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Essbar
Ich erwachte irgendwann mitten in der Nacht davon, dass ich mir selbst auf die Hand sabberte. Wieder mal vor dem Fernseher eingeschlafen!
Meine Jogginghose klebte an mir wie ein totes Meerestier: salzig und feucht. In meinem Mund den Geschmack von verendeten Chips, drückte ich mich aus dem Sofa hoch.
Seltsam.
Den Fernseher hatte ich sicher nicht abgestellt, sonst lief er eigentlich immer, wenn ich wach wurde.
Ich betrachtete das Gerät genauer: Die Mattscheibe war irgendwie milchig, als habe sie jemand mit Schmalz eingerieben.
Ich streckte die Hand aus: Nicht schmierig, eher trocken und stumpf. Das sah überhaupt nicht nach einem Fernseher aus!
Nein, Moment. Sicher sah es wie ein Fernseher aus, aber eben nur äußerlich. Wie eine Qualle, die die Form des Geräts imitiert hatte.
Jetzt fielen mir mehr Details auf: Die übermäßig gerundeten Ecken, die nach unten leicht zerlaufene Form, als wäre das Gehäuse zu heiß geworden. Ich beugte mich vor, um hinter den Kasten zu sehen.
Da war das Anschlusskabel, es wuchs aus der Rückwand heraus, wie eine schwarze Nabelschnur, in einem glatten Übergang. Die Lüftungsschlitze hatten die Form von Kiemen angenommen und bewegten sich leicht, als würde der Fernseher atmen.
War das Einbildung? Pulsierte das Ding wirklich?
Ich verlor das Gleichgewicht! Zu weit vorgebeugt. Ehe mir klar wurde, was ich tat, griff ich nach einer Ecke des Fernsehtiers.
Meine Hand drückte den Panzer ein wenig ein, dann brach er wie eine Brotkruste mit einem leise knuspernden Geräusch und mein Arm tauchte in einen darunter liegenden, klammen Teig.
Schauer liefen mir über den Nacken, schnell zog ich die Hand zurück.
Eine Art feuchte Krümel klebten daran.
Aber was war das? Ein köstlicher Geruch ging davon aus. Ein Duft, wie frisch aufgeschnittener Kuchen, mit einem Aroma nach Zitrus und Vanille.
Mir lief Speichel im Mund zusammen, ein Heißhunger, wie er einen manchmal in der Nacht befällt.
Das war widerlich! Mein Fernseher hatte sich in ein abstoßendes Ding verwandelt, und ich dachte daran, davon zu essen!
Ich leckte einen Krümel von der Hand und ein bisher ungekannter Geschmack explodierte in meinem Mund, wie nach Koriander und Brot, nach Bratkartoffeln und Marzipan und ... und!
Mit der zweiten Hand griff ich nun nach dem Gehäuse der Kreatur, riss immer größere Stücke aus dem Körper dessen, was einmal mein Fernseher gewesen war. Kaum noch kaute ich. Schnaufend schlang ich die Brocken der teigähnlichen Masse herunter, längst hatte sich mein Hunger in Gier verwandelt. Ich kniete vor dem Gerät, steckte schließlich meinen Kopf in die gerissene Lücke, um in das Fruchtfleisch zu beißen.
Irgendwann musste ich das Bewusstsein verloren haben.
Sofies Stimme weckte mich. »Willst du nicht langsam ins Bett kommen?«
Ich hörte sie aus dem Schlafzimmer rufen, über den Flur herein tappen.
»Sofie!«, stöhnte ich. »Ich hatte einen gräßlichen Traum!«
Sie schrie gedämpft auf, daher öffnete ich die Augen.
Es war kein Traum gewesen! Ich lag bäuchlings vor dem halb verzehrten Fernsehtier, die Wundränder des von mir gefressenen Kraters rollten sich bereits ein, als hätte eine Heilung eingesetzt.
Ich wollte aufstehen, aber es ging nicht! Meine Arme waren bis zu den Ellenbogen mit dem Dielenboden verwachsen. Ich drehte meinen Kopf und sah, dass auch meine Füße Wurzeln in den Boden getrieben hatten.
Tränen stiegen in meine Augen und mein Herz wurde wie von einer Rankpflanze zerdrückt. »Was ist nur mit mir geschehen?«
»Oh Gott!«, weinte Sofie. Sie kniete sich in ihrem Schlafanzug auf den Boden vor mir, ergriff meine rechte Schulter mit beiden Händen und zog. Doch anstatt mich vom Boden zu trennen, brach mit einem leisen Knacken ein Stück der Schulter heraus. Es tat überhaupt nicht weh, nur ein leichtes Ziehen spürte ich an der Stelle.
Sofie starrte den Brocken an, ließ ihn fallen und erbrach sich neben mir. Sie wischte sich den Mund ab. »Was ist das nur?«
Ich konnte es nicht sagen, doch ein vertrauter, appetitlicher Geruch ging von dem Loch in meiner Seite aus. Mein Magen knurrte vernehmlich und ich versuchte, meinen Kopf so zu drehen, dass ich ein Stück aus meinem eigenen Körper beißen konnte, doch es gelang mir nicht.
Sofie hob das herabgefallene Schulterstück wieder auf und roch daran. Dann stopfte sie es sich in den Mund und kaute gierig.
Als sie das erste Stück aufgegessen hatte, begann sie mich Stück für Stück zu essen.
Ab und zu gab sie mir einen Bissen ab.