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Es sind die Fische

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02.01.2011
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Es sind die Fische

Sie klopft ans Fenster, öffnet die Wagentür. Regen prasselt auf die Windschutzscheibe. Er stellt das Radio leiser. »Komm rein«, sagt er.
Sie steigt in den Wagen, zieht sich die Kapuze ihres Pullis vom Kopf. »Ist das ein Regen, Papa«, sagt sie.

Vor dem Haus hält er am Bordstein. Der Himmel olivschwarz, Straßenlaternen gießen gelboranges Licht. Der Asphalt nass und glänzend.
»Komm noch mal mit rein«, sagt sie. Ihr Gesicht, ihr kastanienbraunes Haar.
»Ich weiß nicht«, sagt er. Schaut auf die Straße, dann durchs Seitenfenster hoch zum Haus.

Hat seine Stiefel ausgezogen. Trägt noch die schwarze Bomberjacke – auf der Rückseite, in großen, gelben Buchstaben: ›WSDS – Sicherheit‹.
Klopft dreimal an die Wohnzimmertür. Drückt den Griff nach unten und öffnet die Tür einen Spalt breit. Hört den Fernseher laufen. »Guten Abend«, sagt er.
Seine Frau liegt unter einer hellblauen Stoffdecke auf der Couch, mit dem Kopf auf dem Bauch des anderen Mannes.
»Ich wollte nicht stören«, sagt Toni. »Sie wollte mir nur noch was zeigen«, sagt er.
Lotte setzt sich auf, fährt sich durch die Haare. Der Mann neben ihr nimmt die Fernbedienung in die Hand und schaltet die Lautstärke herunter.
»Ist okay«, sagt Lotte. Setzt sich jetzt komplett auf, stellt die Füße auf den Boden und fährt sich durch das dunkle, lange Haar. Noch in die Decke gehüllt. »Es sind die Fische«, sagt sie.
»Ja«, sagt er, »genau.«
Der Mann mit der Fernbedienung in der Hand blickt ihn an. Dunkles Haar, Fleece-Pulli. Etwa in seinem Alter. Achtunddreißig. Der Mann nickt leicht, sagt: »In Ordnung.«

»Der Blaue ist ein Panzerwels«, sagt seine Tochter. Das Aquarium steht auf ihrer Holzkommode. Ihr Zimmer mit hellblauen Wänden. Schrank, Bett, Schreibtisch, Teppich. In der oberen Ecke schwarzer Schimmel; die Dachschräge so, dass er gebückt gehen muss.
»Und der Rote mit den langen Flossen ein Skalar«, sagt sie, blickt zu ihm und lächelt.
»Schön«, sagt er. Sein Rücken schmerzt; wieder die Kopfschmerzen. Manchmal helfen die Tabletten nicht mehr, dann zieht der Ischias bis hinter die Stirn, hinter die Augen. Von unten hört er den Fernseher laufen.

Draußen ist der Regen noch stärker geworden; silberne Tropfen, die im Dunkel des Abends vom Himmel fallen.
»Na dann«, sagt er. Dreht sich unter dem Vordach von der Straße zu seiner Tochter; sie steht in der Haustür, in Plastiksandalen, blauer Jogginghose, waldmeistergrünem, weitem Kapuzenpulli. Die Haare zum Pferdeschwanz.
Er greift in die Brusttasche seines Flanellhemdes, zieht eine Pall Mall aus der Schachtel. Zündet sie an. Seine Tochter kommt zu ihm und umarmt ihn. Er legt den Arm um sie und küsst sie in ihr Haar.
»Du weißt, dass ich dich lieb hab?«, sagt sie, mit dem Gesicht vergraben an seiner Brust.
»Weiß ich«, sagt er.
»Dass du immer anrufen kannst, wenn was ist.«
Er zieht an der Kippe. Sie löst ihr Gesicht von ihm, blickt hoch zu ihm, lächelt leicht.
»Mach dir um mich mal keine Sorgen«, sagt er. Streicht ihr mit der Hand über den Kopf, sieht ihr in die Augen, nickt.

In seiner Wohnung setzt er sich mit noch nassen Klamotten aufs Bett. Regen prasselt aufs Fenstersims. Trägt noch Bomberjacke, schwarze Arbeitshose, Boots. Seine kinnlangen Haare zum Pferdeschwanz gebunden. Schaltet den Fernseher ein. In der Wohnung unter ihm lachen Männerstimmen, Stühle werden gerückt. Zieht sich eine Pall Mall aus der Brusttasche seines Hemdes. Legt seinen Kopf einen Moment in seine Hände. Seine Statur über eins neunzig. Hundertzwanzig Kilo. Kräftige Unterarme. ∆, □ und ○ auf die Fingerrücken seiner rechten Hand tätowiert. Aus den Boxen des Röhrenfernsehers die überdrehte Stimme des Nachrichtensprechers. Überschwemmungen in Sachsen. Menschen in gelben Warnwesten. Sandsäcke, Feuerwehr, technisches Hilfswerk. In Norddeutschland drohen Dämme zu brechen.

Parkt mit dem Volvo direkt auf der Baustelle. Im Heckfenster in großen, gelben Buchstaben: WSDS – Sicherheit. Links und rechts von ihm fünfstöckige Rohbauten; Sozialwohnungsbau. Zieht sich die Regenjacke über, Kapuze. Die Keller laufen jetzt voller Wasser. Läuft einmal die matschige Straße entlang, die Hände in den Jackentaschen. Kühler Nieselregen auf seinem Gesicht. Er kontrolliert, ob die Türen verschlossen sind. Kupferbrüche, Werkzeugklau – häufiger, als man denkt. Trägt nicht mal CS-Gas in der Jacke. Ein Nokia in der linken Beintasche, Kurzwahl 1 der Chef, Kurzwahl 2 die Polizei. Das war’s.

Er erinnert sich an Lottes Anruf. Kurz nach Weihnachten vor drei Jahren. Er hörte, dass sie getrunken hatte. Sie brauchte nur »Hallo« zu sagen und er wusste, wenn sie getrunken hatte. Sie sagte, sie sage es ihm am Telefon, weil sie nicht wüsste, ob sie es anders könne; ob sie es ihm dann wirklich sagen würde. Ob ihr dann nicht die Kraft dafür fehlen würde. Sie sagte, sie wüsste nicht, was sie empfinden würde, wenn sie ihn vor sich sähe. Dass sie glaube, es nicht zu schaffen, wenn sie jetzt keinen Schlussstrich ziehen würde.
Sie meinte, sie hätte ihn in einer ihrer Therapiesitzungen kennengelernt. Dass sie sich seit ein paar Monaten mit ihm treffe. Dass er ihr gut tue. Dass er noch nie einen Tropfen Alkohol in seinem Leben getrunken hätte.
Er sei Vorarbeiter bei Bosch-Rexroth. Er sei geschieden, kinderlos, und hätte ein Haus. Anna war damals zwölf.

Zuhause klingelt das Telefon.
»Ich bin’s«, sagt Lotte.
Er fährt sich mit Daumen und Zeigefinger über die Unterlippe, sieht einen Moment auf die graue Tapete des Flurs. »Alles in Ordnung?«, fragt er.
»Ja«, sagt sie. Sie atmet tief ein und aus. Atmet so, wie sie atmet, wenn sie sich durch die Haare fährt. »Nein. Es ist ...«
Ein Moment Stille.
»Ich kann’s dir nicht am Telefon sagen«, sagt sie. Hinter Lotte spricht eine Männerstimme, sagt ein paar Worte. Lottes Atem im Telefonhörer. »Es ist blöd, dir das am Telefon zu sagen«, sagt sie. »Aber ich denke, du solltest es erfahren.«

Tief hängende, schwere graue Wolken. Nieselregen. Klamme Kälte, die direkt unter die Haut kriecht. Steht mit dem Wagen am Bordstein vor ihrem Haus. Regentropfen platzen auf der Windschutzscheibe. Reibt sich die Hände. Blickt durchs Seitenfenster seines Volvos. Der andere Mann öffnet die Haustür. Jägergrüne Regenjacke, graue Stoffhose. Seine dunklen Haare wie Kohlstücke, die in feuchte Erde gerieben wurden. Der Mann steht in der Tür und zieht sich seine Schuhe über. Lotte kaum wahrnehmbar hinter ihm. Er dreht sich ins Haus, sagt etwas, nickt. Blickt zu Tonis Wagen. Schließt die Haustür. Läuft mit geradem Rücken über das kleine Stück Rasen zur Straße. Zieht sich dabei den Kragen zurecht. Öffnet die Mechanik der Beifahrertür; steht einen Augenblick regungslos mit der Hand am Griff draußen neben dem Volvo. Dann öffnet er die Wagentür, bückt sich und blickt mit zusammengekniffenen Augen in den Innenraum. »’n Tag«, sagt er. Steigt in den Wagen. Schließt die Tür. Blickt aus dem Beifahrerfenster. »Was ’n Sauwetter heute«, sagt er.
Toni nickt. Greift die Schachtel Pall Mall von der Mittelkonsole, öffnet sie und hält sie dem anderen hin. »Zigarette?«, sagt er.
Der andere Mann dreht sich um, sieht einen Moment auf die Schachtel. »Wieso nicht«, sagt er.
Gibt erst dem anderen Mann Feuer, dann sich selbst. Der andere zieht an der Kippe, pustet den Rauch aus. Schaut auf die Glut des Tabaks, dann auf das Armaturenbrett. Seine Hände dreckig, schwarz und in den Innenflächen leicht ölverschmiert. Seine Hände dick und rau, wie sie nur Leute haben, die täglich mit ihnen arbeiten. Ein blauschwarzes, verlaufenes Tattoo am Handgelenk unter seinem Jackenärmel.
»Ich will, dass du eins weißt«, sagt der Andere. »Dass ich ’nen verdammten Respekt vor deinen beiden Damen habe.« Er zieht an der Zigarette, pustet den Rauch aus den Backen. Lehnt mit dem Ellbogen am Fensterrahmen. Fährt sich mit der Hand über den Kopf. »Dass ich ’nen verdammten Respekt vor Familie habe. Familie ist alles«, sagt Andreas.
»Ja«, sagt Toni. Er zieht am Filter, lässt Rauchsäulen durch seine Nasenlöcher entweichen. Die eine Hand auf dem Lenkrad, die andere auf seinem Hosenbein.
»Die Kleine ist für mich jetzt auch Familie«, sagt Andreas. Sein Gesicht kernig und wettergegerbt. Von feinen Falten durchzogen. Seine Lippen dünn, seine Wangen glattrasiert. Seine Haare nach hinten gekämmt. Geheimratsecken. »Und wer sich mit meiner Familie anlegt –« Seine Augen blau wie Frostschutzmittel. Presst die schmalen Lippen zusammen. Atmet durch die Nase. Dreht den Kopf zum Beifahrerfenster. Fährt sich mit der Hand den Oberschenkel auf und ab. Zieht an der Zigarette.

Hohe Bäume in saftigem Grün, die vom Wind geschüttelt werden. Rechts von ihnen ein Fahrrad-Verkehrsgarten für Kinder. Dahinter die grauen Fassaden eines Gymnasiums. Weiter vorne die hohen Maschendrahtzäune eines Bolzplatzes.
»Ja«, sagt Andreas. Blickt aus dem Seitenfenster. »Hier.«
Zieht die Handbremse. Dreht den Motor des Volvos ab. »Gut«, sagt Toni. Wolkendecke grau, die Luft klar und feucht.

Gehen den Sandweg der Parkanlage entlang. Andreas einen Schritt vor ihm. Andreas’ Rücken gerade, seine Schritte groß. Jägergrüne, lange Regenjacke. Die Arme steif und gerade herabhängend, die Hände fest geballt.

»Bingo«, sagt Andreas. Blickt zu Toni und nickt vor zur Parkbank. Einer sitzt auf der Rückenlehne. Zwei tragen dunkle Caps, der Dritte an den Seiten abrasiertes, zur Seite gekämmtes, rabenschwarzes Haar. Ihre Haut sandfarben dunkel. Nicht älter als fünfzehn. Blaue und rote Adidas-Trainingsjacken. Helle, ausgewaschene Jeans, die sie bis zu den Knöcheln hochgeschlagen haben. Jogginghosen von Nike. Zigaretten in ihren Händen.
Der mit dem gekämmten Haar auf der Parkbank – sein Blick auf ihm und Andreas. Sein Blick, als ob er auf etwas Großes sehen würde: einen Felsen, eine Raubkatze, eine Lawine oder Berg.
Seine Freunde drehen sich jetzt auch. Blicken auf Toni, als ob sie auf etwas Zerfallendes blicken würden; als ob sie einen Mann stürzen oder Schnee fallen sehen würden.
»Bist du Enis?«, sagt Toni lautstark im Schritt; hält einen halben Meter vor der Parkbank an. Die Daumen seiner Hände in die Gürtelschlaufen seiner Jeans gesteckt. Schulter an Schulter mit einem der Stehenden.
»Was is’?«, sagt Enis; blickt über Tonis Schulter zu Andreas, dann wieder zu Toni.
»Was ist dein scheiß Problem, Alter?«, sagt einer der Cap-Träger.
Toni schiebt ihn mit der Hand eine Armlänge von sich. »Geht dich nichts an«, sagt er. »Geht nur mich, ihn und meine Tochter was an!«
Enis’ Augen rostbraun wie ein gesunkener, am Grund eines Meeres liegender Tanker. Wie Dellen in einem Auto.
Andreas fast geräuschlos, mit wenigen Schritten von hinten. Packt Enis in den Schwitzkasten. Enis schreit auf. »Ah!« Die beiden gehen zu Boden. Das Geräusch ihrer Schuhe, die auf dem Sandweg entlang rutschen. Der Geruch von Enis’ leichtem Parfum.
»Ey!«, schreit einer der beiden Stehenden. Wollen an Toni vorbeigehen, zu Enis und Andreas. Toni stößt beide nacheinander mit den Händen zurück. Einer fällt mit dem Rücken auf die Wiese.
»Was soll die Scheiße?«, schreit der Stehende mit der Cap. Klopft sich mit den Händen auf die Brust, streckt sie aus.
Hört Enis röcheln. Enis’ Kopf rot; schwarzer Flaumbart unter seiner Nase.
»So regeln wir das hier«, sagt Andreas. Hält Enis im Schwitzkasten, auf dem Sandweg. Dreht Enis’ Kopf. Packt ihn an den Haaren und drückt sein Gesicht auf den Sandweg. »Friss das«, sagt Andreas. »Du weißt, wofür das ist?«, sagt er. »Mach dein Maul auf!«

Schließt die Wagentür. Andreas auf dem Beifahrersitz, schnauft. Der Geruch von Blut, Erde und Regen. Andreas’ Hände rot, die Haut seiner Fingerknöchel aufgeschürft. Seine frostschutzblauen Augen weit aufgerissen.
»Alles klar?«, fragt Toni und schaut in den Rückspiegel.
»Ja«, sagt Andreas. Schnieft mit der Nase. »War nie besser.«
Schweigen einen Moment. Schnaufen. Andreas fährt sich mit der Zunge über die Unterlippe, mit der Hand durch sein Haar.
»So regeln wir das hier«, sagt Andreas.
»Ja«, sagt Toni.
Dann: »So haben wir’s hier schon immer geregelt. Jetzt wissen sie, wie wir das hier regeln. Da hilft nichts«, sagt Andreas. »Wenn du wüsstest«, sagt Andreas. Er schüttelt den Kopf, schweigt einen Moment. »Diese Nigger verstehen nur eine Sprache«, sagt er.
Toni mit dem Lenkrad in der Hand. Nickt. Dreht sich zur Rückbank, greift eine Dose Carlsberg aus dem Sechserträger im Fußraum. Blickt aus dem Seitenfenster. Nimmt die Dose zwischen die Beine, drückt den Verschluss ein.
Andreas’ Blick auf der Dose. Auf Tonis Gesicht. Dann wieder auf der Dose.
Trinkt einen großen Schluck. Kaltes, würziges Bier. Dann noch einen. Fährt sich mit dem Ärmel über den Mund.
Andreas atmet. Sein Blick auf Toni. Andreas fährt sich mit der Zunge über die Unterlippe. Mit der kräftigen, breiten Hand über die glattrasierten, wettergegerbten Wangen. Hebt die Augenbrauen hoch, zischt mit der Zunge, dreht sich zum Seitenfenster, legt die Hand auf den Oberschenkel und schüttelt den Kopf.

Vor dem Haus dreht Toni den Motor ab. Die linke Hand hat er noch am Lenkrad. In der rechten, auf seinem Oberschenkel, die Dose Carlsberg. Er blickt vor sich durch die Windschutzscheibe.
Andreas auf dem Beifahrersitz. Sitzt mit geradem Rücken da. Fleece-Pulli. Darüber die geöffnete, jägergrüne Jacke. Nieselregen prasselt auf das Autodach.
»Na dann«, sagt Andreas.

Toni blickt durch die Windschutzscheibe. Sagt kein Wort.
Andreas wischt sich mit der Hand unter die Nase. Schnieft. Sieht noch zu Toni, nickt; dreht seinen Kopf, blickt durch das Beifahrerfenster. Öffnet die Wagentür einen Spalt breit; sitzt da und hält den Griff einen Moment regungslos in der Hand. Blickt aus dem Beifahrerfenster. All der Regen. All das Wasser. Die Lichter im Haus des anderen Mannes brennen; schimmern goldgelb durch die Fenster, in die Dunkelheit des anbrechenden Abends.
Dann öffnet Andreas die Tür, steigt aus und schlägt die Tür zurück in die Karosserie.
Toni blickt durch das Beifahrerfenster. Der andere Mann geht im Regen über das Stück Rasen. Geht mit großen Schritten, aufrechtem Haupt. Die Hände vergraben in den jägergrünen Jackentaschen.

Er sitzt im Wagen. Steckt sich eine Pall Mall aus der Packung in der Mittelkonsole an. Der herbe, nach Schweiß und Holzspänen riechende Geruch des anderen Mannes noch im Innenraum. Er inhaliert den Zigarettenrauch. Pustet ihn langsam durch Nasenlöcher und Mund aus. Die Dose Carlsberg in der Rechten, auf seinem Bein. Die andere Hand am Lenkrad gelehnt. Er trinkt. Fünf, sechs, sieben große Schlucke. Stellt die leere Dose zurück in den Fußraum des Rücksitzes. Greift sich ein neues Bier, drückt den Verschluss der Dose ein. Bückt sich, blickt durchs Seitenfenster hoch zum Haus. Sieht Lotte mit verschränkten Armen an einem der Fenster im Erdgeschoss stehen, zu ihm blickend. Lotte dreht sich weg, und das Gesicht des anderen Mannes erscheint im Fenster, blickt ihn an.
Regentropfen prasseln auf die Motorhaube, die Windschutzscheibe und das Dach. Schwarze, tief hängende Wolken über dem Viertel.
Trinkt noch einen Schluck. Steckt sich noch eine Zigarette an. Sieht die Haustür sich öffnen. Sieht Lotte dort in der Tür stehen, unter dem Vordach, mit verschränkten Armen. Trägt Jogginghose, Hausschlappen und rosa Sweatshirt. Das Gesicht des anderen Mannes im Gang hinter ihr. Sie steht einen Moment da; dann blickt sie nach links und rechts, die Arme verschränkt, und läuft durch den Regen über den Rasen. An der Straße klopft sie am Beifahrerfenster. Er kurbelt die Scheibe herunter. Sie bückt sich, blickt mit zusammengekniffenen Augen in den Innenraum. Hebt grüßend die Hand. Die Arme verschränkt. »Hallo«, sagt sie.
»Hi«, sagt er.
Sie atmet tief ein. Ihr Haar feucht vom Regen. Kälte zieht in den Wagen.
»Du stehst noch hier«, sagt sie. »Vor dem Haus.«
»Ja«, sagt er. Blickt einen Moment durch die Windschutzscheibe, dann wieder zu Lotte. Schweigen einen Augenblick.
»Alles in Ordnung?«, fragt sie.
Er fährt sich über die Nase, legt die Hand vom Lenkrad auf sein Bein. »Sag du’s mir«, sagt er. »Sag du mir, ob alles in Ordnung ist.«
Sie hebt ihren Kopf aus dem Beifahrerfenster, lacht leicht, schüttelt den Kopf, dann bückt sie sich wieder. Der Regen so laut, dass sie beinahe schreien müssen. »Ich lass mich darauf nich’ ein«, sagt sie. »Ich bin durch damit«, sagt sie.
Er dreht seinen Kopf, blickt durch die Windschutzscheibe.
»Fahr nach Hause«, sagt sie. Hebt ihren Kopf. Bückt sich wieder, blickt durch das Fenster in den Wagen und hat Tränen in den Augen. »Bitte! Mach’s nicht noch schlimmer, als es ohnehin schon ist.«
Sie hebt wieder den Kopf. Dreht ihm den Rücken zu. Ein paar Kilometer entfernt ein Donnerschlag. Regen prasselt vom Himmel, dicke Tropfen platzen auf der Windschutzscheibe. Sie steht mit verschränkten Armen auf dem Gehsteig, neben dem Volvo. Dann geht sie mit großen Schritten über das Stück Rasen zum Hauseingang. Der andere Mann steht noch dort; mit geradem Rücken, im Fleece-Pulli. Blickt zu Toni. Ein Blitz am Himmel. Sie schließen die Haustür. Lottes Gesicht erscheint in einem der beleuchteten Fenster. Dann das Gesicht des anderen Mannes. Sehen ihn an. Toni zündet sich eine neue Zigarette an. Fährt sich über den Kopf. Schließt die Augen. Legt seinen Kopf in den Nacken. All die Keller, die jetzt voller Wasser laufen. All die Dämme, die zu brechen drohen. All die Menschen in gelben Warnwesten.

Sieht seine Tochter von der Haustür über den Rasen gehen, durch die silbernen, dicken Regentropfen. Er kurbelt das Beifahrerfenster herunter. Ihre Hände stecken in den Jackentaschen, sie trägt eine Jogginghose und Plastiksandalen.
»Papa«, sagt sie und lächelt. »Wie lange stehst du schon hier draußen?«
Er sieht das blaue Feilchen an ihrer rechten Wange.
»Komm rein«, sagt er, »es regnet.«
Greift sich eine neue Dose Carlsberg aus dem Fußraum der Rückbank. Drückt die Zigarette in den Aschenbecher der Mittelkonsole.

»Nein«, sagt sie, »das macht mir nichts.« Sie legt ihren Kopf in den Nacken, öffnet den Mund und streckt die Zunge heraus. Bückt sich wieder zum Beifahrerfenster. Sie kaut auf einem Kaugummi. Trägt grüne Regenjacke. Süßer Cola-Geruch in ihrem Atem.
»Eine meiner Fische ist gestorben«, sagt sie und sieht ihn an. »Ich hab ihn Rusty genannt.«
»Rusty«, sagt er.
»Ja«, sagt sie.
Er trinkt vom Carlsberger. »Was hast du mit ihm gemacht?«, fragt er. »Mit Rusty?« Dann: »Hat ihn Andreas weggeschmissen? Oder Mama?«
»Nein«, sagt sie. Sie zieht ihre Hand aus der Jackentasche und hält einen mit Wasser gefüllten Klarsichtbeutel in der Hand. Roter, schmaler Fisch mit prächtigen langen, segelgleichen Flossen treibt regungslos darin.
Ihre Augen plötzlich rot, tränengefüllt. »Ich weiß nicht, wie ich ihn begraben soll«, sagt sie. »Ich will ihn nicht ins Klo spülen oder so.« Sie schnieft. »Krieg ich ’ne Zigarette, Papa?«
Er greift nach seiner Schachtel, öffnet sie und hält sie ihr hin. Sie zieht eine Zigarette heraus, schnieft und fährt sich mit dem Handrücken über die Augen. Er hält ihr mit beiden Händen das Feuer hin. Sie raucht, fährt sich mit dem Handrücken über die Augen.
»Es war Rusty«, sagt sie.
»Ja«, sagt er.
»Ich hab ihn so lieb gehabt«, sagt sie.
»Ja«, sagt er. »Ich weiß.«
Sie raucht. Senkt den Kopf, hält sich die Hand vor ihren Augen; ihr Brustkorb bebt für einen Moment. Ihr Mund vom Weinen verzogen. Tränen mischen sich mit Regentropfen.
»Gib ihn mir«, sagt er. »Gib mir Rusty. Ich mach das.«
»Okay«, sagt sie. Fährt sich über die Augen. Sieht ihn an, schnieft. Reicht ihm den Klarsichtbeutel. »Du kümmerst dich um ihn, versprochen?«
»Ich werde ihn anständig begraben«, sagt er. »Er wird ein Grab bekommen, so wie es Rusty verdient hat.«
Sie fährt sich über die Augen. »Ja«, sagt sie. Sie steht da, sieht ihn an: gebückt, durchs Beifahrerfenster blickend; der Regen glänzend auf ihren haselnussbraunen Haaren, ihrem Gesicht, den Sommersprossen, der kurzen, spitzen, nach oben gebogenen Nase. Die dünnen Arme, die großen, blaugrünen Augen.
»Geh jetzt wieder rein«, sagt er.
»Okay«, sagt sie. Zieht an der Zigarette. »Du weißt, dass ich dich lieb hab, Papa?«, sagt sie. Ihre Augen wieder tränengefüllt. Das Zucken ihres Mundes.
»Ja«, sagt er und sieht sie an. »Ich dich auch. Ich liebe dich auch.« Er sagt: »Es gibt niemanden, den ich mehr liebe wie ich dich liebe.« All das Wasser, das vom Himmel fällt. Er sieht sie an, fährt sich über den Mund. »Aber geh jetzt wieder rein, Kleines«, sagt er.
Dann sieht er sie in großen Schritten über den Rasen gehen, zurück zum Haus. Gelbes Licht fällt durch die Fenster hinaus in die Dunkelheit. Tief hängende, grauschwarze Wolken, aus denen all das Wasser bricht. Unter dem Vordach bleibt sie stehen, dreht sich in der Regenjacke noch einmal zur Straße und hebt grüßend die Hand. Auf dem Beifahrersitz liegt der wassergefüllte Klarsichtbeutel mit dem regungslos darin treibenden roten, schmalen Fisch, mit den prächtigen, langen, segelgleichen Flossen. Kurbelt das Fenster wieder hoch.
Der aufschlagende Regen so laut, als hätte er selbst eine Stimme. Als würde er selbst zu ihm sprechen.
Er atmet tief ein und aus, fährt sich über den Kopf und legt anschließend sein Gesicht einen langen Moment in seine Hände.
Und dann, als er wieder hoch zum Haus blickte, sah er es. Er sah, wie der andere Mann an einem der beleuchteten Fenster des Hauses stand, im weißen T-Shirt, zu ihm hinausblickte und an einem orangenen Wassereis leckte. Daneben, im Fenster der Küche, sah er seine Tochter und seine Frau; wie sie nah beieinander standen, Worte zueinander sagten und sich umarmten; wie seine Tochter ihren Kopf in die Brust seiner Frau vergrub. Und im Nebenzimmer wieder der Kopf des anderen Mannes: Wie er hinter der Fensterscheibe stand, im Warmen, und mit seinen Lippen das Stieleis umschloss. Wie er sich das Eis rein und raus in den Mund schob, daran leckte. Wie er mit geöffnetem Mund seine Zungenspitze über die Ränder des Eises führte. Und ihn, der draußen im Wagen saß, dabei nicht aus den Augen ließ.

 
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Hey zigga

Ich finde den Text sehr sehr stark. Er ist atmosphärisch. Er ist komplex. Eine grandiose Idee, dass du die beiden Männer losziehen lässt. Genau in diesem Moment wird der andere Mann zu Andreas, da nennst du seinen Namen. Und am Ende ist er dann doch wieder der andere Mann, der am Fenster steht und Eis leckt. Also, das ist eine ziemliche emotionale Achterbahnfahrt, die du veranstaltest, da bleibt auch einiges diffus und zweideutig, es bleibt eine düstere Grundstimmung, die aber durch das meines Erachtens zentrale Thema deutlich aufgehellt wird: Die Liebe zwischen Vater und Tochter. Auch hier operierst du sehr geschickt, zunächst zeigst du die Tochter stärker als den Vater, sie sagt, er könne sie jederzeit anrufen, das fand ich übrigens toll gemacht, und dann regelt er aber doch die Dinge für sie, einerseits die Sache mit Enis, ohne dass sie davon erfährt, nehme ich an, dann aber auch die Sache mit dem Fisch. Ja, ich will da gar nicht weiter analysieren, ich gehe mit einer komplexen Gefühlsmischung aus dem Text, die mich bereichert. Gut gemacht finde ich übrigens auch, dass du nicht erklärst, was Enis Anna angetan hat. Mit dem blauen Auge kann ich gut leben, das hast du unaufdringlich und stimmig eingebaut. Mehr braucht es nicht, weil es ja darum nicht geht. (Ist interessant für mich, weil ich gerade kürzlich in einer Rückmeldung geschrieben habe, dass die Tatsache, dass man was weglässt oder nicht explizit macht, dazu führen kann, dass für den Leser diese Sache unter Umständen ein zu grosses Gewicht bekommt. Den Eindruck hatte ich hier nicht.)

Zur Kritik:

Nach der Lektüre bin ich nass. Meine Güte, so viel kann es doch nicht regnen, in jedem Abschnitt und immer wieder und es regnet und die Tropfen schlagen gegen die Scheibe! Mir wäre recht, wenn du mindestens vier, fünf Stellen rauskippst.
Ich habe mir auch gedacht, weshalb sitzen die Jungs auf der Parkbank, wenn es wie aus Kübeln schüttet? Die sind ja selten überdacht. Ich würde die Location ins Trockene verlegen.

Er erinnert sich an Lottes Anruf. Kurz nach Weihnachten vor drei Jahren. Er hörte, dass sie getrunken hatte. Sie brauchte nur »Hallo« zu sagen und er wusste, wenn sie getrunken hatte. Sie sagte, sie sage es ihm am Telefon, weil sie nicht wüsste, ob sie es anders könne; ob sie es ihm dann wirklich sagen würde. Ob ihr dann nicht die Kraft dafür fehlen würde. Sie sagte, sie wüsste nicht, was sie empfinden würde, wenn sie ihn vor sich sähe. Dass sie glaube, es nicht zu schaffen, wenn sie jetzt kein Schlussstrich ziehen würde.
Sie meinte, sie hätte ihn in eine ihrer Therapiesitzungen kennengelernt. Dass sie sich seit ein paar Monaten mit ihm treffe. Dass er ihr gut tue. Dass er noch nie einen Tropfen Alkohol in seinem Leben getrunken hätte.
Er sei Vorarbeiter bei Bosch-Rexroth. Er sei geschieden, kinderlos, und hätte ein Haus. Anna war damals zwölf.
Da wäre ich auch nicht traurig, wenn du diesen Abschnitt killst. All die Info brauche ich nicht, da ist ja auch nichts Überraschendes dabei, das denke ich mir doch genau so, plus minus. Und dann noch die Altersangabe am Ende des Abschnitts. Finde ich ebennfalls nicht nötig.

Mit Annas doppelten Erklärung, du weisst, dass ich dich lieb habe, kann ich mich auch nicht so recht anfreunden. Einmal darf sie es gerne sagen, weil der Text ihr wenig Gelegenheit gibt, das zu zeigen (Obwohl ja die Tatsache, dass sie sich mit dem toten Fisch an ihn wendet, schon alles sagt.) Aber Tonis Aussage, dieses: Es gibt niemanden, den ich mehr liebe als ich dich liebe, meine Güte, das sagt der ganze Text ja schon.

Mehr habe ich glaub nicht. Ist ein Hammertext, zigga!

Lieber Gruss
Peeperkorn

P.S.
Dass der Fisch Rusty heisst, kann kein Zufall sein. Rumble Fish, oder? Einer meiner Lieblingsfilme, als ich Teenager war.

 

Hi @Peeperkorn!

Vielen Dank für die extrem schnelle Rückmeldung :) Hat mich sehr gefreut.

Ich finde den Text sehr sehr stark. Er ist atmosphärisch. Er ist komplex.
Vielen Dank für das Lob. Und freut mich natürlich umso mehr, dass die Story dir gefällt, Peeperkorn.

Eine grandiose Idee, dass du die beiden Männer losziehen lässt. Genau in diesem Moment wird der andere Mann zu Andreas, da nennst du seinen Namen. Und am Ende ist er dann doch wieder der andere Mann, der am Fenster steht und Eis leckt.
Super, dass dir das aufgefallen ist. Genau so war es gedacht. Hatte schon befürchtet, man könnte da durcheinander kommen oder es missverstehen.

Also, das ist eine ziemliche emotionale Achterbahnfahrt, die du veranstaltest, da bleibt auch einiges diffus und zweideutig, es bleibt eine düstere Grundstimmung, die aber durch das meines Erachtens zentrale Thema deutlich aufgehellt wird: Die Liebe zwischen Vater und Tochter. Auch hier operierst du sehr geschickt, zunächst zeigst du die Tochter stärker als den Vater, sie sagt, er könne sie jederzeit anrufen, das fand ich übrigens toll gemacht, und dann regelt er aber doch die Dinge für sie, einerseits die Sache mit Enis, ohne dass sie davon erfährt, nehme ich an, dann aber auch die Sache mit dem Fisch.
Super, ich kann kaum etwas dazu sagen, außer, dass ich mich sehr über deine Gedanken zum Text gefreut habe, weil ich es mir beim Schreiben genau so gedacht habe und das genau so bei dir angekommen ist.

Ja, ich will da gar nicht weiter analysieren, ich gehe mit einer komplexen Gefühlsmischung aus dem Text, die mich bereichert. Gut gemacht finde ich übrigens auch, dass du nicht erklärst, was Enis Anna angetan hat. Mit dem blauen Auge kann ich gut leben, das hast du unaufdringlich und stimmig eingebaut. Mehr braucht es nicht, weil es ja darum nicht geht. (Ist interessant für mich, weil ich gerade kürzlich in einer Rückmeldung geschrieben habe, dass die Tatsache, dass man was weglässt oder nicht explizit macht, dazu führen kann, dass für den Leser diese Sache unter Umständen ein zu grosses Gewicht bekommt. Den Eindruck hatte ich hier nicht.)
Super. Vielen Dank dir. Freut mich, dass das so gut ankommt bei dir.

Zur Kritik:

Nach der Lektüre bin ich nass.

:D
Meine Güte, so viel kann es doch nicht regnen, in jedem Abschnitt und immer wieder und es regnet und die Tropfen schlagen gegen die Scheibe! Mir wäre recht, wenn du mindestens vier, fünf Stellen rauskippst.
Hast ja recht, es regnet echt extrem viel. Dachte, der Regen, das Wasser sei ein guter Aufhänger, um eine gewisse Stimmung rüber zu bringen. Aber es regnet viel. Auch sprachlich. Ich bin mir im Augenblick nicht sicher, ob ich das auch zu viel finde oder nicht. Ist aber auf jeden Fall vermerkt und ich werde den Text dementsprechend in einiger Zeit noch mal durchgehen - im Augenblick bin ich einfach noch viel zu Stark in der Story drin, auf einer gewissen Art, als dass ich da mit klarem Blick draufschauen könnte. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass die Story dementsprechend etwas überladen ist, vielleicht auch sprachlich, also was Wiederholungen angeht, dass ich es da etwas übertrieben habe mit dem Regen.

Ich habe mir auch gedacht, weshalb sitzen die Jungs auf der Parkbank, wenn es wie aus Kübeln schüttet? Die sind ja selten überdacht. Ich würde die Location ins Trockene verlegen.
Guter Punkt. Aber (! :D) es ist ja so: Ich will jetzt meinen Plot nicht auf Biegen und Brechen verteidigen, aber zu dem Zeitpunkt, als Toni und Andreas in den Park laufen bzw zu ihm fahren, herrscht ja nur leichter Nieselregen bzw. Wind. Es ist auch nicht gesagt, dass am selben Tag zuvor schon dieser starke Niederschlag gewesen wäre. Also, versteh mich nicht falsch, ist ein guter Punkt, den du da ansprichst, bei Starkregen würden die sicher nicht in den Park laufen, aber ich hatte mir das so konzipiert, dass es an dem Tag bis dato noch nicht stark geregnet hat, die Tage zuvor und danach schon; erst nach dem Parkbesuch beginnt es dann wieder stark zu regnen. Aber ja, ich werde mal drüber nachdenken, auf eine gewisse Weise hast du natürlich recht, wenn man als Leser wie du in dem Text ist, könnte das ein wenig befremdlich wirken.

Da wäre ich auch nicht traurig, wenn du diesen Abschnitt killst. All die Info brauche ich nicht, da ist ja auch nichts Überraschendes dabei, das denke ich mir doch genau so, plus minus. Und dann noch die Altersangabe am Ende des Abschnitts. Finde ich ebennfalls nicht nötig.
Auch ein interessanter Punkt, den du hier ansprichst. Ich war mir fast absolut sicher, dass dieser Absatz so etwas wie texttragend ist. Also vom Gefühl her. Weil ich nie mit dem Gedanken gespielt habe, ihn zu killen. Ein wenig Backstory, ein wenig Figur. Ich bin mir nicht sicher, ob ich den killen kann; jedenfalls im Augenblick. Auf eine Art gefällt er mir vom Bauchgefühl her gut bzw. kommt er mir gut in dem Text passend vor. Ich denke mal drüber nach und werde noch mal drüber schauen, wenn ich etwas Abstand zum Text habe. Auf eine gewisse Weise hast du natürlich auch hier recht: Es passiert nichts, was sich der aufmerksame Leser nicht auch zwischen den Zeilen hätte denken können. Aber mache ich ihm den Text leichter zugänglich, wenn ich ihm bei diesem Teil das Denken und die Interpretation einmal abnehme? Schwierig.

Mit Annas doppelten Erklärung, du weisst, dass ich dich lieb habe, kann ich mich auch nicht so recht anfreunden. Einmal darf sie es gerne sagen, weil der Text ihr wenig Gelegenheit gibt, das zu zeigen (Obwohl ja die Tatsache, dass sie sich mit dem toten Fisch an ihn wendet, schon alles sagt.) Aber Tonis Aussage, dieses: Es gibt niemanden, den ich mehr liebe als ich dich liebe, meine Güte, das sagt der ganze Text ja schon.
Ich will mich nicht wiederholen, aber auch das ist ein spannender Punkt. Weil diese Stelle für mich vom Bauchgefühl her ebenso "wichtig" erschien, bzw., ich merke das einfach, wenn ich mir eine Story mehrmals durchlese nach dem Schreiben und gewisse Abschnitte einfach sehr gerne lese; so war das auch mit diesem Absatz. Nach meinem Bauchgefühl hab ich hier - ich hoffe, das klingt jetzt nicht falsch, aber ich kann's nicht anders beschreiben - einen sehr "echten" Moment zwischen Vater und Tochter gezeigt; also "echt" im Bezug darauf, dass man hier so etwas wie den "wahren Kern" von Toni evtl. zu sehen bekommt. Ich will das jetzt nicht überlabern, ich weiß nicht, ob ich das auf den Punkt bekomme, aber letztendlich dachte ich, es sei eine Szene, die die Beziehung zwischen Toni und Tochter evtl. sehr ehrlich auf den Punkt bringt. Klar, das sagt der Gesamttext im Subtext die ganze Zeit über; schwierig, hier abzuwägen. Was ist zu viel und was ist zu wenig? Ich hab da keine eindeutige Antwort. Ist aber ein interessanter Gedankenanstoß, den du mir hier gibst.

Mehr habe ich glaub nicht. Ist ein Hammertext, zigga!
Ach danke. Ich freue mich.

P.S.
Dass der Fisch Rusty heisst, kann kein Zufall sein. Rumble Fish, oder? Einer meiner Lieblingsfilme, als ich Teenager war.
Ist tatsächlich ein Zufall. Trailer aber schon gesichtet und schaut sehr, sehr geil aus. Werde ich mir direkt mal reinziehen. :D

Merci noch mal, Peeperkorn!


@ragu

Danke dir für deinen Kommentar.

Der Text fällt sprachlich aus dem Rahmen. Inhaltlich muss man etwas mitdenken. Fühlen. Bereit sein.
Nichts für Süßwasserfische ...
Ja, ich kann mir vorstellen, dass das nichts für Jedermann ist. Deswegen finde ich es so spannend mal zu sehen, wie der Text ankommt. Das Ellipsenhafte, da bin ich mir auch unsicher. Bei der Schwermütigkeit bzw. das etwas "Dunklere" eher nicht, das mag ich und lese/schaue es selbst gerne. Ist natürlich alles Geschmackssache, wie immer in der Literatur.

Alles Beste
zigga

 

Hi zigga,

für eine umfassende Kritik fehlt mir gerade die Zeit, aber ich möchte doch zwei Dinge, die Peeperkorn angemerkt hat, aufnehmen, weil ich es grade andersrum gelesen habe.

Er sei Vorarbeiter bei Bosch-Rexroth. Er sei geschieden, kinderlos, und hätte ein Haus. Anna war damals zwölf.

Ich habe damit tatsächlich herausgelesen, dass Andreas unter anderem auch mit Lotte zusammen ist, weil er Interesse an Anna hat. Es gibt zwar kaum Szenen, die das weiterhin belegen, aber dadurch, dass man sonst nicht viel von den Protagonisten erfährt, war das für mich eine richtungsweisende Information. Der Text ist so düster, dass ich auf so Gedanken komme.
Also falls das überhaupt nicht deine Intention war, würde ich auch vorschlagen, diesen Abschnitt rauszunehmen und das ganze damit auf reduzierten Informationsniveau zu halten.

Weiterhin finde ich es aber wichtig, dass Anna zweimal sagt, wie lieb er sie hat und auch, dass er darauf

: »Ja«, sagt er und sieht sie an. »Ich dich auch. Ich liebe dich auch.« Er sagt: »Es gibt niemanden, den ich mehr liebe wie ich dich liebe.«
antwortet.
Ich stelle mir vor, dass er das noch nie zu ihr gesagt hat. Er ist ja auch nicht der Typ, der sein Herz auf der Zunge trägt.

Auch ich finde den Text sehr atmosphärisch. Die ersten paar Zeilen habe ich zwar gebraucht, bis ich mich gänzlich anfreunden konnte, weil ich mich durch die Distanziertheit erst einmal warm lesen musste, aber dann hat er mich bis zum Ende gepackt.

Was ich auch empfand: Der Toni würde mich, hätte ich ihn auf der Straße getroffen, wohl überhaupt nicht als Mensch interessieren. Durch den Text jedoch wird er mir sympathisch und irgendwie tut er mir auch sehr leid. Interesssanterweise geht es auch überhaupt nicht um die Beziehung mit Lotte, sondern nur um Anna. Sie würde ja gerne mehr von ihm haben, aber das kann er ihr nicht geben, weil er da zu sehr Toni ist (wie ich ihn wohl auf der Straße getroffen, einschätze).

Übrigens gefällt mir der Titel auch ausgesprochen gut.
Alles gut gemacht.

Liebe Grüße
bernadette

 

Ich habe damit tatsächlich herausgelesen, dass Andreas unter anderem auch mit Lotte zusammen ist, weil er Interesse an Anna hat. Es gibt zwar kaum Szenen, die das weiterhin belegen, aber dadurch, dass man sonst nicht viel von den Protagonisten erfährt, war das für mich eine richtungsweisende Information. Der Text ist so düster, dass ich auf so Gedanken komme.

Das ist mir bei dieser Stelle tatsächlich ebenfalls durch den Kopf gegangen, habe es aber sofort wieder zur Seite geschoben, weil der Text ansonsten keine Hinweise darauf gibt. Ja, wenn dir das genehm ist, dass die Leser hier auf solche Gedanken kommen, dann hat der Abschnitt schon einen Mehrwert. Aber ich finde diesen Zusatzkick nicht nötig.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hat für mich was von einem modernen Western und dazu passen die Ellipsen, die durch Verzicht aufs Subjekt zu Brandbeschleunigern werden – Subjekt in seiner ganzen Bedeutung vordergründig für den Satz(bau) und psychologisch, wenn man die lateinische Wurzeln verwendet subicer (dar/unterwerfen, unter etwas legen, zu: sub = unter und iacere= werfen - als Nichtlateiner braucht es Hilfsmittel, wie in dem Fall den Duden) wie dem der (in unserem Fall Familien-) Ehre und – natürlich, die abwertende Bezeichnung für „diese Subjekte“ … Ob es der Markennamen bedarf, bezweifel ich eher, als wäre Dosenbier nicht schon Symbol genug für Jean Paul und mich. (Und auch das nobelste Auto ist eine Dreckschleuder, was durch Elektrizität nicht viel anders wird, wenn man um die Zusammensetzung der Elektromotoren weiß.) Der Dauerregen und brechende Dämme mag man als Zeichen der Zeit ansehen – muss ja nicht gleich die Sintflut sein (sint hat nix mit der seit dem Mittelalter vom Volksmund reingelesenen „Sünde“ zu tun - ahd. „sin/a“ = gewaltig, aber auch lang- oder immerwährend). Aber eine großartige Geschichte ist es dennoch,

zigga!

Paar Flusen und Staubkörnchen nach dem ersten Lesen

Sie meinte, sie hätte ihn in eine[r] ihrer Therapiesitzungen kennengelernt.
(kommt nachher, weiter unten, ähnlich vor - führ ich gleich mit auf)

Toni nickt. Greift die Schachtel Pall Mall von der Mittelkonsole, öffnet sie und hält sie dem anderen hin. »Zigarette?«, sagt er.
Der andere Mann dreht sich um, …
Gibt erst dem anderen Mann Feuer, dann sich selbst. Der andere zieht an der Kippe, pustet den Rauch aus. …
...
»Ich will, dass du eins weißt«, sagt der Andere. ...»Dass ich ’nen verdammten Respekt vor Familie habe. Familie ist alles«, sagt Andreas.
Warum ein ganzer Absatz? „der andere“ besser hier mit Minuskel, ist ja – wie zuvor belegt, das Attribut eines „anderen“ Mannes.
Ich weiß, dass "Andreas" nicht der Andere bedeutet, aber ein bisschen ungewollte Komik oder Wortspiel kommt zumindest bei mir auf ...

Seine Freunde drehen sich jetzt auch. Blicken auf Toni, als ob sie auf etwas Zerfallendes blicken würden; als ob sie einen Mann stürzen oder Schnee fallen sehen würden.
Warum nicht einmal den Konj. ohne „würde“ - der Satz und der Beteiligte verlieren doch nix von ihrer Würde. Und sonders gefählich und verwechselbar wäre ein „stürzen und fallen sähen“ auch nicht. Weder die „Freunde“ noch Toni schreiben oder sprechen hier, sondern zigga ...

Der herbe, nach Schweiß und Holzspä[...]nen riechende Geruch des anderen Mannes noch im Innenraum.

Da küddet nochenemal
»Eine[r] meiner Fische ist gestorben«, sagt sie

Unter dem Vordach bleibt sie stehen, dreht sich in der Regenjacke noch einmal zur Straße …
Nee, „mit“ der Regenjacke … die Jacke wird sich mitdrehen … Lass sie einfach weg ... Hat sie doch noch nicht ausgezogen ... oder ich hab's nicht mitgekriegt ... Trau ich mir durchaus zu ...

Er sah, wie der andere Mann an einem der beleuchteten Fenster des Hauses stand, im weißen T-Shirt, zu ihm hinaus blickte und an einem orangenen Wassereis leckte.
Ein Wort „hinausblicken“!

Wie dem auch wird, gern gelesen vom

Friedel

 

Moin, @AWM,

i. d. R. misch ich mich nicht in die Kommentare anderer ein, hier aber

https://www.wortkrieger.de/index.php?goto/post&id=722424

und zu Deiner Anmerkung
weil ich mich daran überhaupt nicht störe. Aber anscheinend muss man orangenfarben schreiben.
gelboranges“ geht lt. Duden (sicherheitshalber reingeschaut), also schlicht „orangenes“

Dann zur Ellipse

Draußen der Regen noch stärker geworden

Du schreibst: Mir gefällt der Stil der Geschichte gut. Der Satz fällt aber heraus und für mich müsste da ein "ist" hin.
Nee, muss nicht, die Ellipse muss nicht zerstört werden. Aber ein Komma oder Gedankenstrich sollte eingesetzt werden – etwa der Art „Draußen der Regen,/ - noch stärker geworden. Auf'm Theater würde sogar noch die Regieanweisung

"Draußen, der Regen, noch stärker geworden" Kommas zum Luftholen/kleine Pausen

So, ich entmisch ma' wieder. Tschüss

Friedel

 

Hey @zigga,
für mich ist das ein Text, der sich erst nach mehrmaligem Lesen entfaltet, überall entdecke ich Neues, frage mich, was mit Anna passiert ist, was die Jungs gemacht haben und will es gleichzeitig gar nicht wissen, denn das ist für mich nicht das Entscheidende hier. Es ist die Stimmung, das Verhältnis der Figuren zueinander, die Trostlosigkeit und Kälte, nur Vater und Tochter scheinen sich nahe zu stehen. Gut finde ich auch, wie du mit Klischees spielst, sie aber nicht einsetzt. Die Mutter ist Alkoholikerin, hat Andreas in der Therapiegruppe kennengelernt, und trotzdem steht es nicht im Mittelpunkt, das schwierige Verhältnis zur Tochter zu zeigen, das schwingt nur unterschwellig mit, ein paar Andeutungen, den Rest kann der Leser sich denken oder auch nicht, denn im Zentrum steht für mich das Verhältnis zwischen den Männern. Das hast du klasse aufgebaut. Erst denke ich, die beiden Männer geraten aneinander, aber sie halten zusammen, denn es ist ja jetzt auch Andreas' Familie.
Heftig. Vor allem, weil das so nebenbei gesagt wird, so als wäre es eine Selbstverständlichkeit, und gerade das macht den Grusel aus, diese ausweglose Lage, denn zeitgleich ist Toni von ihm abhängig.
Gut fand ich auch, dass durch das er/der andere Mann immer wieder Nähe und Distanz zueinander greifbar werden, bis er schließlich allein ist, im Regen, den toten Fisch auf der Rückbank. Deine Bilder sind sehr pointiert, vor allem der Schluss gefällt mir sehr. In der Hinsicht also ein echter zigga :thumbsup:

Mit dem Stil hatte ich zunächst aber große Schwierigkeiten. Du verknappst so extrem, dass die teils unvollständigen Sätze meinen Lesefluss ständig ins Stocken brachten, ich überhaupt nicht in den Text gekommen bin, weil er mich durchweg auf Distanz hielt und richtig unruhig gemacht hat. Ich weiß, das ist Geschmackssache, und es drückt ja auch die Haltung des Protagonisten aus, aber für mich las es sich sehr anstrengend. Das fand ich schade, und ich denke, ich hätte ihn wohl auch kein zweites Mal gelesen, wenn ich nicht wüsste, dass du ihn auf dem Gewissen hast.


Ihr Gesicht, ihr kastanienbraunes Haar
Der Einschub passte für mich nicht an der Stelle.

Sie liegt unter einer hellblauen Stoffdecke auf der Couch
Dieses sie/er hat mich am Anfang extrem verwirrt. Ich dachte erst, sie ist Anna. Und als plötzlich Namen auftauchten, hab ich mich gefragt, warum das nicht gleich am Anfang so war. Der Orientierung halber.

Draußen der Regen noch stärker geworden
Ich weiß, das soll so sein, aber ich hab eben immer das Gefühl, da fehlt was. Ginge nicht auch:
Draußen noch stärkerer Regen. Oder Kommas setzen, wie Friedel schon gesagt hat.

Er legt den Arm um sie und küsst sie in ihr Haar.
Hier würde ich eher "auf" schreiben

In seiner Wohnung setzt er sich mit noch nassen Klamotten aufs Bett. Regen prasselt aufs Fenstersims. Trägt noch Bomberjacke, schwarze Arbeitshose, Boots.
Ich würde das mit der Bomberjacke schreiben, nachdem er sich aufs Bett setzt, und dann den Regen. Sonst klingt es, als würde der Regen die Jacke tragen, und du vermeidest so auch das doppelte "aufs".

kein Schlussstrich
keinen. Oder ist das auch wieder ein Stilmittel? Egal, ich dachte, ich merk das mal an.


eine ihrer Therapiesitzungen
Hier auch. eine(r)

sandfarben dunkel
Ist sandfarben nicht eher eine Art beige?

Der mit dem gekämmten Haar
:lol: Schöne Art, die beiden zu beschreiben.

Sein Blick, als ob er auf etwas Großes sehen würde: einen Felsen, eine Raubkatze, eine Lawine oder Berg.
Gefällt mir auch.

sagt Toni lautstark im Schritt
Ähem ... Das klingt etwas missverständlich.

Enis' Augen rostbraun wie ein gesunkener, am Grund eines Meeres liegender Tanker. Wie Dellen in einem Auto.
Ich würde den Tanker weglassen, dann wirkt es mMn stärker.


»War nie besser«
:thumbsup:

nach Schweiß und Holzspähnen riechende
Ich glaube, es heißt nur Holzspähne.

So, ich bin durch. Schwere Geburt, weil zwischendurch plötzlich alles weg war, aber nun ist ja alles gut.

Gerne gelesen kann ich aber nicht schreiben, denn das war ja, wie gesagt, nicht so vergnüglich für mich, aber die Geschichte als solche ist toll. Ich hoffe nur, dass du jetzt nicht immer in diesem Stil schreibst.

Einen schönen Abend wünscht Chai

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi @bernadette!

Vielen Dank dir fürs Lesen und Rückmelden.

für eine umfassende Kritik fehlt mir gerade die Zeit, aber ich möchte doch zwei Dinge, die Peeperkorn angemerkt hat, aufnehmen, weil ich es grade andersrum gelesen habe.
Sehr gerne.

Ich habe damit tatsächlich herausgelesen, dass Andreas unter anderem auch mit Lotte zusammen ist, weil er Interesse an Anna hat. Es gibt zwar kaum Szenen, die das weiterhin belegen, aber dadurch, dass man sonst nicht viel von den Protagonisten erfährt, war das für mich eine richtungsweisende Information. Der Text ist so düster, dass ich auf so Gedanken komme.
Also falls das überhaupt nicht deine Intention war, würde ich auch vorschlagen, diesen Abschnitt rauszunehmen und das ganze damit auf reduzierten Informationsniveau zu halten.
Ja krass. Mir fallen zwei Dinge dazu ein: Ich denke, wenn meine Tochter in einen anderen Haushalt mit einem Mann zieht, den ich nicht oder kaum kenne, dazu ist der Draht zur Mutter schlecht, wird sich jeder Vater einmal diese Frage stellen: Ob man dem anderen trauen kann. Von daher gesehen - aber vielleicht ist das zu weit gegriffen - kommt mir der Gedanke legitim vor, auch an der Stelle, da ich mir gut vorstellen kann, dass Toni sich so einen Gedanken machen könnte.
Zweitens hatte ich das aber bewusst nicht auf dem Schirm, dass so eine Assoziation beim Leser aufploppen könnte bzw. so dominant aufploppen könnte. Ich dachte beim Schreiben tatsächlich gar nicht bewusst daran, nicht in der Intensität. Natürlich, da wird offen gelassen, was denn passiert ist und man denkt natürlich an den anderen Mann, aber dass das Leser so sehr beschäftigt und in eine Sackgasse führt über Strecken des Textes hinweg war nicht meine Absicht. Mit dem Erwähnen des Alters wollte ich eher ein wenig einen Rahmen für den Leser abstecken, damit man einschätzen kann, ok, wie alt ist die Tochter, seit wann lebt sie mit ihrer Mutter und dem Freund zusammen; ein wenig Backstory sozusagen. Ich denke mal drüber nach, wie ich verfahre, vielen Dank für den Hinweis!

Weiterhin finde ich es aber wichtig, dass Anna zweimal sagt, wie lieb er sie hat und auch, dass er darauf:
»Ja«, sagt er und sieht sie an. »Ich dich auch. Ich liebe dich auch.« Er sagt: »Es gibt niemanden, den ich mehr liebe wie ich dich liebe.«
antwortet.
Ich stelle mir vor, dass er das noch nie zu ihr gesagt hat. Er ist ja auch nicht der Typ, der sein Herz auf der Zunge trägt.
Super. So kann ich mir das auch gut vorstellen und es freut mich, dass du es so gelesen hast, wie ich es beim Schreiben vor Augen hatte. Dass das ein besonderer Moment ist, ein intimer, auf eine Weise. Ich denke, wenn man es beim Lesen so empfindet, dass man da sehr nah bei den Figuren und bei den Wahrheiten, die sie vertreten, ist, kann man so eine Stelle eigentlich fast nicht kicken. Kommt eben immer darauf an, wie die Stelle funktioniert; für Peeperkorn war so etwas Infodump, ich denke, er als Leser hat das nicht gespürt, deswegen ist es immer schön, Meinungen zu hören/lesen, wie der Text und einzelne Passagen wirken.

Auch ich finde den Text sehr atmosphärisch. Die ersten paar Zeilen habe ich zwar gebraucht, bis ich mich gänzlich anfreunden konnte, weil ich mich durch die Distanziertheit erst einmal warm lesen musste, aber dann hat er mich bis zum Ende gepackt.
Super, das freut mich. Es ist ein wenig ein sprachliches Experiment, das ist mir klar. Ich bin auch am hin und her überlegen, ob man mit so einer Sprache in einer Story an den Leser treten kann, oder: An welche Leser kann man so treten? Ist schwer einzuschätzen für mich, ob man das lesen kann oder nicht rein kommt, ob das zu ist.

Was ich auch empfand: Der Toni würde mich, hätte ich ihn auf der Straße getroffen, wohl überhaupt nicht als Mensch interessieren. Durch den Text jedoch wird er mir sympathisch und irgendwie tut er mir auch sehr leid. Interesssanterweise geht es auch überhaupt nicht um die Beziehung mit Lotte, sondern nur um Anna. Sie würde ja gerne mehr von ihm haben, aber das kann er ihr nicht geben, weil er da zu sehr Toni ist (wie ich ihn wohl auf der Straße getroffen, einschätze).
Das freut mich, dass du ihn als echten Menschen ansiehst.

Übrigens gefällt mir der Titel auch ausgesprochen gut.
Alles gut gemacht.
Also, danke für die (ich finde doch sehr ausführliche!) Rückmeldung, bernadette!

@Peeperkorn

Das ist mir bei dieser Stelle tatsächlich ebenfalls durch den Kopf gegangen, habe es aber sofort wieder zur Seite geschoben, weil der Text ansonsten keine Hinweise darauf gibt.
Falls du es nicht siehst, ich habe @bernadette das auf den von dir zitierten Abschnitt geantwortet:
Ja krass. Mir fallen zwei Dinge dazu ein: Ich denke, wenn meine Tochter in einen anderen Haushalt mit einem Mann zieht, den ich nicht oder kaum kenne, dazu ist der Draht zur Mutter schlecht, wird sich jeder Vater einmal diese Frage stellen: Ob man dem anderen trauen kann. Von daher gesehen - aber vielleicht ist das zu weit gegriffen - kommt mir der Gedanke legitim vor, auch an der Stelle, da ich mir gut vorstellen kann, dass Toni sich so einen Gedanken machen könnte.
Zweitens hatte ich das aber bewusst nicht auf dem Schirm, dass so eine Assoziation beim Leser aufploppen könnte bzw. so dominant aufploppen könnte. Ich dachte beim Schreiben tatsächlich gar nicht bewusst daran, nicht in der Intensität. Natürlich, da wird offen gelassen, was denn passiert ist und man denkt natürlich an den anderen Mann, aber dass das Leser so sehr beschäftigt und in eine Sackgasse führt über Strecken des Textes hinweg war nicht meine Absicht. Mit dem Erwähnen des Alters wollte ich eher ein wenig einen Rahmen für den Leser abstecken, damit man einschätzen kann, ok, wie alt ist die Tochter, seit wann lebt sie mit ihrer Mutter und dem Freund zusammen; ein wenig Backstory sozusagen. Ich denke mal drüber nach, wie ich verfahre, vielen Dank für den Hinweis!

Danke für deine erneute Rückmeldung.


Lieber @Friedrichard,

Hat für mich was von einem modernen Western
:D Finde ich gut

dazu passen die Ellipsen, die durch Verzicht aufs Subjekt zu Brandbeschleunigern werden
Ein wenig Mitschuld trägst du daran, Friedel, nachdem du mir letzten November unter "Schnee" geschrieben bzw. empfohlen hattest, einmal darüber nachzudenken, ellipsenhaft zu erzählen; auch damals fiel schon das Wort "Brandbeschleuniger" und ich hatte öfters mal daran gedacht und Lust darauf bekommen. Ist dann relativ ungewollt passiert, dass ich die Story mal sprachlich in der Form gemacht habe. Ich bin mir nach wie vor nicht sicher, wie ich dazu stehe. Ich weiß, dass Leser Texte oft vollkommen anders lesen als man sie als der Autor liest; ist eine Binsenweisheit, aber ich kann gerade noch schlecht einschätzen, ob man mit so einer ellipsenhaften Sprache an Leser treten kann, oder ob das nicht doch abschreckt, zu uneingänglich ist. Vielleicht ist das auch eine Frage von Zielgruppe.

Aber eine großartige Geschichte ist es dennoch,
Vielen Dank

Paar Flusen und Staubkörnchen nach dem ersten Lesen
Die sauge ich direkt weg und spachtel fehlende Konsonanten in die Löcher - merci!

Warum ein ganzer Absatz? „der andere“ besser hier mit Minuskel, ist ja – wie zuvor belegt, das Attribut eines „anderen“ Mannes.
Ich weiß, dass "Andreas" nicht der Andere bedeutet, aber ein bisschen ungewollte Komik oder Wortspiel kommt zumindest bei mir auf ...
Oh Mann, entschuldige, wenn ich auf der Leitung stehe, aber ich checke gerade leider nicht, was du hier meinst, Friedel.

Warum nicht einmal den Konj. ohne „würde“
Das ist eine gute Idee. Werde ich so übernehmen

Wie dem auch wird, gern gelesen vom
Danke fürs Lesen, Fehlerauflisten und Kommentieren!

Hallo @AWM

Dir auch herzlichen Dank fürs Vorbeischauen und Kommentieren.

Hallo @zigga, da ist dir ein wahnsinnig atmosphärischer und sprachlich dichter Text gelungen. Habe ihn gestern im Schwimmbad gelesen und die Stimmung hat mich ganz eingesogen und das bei prallem Sonnenschein.
Hey danke, ich freue mich

auf der Rückseite, in großen, gelben Buchstaben: ›WSDS – Sicherheit‹.

Ich finde, das könntest du geschickter unterbringen. Das passt perspektivisch für mich nicht. Er sieht das ja in dem Moment nicht und warum sollte er jetzt daran denken, dass das da steht?
Ja, interessant. Für dich ist das ein personeller Erzähler gewesen (heißt das so?), also aus der Sicht des Prots. Ich hatte tatsächlich auch einen auktorialen Teil im Erzähler gesehen, also, dass man die Figur beobachtet, nur wissen kann, was sie weiß, aber dass das Ganze von einer unabhängigen, außenstehenden Instanz erzählt wird. Wie in einem Film praktisch, wo die Kamera weitestgehend den Prot verfolgt. Ich finde, wenn man es so sieht, könnte das doch schon gehen mit der Schrift auf dem Rücken, oder? Aber danke für den Hinweis, dass du es so gelesen hast. Ich bin gerade leider etwas matsche im Kopf, aber ich werde mir definitiv darüber noch meine Gedanken machen; v.a. dass ich eine andere Erzählperspektive angestrebt hatte, aber dir dann einige Szenen als Leser als Perspektivbruch vorkamen - das darf natürlich nicht sein.

Mir gefällt der Stil der Geschichte gut. Der Satz fällt aber heraus und für mich müsste da ein "ist" hin.
Krass, genau an der Ellipse scheinen sich einige zu reiben. Danke für den Hinweis, ist notiert und ich werde mal gucken

Ob ihr dann nicht die Kraft dafür fehlen würde. Sie sagte, sie wüsste nicht, was sie empfinden würde, wenn sie ihn vor sich sähe. Dass sie glaube, es nicht zu schaffen, wenn sie jetzt kein Schlussstrich ziehen würde.

Das würde ich unbedingt streichen. Ohne das würde die Stelle viel stärker wirken.

Auch total interessant, dass diesen Absatz viele streichen würden. Der ist mir beim Schreiben nie wie ein Wackelkandidat vorgekommen, eher, als sei er texttragend. Auch jetzt muss ich sagen, sehe ich nicht ganz, weswegen dieser Absatz so übererklärend ist. Also, ich glaube euch, aber muss wohl etwas Abstand zur Story gewinnen, dass ich da mit klarem Blick draufsehen kann. Ich dachte: Ein wenig Backstory, ein wenig Figurenzeichnung bzw. -konstellation, damit der Leser sich nicht allzu viel zusammenklauben muss.

»Bingo«, sagt Andreas. Blickt zu Toni und nickt vor zur Parkbank. Einer sitzt auf der Rückenlehne. Zwei tragen dunkle Caps, der Dritte an den Seiten abrasiertes, zur Seite gekämmtes, rabenschwarzes Haar.

Würde hier eine Bushaltestelle oder sowas nehmen. Finde es nicht glaubhaft, dass die bei Starkregen im Park chillen.
Bushalte ist eigentlich eine gute Idee. Haben auch schon Peeperkorn und noch jemand angemerkt, dass das seltsam ist, dass sie bei dem Regen rausgehen. An dem Nachmittag, als die beiden losziehen, nieselt es ja nur ein wenig. Aber ja, im Kontext der Story sieht man das als Leser weniger, wenn es immer nur regnet, ist schon klar. Werde da noch mal dran basteln.

Dann: »So haben wir’s hier schon immer geregelt. Jetzt wissen sie, wie wir das hier regeln. Da hilft nichts«, sagt Andreas. »Wenn du wüsstest«, sagt Andreas.

Das würde ich streichen, weil es mir too much ist. Da wird das für mich unfreiwillig komisch. Die zwei Sätze davor reichen mir.

Ok. Ich muss mal sacken lassen und drüber nachdenken. Ist auf jeden Fall ein interessanter Punkt.

Nigger finde ich irgendwie unpassend. Das Wort ist für mich sehr amerikanisch konnotiert und in Deutschland eher jugendlich. Neger oder sowas würde ich Andreas eher abnehmen.
Ja, das stimmt. Ich hatte echt viele Varianten für das Wort ausprobiert. Kanacke, Neger, Assis oder einfach "solche". Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass Andreas an dieser Stelle noch einmal ein wenig eine Grenze überschreiten muss, sprachlich so eine Nasenlänge drüber gehen muss, nach der Schlägerei, die man ja durchaus als Leser "moralisch" abkaufen und ihn auf die Seite der "Guten" stellen könnte (ich hoffe du weißt, wie ich meine); "Neger" sagen noch einige, wahrscheinlich in der Altersklasse wie Andreas nicht ganz so verbreitet, aber in dem Milieu durchaus noch gängig und gar nicht mal als Beleidigung gemeint. Das ging mir durch dem Kopf, als ich nicht Neger genommen habe. Weil ich mir dachte, das ist zu nett, das könnte man Andreas zu leicht durchgehen lassen; ich finde, in Nigger steckt auch so etwas menschenverachtendes, richtige Aggression. Das lässt man - meinem Gefühl nach - einer Figur nicht "durchgehen" (damit meine ich, dass man der Figur an/ab so einem Punkt evtl. als Leser bauchgefühlmäßig etwas misstraut?) Aber ich denke wirklich noch mal drüber nach. Gerade, falls ich an dem Dialog an sich noch etwas kürzen sollte, die Sätze davor, könnte das noch mal ganz anders wirken und ein anderes Wort würden nach meinem Gefühl die gleiche Wirkung entfalten, wie ich es hier mit Nigger versucht habe.

Deine Dialoge finde ich toll.
Hey danke. Das freut mich.

Brauche den Zeitenwechsel nicht.
:) Ok, danke für die Rückmeldung. Ich finde, das Präteritum kann so ein wenig eine andere Stimmung rüberbringen, gerade, wenn es um Enden geht. Das gefällt mir eigentlich immer relativ gut. Es hat so etwas abschließendes, zurückliegendes, und so wollte ich die letzte Szene gerne haben.

Wie er sich das Eis rein und raus in den Mund schob, daran leckte. Wie er mit geöffnetem Mund seine Zungenspitze über die Ränder des Eises führte.

Gute, eklige Schlusszene. Machtdemonstration.

Geil, das freut mich. Hatte echt eintausend verschiedene Enden geschrieben bis ich das so hatte, wie ich die Szene haben wollte, dass sie ihre Message hat. Falls man so etwas wie eine eigene Lieblingsszene in seinen eigenen Storys haben darf, ist das meine, das Eisessen. Schön, dass die Szene bei dir so angekommen ist, wie ich sie gemeint habe.

Er war ja gerade bei ihr im Zimmer und sie hat ihm die Fische gezeigt. Wieso ist es jetzt für ihn so wichtig, was sie genau trägt? "Sie steht in der Haustür, die Haare zum Pferdeschwanz." Sowas würde für mich völlig reichen.
Genau, das ist wieder die Sache mit der Perspektive. Wäre das ein rein personeller Erzähler, wäre das tatsächlich etwas befremdlich, wieso er sich die Klamotten so anschaut usw. Ich hatte halt nen leicht auktorialen vor Augen, der die Szenerie um Toni lediglich beobachtet. Ich finde, dann geht's doch eigentlich; but I will think about it

Also, merci AWM!

@Friedrichard

gelboranges“ geht lt. Duden (sicherheitshalber reingeschaut), also schlicht „orangenes“
Ok danke, wird übernommen!

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey zigga,

Mit dem Stil hatte ich zunächst aber große Schwierigkeiten. Du verknappst so extrem, dass die teils unvollständigen Sätze meinen Lesefluss ständig ins Stocken brachten, ich überhaupt nicht in den Text gekommen bin, weil er mich durchweg auf Distanz hielt und richtig unruhig gemacht hat. Ich weiß, das ist Geschmackssache, und es drückt ja auch die Haltung des Protagonisten aus, aber für mich las es sich sehr anstrengend. Das fand ich schade, und ich denke, ich hätte ihn wohl auch kein zweites Mal gelesen, wenn ich nicht wüsste, dass du ihn auf dem Gewissen hast.

Ja, genau so. Ich hätte es nicht mal zu Ende gelesen, wenn die Figuren mich nicht an die Angel bekommen hätten. Und die ganze Zeit hab ich überlegt, warum das so ist? Ich mag kurze Sätze, ich mag Wiederholungen, ich spiele ja selbst gern damit, also warum stört mich das hier? Auch dieses sehr konzentrierte - das hat jimmy ja auch, bei ihm ertrag ich das gut, aber bei ihm hat das eine Melodie, hier liest sich der Text eher wie eine Uhr tickt: tick-tick-tick-tock. Ganz seltsam. Vielleicht zu viele Ellipsen. Ich mein, da ist ja fast jeder zweite Satz eine. Ich habe ne Ahnung, warum Du das so willst, genau so, aber ... ach je, für mich ist es einen fingerbreit drüber. Ach ich weiß nicht, vielleicht wäre hier bisschen weniger auch mehr. Aber egal, ist eh auch subjektiv.

Nun aber zu dem wirklich tollen Plot und den wunderbaren Figuren.

»Du weißt, dass ich dich lieb hab?«, sagt sie, mit dem Gesicht vergraben an seiner Brust.
»Weiß ich«, sagt er.
»Dass du immer anrufen kannst, wenn was ist.«
Hammer!

Ein Nokia in der linken Beintasche, Kurzwahl 1 der Chef, Kurzwahl 2 die Polizei. Das war’s.
Jipp. Hier passt der Telegrammstil für mich.

Sie sagte, sie sage es ihm am Telefon, weil sie nicht wüsste, ob sie es anders könne; ob sie es ihm dann wirklich sagen würde. Ob ihr dann nicht die Kraft dafür fehlen würde. Sie sagte, sie wüsste nicht, was sie empfinden würde, wenn sie ihn vor sich sähe. Dass sie glaube, es nicht zu schaffen, wenn sie jetzt kein Schlussstrich ziehen würde.
Schön, dass die Sätze hier sind, wie sie sind; wir Frauen brauchen eben oft ein paar Worte mehr.

»Ich kann’s dir nicht am Telefon sagen«, sagt sie. Hinter Lotte spricht eine Männerstimme, sagt ein paar Worte. Lottes Atem im Telefonhörer. »Es ist blöd, dir das am Telefon zu sagen«, sagt sie. »Aber ich denke, du solltest es erfahren.«
Das ist so sau gut. Sie kann sich am Telefon trennen, aber wenn es um die Tochter geht, dann nicht.Okay, der Gefallen ist auch groß, vielleicht sollte er Anna auch erst sehen, bevor man ihn bittet, gemeinsame Sache mit dem Neuen zu machen.

All der Regen. All das Wasser. Die Lichter im Haus des anderen Mannes brennen; schimmern goldgelb durch die Fenster, in die Dunkelheit des anbrechenden Abends.
Dann öffnet Andreas die Tür, steigt aus und schlägt die Tür zurück in die Karosserie.
Toni blickt durch das Beifahrerfenster. Der andere Mann geht im Regen über das Stück Rasen.
Das ist wirklich so cool gemacht. Der andere Mann. Während der Sache: Andreas. Aber zur gleichen Zeit ist es nicht Andreas' Haus. Und als die Sache zu Ende ist, wird sofort aus Andreas wieder der andere Mann.

»Alles in Ordnung?«, fragt sie.
Er fährt sich über die Nase, legt die Hand vom Lenkrad auf sein Bein. »Sag du’s mir«, sagt er. »Sag du mir, ob alles in Ordnung ist.«
Sie hebt ihren Kopf aus dem Beifahrerfenster, lacht leicht, schüttelt den Kopf, dann bückt sie sich wieder. Der Regen so laut, dass sie beinahe schreien müssen. »Ich lass mich darauf nich’ ein«, sagt sie. »Ich bin durch damit«, sagt sie.
Er dreht seinen Kopf, blickt durch die Windschutzscheibe.
»Fahr nach Hause«, sagt sie. Hebt ihren Kopf. Bückt sich wieder, blickt durch das Fenster in den Wagen und hat Tränen in den Augen. »Bitte! Mach’s nicht noch schlimmer, als es ohnehin schon ist.«
Das ist auch toll gemacht. Wie er sie da im Regen stehen lässt, und wie so viel durch Nichts gesagt wird. Da steht ein halbes Leben zwischen den Zeilen. Was inhaltlich durch Aussparung extrem gut im Text funktioniert, ach, die Sprache macht das noch viel konsequenter. Könntest Du die beiden nicht auf Augenhöhe bringen? Ich weiß, ein Mädchenwunsch, und vielleicht auch falsch gedacht von mir, oder zu extrem empfunden, vielleicht ist das genau richtig so. Ich höre schon auf.

Legt seinen Kopf in den Nacken. All die Keller, die jetzt voller Wasser laufen. All die Dämme, die zu brechen drohen. All die Menschen in gelben Warnwesten.
Mega. Hier funktioniert das für mich auch super.

»Eine meiner Fische ist gestorben«, sagt sie und sieht ihn an. »Ich hab ihn Rusty genannt.«
Einer
Ja, Anna hat so verdammt viel Liebe in sich. Das ist unglaublich schön zu lesen.

Er trinkt vom Carlsberger. »Was hast du mit ihm gemacht?«, fragt er. »Mit Rusty?« Dann: »Hat ihn Andreas weggeschmissen? Oder Mama?«
Okay, seiner Tochter gegenüber sagt er Andreas. Nicht: Hat er ihn weggeschmissen? Das Kind muss geschützt werden. Das darf da nicht mit reingezogen werden. Seine Liebe zu ihr, die macht ihn so sympathisch, so zart. Und eigentlich auch die Liebe zu Lotte, die ja auch immer noch da ist. Schätze, er hätte sie gern im Auto gehabt. Aber was ist schon ein Auto gegen ein Haus?

Ihre Augen plötzlich rot, tränengefüllt. »Ich weiß nicht, wie ich ihn begraben soll«, sagt sie. »Ich will ihn nicht ins Klo spülen oder so.« Sie schnieft. »Krieg ich ’ne Zigarette, Papa?«
Er greift nach seiner Schachtel, öffnet sie und hält sie ihr hin. Sie zieht eine Zigarette heraus, schnieft und fährt sich mit dem Handrücken über die Augen. Er hält ihr mit beiden Händen das Feuer hin.
Ach Mensch, all die Liebe ... Mir geht so das Herz auf!

Und dann, als er wieder hoch zum Haus blickte, sah er es.
Zeitenwechsel. Seh den Grund dafür nicht.

Wie er hinter der Fensterscheibe stand, im Warmen, und mit seinen Lippen das Stieleis umschloss. Wie er sich das Eis rein und raus in den Mund schob, daran leckte. Wie er mit geöffnetem Mund seine Zungenspitze über die Ränder des Eises führte. Und ihn, der draußen im Wagen saß, dabei nicht aus den Augen ließ.
Was für ein fucking Ende! Ich glaub, ich habe lange kein so verdammt gutes Ende mehr hier gelesen! Zigga, dafür einfach nur: Mega!

Tolle Geschichte! Hoffe, es macht sich schon wer über die Empfehlung her. Was ist eigentlich in der Luft, dass hier die Tage so viele, echt lesenswerte Geschichten reinkommen? Egal, von mir aus kann das anhalten.

Beste Grüße, Fliege

PS: Habe gerade in den anderen Kommentaren schon was über die Ellipsenschwämme und den Zeitenwechsel gelesen, also auch deine Antwort darauf. Musst nicht noch mal tippen ;).

 
Zuletzt bearbeitet:

Warum ein ganzer Absatz? „der andere“ besser hier mit Minuskel, ist ja – wie zuvor belegt, das Attribut eines „anderen“ Mannes.
Ich weiß, dass "Andreas" nicht der Andere bedeutet, aber ein bisschen ungewollte Komik oder Wortspiel kommt zumindest bei mir auf ...
schrieb ich
und Du fragst
Oh Mann, entschuldige, wenn ich auf der Leitung stehe, aber ich checke gerade leider nicht, was du hier meinst, Friedel.

Vergiss es , ein dummes Wortspiel mit dem Pronomen/Zahlwort "ander" und dem Namen "Andre(a)s".
Und wo ich gerade mal hier bin:

Glückwunsch zur berechtigten Empfehlung!

Friedel

 

Hallo @zigga,
in der Mitte der Lektüre oder schon früher habe ich gedacht, ob mich vielleicht der knappe und rudimentäre Stil ermüden wird, ob mir das nicht zu sehr Stil wird, Stilmittel, das sich irgendwann abschleift. Aber ich habe weitergelesen, musste weiterlesen. Wenn ich mich frage, warum, dann ist es wahrscheinlich die Kombination, dass Du das Stilmittel auflädts mit einer Menge an Stimmung und mit Bildern und Inhalten, die den Text tragfähig machen. Das ist schon beeindruckend. Wenn ich es knapp durchgehe, stimmen alle Bilder, stimmen alle Zeichen. Die Kommunikation mit der Tochter über die Fische, die stimmigerweise titelgebend sind. Die Gefühle, die über die Bande gespielt werden. Und da muss ich Peeperkorn Recht geben: Da ist dann das "Liebhaben" schon eine fast zu süßliche Angelegenheit, zumindest in der Wiederholung. Das fügt sich nicht so recht in den pausenlosen Regenschwall und die unermüdliche Raucherei, in das Rauhbeinige, auch wenn es von der Tochter kommt. Was mir besonders gefällt als Effekt, ist, dass die karge Sprache am Ende nicht mehr das ist, was sie vorgibt. Sie soll ja die Brüchigkeit der Szene zum Klingen bringen, das Ungesagte, das Unaufgelöste, da entsprechen sich ja Stil und Inhalt. Gleichzeitig ist sie realistischer Tonfall. Und am Ende ist sie durch den konsequenten Zug von Anfang bis Schluss ich möchte fast sagen eine Art Verweigerungslyrik, die aber eine Menge Lyrisches an sich hat. Also, das sperrt sich und am Ende wird es das, wogegen es sich sperrt. Ich glaube, das hängt dann wieder mit dem Inhalt zusammen, mit dem schönen Grundrauschen des Dauerregens, mit dem orangen Eis, mit dem Segelflossenfisch. Du bringst da eine ganze Menge zusammen, was auch gut schön auseinanderfliegen könnte. Aber weil alle Ebenen stimmen, tut es das nicht. Respekt und Glückwunsch zur verdienten Empfehlung!
Herzlich
rieger

 

Der Himmel olivschwarz, Straßenlaternen gießen gelboranges Licht. Der Asphalt nass und glänzend.
an sich eine schöne Reihung. die lichtgießenden Laternen gefallen mir als Bild sehr. Genauer betrachtet kommt es mir vor, als wollte der Autor ganz unbedingt das Verb vermeiden, damit es nicht so anfängerhaft nach einer Aufzählung von iAdjektiven klingt.

Lotte setzt sich auf, fährt sich durch die Haare.
stellt die Füße auf den Boden und fährt sich durch das dunkle, lange Haar.
die fährt sich ziemlich oft durch die Haare, da sollen Leser*innen unbedingt Bedeutung kapieren.

Manchmal helfen die Tabletten nicht mehr, dann zieht der Ischias bis hinter die Stirn, hinter die Augen.
wie soll das gehen? Wandernerven?

Draußen der Regen noch stärker geworden
hier wieder so ein Beispiel für eine mMn fehlgeleitete Ellipse. Entweder kürzt du noch mehr: Stärkerer Regen. Oder du benutzt ein Verb, so klingt es recht gewollt, stört den Lesefluss.

blauer Jogginghose, waldmeistergrünem, weitem Kapuzenpulli.
warum muss ich etwas über die Farben erfahren?

Sie sagte, sie sage es ihm am Telefon, weil sie nicht wüsste, ob sie es anders könne; ob sie es ihm dann wirklich sagen würde.
was für ein umständlicher Satz, allein das: sie sagte, sie sage...

»Ja«, sagt sie. Sie atmet tief ein und aus. Atmet so, wie sie atmet, wenn sie sich durch die Haare fährt.
aha, jetzt ahne ich was das mit dem Durchdiehaarefahren bedeuten könnte... Atemtechnik zur Gefühlsverbergung.

Blicken auf Toni, als ob sie auf etwas Zerfallendes blicken würden; als ob sie einen Mann stürzen oder Schnee fallen sehen würden.
bester Satz

Seine frostschutzblauen Augen weit aufgerissen.
auch die frostschutzblauen Augen: starkes Bild


All der Regen. All das Wasser. Die Lichter im Haus des anderen Mannes brennen; schimmern goldgelb durch die Fenster, in die Dunkelheit des anbrechenden Abends.
hier die erste Stelle, in der die Ellipsen am Anfang einen Satzrhythmus gestalten.

All die Keller, die jetzt voller Wasser laufen. All die Dämme, die zu brechen drohen. All die Menschen in gelben Warnwesten.
okay, die Wiederholung der All-die-Sätze, aber das wirkt.

»Nein«, sagt sie. Sie zieht ihre Hand aus der Jackentasche und hält einen mit Wasser gefüllten Vakuumbeutel in der Hand. Roter, schmaler Fisch mit prächtigen langen, segelgleichen Flossen treibt regungslos darin.
paar Adjektive zu viel, oder?

Ihre Augen plötzlich rot, tränengefüllt. »Ich weiß nicht, wie ich ihn begraben soll«, sagt sie. »Ich will ihn nicht ins Klo spülen oder so.« Sie schnieft. »Krieg ich ’ne Zigarette, Papa?«
warum nicht: sind rot...?

Wie er mit geöffnetem Mund seine Zungenspitze über die Ränder des Eises führte. Und ihn, der draußen im Wagen saß, dabei nicht aus den Augen ließ.
schön athmosphärisches Ende

Lieber @zigga,

Fazit: Die Athmo und das Ausklangsbild wiegen die mühsame Lektüre für mich nicht auf. Dem Text fehlt es aus meiner Sicht an Geschmeidigkeit, auch an Eleganz. Die Lücken bleiben zu groß, werden sprachlich nicht aufgewogen. Wär der Text nicht von dir, hätte ich die Lektüre abgebrochen, weil sie über weite Strecken ein ästhetisches Negativerlebnis bietet. Am Schluss werde ich ein wenig belohnt. Insofern kann ich (teilweise) die Begeisterung nachvollziehen, die der Text bei einigen auslöst.
(Kürzlich habe ich ein paar ältere Bachmanntexte gelesen. Die sind genau so gemacht wie deiner. Und erst vor ein paar Tagen habe ich einen Text von Wondratschek gelesen. Ging ungefähr so: Sie sitzt im Café. Schaut sich um. Hat Beine. Sie weiß es. Was ich sagen will: wenn schon reduziert, dann noch extremer.)
Frische Fische wünschte ich mir sozusagen. Weil ich deine Texte an sich sehr mag.

viele Grüße
Isegrims

 

Hi @zigga

ein Text, wo ich viel Positives sehe, es aber auch Dinge gibt, die ich persönlich nicht so recht mag.

Was ich bei deinem Text mag, ist der Plot. Vater und der Neue tun sich zusammen, um die Tochter zu "schützen". Da braucht auch gar nicht viel erzählt zu werden, wieso und weshalb.
Auch das ganze, das da zwischen dem Prota, der Tochter und der Mutter schwebt, ist dir toll gelungen.
Dass der Mann in der Situation einen Namen bekommt und später wieder namenlos wird, gefällt mir auch gut. Hätte es nicht gut gefunden, wenn er ab dann immer der Andreas bliebe.

Zur Form, zu den Ellipsen: Ungefähr nach der Hälfte des Textes ist es mir immer schwerer gefallen, Gefallen an der Form zu finden. Ich hätte mir hier mehr "normale Sätze" gewünscht. Wäre der Text nicht von dir gewesen, wäre ich wahrscheinlich ausgestiegen.
Adjektive könnte man gut um 20% kürzen. Dann wäre es prägnanter.

Zum Wetter: Es regnet mir zu viel. Du hast gesagt, dass der Regen die Atmosphäre verstärken/tragen soll. Das hieße ja, dass bei einer fröhlichen Story andauert die Sonne schiene. Ich persönlich mag diese übertriebene Wetterdinge nicht, fände es besser, wenn man es hinbekäme, z.B. trotz sonnigen Wetter eine trübe Atmosphäre bzw. traurige Story hinzubekommen.

Hat mir im ganzen aber gefallen.

Viele Grüße und ein schönes, langes Wochenende.

Liebe Grüße, GoMusic

 

Liebe @Chai,

vielen Dank dir fürs Lesen und Kommentieren. Hat mich gefreut!

für mich ist das ein Text, der sich erst nach mehrmaligem Lesen entfaltet, überall entdecke ich Neues, frage mich, was mit Anna passiert ist, was die Jungs gemacht haben und will es gleichzeitig gar nicht wissen, denn das ist für mich nicht das Entscheidende hier. Es ist die Stimmung, das Verhältnis der Figuren zueinander, die Trostlosigkeit und Kälte, nur Vater und Tochter scheinen sich nahe zu stehen.
Ok! Sehr interessant für mich natürlich, wie die Story auf eine Leserin wie dich wirkt; schön, dass einiges angekommen ist

Gut finde ich auch, wie du mit Klischees spielst, sie aber nicht einsetzt. Die Mutter ist Alkoholikerin, hat Andreas in der Therapiegruppe kennengelernt, und trotzdem steht es nicht im Mittelpunkt, das schwierige Verhältnis zur Tochter zu zeigen, das schwingt nur unterschwellig mit, ein paar Andeutungen, den Rest kann der Leser sich denken oder auch nicht, denn im Zentrum steht für mich das Verhältnis zwischen den Männern. Das hast du klasse aufgebaut. Erst denke ich, die beiden Männer geraten aneinander, aber sie halten zusammen, denn es ist ja jetzt auch Andreas' Familie.
Heftig. Vor allem, weil das so nebenbei gesagt wird, so als wäre es eine Selbstverständlichkeit, und gerade das macht den Grusel aus, diese ausweglose Lage, denn zeitgleich ist Toni von ihm abhängig.
Gut fand ich auch, dass durch das er/der andere Mann immer wieder Nähe und Distanz zueinander greifbar werden, bis er schließlich allein ist, im Regen, den toten Fisch auf der Rückbank.
Danke für die Komplimente! Freut mich natürlich

Deine Bilder sind sehr pointiert, vor allem der Schluss gefällt mir sehr. In der Hinsicht also ein echter zigga
Merci! Super, dass dir der Schluss so gut gefällt, ich mag ihn auch sehr gerne

Mit dem Stil hatte ich zunächst aber große Schwierigkeiten.
Du verknappst so extrem, dass die teils unvollständigen Sätze meinen Lesefluss ständig ins Stocken brachten, ich überhaupt nicht in den Text gekommen bin, weil er mich durchweg auf Distanz hielt und richtig unruhig gemacht hat. Ich weiß, das ist Geschmackssache, und es drückt ja auch die Haltung des Protagonisten aus, aber für mich las es sich sehr anstrengend. Das fand ich schade, und ich denke, ich hätte ihn wohl auch kein zweites Mal gelesen, wenn ich nicht wüsste, dass du ihn auf dem Gewissen hast.
Ja, auf eine Art freut es mich durchaus, dass sich auch kritische Stimmen melden und meinen, mit dem Stil kommen sie nicht ganz klar. Das ist echt so eine Sache, was mich brennend interessiert hat, als ich die Story hochgeladen habe, weil ich weiß, dass das gewagt ist. Ich bin mir da selbst aktuell nicht sicher, was mir gefällt. Ich denke, ich hab dazu einfach gerade noch zu wenig Abstand zum Text. Aber gut zu wissen, dass es Leser wie dich gibt, denen das eher verwirrend und nicht als Mittel, das dich in den Texte eingesaugt und evtl. auch die Stimmung etwas beigetragen hat, vorkommt. Wie gesagt, ich bin mir unsicher. Einerseits mag ich das ellipsenhafte und glaube, dass man da als normaler Leser durchaus reinkommen könnte, andererseits fände ich es sehr schade, wenn ich die Story mal außerhalb der Autorenblase veröffentlichen würde und "einfache" Leute oder Nicht-Autoren, die einfach gerne eine gute Geschichte lesen wollen würden, dann dort schon anfangs aussteigen, weil ihnen die Sprache zu artifiziell erscheint. Das kann ich auch gut nachvollziehen. Ich denke mal drüber nach; auch, ob ich das noch mal neu aufrolle oder so umschreibe, dass es eingängiger wird. Danke für den Hinweis

Hey Chai, deine Detailanmerkungen sind auf jeden Fall angekommen, ich hoffe es ist ok, wenn ich da jetzt nicht im Detail drauf eingehe, ansonsten schaffe ich es nicht, den anderen zu antworten

Gerne gelesen kann ich aber nicht schreiben, denn das war ja, wie gesagt, nicht so vergnüglich für mich, aber die Geschichte als solche ist toll. Ich hoffe nur, dass du jetzt nicht immer in diesem Stil schreibst.
Ok! Vielen Dank für deine ehrliche Antwort - das hat mich weitergebracht. Wie gesagt, ich überlege gerade, da noch mal sprachlich gesehen umzuschreiben, das eingängiger zu gestalten. Merci!


Liebe @Fliege! :)

Vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren!

Mit dem Stil hatte ich zunächst aber große Schwierigkeiten.

Ja, genau so. Ich hätte es nicht mal zu Ende gelesen, wenn die Figuren mich nicht an die Angel bekommen hätten. Und die ganze Zeit hab ich überlegt, warum das so ist? Ich mag kurze Sätze, ich mag Wiederholungen, ich spiele ja selbst gern damit, also warum stört mich das hier? Auch dieses sehr konzentrierte - das hat jimmy ja auch, bei ihm ertrag ich das gut, aber bei ihm hat das eine Melodie, hier liest sich der Text eher wie eine Uhr tickt: tick-tick-tick-tock. Ganz seltsam. Vielleicht zu viele Ellipsen. Ich mein, da ist ja fast jeder zweite Satz eine. Ich habe ne Ahnung, warum Du das so willst, genau so, aber ... ach je, für mich ist es einen fingerbreit drüber. Ach ich weiß nicht, vielleicht wäre hier bisschen weniger auch mehr. Aber egal, ist eh auch subjektiv.

Ok! Danke dir für die ehrliche Lesereinschätzung. Ich weiß gerade gerade auch nicht, ob mir der Stil im Ganzen gefällt oder eher zu sperrig erscheint. Das ist ja blöderweise manchmal so, wenn man eine Story selbst geschrieben hat und die Bilder kennt, die man erzeugen will, dass man dann nicht ganz einschätzen kann, ob das auch beim Leser so ankommt. Ich denke mir auch - ohne das böse zu meinen -, dass das mitunter auch eine Frage von Zielgruppe ist: Wer liest den Text? Da gibt es Leute, die die abgefahrensten Sprachexperimente abfeiern. Ich weiß nicht, ob ich in dieser Sparte überhaupt fischen will. Also, das sind so ein paar Gedanken, die ich mir gerade mache. Ich überlege auch, das nochmal zu überarbeiten, die Sprache evtl. zu verändern, auszubauen. Denn wie du im Kommentar sagst, ich mag die Figuren und den Plot auch sehr gerne und glaube, das könnte auch vielen gefallen, aber die Sprache könnte dann so abschreckend wirken, dass viele gar nicht erst einsteigen (was ich nachvollziehen kann). Also dankDas ist wirklich so cool gemacht. Der andere Mann. Während der Sache: Andreas. Aber zur gleichen Zeit ist es nicht Andreas' Haus. Und als die Sache zu Ende ist, wird sofort aus Andreas wieder der andere Mann.

Nun aber zu dem wirklich tollen Plot und den wunderbaren Figuren.
Freut mich, dass dir das so gut gefallen hat!

Schön, dass die Sätze hier sind, wie sie sind; wir Frauen brauchen eben oft ein paar Worte mehr.
Super, da ist ja ein wenig eine Diskussion drüber entstanden, ob man diesen Absatz drinnen lassen sollte oder nicht. Ich finde ihn aktuell auch eher so, dass er den ohnehin vllt schon ein wenig "sperrigen" Text nicht noch weiter unnötig verkompliziert, auf Plotebene

Das ist so sau gut. Sie kann sich am Telefon trennen, aber wenn es um die Tochter geht, dann nicht.Okay, der Gefallen ist auch groß, vielleicht sollte er Anna auch erst sehen, bevor man ihn bittet, gemeinsame Sache mit dem Neuen zu machen.
danke!

Das ist wirklich so cool gemacht. Der andere Mann. Während der Sache: Andreas. Aber zur gleichen Zeit ist es nicht Andreas' Haus. Und als die Sache zu Ende ist, wird sofort aus Andreas wieder der andere Mann.
Ein paar Leute fanden das verwirrend, aber schön, dass es bei dir klappt!

Das ist auch toll gemacht. Wie er sie da im Regen stehen lässt, und wie so viel durch Nichts gesagt wird. Da steht ein halbes Leben zwischen den Zeilen. Was inhaltlich durch Aussparung extrem gut im Text funktioniert, ach, die Sprache macht das noch viel konsequenter. Könntest Du die beiden nicht auf Augenhöhe bringen? Ich weiß, ein Mädchenwunsch, und vielleicht auch falsch gedacht von mir, oder zu extrem empfunden, vielleicht ist das genau richtig so. Ich höre schon auf.
Ja wie gesagt, ich bin am überlegen!

Ach Mensch, all die Liebe ... Mir geht so das Herz auf!
Super

Was für ein fucking Ende! Ich glaub, ich habe lange kein so verdammt gutes Ende mehr hier gelesen! Zigga, dafür einfach nur: Mega!
Stark! Freut mich, dass du das Ende so feierst. Hab echt lange gefeilt an dem Ende, bis ich es so hatte, wie ich wollte, aber jetzt mag ich's auch

Tolle Geschichte!
Danke! Kritik ist angekommen. Ich schaue mal, ob ich das hinbekomme, dass ich die Sprache etwas ausbaue, etwas eingängiger mache, oder ob das dann ein anderer Text wäre

PS: Habe gerade in den anderen Kommentaren schon was über die Ellipsenschwämme und den Zeitenwechsel gelesen, also auch deine Antwort darauf. Musst nicht noch mal tippen ;).
Alright - aber was sind Ellipsenschwämme? :D


@Friedrichard

Vergiss es , ein dummes Wortspiel mit dem Pronomen/Zahlwort "ander" und dem Namen "Andre(a)s".
Und wo ich gerade mal hier bin:
Ok!

Glückwunsch zur berechtigten Empfehlung!
Vielen Dank, Friedel!


Hi @rieger!

Vielen Dank dir fürs Vorbeischauen und Kommentieren.

Du sprichst einige originelle Sachen an, an die ich bis jetzt gar nicht gedacht hatte. Sehr interessant

in der Mitte der Lektüre oder schon früher habe ich gedacht, ob mich vielleicht der knappe und rudimentäre Stil ermüden wird, ob mir das nicht zu sehr Stil wird, Stilmittel, das sich irgendwann abschleift.
Ok! Ja, der Stil - es gab welche, die den mochten, aber natürlich auch Stimmen, die ihn zu uneingängig fanden. Ich kann tatsächlich beide Seiten nachvollziehen. Ist schwierig, das wirst du selbst kennen, das einzuschätzen, wenn man eine Story selbst geschrieben hat und die Bilder kennt bei so einem etwas gewagteren Stil dann ein Gefühl zu haben, ob beim Leser die selben Bilder beim Lesen vor dem inneren Auge auftauchen oder ob sie gleich abbrechen.

Aber ich habe weitergelesen, musste weiterlesen
Super

Wenn ich mich frage, warum, dann ist es wahrscheinlich die Kombination, dass Du das Stilmittel auflädts mit einer Menge an Stimmung und mit Bildern und Inhalten, die den Text tragfähig machen. Das ist schon beeindruckend. Wenn ich es knapp durchgehe, stimmen alle Bilder, stimmen alle Zeichen. Die Kommunikation mit der Tochter über die Fische, die stimmigerweise titelgebend sind. Die Gefühle, die über die Bande gespielt werden
Super. Na ja, so halb. Ist natürlich trotzdem nicht ganz da hin, wo man als Autor hin will, wenn der Leser am Anfang lange mit dem Gedanken spielt, den Text abzubrechen

Und da muss ich Peeperkorn Recht geben: Da ist dann das "Liebhaben" schon eine fast zu süßliche Angelegenheit, zumindest in der Wiederholung. Das fügt sich nicht so recht in den pausenlosen Regenschwall und die unermüdliche Raucherei, in das Rauhbeinige, auch wenn es von der Tochter kommt.
Ok! Ist notiert

Was mir besonders gefällt als Effekt, ist, dass die karge Sprache am Ende nicht mehr das ist, was sie vorgibt. Sie soll ja die Brüchigkeit der Szene zum Klingen bringen, das Ungesagte, das Unaufgelöste, da entsprechen sich ja Stil und Inhalt. Gleichzeitig ist sie realistischer Tonfall. Und am Ende ist sie durch den konsequenten Zug von Anfang bis Schluss ich möchte fast sagen eine Art Verweigerungslyrik, die aber eine Menge Lyrisches an sich hat. Also, das sperrt sich und am Ende wird es das, wogegen es sich sperrt. Ich glaube, das hängt dann wieder mit dem Inhalt zusammen, mit dem schönen Grundrauschen des Dauerregens, mit dem orangen Eis, mit dem Segelflossenfisch. Du bringst da eine ganze Menge zusammen, was auch gut schön auseinanderfliegen könnte. Aber weil alle Ebenen stimmen, tut es das nicht.
Ja, abgefahrener Gedanke. War natürlich nicht intendiert von mir. Aber ja; ist schon etwas dran. Verweigerungslyrik - starkes Wort. Ist wirklich ein origineller Gedanke, rieger!
Respekt und Glückwunsch zur verdienten Empfehlung!
Danke, rieger!

Hi @Ronnie,

vielen Dank auch dir fürs Lesen und Kommentieren.

Die Autoren, die solch eine Stakkato-Sprache benutzen, gleichen immer mal wieder mit etwas längeren Sätzen aus. Ein Beispiel wäre der Krimiautor Ferdinand von Schirach. Wenn dies nicht geschieht, wie im Falle deines Textes, dann wird er ziemlich unlesbar. Die Geschichte scheint dann nur noch so durch, durch die unbequem kurzen Sätze, die mit der Zeit ziemlich nerven.
Es ist, als würde man eine Geschichte lesen, die tief unten in einem See geschrieben steht, die Wasseroberfläche ist bewegt, so dass man nur schlecht lesen und verstehen kann.
Ja, von Schirach, da kann ich wenig zu sagen, weil ich bisher nur sehr wenig von ihm kenne, aber seit längerem einen seiner Storybänder lesen will. Ich kann deinen Punkt absolut nachvollziehen. Vielen Dank für deine ehrliche Meinung, das bringt mich weiter. Bei manchen scheint die Sprache zu funktionieren, andere finden das sperrig bis unleserlich - ich überlege da gerade, was ich mache, wen ich eigentlich ansprechen will mit der Story. Denn es ist mir eigentlich schon "wichtig", dass man eine Story gut runterlesen kann und das nicht ein zu elitäres Kunstding wird. Das ellipsenhafte finde ich gelegentlich schön, wenn es den Text einen gewissen Drive, ein gewisses Feeling gibt, das evtl. thematisch und figuren- und plottechnisch gut zusammenpasst. Man muss es natürlich können, es muss funktionieren. Ich denke mal drüber nach und baue evtl. wirklich noch mal so um, dass die Story eingängiger wird.

Hm ...?? :confused: Solche "atmosphärischen" Stellen gibt es zuhauf in deinem Text. Mich lassen sie völlig kalt. Diese Straßenlaternen kommen mir eher wie Gießkannen vor. So weit mein Eindruck. ;)
Alles klar :D

Danke für die Rückmeldung!

Hi @Isegrims!

Danke für deine Rückmeldung und Lesen, Gedankenmachen, du weißt schon.

an sich eine schöne Reihung. die lichtgießenden Laternen gefallen mir als Bild sehr.
Super
Genauer betrachtet kommt es mir vor, als wollte der Autor ganz unbedingt das Verb vermeiden, damit es nicht so anfängerhaft nach einer Aufzählung von iAdjektiven klingt.
Ok! Interessant, dass das so auf dich wirkt - also, war jetzt nicht meine erste Intention, aber trotzdem natürlich eine interessante Rückmeldung, wie die Sprache auf dich als Leser wirkt

die fährt sich ziemlich oft durch die Haare, da sollen Leser*innen unbedingt Bedeutung kapieren.
Das kann ich nicht ganz nachvollziehen. Also, ich sehe da selbst keine große Bedeutung drin bzw. hatte das jetzt auch nicht beabsichtigt; ich dachte, es gibt Leute, die sich halt durch die Haare fahren, in bestimmten Situationen. Gestik ist ja immer auch so ein Ding, wie verhalten sich Figuren, dass man darauf schließen kann, was in ihnen vorgeht. Aber gut, war nicht dein Ding, ist angekommen

Manchmal helfen die Tabletten nicht mehr, dann zieht der Ischias bis hinter die Stirn, hinter die Augen.
wie soll das gehen? Wandernerven?
Na, Rückenschmerzen können auch strahlen

Draußen der Regen noch stärker geworden

hier wieder so ein Beispiel für eine mMn fehlgeleitete Ellipse. Entweder kürzt du noch mehr: Stärkerer Regen. Oder du benutzt ein Verb, so klingt es recht gewollt, stört den Lesefluss.

Ok, ich denke mal darüber nach. Scheint eine Stelle zu sein, an der sich viele reiben

warum muss ich etwas über die Farben erfahren?
Ja, vielleicht haue ich das raus

hier die erste Stelle, in der die Ellipsen am Anfang einen Satzrhythmus gestalten.
okay, die Wiederholung der All-die-Sätze, aber das wirkt.
Ok super

Fazit: Die Athmo und das Ausklangsbild wiegen die mühsame Lektüre für mich nicht auf. Dem Text fehlt es aus meiner Sicht an Geschmeidigkeit, auch an Eleganz. Die Lücken bleiben zu groß, werden sprachlich nicht aufgewogen. Wär der Text nicht von dir, hätte ich die Lektüre abgebrochen, weil sie über weite Strecken ein ästhetisches Negativerlebnis bietet. Am Schluss werde ich ein wenig belohnt. Insofern kann ich (teilweise) die Begeisterung nachvollziehen, die der Text bei einigen auslöst.
Ja okay, vielen Dank für deine Kritik. Ist natürlich auch angebracht. Ich schwanke selbst gerade dazwischen, dass ich denke, es könnte gut kommen (wenn auch nur für bestimmte Leute, die darauf anspringen auf so einen Stil) und dahingehend, dass ich die Sprache noch mal auflockere, ausbaue. Aber vielleicht wird das dann ein anderer Text. Du konntest nichts mit anfangen, ist auf jeden Fall sehr interessant für mich, die verschiedenen Rückmeldungen

(Kürzlich habe ich ein paar ältere Bachmanntexte gelesen. Die sind genau so gemacht wie deiner. Und erst vor ein paar Tagen habe ich einen Text von Wondratschek gelesen. Ging ungefähr so: Sie sitzt im Café. Schaut sich um. Hat Beine. Sie weiß es. Was ich sagen will: wenn schon reduziert, dann noch extremer.)
Ja ja, die Bachmanntexte. :D Vielleicht reduziere ich noch mehr, probiere mal aus, mal sehen.

In diesem Sinne: Merci!


Hi @GoMusic,

vielen Dank dir fürs Lesen und Kommentieren.

ein Text, wo ich viel Positives sehe, es aber auch Dinge gibt, die ich persönlich nicht so recht mag.
alright!

Was ich bei deinem Text mag, ist der Plot. Vater und der Neue tun sich zusammen, um die Tochter zu "schützen". Da braucht auch gar nicht viel erzählt zu werden, wieso und weshalb.
Auch das ganze, das da zwischen dem Prota, der Tochter und der Mutter schwebt, ist dir toll gelungen.
Dass der Mann in der Situation einen Namen bekommt und später wieder namenlos wird, gefällt mir auch gut. Hätte es nicht gut gefunden, wenn er ab dann immer der Andreas bliebe.
Super, das freut mich

Zur Form, zu den Ellipsen: Ungefähr nach der Hälfte des Textes ist es mir immer schwerer gefallen, Gefallen an der Form zu finden. Ich hätte mir hier mehr "normale Sätze" gewünscht. Wäre der Text nicht von dir gewesen, wäre ich wahrscheinlich ausgestiegen.
Ja shit. Ich bin gerade echt am überlegen, was ich mit der Sprache mache. Ob ich die gut finde und so lasse, oder ob ich das eingänglicher mache und mehr Leser ansprechen will damit. Ich tendiere fast zu Variante zwei, weil ich befürchte, dass Leute einfach aussteigen, wenn die Sprache so artifiziell ist, obwohl ihnen vielleicht die Geschichte an sich, Plot und so, gefallen hätte. Vielleicht bastel ich in die Richtung noch mal rum, ob ich das ein wenig ausbauen kann. Jedenfall danke für dein ehrliches Feedback und das ist natürlich für mich sehr interessant zu wissen.

Adjektive könnte man gut um 20% kürzen. Dann wäre es prägnanter.
Da schaue ich auf jeden Fall auch noch mal drüber, danke!

Zum Wetter: Es regnet mir zu viel. Du hast gesagt, dass der Regen die Atmosphäre verstärken/tragen soll. Das hieße ja, dass bei einer fröhlichen Story andauert die Sonne schiene. Ich persönlich mag diese übertriebene Wetterdinge nicht, fände es besser, wenn man es hinbekäme, z.B. trotz sonnigen Wetter eine trübe Atmosphäre bzw. traurige Story hinzubekommen.
Na ja, Sonnenschein - nicht unbedingt. Es kommt darauf an, was ein Text aus einer Sache für eine Symbolik macht. Das ist deine Assoziation, dass Regen Depression oder so bedeutet. Ich kann mir gut auch Story vorstellen, in denen Regen eine romantische oder sehr fröhlich Stimmung repräsentiert. Wenn ein Dorf vor Dürre fast krepiert, und dann kommt ein großer Wolkenbruch und alle feiern. Also, es kommt immer darauf an, was man daraus macht, denke ich. Ich denke an eine Stelle aus Der Weg zurück, die hat sich ziemlich bei mir eingebrannt, ganz zu beginn, da geht es um Frontkämpfe im Ersten Weltkrieg, und der Erzähler sieht einen Jungen zwischen den Gräben stundenlang in einem Stacheldraht mit offenem Bauch sterben. Und über ihm ist ein wunderschöner blauer Sommerhimmel, die Sonne scheint, aber unten liegt dieser Junge und sie müssen mit ansehen, wie er stirbt. Vielleicht ist es auch der Kontrast, der die Szene so stark macht, und das ist jetzt nicht das beste Beispiel, aber na ja, kommt halt immer drauf an, will ich sagen.

Hat mir im ganzen aber gefallen.
Danke!

Viele Grüße und ein schönes, langes Wochenende.
Das wünsche ich dir auch, GoMusic!


Beste Grüße an euch alle, es hat mich sehr gefreut, eure Meinungen zu lesen! :)
zigga

 

Hey @zigga ,

ich glaube, wir kennen uns noch nicht, oder? Interessant, über welche Leute man nach einem Jahr doch stolpert, ohne bisher einmal mit ihnen geschrieben zu haben.

Klopft dreimal an die Wohnzimmertür. Drückt den Griff nach unten und öffnet die Tür einen Spalt breit. Hört den Fernseher laufen. »Guten Abend«, sagt er.
Sie liegt unter einer hellblauen Stoffdecke auf der Couch, mit dem Kopf auf dem Bauch des anderen Mannes.
»Ich wollte nicht stören«, sagt Toni. »Sie wollte mir nur noch was zeigen«, sagt er.
Lotte setzt sich auf, fährt sich durch die Haare. Der Mann neben ihr nimmt die Fernbedienung in die Hand und schaltet die Lautstärke herunter.

Als ich deine Geschichte das erste Mal gelesen habe, war ich total verwirrt, weil ich dachte, dass es sich bei Lotte um die Tochter handelt :D frag nicht, wie ich darauf gekommen bin, aber ich war den ganzen Text über davon überzeugt, dass die Mutter gar nicht vorkommt und seine Tochter, gerade erwachsen, etwas mit einem Mann in seinem Alter hätte.

»Der Blaue ist ein Panzerwels«, sagt seine Tochter.

Vielleicht liegt es daran, dass Anna als Name erst spät erwähnt wird. So sprichst du immer nur von Lotte und Tochter. Ich denke, dass ist irgendwo auch ein Stück weit gewollt, so wie Lottes Neuer mal der andere Mann, mal Andreas ist. Die Beziehung ist irgendwie wichtig und wird im Namen deutlich, finde ich gut. Aus Ehefrau wurde Lotte, aus dem Mann Andreas. Nur die Tochter bleibt ihm.

»Weiß ich«, sagt er.
»Dass du immer anrufen kannst, wenn was ist.«

Ich mag auch das Auf-den-Kopf-gestellte in der Beziehung. Dass die Tochter sich nach dem Vater erkundigt und er mit ihr eine im Auto raucht.

Im Heckfenster in großen, gelben Buchstaben: WSDS –

Heißt es nicht auf dem Heckfenster? Es ist ja nur aufgedruckt.

Links und rechts von ihm fünfstöckige Rohbauten; Sozialwohnungsbau

Nicht Sozialwohnungsbauten ? Ist ja noch immer der Plural.

Sie sagte, sie sage es ihm am Telefon, weil sie nicht wüsste, ob sie es anders könne; ob sie es ihm dann wirklich sagen würde.

Vielleicht das erste sagte durch meinte ersetzen? Würde sich anbieten.

Sie meinte, sie hätte ihn in einer ihrer Therapiesitzungen kennengelernt. Dass sie sich seit ein paar Monaten mit ihm treffe. Dass er ihr gut tue. Dass er noch nie einen Tropfen Alkohol in seinem Leben getrunken hätte.

Was für eine Therapiesitzung ist das denn? Sie scheint ja ein ziemliches Problem mit Alkohol zu haben, aber das kommt ja nicht hin, wenn er immer nüchten bleibt.

Toni nickt. Greift die Schachtel Pall Mall von der Mittelkonsole, öffnet sie und hält sie dem anderen hin. »Zigarette?«, sagt er.
Der andere Mann dreht sich um, sieht einen Moment auf die Schachtel. »Wieso nicht«, sagt er.

Diese Stelle habe ich, noch im Hinterkopf, dass der andere Mann mit seiner Tochter zusammen wäre, einfach komplett anders gelesen. Der Moment zwischen den beiden, das Teilen der Zigarette, schafft ja Akzeptanz für den Nächsten und die familiäre Situation, in der sie sich befinden. Zumindest für den Moment, bis sie von ihrem kurzen Ausflug zurück sind.

einen Felsen, eine Raubkatze, eine Lawine oder Berg.

Nicht auch ein Berg? Sowieso finde ich Berg unpassend. Alles andere kann sich ja irgendwie bewegen oder rollt zumindest bergab, aber ein Berg? Der ist fest.

Ich habe deine Geschichte gerne gelesen, zweimal und sehr unterschiedlich :D dir noch einen schönen Sonntag.

Liebe Grüße
Meuvind

 

Hey zigga,

ich noch mal, weil Du Dich so schön quälst :). Mach doch einfach mal ein neues Dokument auf und mach aus jeder dritten oder vierten Ellipse einen grammatisch korrekten Satz. Mehr brauchts doch nicht. Von mir aus auch am Anfang mehr, bis Du den Leser wirklich hast. Gib ihm bisschen Zeit und Raum sich dran zu gewöhnen. Kann mir gerade nicht vorstellen, dass das die Textwirkung mega negativ beeinträchtigt, aber das ist mehr Bauchgefühl, würde man schnell erkennen. Außer natürlich die Stellen, an denen der Telegrammstil tatsächlich den Inhalt stützt. Und das tut er ja nicht überall, in sofern, hast doch nichts zu verlieren :D. Also mich würde das Experiment echt interessieren.

Pfingstige Grüße, Fliege

 

@Meuvind

ich glaube, wir kennen uns noch nicht, oder? Interessant, über welche Leute man nach einem Jahr doch stolpert, ohne bisher einmal mit ihnen geschrieben zu haben.
Grüß Gott!
Als ich deine Geschichte das erste Mal gelesen habe, war ich total verwirrt, weil ich dachte, dass es sich bei Lotte um die Tochter handelt :D frag nicht, wie ich darauf gekommen bin, aber ich war den ganzen Text über davon überzeugt, dass die Mutter gar nicht vorkommt und seine Tochter, gerade erwachsen, etwas mit einem Mann in seinem Alter hätte.
Ja Shit, das ist wohl ein wenig uneingänglich für dich gewesen. Sollte natürlich nicht sein

Ich mag auch das Auf-den-Kopf-gestellte in der Beziehung. Dass die Tochter sich nach dem Vater erkundigt und er mit ihr eine im Auto raucht.
Super!

Heißt es nicht auf dem Heckfenster? Es ist ja nur aufgedruckt.
Das stimmt.

Nicht Sozialwohnungsbauten ? Ist ja noch immer der Plural.
Ich denke, man kann auch Sozialwohnungsbau sagen oder? Also das sind zwei verschiedene Begriffe: Der Sozialwohnungsbau und die Sozialwohnungsbauten (was nicht unbedingt der Plural des ersten sein muss, falls ich mich nicht täusche?)

Sie sagte, sie sage es ihm am Telefon, weil sie nicht wüsste, ob sie es anders könne; ob sie es ihm dann wirklich sagen würde.

Vielleicht das erste sagte durch meinte ersetzen? Würde sich anbieten.

Eine gute Idee.

Sie meinte, sie hätte ihn in einer ihrer Therapiesitzungen kennengelernt. Dass sie sich seit ein paar Monaten mit ihm treffe. Dass er ihr gut tue. Dass er noch nie einen Tropfen Alkohol in seinem Leben getrunken hätte.

Was für eine Therapiesitzung ist das denn? Sie scheint ja ein ziemliches Problem mit Alkohol zu haben, aber das kommt ja nicht hin, wenn er immer nüchten bleibt.

Na ja, es gibt Kuren, da werden Leute mit verschiedensten Problemen in Gruppensitzungen zusammengewürfelt. Es ist ja auch nicht gesagt, dass er immer nüchtern bleibt; nur, dass er, nach Aussage Lottes, noch nie einen Tropfen Alkohol getrunken hat. Was auch nur die Aussage Andreas' ist, laut Lotte.

Diese Stelle habe ich, noch im Hinterkopf, dass der andere Mann mit seiner Tochter zusammen wäre, einfach komplett anders gelesen. Der Moment zwischen den beiden, das Teilen der Zigarette, schafft ja Akzeptanz für den Nächsten und die familiäre Situation, in der sie sich befinden. Zumindest für den Moment, bis sie von ihrem kurzen Ausflug zurück sind.
Okay! Ich überlege mir mal was

einen Felsen, eine Raubkatze, eine Lawine oder Berg.

Nicht auch ein Berg? Sowieso finde ich Berg unpassend. Alles andere kann sich ja irgendwie bewegen oder rollt zumindest bergab, aber ein Berg? Der ist fest.

Hatte ich mir beim Schreiben auch mal kurz überlegt, aber irgendwie klang das nicht mehr so gut :D Aber eigentlich hättest du recht.

Ich habe deine Geschichte gerne gelesen, zweimal und sehr unterschiedlich :D dir noch einen schönen Sonntag.
Interessant, danke und dir auch eine gute Zeit, gracias fürs Lesen und Kommentieren!


@Fliege

ich noch mal, weil Du Dich so schön quälst :).
Ach Quatsch, alles gut, ich quäle mich nicht, alles bestens :D Ist nur gute Textarbeit und ich überlege, wie ich noch ein wenig ausprobieren könnte. Mir gefällt die Idee, Plot und Figuren genau so zu lassen, bloß die Sprache noch einmal eingängiger aufzurollen. Falls es was wird, poste ich hier noch mal.

@Chai Super, ich freue mich über das Interesse! :D

 

Hallo Zigga,
ich habe jetzt bewusst nicht alle Kommentare gelesen, um dir einen unverfälschten Eindruck geben zu können.

Hat mir gut gefallen, die düstere Atmosphäre und der gewählte Stil gehen für mich wunderbar Hand in Hand. Obwohl ich den Stil zunächst als etwas zu knapp empfand, zeigte sich beim weiteren Lesen, dass das eben wunderbar harmoniert und nicht nur die grundsätzliche Stimmung, sondern auch den Protagonisten toll charakterisiert. Obwohl man ja nicht wirklich viel über ihn erfährt, hat man ihn dann doch gut vor Augen und weiß bzw ahnt viel mehr als da steht und das ist für mich echt die hohe Kunst der Kurzgeschichten.

Und für mich ist die Charakterisierung des Mannes auch das was rüber kommt, viel mehr als dieser eigentlich kurze Ausschnitt der tatsächlich erzählt wird. Echt super gemacht, sehr gerne gelesen.

Viele Grüße
Bella

 

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