eine Pall Mall aus der Brusttasche seines Hemdes. Legt seinen Kopf einen Moment in seine Hände. Seine Statur über eins neunzig. Hundertzwanzig Kilo. Kräftige Unterarme. ∆, □ und ○ auf die Fingerrücken seiner rechten Hand tätowiert.

beschäftigt mich dann doch noch.
Ginge mir selbstverständlich durch, wenn nicht zigga, sondern jemand aus dem Personal hier beschriebe (wobei ich sogar Lotte ausnehme, wird sich gleich zeigen), wobei das Reflexivpronomen öfters Urständ‘ feiert, wo‘s an sich gar nicht gebraucht wird, wenn jemand eigenhändig durch sein eigenes Haar (z. B.) fährt. Selbstverständlich müsste ein Possissivpronomen her, wenn er den Kopf in eines andern Hand legte oder umgekehrt … usw. usf.


Ja, ich glaube, das ist noch so eine sprachliche Schwäche von mir ... gut, dass du das noch mal anmerkst. Ich kann mich erinnern, dass @ernst offshore das auch schon mal unter einer Story von mir kritisiert hat, ich kann es gut verstehen ... ich werde mal drüberarbeiten und sehen, ob ich das hinbekomme. Irgendwie fällt es mir nie auf, aber die ständige Wiederholung ist echt nicht so sexy as it could be

Ähnlich geht‘s mir hier mit der indirekten Rede, die ja zigga niederschreibt

Er hörte, dass sie getrunken hatte. Sie brauchte nur »Hallo« zu sagen und er wusste, wenn sie getrunken hatte. Sie sagte, sie sage es ihm am Telefon, weil sie nicht wüsste, ob sie es anders könne; ob sie es ihm dann wirklich sagen würde. Ob ihr dann nicht die Kraft dafür fehlen würde. Sie sagte, sie wüsste nicht, was sie empfinden würde, wenn sie ihn vor sich sähe. Dass sie glaube, es nicht zu schaffen, wenn sie jetzt keinen Schlussstrich ziehen würde.

Wobei der Konjunktiv II (vor allem wüsste [besser: wisse]und würde [werden + Infinitiv, das Zukünftiges ausspricht und das ist unsicher genug, ob es so oder anders oder überhaupt kommen wird] und sähe ) eher eine Nummer zu weit gegriffen wirkt – quasi schon wie eine Interpretation des Telefonates mit eingebautem Zweifel.

Das stimmt, der Konjunktiv II lässt den Zweifel mit einfließen ... schwierig. Für mich war das ein sehr personeller Erzähler, personell-auktorial vielleicht?, aber ich bin in diesen Perspektivenfragen eher ungebildet. Deine Vorschläge klingen interessant und besser würde ich fast sagen, ich notiere es mal und überlege es mir - jedenfalls danke für die Anmerkung, sehr interessant!

zeigt sich ja, dass Lotte nicht unbedingt Dialekt oder Soziolekt spricht, schon gar keinen Slang - um auch das gedoppelte „sagen“ zu reduzieren – von den unzähligen Synonymen (Duden.de, Stichwort „sagen“) eignet sich „bemerken“ ganz gut ... bild ich mir zumindest ein.
Das werde ich tun!

»Eine[r] meiner Fische ist gestorben«, sagt sie und sieht ihn an. »Ich hab ihn Rusty genannt.«
Ich weiß, steinigt mich, aber ich finde das falsche "Eine" an der Stelle irgendwie gut ... haben schon ein paar angemerkt, aber immer wenn ich das in der Textdatei geändert habe und Einer meiner Fisch draus gemacht habe, klang das furchtbar gekünstelt für mich und so, als ob Anna gar nicht mehr sprechen würde ... ich glaube einfach, dass jemand aus dem Milieu Eine meiner Fische sagen würde, ist nur ein starkes Gefühl meinerseits ...


Er sagt: »Es gibt niemanden, den ich mehr liebe wie ich dich liebe.«

Hm, da meine ich, müsste vor‘s „wie“ ein Komma gesetzt werden.
Super, bessere ich aus!

Selbst wenn das Prädikat nach dem Satzobjekt auftaucht – es ist ein vollständiger Satz, der durch die vergleichende Konjunktion („als“ steht an sich für den Unterschied, „wie“ eher für Gleichheit - er ist größer als ich, der da ist so groß wie ich)
Ich weiß, der Unterschied zwischen wie und als ... das wurde bei mir früher immer als Lackmustest verwendet, ob jemand aus der Unterschicht kommt oder nicht, und die schlauen Leute haben dann immer angemerkt: Nein, "wie" ist für Gleichheit etc. :D Also gar nicht böse gemeint jetzt, Friedel. Ich meine nur - und das hast du schon richtig angemerkt -, dass das durchaus nicht 100% grammatikalisch richtig ist, was Toni hier sagt, aber ich denke, dass jemand aus dem Milieu erstens vielleicht gar nicht weiß, dass es den Unterschied gibt und was richtig und falsch ist in dem Bezug, und zweitens, wäre es ihm wahrscheinlich egal und fände dieses "als" gramm. richtig zu verwenden Klugscheißerei. Deswegen glaube ich, dass ich's drin lasse :D Aber danke für die Anmerkung!

Danke für deine erneute Rückmeldung und deinen scharfen Blick, Friedel! Dieser Feinschliff bringt mir immer sehr viel. Mit den Reflexivpronomen muss ich echt mal schauen ... das mache ich öfter, unbewusst, und dann ärgere ich mich im Nachhinein darüber, dass es mir schon wieder passiert ist, weil es jemand anmerkt und das echt viele Wiederholungen sind. Ich muss mal schauen!


Beste Grüße
zigga

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallöchen nochmal @zigga
da ich die Diskussion unter Deiner Geschichte verfolge, habe ich Lust bekommen, mich zu einer sprachlichen Frage zu äußern. Vor allem, da das Thema bereits mehrmals zur Sprache kam.
Zum Ersten:

Ich glaube einfach, dass jemand aus dem Milieu Eine meiner Fische sagen würde, ist nur ein starkes Gefühl meiners
Das verwundert mich sehr, da ich nicht davon ausgegangen war, dass die Geschichte im Milljöh geistig behinderter Menschen handelt. ;)
Du hast natürlich Recht; die Figuren dieser Geschichte sind keine verkopften Bildungsbürger und sprechen eher, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Aber das Genus eines Allerweltswortes, wie Der Fisch, würde höchstens ein Ausländer oder ein Betrunkener verwechseln. Hier böte sich an, mundartliches Verschleifen der Grammatik, je nach Kulturkreis, einzusetzen. [Berlin: "Eena von de Fische"]
Das Problem mit der zu gewählt klingenden Formulierung hängt eher an der Verwendung des Genitivs, die das gemeine Volk, jenseits der Deutschlehrer, gerne umgeht. Einer meiner Fische. Da könnte man Abhilfe schaffen, wenn man es reduzierte auf: Ein Fisch oder mein Fisch oder (Emo-Keule) mein allerliebster Lieblingsfisch.

Und dann: Deine Entscheidung, innerhalb der wörtlichen Rede "wie" statt "als" zu verwenden, sehe ich zwar als unproblematisch, doch möchte ich dazu anmerken, dass ich es nicht als grundsätzlich geeignetes Stilmittel empfinde, um die Zugehörigkeit zu einer sozialen Schicht zu kennzeichnen.
Im süddeutschen Sprachraum ist die falsche Verwendung des "wie" durchaus üblich. Und so manchem bayrischem Professor würden wohl die Augenbrauen bis zum Haaransatz hüpfen, würde er von Dir als Unterschichten-Proll charakterisiert.

Weiterhin viel Freude am Schreiben!
wünscht
Kellerkind

 

Hallo @zigga,

da stimme ich @Kellerkind zu. Ich hätte das "Eine" immer für einen Flüchtigkeitsfehler des Autors gehalten. Und ich vermute auch, dass das, was du vielleicht als zu korrekt empfindest, der Genitiv ist.
Spontan könnte ich mir vorstellen: "Einer von meinen Fischen ist gestorben." oder "Einer von den Fischen ist ..."

Liebe Grüße von Chutney

 

Klar, Ihr Lieben,

auch im Pott sind aufwendigere Konstrutionen mit "von" ein beliebtes Mittel, zum Tode des Genitivs beizutragen. Aber hier droht dem Dativ schon der Garaus, wenn es reimt, "mir und mich verwechsel ich nicht, dat kommt bei mich nich' vor, ich habn kleinen Mann im Ohr, der sacht mich alles vor." Was brauchen wir vier Fälle, wenn's zwo auch tun ...

Schönen Restsonntag wünscht der

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Zigga, ich weiß nicht, ob Du zu dem Text noch was hören magst, hast ja inzwischen so viele Anmerkungen dazu bekommen. Ich würde mich aber gern für Deine hilfreichen Hinweise zu meinen letzten Geschichten bedanken und schreib einfach mal, was mir beim Lesen durch den Kopf gegangen ist.

Ich hatte die Geschichte schon vor einiger Zeit gelesen und für mich als Sozialdrama vermerkt, ein Bereich, der nicht so ganz meine Strecke ist, weil ich mich dabei häufig in durcheinanderwirbelnden philosophischen und gesellschaftstheoretischen Implikationen verheddere. Auch in der Geschichte geht es mir ein bisschen so.

Die Geschichte will nicht direkt bewerten, wie die Handlungen der Figuren zu beurteilen sind. Das führt dazu, dass sich Anhänger sehr gegensätzlicher Weltanschauungen in dem Ablauf der Ereignisse bestätigt fühlen können. Ein Rassist freut sich, dass die »Nigger«, die das weiße Mädchen belästigt haben, auf die Fresse kriegen. Ein Liberaler sieht hier hingegen vielleicht den Beleg für die gesellschaftlich bedingte Macht- und Hilflosigkeit der Unterschicht, für die Unfähigkeit, Probleme auf angemessene, zivilisierte Art und Weise zu lösen. Das ist natürlich ein Kreuz, das alle offenen Geschichten mehr oder weniger zu tragen haben. Ist auch nicht schlimm.

Aber ich frage mich, ob die Problematik der Selbstjustiz nicht allein bereits ausreichen würde, um ein spannendes Drama zu entwickeln. Braucht es noch diesen Rassismusaspekt? Oder verschleiert der Rassismusaspekt nicht eher die interessanten Details des Selbstjustiz-Diskurses.

Ein Freund und Kollege von mir, mit dem ich Kurse in Selbstverteidigung gebe, hat Seminare mit Fallbeispielen und Diskussionen zu dem Thema durchgeführt und war erstaunt, wie viele Menschen Akte der Selbstjustiz zum Beispiel in Fällen von Kindesmissbrauch, aber auch bei Vergewaltigung gutheißen. Das ist also ein brandheißes Thema und ich kann mir vorstellen, dass die Vermischung mit der Rassismusdimension in Deiner Geschichte über Fragen hinweg geht, die sich sonst vielleicht wie von selbst stellen würden.

Unter welchen Bedingungen wären wir bereit, Recht und Gesetz in eigene Hand zu nehmen? Dass Andreas ein Rassist ist bzw. so wie einer spricht, lässt die gesamte Aktion – zumindest für aufgeklärte Leser – verwerflich erscheinen. Doch was wäre, wenn er als normaler Mann mit normalen Ansichten gezeigt würde? Wie würden wir dann beurteilen, dass er z.B.. als Rache für die Vergewaltigung seiner Stieftochter einen Teenager verprügelt? Ich könnte mir vorstellen, dass das weitaus mehr Ambivalenz schafft.

So wie es jetzt ist, werden sich die meisten Leser hier im Forum kaum fragen, ob sie so handeln würden wie dieser Typ. Aber bei der von mir beschriebenen Konstellation … wer weiß?

Dann ein paar Worte zum gewählten Stil und den Ausdrucksformen. Ich versuche bei meinen Geschichten eigentlich immer einen Schreibstil zu entwickeln, den ich auch für das Verfassen eines Romans verwenden könnte, vielleicht weil ich unbewusst für so ein Projekt trainiere. Im Fall Deiner Geschichte mit dieser speziellen Reduktionstechnik könnte ich mir kaum vorstellen, eine wirklich lange Geschichte so zu lesen. Ich finde das Suchen nach neuen Ausdrucksformen toll, aber hier sehe die Grenzen, was diese Technik leisten kann.

Nun ist eine Kurzgeschichte kein Roman, aber selbst in dieser kurzen Erzählung fällt das betonte Weglassen von eigentlich elementaren Satzbausteinen schon auf. Ich will das nicht bewerten, es scheint mir aber ein Grenzgang zu sein.

Ein Resultat dieser Technik ist nämlich, dass viele Momente des Textes recht symbolisch auf mich wirken. Die Reduktion quetscht eine Szene sprachlich bis auf ihre Essenz zusammen und deshalb wirkt sie dann in ihrer von allen Nebensächlichkeiten gereinigten Form wie der Ausdruck eines dahinter liegenden Wesensgehaltes. Beispiele dafür sind der titelgebende Fisch-Dialog, die Szene mit den Kids, die tote Fisch Szene und die Leck-Eis-Szene. Dass mir das als Leser so eingehämmert wird, scheint mich permanent auf eine tiefere Bedeutung hinzuweisen.

Überspitzt könnte man sagen, beinahe jede Szene wirkt wie eine Abschlussszene, in der dem Leser (oder wahlweise Filmzuschauer) noch einmal die gesamte Wucht und Tragweite des Vorangegangen vor Augen geführt wird.

Dieser Effekt wird dann auch durch Vergleiche gesteigert, die mich nicht immer überzeugen. Beispielsweise: Der mit dem gekämmten Haar auf der Parkbank – sein Blick auf ihm und Andreas. Sein Blick, als ob er auf etwas Großes sehen würde: einen Felsen, eine Raubkatze, eine Lawine oder Berg.

Schwierig. Ich finde auch, es gibt zu viele Vergleiche/ Metaphern insgesamt in dem kurzen Text. Du verwendest darüber hinaus einigen Raum für das Beschreiben von Schuhen, Hosen, Jacken usw. Da ist mir nicht ganz klar, warum ich diese Details kennen muss. Rein sprachlich finde ich, dass das »jägergrün« zu oft auftaucht und »pusten« ist ein Wort für Kindergeschichten.

Was den Titel betrifft: Ich habe das ein paar Mal gelesen und verstehe diesen Dialog-Teil nicht.

»Ich wollte nicht stören«, sagt Toni. »Sie wollte mir nur noch was zeigen«, sagt er. … »Ist okay«, sagt Lotte. Setzt sich jetzt komplett auf, stellt die Füße auf den Boden und fährt sich durch das dunkle, lange Haar. Noch in der Decke gehüllt. »Es sind die Fische«, sagt sie.

Redet man so? Sie wollte mir nur noch was zeigen – Es sind die Fische. Kommt mir merkwürdig vor. Würde sie nicht sagen: Ja, sie will dir die Fische zeigen. Oder einfach: Ja, die Fische. Die von Dir gewählte Form klingt merkwürdig formal in meinen Ohren.

Das ist es, was ich mit symbolhaft meine. Es sind die Fische. Ta da. Abblende … Wobei ich nicht einmal genau durchschaue, was die Fische in dem Kontext bedeuten könnten.

Zum Schluss möchte ich aber noch dem Eindruck entgegen wirken, mir hätte Deine Geschichte nicht gefallen. Es tut so gut, etwas zu lesen, wo so viel Arbeit und Auseinandersetzung drin steckt. Ich finde das insgesamt sehr gut und auch von der Empfehlung her berechtigt. Freue mich auf Deine Nächste, Gruß Achillus

 

Hallo zigga!

Viele Ideen und Kommentare haben fast alle Aspekte Deines Textes behandelt. Leider habe ich nicht die sprachliche oder literarische Ausbildung, die einzelnen Bestandteile Deines Textes vernünftig einzuordnen.

Mir gefällt die dichte Atmosphäre - der Dauerregen stört mich nicht - und die Bilder, die du erzeugt hast. Zwar mag der Lesefluss durch grammatikalisch korrektere Sätze erhöht werden, andererseits schätze ich das Abgehackte als Beschreibung des Milieus sehr: Es geht um Härte, es geht um das Raue, es geht um "Das muss, weil es muss". In diesem Feld empfinde ich Gehacktes als ehrlicher und authentischer (hoffe, man versteht mich^^).

Bitte schreibe weiter! :-)

Viele Grüße,
kiroly

 
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Hallo @wörtherr,

vielen Dank für das Lesen und Kommentieren.

Handwerklich auf jeden Fall obere Skala.
Vielen Dank
Sprache: siehe Fliege.
Ok! :D Haben sich mittlerweile sehr viele Flieges Anliegen angeschlossen, ist auf jeden Fall notiert und ich schaue gerade, wie ich das deichseln kann ...
Fast würde ich soweit gehen und sagen, dass vor jeder zweiter oder dritten Ellipse, je nach Satzmelodie, ein Komma gehört.
Das ist ein interessanter Gedanke. Hatte ich noch nicht auf dem Schirm - ich checke das mal, bei Kommas hat man mir hier eh schon das ein oder andere Mal auf die Finger geklopft, weil ich da leider ein wenig zu intuitiv vorgehe/vorgegangen bin

Kräftige Unterarme. ∆, □ und ○ auf die Fingerrücken seiner rechten Hand tätowiert.

Da hat aber einer in der Unicode-Kiste gekramt. ;) Meinen Lesefluss hat es gestört.

Ok, ist notiert ;) Ich dachte, es wäre ein ganz guter Trick vielleicht, die Tätowierungen "direkt" in den Text zu bringen ...

»Und der Rote mit den langen Flossen ein Skalar«, sagt sie, blickt zu ihm und lächelt. Da könnte sie doch prima sagen, dass der Fisch Rusty heißt, denn weiter unten passt es weniger gut, siehe dort in meinem Kommentar.

Er sei Vorarbeiter bei Bosch-Rexroth. Er sei geschieden, kinderlos, und hätte ein Haus. Anna war damals zwölf.

Ich muss mich wirklich etwas wundern über die weiter oben vorgebrachte Meinung, hieraus könnte man lesen, dass Andreas evtl. auch an der Tochter interessiert wäre. Wie dem auch sei, bei mir kam es richtig als Kontext an, nur so zur Kenntnis.

Super, das freut mich.

(Diese hysterische Gesellschaft, und da wundern die sich, dass Männer kein Interesse mehr haben, sobald sie wissen, dass ihre Angebetete schon begört ist. Boah, über dieses Vorurteil könnt ich mich gerade prima aufregen, aber ... kein Bock.)
Na ja, "begört ist" finde ich jetzt kein Gentleman-Sprech. Ja, ich denke, in Erzählungen in unserer Gesellschaft ist dieses Thema oder allgemein Missbrauch sehr, sehr, sehr oft vertreten

»Bist du Enis?«, sagt Toni lautstark im Schritt;
Mag die Formulierung nicht. Eine Frage muss man fragen, »sagen« ist für mich definitiv Umgangssprache, die nur in Dialogen wirkt. Und dieses »im Schritt« ... da juckts allenfalls mal. Würde ich umformulieren zu: »Bist du Enis?«, fragt Toni und schreitet forsch zu ihnen hin.
OK. Ja, im Schritt, ich dachte echt nicht dran, dass man da Intimgegend raus lesen könnte. Mein Fehler.

»Komm rein«, sagt er, »es regnet.«

Du kredenzt uns hier gerade die Sonnenscheingeschichte schlechthin, in der die Menschen schon beinahe vergessen haben, was Regen ist, und dann das! Denkst du nicht einmal an mein eh schon labiles Weltbild? :D
Aber Spaß beiseite – dieses »es regnet« kommt rüber als wär es neue Information, sprich ein Rhema. Es müsste aber Thema sein, was hier aber nur funktioniert, wenn die Tochter sagt: "Der Regen macht mir nix aus.« o.ä. Alternativ könnte ich mir auch eine Umschreibung vorstellen, »es schüttet wie aus Kübeln«, oder ironisch »sonst holst du dir noch n Stich«.

Also entweder stehe ich gerade auf dem Schlauch oder ich verstehe nicht, was du meinst? Rhema? Die Tochter läuft im Regen über den Rasen zum Wagen, in dem der Vater sitzt. Er öffnet das Fenster und sagt: Komm rein, es regnet. Ich weiß nicht, was daran verkehrt sein soll? Meinem Gefühl nach sprechen Leute so ... es schüttet wie aus Kübeln, nee, das ist doch die Floskel schlechthin

»Eine meiner Fische ist gestorben«, sagt sie und sieht ihn an. »Ich hab ihn Rusty genannt.«

Taufe posthum?

Ja, jetzt weiß ich, was du mit dem Kommentar weiter oben gemeint hast, dass sie den Namen des Fisches schon zu Anfang hätte sagen können. Ja, sie hätte ganz am Anfang schon "Rusty" sagen können, aber ich finde nicht, dass das muss. Sie zeigt ihrem Vater ihr Aquarium und sagt ihm die Fischsorten, meinem Menschenverständnis nach würde ein Mädchen wie Anna in dieser Situation auch leicht mal vergessen, jetzt den spezifischen Spitznamen des Fisches noch zu sagen. Könnte, aber muss doch nicht unbedingt. Nur, dass sie den Fisch am Beginn nicht so vorgestellt hat, muss es ja nicht heißen, dass sie ihn da schon so genannt hat

»Eine meiner Fische ist gestorben«, sagt sie und sieht ihn an. »Ich hab ihn Rusty genannt.«

Dieses Perfekt im Nachsatz passt nicht so wirklich, Umgangssprache hin oder her. Warum nicht einfach »Rusty.«

Wieso passt das nicht?

Exkrement des Fehlerteufels: Einer meiner Fische.
Ja danke, das haben schon ein paar angekreidet ... ich schrieb Friedrichard folgendes dazu:

Ich weiß, steinigt mich, aber ich finde das falsche "Eine" an der Stelle irgendwie gut ... haben schon ein paar angemerkt, aber immer wenn ich das in der Textdatei geändert habe und Einer meiner Fisch draus gemacht habe, klang das furchtbar gekünstelt für mich und so, als ob Anna gar nicht mehr sprechen würde ... ich glaube einfach, dass jemand aus dem Milieu Eine meiner Fische sagen würde, ist nur ein starkes Gefühl meinerseits ...


»Okay«, sagt sie. Fährt sich über die Augen. Sieht ihn an, schnieft. Reicht ihm den Vakuumbeutel. »Du kümmerst dich um ihn, versprochen?«

Schnieft ja schon wieder. Wie alt ist die? Um einen Fisch weinen Kinder, Pubertierende vielleicht auch, aber vor ihrem Vater?

Ich finde, es passt. Schniefen kann ja auch vom Regen oder leichter Erkältung oder allem zusammen kommen. In meinen Augen ist das eine emotionale Situation, und wieso nicht?

Auch das es ein Vakuumbeutel ist, reibst du dem Leser öfters unter die Nase. Ist doch aber keiner. (Gibt ja so luftdichte Beutel zum Verstauen von Kleidung, die man dann mit dem Staubsauger vakuumiert ... aber hey, komm mir nicht mit Küchendingen, weiß gerade wie man ne Mikrowelle anmacht.) Sollte Beutel nicht reichen?
Ja, Shit, ich frage mich gerade, wieso ich Vakuumbeutel geschrieben habe? Ich hab gerade noch mal gegooglet, und da kommt ein ganz anderes Produkt, als das ich in der Story meinte. Es hat wirklich was mit Staubsaugern zu tun :D Das ist sehr seltsam. Ich hatte beim Schreiben extra nachgeforscht, wie die Dinger offiziell und genau heißen. Ich meinte Druckverschlussbeutel/Schnellverschlussbeutel/Klarsichtbeutel.




Und dann, als er wieder hoch zum Haus blickte, sah er es. Er sah, wie der andere Mann an einem der beleuchteten Fenster des Hauses stand, im weißen T-Shirt, zu ihm hinausblickte und an einem orangenen Wassereis leckte. Daneben, im Fenster der Küche, sah er seine Tochter und seine Frau; wie sie nah beieinander standen, Worte zueinander sagten und sich umarmten; wie seine Tochter ihren Kopf in die Brust seiner Frau vergrub. Und im Nebenzimmer wieder der Kopf des anderen Mannes: Wie er hinter der Fensterscheibe stand, im Warmen, und mit seinen Lippen das Stieleis umschloss. Wie er sich das Eis rein und raus in den Mund schob, daran leckte. Wie er mit geöffnetem Mund seine Zungenspitze über die Ränder des Eises führte. Und ihn, der draußen im Wagen saß, dabei nicht aus den Augen ließ.

Muss der Wechsel ins Präteritum sein? Weiß nicht.
nd eine Machtdemonstration unter Männern sieht für mich anders aus. Warum küsst der andere nicht einfach »seine« Frau, son richtiger genüsslicher Zungenkuss, wo die Tochter peinlich berührt die Augen verdreht? Oder ist dir das zu provokant? Stileis schlecken ist doch eher so eine Unterwürfigkeitsgeste, Metapher für unerfülltes Begehren? Gut, nicht jeder Film ist Clockwork Orange, aber ...

Ich finde, das Präteritum kann so ein wenig eine andere Stimmung rüberbringen, gerade, wenn es um Enden geht. Das gefällt mir eigentlich immer relativ gut. Es hat so etwas abschließendes, zurückliegendes, und so wollte ich die letzte Szene gerne haben.
Zu provokant ist mir das nicht, mein Lieber. Ich hab mich eben hierfür entschieden. Ich finde schon, dass das sehr gut als Machtdemonstration durchgeht, haben ja auch viele andere so aufgefasst. Ich finde, Frau Zungenkuss, hm, ginge vielleicht auch, aber so ist das subtiler, gemeiner. Ich finde es ein schöneres Bild. Es kommt ja darauf an, wie er das Stieleis leckt. Er lutscht es halt nicht wie ein 12jähriger im Freibad, sondern er leckt widerlich daran, schleckt es ab. Es hat für mich auch etwas Sexuelles, vielleicht auch irgendwie etwas wie Mittelfinger oder Pimmelzeigen.

Danke dir!

Hallo @Kellerkind!

Vielen Dank fürs Lesen und Kommenterien, es hat mich gefreut.

da ich die Diskussion unter Deiner Geschichte verfolge, habe ich Lust bekommen, mich zu einer sprachlichen Frage zu äußern.
Immer her damit! :D

Ich glaube einfach, dass jemand aus dem Milieu Eine meiner Fische sagen würde, ist nur ein starkes Gefühl meiners

Du hast natürlich Recht; die Figuren dieser Geschichte sind keine verkopften Bildungsbürger und sprechen eher, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Aber das Genus eines Allerweltswortes, wie Der Fisch, würde höchstens ein Ausländer oder ein Betrunkener verwechseln. Hier böte sich an, mundartliches Verschleifen der Grammatik, je nach Kulturkreis, einzusetzen. [Berlin: "Eena von de Fische"]
Das Problem mit der zu gewählt klingenden Formulierung hängt eher an der Verwendung des Genitivs, die das gemeine Volk, jenseits der Deutschlehrer, gerne umgeht. Einer meiner Fische. Da könnte man Abhilfe schaffen, wenn man es reduzierte auf: Ein Fisch oder mein Fisch oder (Emo-Keule) mein allerliebster Lieblingsfisch.

Ja, es fließt etwas Dialekt mit ein, da hast du natürlich Recht. Deine Vorschläge sind gut, ich werde das ändern denke ich, weil es so viele für einen Schreibfehler halten! :D

Und dann: Deine Entscheidung, innerhalb der wörtlichen Rede "wie" statt "als" zu verwenden, sehe ich zwar als unproblematisch, doch möchte ich dazu anmerken, dass ich es nicht als grundsätzlich geeignetes Stilmittel empfinde, um die Zugehörigkeit zu einer sozialen Schicht zu kennzeichnen.
Im süddeutschen Sprachraum ist die falsche Verwendung des "wie" durchaus üblich. Und so manchem bayrischem Professor würden wohl die Augenbrauen bis zum Haaransatz hüpfen, würde er von Dir als Unterschichten-Proll charakterisiert.
Genau, ich komme auch aus Süddeutschland. Die "normalen" Leute, also Nicht-Akademiker, benutzen eigentlich, würde ich sagen, fast nie das "als" in diesen Fällen, sondern immer "wie". Ich finde das auch nicht schlimm. Aber meinem starken Empfinden ist das durchaus so, dass diejenigen Leute, die etwas auf sich halten und - meistens auch - studieren gehen/gingen, verwenden "als". Ich würde meine Hand dafür ins Feuer legen. In geselliger Runde mit Bier wird dann von jenen Leuten immer herrisch darüber gelacht, wenn ein Dorftrottel mal wieder "wie" verwendet anstatt "als". Also, das "wie" ist meiner Meinung nach sowohl süddeutsch als auch in der Arbeiterschaft. Einen bayerischen Professor, der "wie" in dieser Konstellation verwendet, möchtest du mir bitte mal zeigen, das hab ich so noch nicht gesehen, die Bildungsbürger, wie gesagt, verwenden fast ausschließlich "als" - meiner Beobachtung nach ;)

Weiterhin viel Freude am Schreiben!
Das wünsche ich dir auch, Kellerkind!


Liebe @Chutney,

vielen Dank fürs erneute Melden.

da stimme ich @Kellerkind zu. Ich hätte das "Eine" immer für einen Flüchtigkeitsfehler des Autors gehalten. Und ich vermute auch, dass das, was du vielleicht als zu korrekt empfindest, der Genitiv ist.
Spontan könnte ich mir vorstellen: "Einer von meinen Fischen ist gestorben." oder "Einer von den Fischen ist ..."
Ok, ist angekommen! Ich werde das glaube ich ändern, da Schreibfehler unschön aussehen, und sehr viele das - verständlicherweise - für einen solchen gehalten haben


Hallo @Achillus,

vielen Dank dir fürs Lesen und Kommentieren.

Hallo Zigga, ich weiß nicht, ob Du zu dem Text noch was hören magst, hast ja inzwischen so viele Anmerkungen dazu bekommen. Ich würde mich aber gern für Deine hilfreichen Hinweise zu meinen letzten Geschichten bedanken und schreib einfach mal, was mir beim Lesen durch den Kopf gegangen ist.
Na klar, sehr gerne, Achillus.

Ich hatte die Geschichte schon vor einiger Zeit gelesen und für mich als Sozialdrama vermerkt, ein Bereich, der nicht so ganz meine Strecke ist, weil ich mich dabei häufig in durcheinanderwirbelnden philosophischen und gesellschaftstheoretischen Implikationen verheddere. Auch in der Geschichte geht es mir ein bisschen so.
Ok

Die Geschichte will nicht direkt bewerten, wie die Handlungen der Figuren zu beurteilen sind.
Das stimmt.

Das führt dazu, dass sich Anhänger sehr gegensätzlicher Weltanschauungen in dem Ablauf der Ereignisse bestätigt fühlen können. Ein Rassist freut sich, dass die »Nigger«, die das weiße Mädchen belästigt haben, auf die Fresse kriegen. Ein Liberaler sieht hier hingegen vielleicht den Beleg für die gesellschaftlich bedingte Macht- und Hilflosigkeit der Unterschicht, für die Unfähigkeit, Probleme auf angemessene, zivilisierte Art und Weise zu lösen. Das ist natürlich ein Kreuz, das alle offenen Geschichten mehr oder weniger zu tragen haben. Ist auch nicht schlimm.
Das ist ein sehr interessanter Punkt, den du da ansprichst. Ich muss dir ehrlich sagen, ich hatte das so nicht direkt im Auge gehabt. Aber du hast recht. Ein Rassisist könnte das so lesen, dass er sich bestätigt fühlt. Beim Schreiben der Story hatte ich vor Augen, dass Andreas sehr unsympathisch auf den Leser wirkt, nach und nach in der Geschichte, und man am Ende, bei der Schlussszene, auf jeden Fall auf Tonis Seite ist, und Andreas als Störfaktor bzw. als Gefahr oder eben schlechten/schlechteren Menschen sieht. Aber klar, wenn man ein lupenreiner Rassist wäre, könnte man das auch anders lesen. Du schreibst ja selbst, es ist nicht weiter schlimm, und ich teile diese Meinung. Als Autor sehe ich mich nicht in der Verpflichtung, die Menschen moralisch zu belehren und ihnen in so einer Story exakt zu zeigen, welcher Mensch richtig und welcher falsch ist. Ich habe das Gefühl, unter Autor ist das exakt bei diesem Thema Rassismus (was aber auch, muss ich anmerken, nur ein absolutes Unterthema dieser Story ist - meiner Meinung nach) es nicht sein lassen können, und Moralin in ihre Erzählungen packen; wahrscheinlich, weil sie Angst haben, als Rassisten gebranntmarkt werden zu können, wenn sie sich nicht offensichtlich, auch mit literarischen Mitteln in der Erzählung, distanzieren. Ich finde das ein bisschen scheinheilig. Gut, man könnte eine nationalsozialistische Geschichte schreiben, dann wäre es klar, wo man sich positioniert. Aber bei einer Erzählung, die, ich sage mal, ausgewogen ist (ich rede jetzt nicht per sen nur über diese Story), und dort ein Rassist vorkommt, muss man, meiner Meinung nach, nicht unbedingt bewertend in die Story eingreifen. Als ob ein Leser Rassist werden würde, wenn er das ohne Moral liest. Es ist, wie du schon sagtest: Jeder liest sich selbst.

Aber ich frage mich, ob die Problematik der Selbstjustiz nicht allein bereits ausreichen würde, um ein spannendes Drama zu entwickeln. Braucht es noch diesen Rassismusaspekt? Oder verschleiert der Rassismusaspekt nicht eher die interessanten Details des Selbstjustiz-Diskurses.
Ja, ist ein Punkt, ich schrieb dazu einem anderen Kommentator Folgendes:

Kommentator: Nigger finde ich irgendwie unpassend. Das Wort ist für mich sehr amerikanisch konnotiert und in Deutschland eher jugendlich. Neger oder sowas würde ich Andreas eher abnehme

zigga: Ja, das stimmt. Ich hatte echt viele Varianten für das Wort ausprobiert. Kanacke, Neger, Assis oder einfach "solche". Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass Andreas an dieser Stelle noch einmal ein wenig eine Grenze überschreiten muss, sprachlich so eine Nasenlänge drüber gehen muss, nach der Schlägerei, die man ja durchaus als Leser "moralisch" abkaufen und ihn auf die Seite der "Guten" stellen könnte (ich hoffe du weißt, wie ich meine); "Neger" sagen noch einige, wahrscheinlich in der Altersklasse wie Andreas nicht ganz so verbreitet, aber in dem Milieu durchaus noch gängig und gar nicht mal als Beleidigung gemeint. Das ging mir durch dem Kopf, als ich nicht Neger genommen habe. Weil ich mir dachte, das ist zu nett, das könnte man Andreas zu leicht durchgehen lassen; ich finde, in Nigger steckt auch so etwas menschenverachtendes, richtige Aggression. Das lässt man - meinem Gefühl nach - einer Figur nicht "durchgehen" (damit meine ich, dass man der Figur an/ab so einem Punkt evtl. als Leser bauchgefühlmäßig etwas misstraut?) (...)

Ein Freund und Kollege von mir, mit dem ich Kurse in Selbstverteidigung gebe, hat Seminare mit Fallbeispielen und Diskussionen zu dem Thema durchgeführt und war erstaunt, wie viele Menschen Akte der Selbstjustiz zum Beispiel in Fällen von Kindesmissbrauch, aber auch bei Vergewaltigung gutheißen. Das ist also ein brandheißes Thema und ich kann mir vorstellen, dass die Vermischung mit der Rassismusdimension in Deiner Geschichte über Fragen hinweg geht, die sich sonst vielleicht wie von selbst stellen würden.
Das ist auch meine Beobachtung. Da kommt etwas tiefer liegendes in uns zum Vorschein, ein Gerechtigkeitsempfinden, das wir - so denke ich - ansonsten verleugnen. Jeder Revenge-Film basiert auf dieser Logik, dass man dem Zuschauer nur Bilder geben muss, um anschließend brutale Rache zu rechtfertigen und den Zuschauer an dieser stelle nicht zu verlieren, sondern ihn mitnehmen und befriedigen zu können

Unter welchen Bedingungen wären wir bereit, Recht und Gesetz in eigene Hand zu nehmen? Dass Andreas ein Rassist ist bzw. so wie einer spricht, lässt die gesamte Aktion – zumindest für aufgeklärte Leser – verwerflich erscheinen. Doch was wäre, wenn er als normaler Mann mit normalen Ansichten gezeigt würde? Wie würden wir dann beurteilen, dass er z.B.. als Rache für die Vergewaltigung seiner Stieftochter einen Teenager verprügelt? Ich könnte mir vorstellen, dass das weitaus mehr Ambivalenz schafft.
Das ist ein sehr interessanter Punkt. Es wäre wahrscheinlich eine andere Geschichte. Ich kann sagen, dass ich der Story und den Figuren nicht genügend vertraut habe, dass ich mich diesen Plot getraut hätte.

Dann ein paar Worte zum gewählten Stil und den Ausdrucksformen. Ich versuche bei meinen Geschichten eigentlich immer einen Schreibstil zu entwickeln, den ich auch für das Verfassen eines Romans verwenden könnte, vielleicht weil ich unbewusst für so ein Projekt trainiere. Im Fall Deiner Geschichte mit dieser speziellen Reduktionstechnik könnte ich mir kaum vorstellen, eine wirklich lange Geschichte so zu lesen. Ich finde das Suchen nach neuen Ausdrucksformen toll, aber hier sehe die Grenzen, was diese Technik leisten kann.

Nun ist eine Kurzgeschichte kein Roman, aber selbst in dieser kurzen Erzählung fällt das betonte Weglassen von eigentlich elementaren Satzbausteinen schon auf. Ich will das nicht bewerten, es scheint mir aber ein Grenzgang zu sein.

Ja, das ist kein Roman. Für einen Roman fände ich die Sprache auch unangemessen. Ehrlich gesagt hasse ich 99% der Romane, die ellipsenhaft geschrieben sind. Mir fallen da nur 3, 4 Romane wirklicher Meister ein, die das so hinbekommen, dass ich es gerne gelesen habe. Meistens war das wie Nägel essen für mich. Paradoxerweise hatte ich selbst Bock, mal mit dieser Sprache zu experimentieren. Es ist immer noch schwierig für mich einzuschätzen, ob Leser diese Sprache auf der Länge dieser Story mal lesen und gut finden könnten, oder nicht. Vielleicht 65% der Kommentatoren hier meinten, ich solle die Ellipsen etwas abbauen bzw. nachfüllen.

Ein Resultat dieser Technik ist nämlich, dass viele Momente des Textes recht symbolisch auf mich wirken. Die Reduktion quetscht eine Szene sprachlich bis auf ihre Essenz zusammen und deshalb wirkt sie dann in ihrer von allen Nebensächlichkeiten gereinigten Form wie der Ausdruck eines dahinter liegenden Wesensgehaltes. Beispiele dafür sind der titelgebende Fisch-Dialog, die Szene mit den Kids, die tote Fisch Szene und die Leck-Eis-Szene. Dass mir das als Leser so eingehämmert wird, scheint mich permanent auf eine tiefere Bedeutung hinzuweisen.

Überspitzt könnte man sagen, beinahe jede Szene wirkt wie eine Abschlussszene, in der dem Leser (oder wahlweise Filmzuschauer) noch einmal die gesamte Wucht und Tragweite des Vorangegangen vor Augen geführt wird.

Ja, interessant. Danke für die Anmerkung. Habe ich nicht so empfunden, aber als Autor liest man seine Story sowieso komplett verfälscht, weswegen solches Feedback sehr interessant für mich ist. Vielleicht wirkt es tatsächlich etwas zu pathetisch. Ich werde das mal sacken lassen und überdenken

Dieser Effekt wird dann auch durch Vergleiche gesteigert, die mich nicht immer überzeugen. Beispielsweise: Der mit dem gekämmten Haar auf der Parkbank – sein Blick auf ihm und Andreas. Sein Blick, als ob er auf etwas Großes sehen würde: einen Felsen, eine Raubkatze, eine Lawine oder Berg.

Schwierig. Ich finde auch, es gibt zu viele Vergleiche/ Metaphern insgesamt in dem kurzen Text. Du verwendest darüber hinaus einigen Raum für das Beschreiben von Schuhen, Hosen, Jacken usw. Da ist mir nicht ganz klar, warum ich diese Details kennen muss. Rein sprachlich finde ich, dass das »jägergrün« zu oft auftaucht und »pusten« ist ein Wort für Kindergeschichten.

Ja, Grenzgang :D Ich wollte mich mal aus dem Fenster lehnen und schauen. Das Zitat von dir ist natürlich expirementell. Pusten finde ich überhaupt nicht kindlich, sondern ein ganz normales Verb? Ja, die Adjektive, das werde ich noch reduzieren, denke ich, danke für den Hinweis.

Was den Titel betrifft: Ich habe das ein paar Mal gelesen und verstehe diesen Dialog-Teil nicht.

»Ich wollte nicht stören«, sagt Toni. »Sie wollte mir nur noch was zeigen«, sagt er. … »Ist okay«, sagt Lotte. Setzt sich jetzt komplett auf, stellt die Füße auf den Boden und fährt sich durch das dunkle, lange Haar. Noch in der Decke gehüllt. »Es sind die Fische«, sagt sie.

Redet man so? Sie wollte mir nur noch was zeigen – Es sind die Fische. Kommt mir merkwürdig vor. Würde sie nicht sagen: Ja, sie will dir die Fische zeigen. Oder einfach: Ja, die Fische. Die von Dir gewählte Form klingt merkwürdig formal in meinen Ohren.

Das ist es, was ich mit symbolhaft meine. Es sind die Fische. Ta da. Abblende … Wobei ich nicht einmal genau durchschaue, was die Fische in dem Kontext bedeuten könnten.

Ja, es könnte u.U. echt ein wenig pathetisch klingen, du hast recht. Nichtsdestotrotz kann ich mir vorstellen, dass man so in der Situation reden könnte. Ist natürlich ein klein wenig literarisch aufgefrischt, ja

Zum Schluss möchte ich aber noch dem Eindruck entgegen wirken, mir hätte Deine Geschichte nicht gefallen. Es tut so gut, etwas zu lesen, wo so viel Arbeit und Auseinandersetzung drin steckt. Ich finde das insgesamt sehr gut und auch von der Empfehlung her berechtigt. Freue mich auf Deine Nächste, Gruß Achillus
Danke für den Leseeindruck! Hat mich weiter gebracht.


Hallo @kiroly,

Viele Ideen und Kommentare haben fast alle Aspekte Deines Textes behandelt. Leider habe ich nicht die sprachliche oder literarische Ausbildung, die einzelnen Bestandteile Deines Textes vernünftig einzuordnen.
Ich freue mich trotzdem über deine Rückmeldung. Jeder Leser liest ja einen Text anders, Autor lesen ihre eigenen Sachen oft besonders verfälscht (meiner Einschätzung nach), und ich persönlich bin über jedes ehrliche Leserfeedback dankbar.

Mir gefällt die dichte Atmosphäre - der Dauerregen stört mich nicht - und die Bilder, die du erzeugt hast.
Super

Zwar mag der Lesefluss durch grammatikalisch korrektere Sätze erhöht werden, andererseits schätze ich das Abgehackte als Beschreibung des Milieus sehr: Es geht um Härte, es geht um das Raue, es geht um "Das muss, weil es muss". In diesem Feld empfinde ich Gehacktes als ehrlicher und authentischer (hoffe, man versteht mich^^).
Toll, dass das bei dir so funktioniert hat

Bitte schreibe weiter! :-)
Sweet :D

Danke für deinen Leseeindruck, kiroly!

 
Zuletzt bearbeitet:

Er öffnet das Fenster und sagt: Komm rein, es regnet. Ich weiß nicht, was daran verkehrt sein soll?
Ein Problem der Pragmatik. Dass es regnet, wissen beide. Dass er ihr das sagt, sendet eine merkwürdige Du-Botschaft aus, die nicht zu ihrer Rolle passt. In 'nem Film würde der Schauspieler das mit ironisierender Grimasse rüberbringen, das hab ich vermisst.
Rhema: die im Kontext neue Information, häufig Prädikat und/oder Objekt vs. Thema: alte Information, auf die sich bezogen wird, häufig Subjekt.

 

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