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Für immer
Das Haus lag an einer Klippe und sah aus, als würde es jeden Moment abrutschen und in den tiefblauen Fluten des ägäischen Meeres versinken. Trotzdem kehrte sie nicht um, sondern fuhr mit ihrem Mietwagen weiter die geschwungene Straße entlang bis zu dem kahlen Fleckchen Erde neben dem Haus, das sie als Parkplatz nutzen würde. Die Vermieterin, bei der sie sich vor fast zwei Stunden den Schlüssel geholt hatte, hatte sie darauf aufmerksam gemacht, dass es klug wäre, sich genügend Lebensmittel und Wasser mitzunehmen, da es weit und breit keinen Supermarkt gab. Eigentlich war es eine Frechheit für diese Hütte auch noch Geld zu verlangen, doch für sie mochte es keinen perfekteren Ort geben. Sie hatte sich extra ein abgelegenes Plätzchen ausgesucht, fernab vom kretischen Tourismus. Hierher verirrte sich mit Sicherheit niemand. Und das war gut so.
Sie stieg aus dem Wagen. Die Hitze schlug ihr ins Gesicht und nahm ihr für einen Moment den Atem. Doch anders als in der Stadt, wehte hier oben eine angenehme Briese.
Sie holte den Schlüssel aus der Tasche und ging auf den Eingang des Hauses zu. Als sie die beunruhigend leichte weiß getünchte Holztür aufstieß, fiel ihr sofort der Geruch auf, den ein frisch renoviertes Zimmer ausdünstete. Es roch nach Farbe und Holz.
Erst langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit. Ein Rollo vor der Terrassentür sperrte das Sonnenlicht aus. Als sie diese hochzog und die Tür öffnete, musste sie schlucken. Der Blick auf das ägäische Meer war grandios. Sie war schon oft in Griechenland gewesen, doch so einen Ausblick hatte sie bisher von keinem Hotelzimmer aus erlebt. Sie dachte an die Urlaube, die sie mit ihm verbracht hatte, den salzigen Geschmack seiner Lippen, seine gebräunte Haut,…
Erst nach einigen Minuten löste sie sich wieder von diesem Anblick. Ihr Gesichtsausdruck hatte sich verdunkelt. Sie sah sich um. Es gab nur ein großes Zimmer und eine Tür, die vermutlich zum Bad führte. Auf einer Seite des Raumes stand ein Doppelbett mit weißer Bettwäsche bezogen. Die Küchenzeile gegenüber wirkte ebenfalls wie die Rollos neu und enthielt zum Glück einen Kühlschrank, was man, wenn man diese Gegend zum ersten Mal sah, nicht vermuten mochte. Sie öffnete die Tür, um zu überprüfen, ob es hier überhaupt Strom gab, doch die kühle Luft, die austrat, sowie das Licht, das anging, bestätigten es. Sie erinnerte sich an ihre Einkäufe und räumte die Lebensmittel, die Getränke sowie eine Packung Haarfärbemittel aus.
Plötzlich erschöpft von der Reise legte sie sich aufs Bett, nachdem sie ihr Tablet aus der Reisetasche geholt hatte. Auspacken, würde sie, wenn überhaupt, erst später.
Wie immer checkte sie zuerst ihre Mails, bevor sie auf Facebook ging. Wie immer gab sie seinen Namen ein.
„Freuen uns schon so!!!“ War der letzte Eintrag von ihm. Das war vor drei Tagen gewesen. Sie betrachtete sein Profilbild. Er hatte es geändert, seit sie nicht mehr zusammen waren. Genauso wie den Beziehungsstatus. Nur dass dieser nach nur zwei lächerlichen Monaten wieder auf „in einer Beziehung“ zurück geändert wurde. Vielleicht war es Mitleid, dass er sie nicht aus seiner Freunde-Liste entfernt hatte. Vielleicht fühlte er sich dadurch weniger schuldig. Andererseits hätte sie sich dadurch nicht mit ansehen müssen, wie er sich der nächstbesten an den Hals geworfen hatte. Sie war anders als sie selbst, dunkelhaarig, mit einem selbstgefälligen Lächeln, das dauerhaft in ihr Gesicht gemeißelt schien. Egal wie oft sie ihr Profilbild bereits gewechselt hatte, dieses Lächeln war immer da. Ansonsten sah sie ihr selbst ziemlich ähnlich. Thomas schien die Art von Mann zu sein, der sich immer den gleichen Typ von Frauen aussuchte.
Der Gedanke, wie sie sich wahrscheinlich genau in diesem Moment im Pool des schicken Hotels Stella Beach bei Chersonissos aalten, machte sie wütend. Sie scrollte hinunter und betrachtete das Bild des Hotels, das so viele Erinnerungen in ihr weckte. Seitdem sie das Hotelfoto auf Facebook gesehen und seinen Beitrag darunter gelesen hatte, hatte sie schlaflose Nächte gehabt, denn es war dasselbe Hotel, in dem sie selbst letztes Jahr mit ihm den Urlaub verbracht hatte. Sie konnte es immer noch nicht glauben, dass er ausgerechnet dieses Hotel ausgewählt hatte. Am liebsten hätte sie einen Kommentar dazu verfasst, doch die Angst, dass er sie doch als sogenannte Freundin entfernen würde – ihr einziger noch verbliebener Kontakt zu ihm - hatte sie gebremst. Sofort am nächsten Tag war sie ins Reisebüro gegangen und wollte ein Zimmer im selben Hotel für dieselbe Woche buchen. Sie hatte vor, ihnen den Urlaub gründlich zu verderben. Doch leider war nichts mehr frei. So kam es, dass sie ihren Plan ändern musste. Pech für die beiden, dachte sie und betrachtete den neuen Beitrag von Thomas. Es war ein Bild von den beiden, wie sie nebeneinander am Strand lagen. Beide hielten einen Cocktail in der Hand und grinsten dümmlich in die Kamera. Sie schaltete ihr Tablet aus. Es war Zeit zu schlafen.
Am nächsten Morgen nach dem Frühstück stieg sie in den Wagen und fuhr Richtung Stella Beach Hotel. Es dauerte eine halbe Stunde, bis sie den Wagen neben der Hoteleinfahrt parkte. Sie stieg aus, setzte ihre Sonnenbrille auf und machte sich auf die Suche. Mittlerweile war es elf Uhr vormittags. Wenn Thomas seine Gewohnheiten nicht verändert hatte, angesichts seiner neuen Freundin, schlief er sicher eine Runde am Strand unter dem Schirm. Sie würde sich wohl oder übel unter die anderen Badegäste mischen müssen, um die beiden ausfindig zu machen. Also nahm sie ihre Badetasche aus dem Kofferraum und ging in ihren Flipflops den wohlbekannten Weg Richtung Hotelstrand.
Sie musste nicht lange suchen, da sah sie Thomas bereits in seiner blauen Badehose, die sie auch schon gestern auf dem Foto gesehen hatte, welches er auf Facebook gepostet hatte.
Sie legte sich in die letzte Reihe, so konnte sie die beiden ungehindert beobachten. Wie vermutet schien er seinen Vormittagsschlaf zu halten, während seine Freundin neben ihm in ein Buch vertieft war. Sie betrachtete ihn, wie er da auf dem Rücken lag, sein Körper im Schatten bis auf die Füße, die bereits eine rötliche Färbung angenommen hatten. Plötzlich erschien er ihr kein bisschen attraktiv mehr. Er hatte keine schlechte Figur, doch wie er dort auf der Liege lag, mit offenem Mund, blieb das erwartete Gefühl des Verlusts aus. Sie wunderte sich und fühlte nochmals nach, doch es kam nichts. Weder Trauer noch Eifersucht. Doch ein anderes Gefühl hatte sich verstärkt. Sie empfand Hass auf diesen Menschen, der sie einfach so abserviert hatte, als wäre sie irgendein Gegenstand, den man nach Gebrauch weg schmiss. Zu oft war sie schon ausgenutzt worden, doch jetzt war sie hier, um sich zu rächen. Und dass sie nichts mehr für ihn Empfand, gab ihr Kraft ihren Plan auszuführen. Es bewahrte sie außerdem davor, Mitleid mit ihm zu empfinden.
Beinahe wäre sie selbst eingeschlafen, da sah sie, wie Thomas sich auf dem Liegebett rekelte. Seine Freundin legte wie auf Kommando ihr Buch zur Seite, als hätte sie es nur aus Langeweile gelesen. Er richtete sich auf und gab ihr einen Kuss, ohne sich der zu Berge stehenden Haare bewusst zu sein.
Das war ihr Signal. Sie erhob sich aus ihrem Liegebett und schlenderte gemächlich Richtung Meer, darauf achtend, dass sie genau an den beiden vorbei lief.
„Laura?“, hörte sie eine unsichere Stimme, als sie schon dachte, sie müsste umkehren und erneut starten. Sie drehte sich gespielt unschuldig um.
„Thomas?“, imitierte sie seinen Ton.
„Du bist hier?“ Diese Frage bettelte förmlich um eine dumme Erwiderung, doch sie nahm sich zurück und starrte ihn gleichfalls überrascht an.
„Das ist ja ein Zufall!“ Er klang nicht gerade erfreut. Auch seiner Freundin schien langsam zu dämmern, dass Thomas sich in einer ungemütlichen Situation befand. Sie sah ihn fragend an. Laura konnte förmlich sehen, wie die kleinen Zahnrädchen in ihrem hübschen Kopf arbeiteten.
„Das ist … Laura“, stellte Thomas sie schließlich unbeholfen seiner Freundin vor.
„Seine Ex-Freundin“, erklärte Laura leichthin, in dem Bewusstsein, dass sie das aussprach, was seine Freundin am wenigsten hören wollte.
Thomas stellte seine Freundin als Melanie vor und legte beruhigend einen Arm um sie.
„Schön, dich kennen zu lernen. Das ist ja wirklich ein Zufall. Allerdings war ich schon letztes Jahr hier, also ist es vielleicht doch nicht so ein großer Zufall. Stimmt’s?“ Laura sah Thomas verschwörerisch an. Er senkte verlegen den Kopf, während er mechanisch Melanies Schulter streichelte.
„Ich hoffe, ich störe nicht.“ Sie zwinkerte Melanie zu. „Habt ihr vielleicht Lust, heute Abend was zusammen zu machen?" Sie sah Thomas an und fügte dann leise hinzu: "Nachdem du dich so plötzlich aus dem Staub gemacht hast.“ Sie sah ihn gespielt streng an. "Ich würde euch gerne auf einen Drink einladen. Man trifft ja nicht jeden Tag alte Bekannte im Urlaub. Außerdem reise ich morgen früh schon ab. Das wäre ein schöner Abschluss - in jeder Hinsicht.“
Thomas setzte bereits zu einer Absage an, doch Laura fiel ihm ins Wort. „Bitte Thomas. Das bist du mir schuldig. Ich habe mich so oft gefragt, was ich falsch gemacht habe. Aber jetzt, wenn ich euch beide so ansehe, weiß ich, dass wir einfach nicht zueinander gepasst haben. Bei euch ist es anders, ihr seid das perfekte Paar. Nur ein kleiner Drink in meinem Ferienhaus. Bitte. Du musst doch zugeben, dass das ein Zeichen ist, das wir uns hier treffen. Ich meine… Erfülle mir nur diesen einen Wunsch und du siehst mich nie wieder.“
„Ok.“ Thomas seufzte, während seine Freundin ihm einen verkniffenen Blick zuwarf.
„Super! Ich freue mich. Ich hole euch gegen achtzehn Uhr vor dem Hotel ab, ok?“
„Nur ein Drink.“ Er warf seiner Freundin einen beschwichtigenden Blick zu. Doch sie sah ihn nur wütend an. Das gibt Ärger, dachte Laura und musste sich ein Lächeln verkneifen. Sie versprach es und lief über den heißen Sand ins Meer hinein.
Mittags aß sie in einer Taverne, dann fuhr sie die Küste entlang und schließlich wieder zurück in ihr Häuschen, wo sie das Zimmer aufräumte und sich anschließend frisch machte.
Wie vereinbart stand sie um Punkt achtzehn Uhr vor dem Hotel und wartete. Als sie schon befürchtete, Thomas hätte sich von Melanie umstimmen lassen, erschienen die beiden. Sie gingen Hand in Hand als würden sie sich besondere Mühe geben, um deutlich zu machen, dass sie zusammen gehörten. Kurz bevor sie bei Laura ankamen, gaben sie sich auch noch einen demonstrativen Kuss.
Keine Angst, dachte Laura, ich nehme ihn dir nicht weg. Du kannst ihn behalten – für immer.
„Hi.“
„Hi.“ Es klang wie aus einem Mund. Die beiden passten wirklich gut zusammen. Laura musste sich eine Bemerkung verkneifen.
„Steigt ein. Ich freue mich wirklich sehr, dass ihr mit kommt. Wir fahren auch nicht lange.“
Die beiden stiegen hinten ein, während Laura sich ans Steuer setzte. Sie hatte nicht wirklich erwartet, dass Thomas neben ihr Platz nehmen würde, doch sie kam sich trotzdem vor wie ein Coiffeur.
Als sie sich ihrem Häuschen näherten, sah sie prüfend in den Rückspiegel. Die beiden saßen stumm nebeneinander und hielten Händchen. Sie bog auf den Parkplatz ein. Jetzt sahen sie sich erstaunt um, als könnten sie es nicht glauben, dass sie hier bereits ihr Ziel erreicht hatten.
„Sind wir schon da?“, fragte Melanie und Laura merkte, dass es der erste vollständige Satz war, den sie aus ihrem Mund hörte.
„Ja, ist es nicht traumhaft hier? Wartet mal, bis ihr die Aussicht seht.“
„Ich möchte wieder zurück.“ In Melanies Stimme schwang ein bisschen Angst mit.
„Vielleicht sollten wir lieber in eine Cocktailbar an den Strand gehen?“
„Ich weiß, es ist nicht mehr das neueste Haus, aber wenn ihr einmal drinnen seid, werdet ihr sehen, dass es gar nicht mal so übel ist. Außerdem können wir auf der Terrasse sitzen. Der Ausblick ist atemberaubend schön. Besser als in jeder Strandbar.“
„Also gut.“ Thomas drückte Melanies Hand und half ihr anschließend aus dem Wagen. „Jetzt sind wir ja schon hier. Aber wir bleiben nicht lange.“
„Natürlich, wie ihr wollt.“
„Wie bist du denn zu dieser Hütte gekommen?“, fragte er und sah sich um.
„In meinem Lieblingshotel waren schon alle Zimmer belegt.“
Thomas schien sich zu winden, als wäre es wirklich seine Schuld, dass sie kein Zimmer mehr bekommen hatte. Wahrscheinlich bereute er bereits, sich nicht ein anderes Hotel auf einer anderen Insel oder sogar in einem anderen Land gesucht zu haben.
„Kommt nur herein.“
Unsicher betraten Melanie und Thomas das Haus. Laura sah ihnen die Erleichterung an, als sie sich in dem unlängst renovierten Zimmer umsahen.
„Du hast Recht“, sagte Thomas an Laura gewandt. „Innen sieht es ganz hübsch aus.“
„Ja. Kommt, ich zeig euch noch die Terrasse.“ Sie öffnete die Tür und führte das Pärchen zu einer kleinen Sitzgruppe. „Nehmt Platz und genießt die Aussicht. Ich hole inzwischen was zu trinken.“
Sie ließ die beiden alleine und ging zur Küchenzeile, wo sie drei große Gläser aus der Vitrine holte. Es waren nicht gerade Cocktailgläser, aber sie kamen dem schon ziemlich nahe. Dann begann sie den einzigen Cocktail, den sie machen konnte, zu mixen. Zuerst kam Grenadine, dann Kokoslikör und anschließend Orangensaft. Zu guter Letzt nahm sie das kleine Pillendöschen aus ihrem Versteck, zerbröselte diese, in dem Mörser, den sie gefunden hatte – die Küche war wirklich gut ausgestattet – und verteilte das weiße Pulver gerecht in den zwei Gläsern. Das dritte Glas, das einzige ohne Orangenschale am Rand, war ihres.
Wenig später saßen sie zu dritt auf der Terrasse und schlürften ihre Cocktails.
„Sieh zu, dass du nachher noch Autofahren kannst“, ermahnte Thomas sie.
„Keine Sorge. Bei mir hab ich ein bisschen an den Zutaten gespart.“ Und das war nicht einmal gelogen.
„Geht es dir nicht gut, Schatz?“ Besorgt tätschelte Thomas nach einer Weile Marlenes Arm.
„Ich bin bloß etwas müde. Ich glaube wir sollten langsam wieder zurück.“
Thomas trank den letzten Schluck seines Cocktails. Laura beobachtete die beiden. Sie musste zugeben, sie war aufgeregt. Es war das erste Mal, dass sie so etwas tat. Hoffentlich war die Dosis nicht zu leicht für Thomas gewesen.
Melanie jedoch hatte ihren Kopf bereits auf seine Schulter gelegt und die Augen geschlossen. Es sah so aus, als genoss sie die Situation. Thomas küsste sie sanft auf den Scheitel ehe er Anstalten machte sich aus seinem Sitz zu erheben. Doch es war ein schwacher Versuch. Kurz sah er erstaunt aus, dann fielen ihm wie aus dem Nichts die Augen ebenfalls zu. Noch ein letztes Mal öffneten sie sich halbherzig, dann schlief auch er.
Na bitte, Laura stand auf und räumte die Gläser in die Spüle. Dann machte sie sich bereit für die anstrengende Tätigkeit. Zuerst löste sie Melanie aus Thomas Arm und trug sie so gut sie konnte durchs Haus. Die letzten Meter bis zur Tür musste sie sie schleifen, doch das schien Melanie nicht zu stören. Sie schlief tief und fest den Schlaf der Unschuldigen.
Als sie mit ihr vor der Klippe stand musste sie lächeln. Die Sonne ging gerade unter und tauchte den Horizont in ein tiefes violett. Du bist ein Glückspilz, dachte sie. Gibt es einen schöneren Ort zu sterben als hier? Dann stieß sie Laura in die Tiefe. Ein leises Platsch ertönte, als diese im Meer landete und kurz darauf von der Gischt verschluckt wurde.
Jetzt war Thomas an der Reihe.
Sie ging zurück ins Haus und betrat die Terrasse. „Na, hast du inzwischen den Sonnenuntergang genossen?“, fragte sie munter und drehte sich zur Sitzgarnitur. Doch diese war leer. Thomas war verschwunden.
Panisch drehte sich Laura im Kreis. Wo war er hin? Er konnte doch nicht weit sein. Plötzlich packte sie etwas von hinten und drückte auf ihren Hals. Sie schnappte nach Luft. Verdammt, woher hatte er plötzlich diese Kraft? Hilflos rang sie nach Atem, während sie versuchte ihn mit ihren Beinen zu treten. „Wo ist sie?“ Die Stimme klang schwach und schleppend, als würde er jeden Moment wieder das Bewusstsein verlieren.
„Thomas, bitte…“, keuchte sie, doch er ließ nicht von ihr ab.
Dann plötzlich lockerte sich für einen kurzen Moment sein Griff. Laura nutzte die Gelegenheit und rammte ihren Körper gegen seinen, sodass er gegen den Türrahmen krachte. Er ließ los und Laura lief in die Küche. Sie öffnete die Besteckschublade, ohne Thomas aus den Augen zu lassen. Sie sah, wie er torkelnd auf der Terrasse stand. Fiebrig holte sie das größte Messer aus der Lade, während sie hoffte, es nicht benutzen zu müssen. Sie war keine kaltblütige Mörderin. Sie konnte keinen Menschen erstechen, ihm das Messer in die Brust rammen. Jemanden zu schubsen war etwas anderes, fand sie. Das taten doch kleine Kinder auf dem Spielplatz ebenso.
Laura hatte Glück, Thomas kippte um, noch bevor sie ihn erreicht hatte.
Kurz darauf stand sie schweißgebadet mit Thomas im Schlepptau an der gleichen Stelle wie zuvor mit Melanie.
„Schade, du hast es verpasst. Die Sonne ist fast weg.“ Dann schubste sie ihn ebenfalls. Jetzt seid ihr für immer vereint.
Am nächsten Morgen gab sie den Schlüssel für das Häuschen und den Leihwagen zurück. Dann nahm sie die Karte, die sie aus Melanies Handtasche gestohlen hatte, ehe sie sie ihrer Besitzerin hinterher geworfen hatte und zog ins Hotel ein.
Da die Anlage so groß war, schien niemandem aufzufallen, dass das hübsche braunhaarige Mädchen mit der großen Sonnenbrille ihren Freund nicht mehr dabei hatte.