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Flimmern

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08.03.2018
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Flimmern

Ein gelblicher Schleier liegt in der Luft.
Eine grüne Wiese. Auf ihr, ein junges Mädchen, tanzend. Ihr Strahlen übertrifft die helle Nachmittagssonne bei Weitem. Sie lässt ihr Kleid bei jeder Drehung im Wind wehen. Wie wunderschön sie ist, merkte sie gar nicht, denkt er sich. Es wäre ihr aber auch egal. Sie tanzt einfach, und scheint nicht zu wissen, ob sie glücklich oder fröhlich sein sollte, sodass sie sich für Beides entschied. “Tanz mit mir!“. Sie schaut ihn mit ihren leuchtenden Augen an. 'Ich kann doch gar nicht tanzen.' denkt er.
Flimmern
Sie steht einfach da. Von der Abendsonne angestrahlt, nackt. Ihr Gesicht ist von ihm abgewandt und ihr Blick geht über das Meer. Die Wellen umstreifen ihre Knöchel und ihre Zehen versinken im Sand. Sie hat die Arme ausgebreitet, als würde sie darauf warten, die Welt zu umarmen. Für einen Moment lang denkt er, er träume. Ein warmes Gefühl breitet sich in seiner Brust aus, je länger er sie anschaut. Dieser Moment solle nie enden.
Flimmern
Große Augen schauen ihn erwartungsvoll an. Sie sieht ungewohnt aus in diesem weißen Kleid. Ungewohnt, aber schön. Der Schleier legt sich über ihre Haare wie das Schimmern der Sonnenstrahlen. “Gefalle ich dir?“. Wunderschön, denkt er, hätte er das jedoch auch gedacht, trüge sie einen Kartoffelsack. “Also kann man so heiraten?“. Er kneift die Augen fest zusammen, sodass sich eine Träne löst und ihm über die Wange bis zu seinem Kinn rinnt.
Flimmern.
“Das ist doch echt süß, oder?“. Der Strampler in ihrer Hand passt zu den tiefblauen Augen des Babys auf ihrem Arm. Er hat die Augen seiner Mutter, denkt er. “Oder lieber etwas Ausgefallenes?“. Sie hält einen viel zu klein geratenen Smoking hoch. Ein schmerzendes Lächeln kommt ihm über die Lippen. Das Kind fängt an zu weinen. “Das war wohl eindeutig.“ scherzt sie.
Flimmern
Alles wirkt so friedlich. Einzelne Strahlen der orangenen Sonne kommen von draußen durch das Fenster und durchziehen den Raum. Es ist ruhig. Man hört sie nur leise atmen. Sie verbreitet so viel Frieden, wenn sie da sitzt und liest. Die Gläser ihrer Lesebrille vergrößern neben ihren immer noch leuchtenden Augen die kleinen Fältchen daneben. Die Zeit ließ selbstverständlich* ihre Spuren an ihr zurück. Wunderschön, denkt er sich dennoch. Oder gerade deswegen. Sie blickt auf, sieht ihn direkt an und lächelt.
Flimmern
Schwarz. Er schaut noch eine Weile auf den dunklen Bildschirm, möchte nicht, dass es schon zu Ende ist. Er fängt an, das regelmäßige piepsen des Herzmonitors neben sich wieder zu hören, löst seinen Blick vom Bildschirm und schaut mit gläsernen Augen durch den Raum. Alles ist weiß und steril. Es riecht nach Desinfektionsmittel. Das Atmen fällt ihm schwer und der vorgetragene Rhythmus des Monitors neben ihm lässt auf eine ebenso schwerfällige Herzfunktion schließen. Zwei Frauen in charakteristischer Krankenhaus-Uniform stehen, sichtlich gerührt hinter dem Mann mit weißem Kittel. “Eine wirklich schöne Idee. So werden Sie Ihre Frau für alle Ewigkeit in Erinnerung behalten.“ sagte er mit einer leicht zittrigen Stimme zu ihm.
Er lächelt traurig, schließt seine Augen.
“...nur dass sie leider nie meine Frau war.“
Und dann... Flimmern.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Marcel,
Und natürlich Herzlich Willkommen hier im Forum.

Die Zeit ließ selbstverständlich* ihre Spuren an ihr zurück
Hat das * irgendeinen Sinn, den ich nicht verstehe?

"Eine wirklich schöne Idee. So werden Sie Ihre Frau für alle Ewigkeit in Erinnerung behalten.", sagt er
Welche Idee?, frage ich mich. Das kannst du uns ruhig zeigen.
Und ans Ende der wörtlichen Rede kommt, wenn der Satz danach weiter geht, kein Punkt.

"...nur dass sie nie meine Frau war"
Und dann... Flimmern.
Ich bin erst seit c.a. 2 1/2 Wochen dabei, und habe selbst noch keine Geschichte gepostet. Allerdings habe ich gemerkt, dass man hier unglaublich viel lernen kann. Nicht nur, durchs selbst kommentieren, sondern auch schon, wenn man die Kommentare von anderen liest. So habe ich zum Beispiel gelernt, dass ... immer mit einem Lehrzeichen vom vorherigen Wort abgetrennt wird, wenn nicht das Wort selbst abgebrochen wird. Das wusste ich vorher auch nicht. Wohl aber, dass das Wort nach dem ... ebenfalls durch ein Leerzeichen abgetrennt wird.
Außerdem muss hinter das "nur" ein Komma.

Aber ansonsten ist das eine wirklich schöne Geschichte. Ich versuche mal zu beschreiben, wie ich sie verstanen habe.

Seit er sie das erste mal gesehen hat, als sie beide Kinder waren, hat er sich in sie verliebt. Sie wurden Freunde, in jungen Jahren (im zweiten Abschnitt) könnten sie sogar mal ein Paar gewesen sein.
Dann trennen sie sich wieder, und sie heiratet, doch sie bleiben Freunde. Er liebt sie immernoch, weswegen er bei ihrer Hochzeit auch weint, er gönnt ihr aber auch ihr Glück. Ihr ganzes Leben lang stehen sie sich sehr nah. Sie bekommt von ihrem Mann ein Kind, und auch daran zerbricht ihre Freundschaft nicht.Auch noch im Alter verstehen sie sich gut. Dann stirbt sie. Er will es nicht wahrhaben, weil er sie eben liebt, für ihn lebt sie immer weiter. Er verhällt sich so, wie ihr Mann, obwohl er das leider nie war, er erweist ihr irgendeinen letzten Dienst, so lieb, dass auch den Außenstehenden die Tränen kommen.
Anfangs steht das Flimmern für das Verliebtsein, für die Freude, die sie in ihm auslöst.
Es scheint sich langsam zu wandeln, hin und hergerissen zwischen der immer noch bestehenden Freude, für sie, über sie und mit ihr, und dem Gefühl des Verlustes, dass er sie niemals als Frau haben kann, dass er all das Schöne nicht mit ihr gemeinsam erleben kann.
Am Ende steht es für die Trauer um sie, dafür, dass vieles versäumt wurde, er nicht immer bei ihr bleiben konnte, aber auch ein wenig für die Hoffnung/ die Aussicht, dass alles auch wieder besser wird.

Das fand ich sehr gut. Da ist viel Gefühl drin. Du erzählst in wenigen Sätzen ein Leben, mit Höhen und Tiefen, in der aber immer Geborgenheit und Frieden mitschwingt. Das gefällt mir wirklich. Da macht es mir nichtmal etwas aus, dass wir eigentlich fast nichts über die Figuren erfahren, vor allem über den Ich Erzähler.

Soviel von mir,
Anna

 

Hallo Ronja,

vielen Dank für dein Feedback! Finde es toll, dass sich jemand ernsthaft mit meiner ersten Kurzgeschichte auseinandersetzt.
Das Ende hatte ich mir so gedacht, dass der Ich-Erzähler ein dauerhafter Begleiter der Frau war, allerdings nie derjenige, der in ihrem Leben die Hauptrolle spielte.

Ich werde deine Hinweise für weitere Geschichten aufjedenfall beherzigen. :)

Lieben Gruß
Marcel

 

Hallo Anna,

vielen Dank für deine ehrlichen Worte. Ich bin echt etwas baff, was es alles für Formregeln gibt. Ich gebe zu, obwohl das meine allererste Kurzgeschichte war, dachte ich, eigentlich alles eingehalten zu haben. Aber ich find es gut, dass man hier so etwas lernen kann.
Ich fühl mich ja schon geehrt, dass sich hier allgemein jemand mit meiner Geschichte auseinander setzt, also noch einmal vielen Dank dafür! Im Grunde meinte ich die Geschichte auch so, wie du sie verstanden hast. Gleichzeitig wollte ich auch das Gefühl von Filmaufnahmen aus einer alten Kamera deutlich machen, daher auch dieses “Flimmern“ und der gelbliche Schleier. Zudem sollte das letzte Flimmern eine Art “Kammerflimmern“ symbolisieren. Da es der letzte Wunsch des Ich-Erzählers war, diese alten Filmaufnahmen noch einmal sehen zu können. Daher auch der Kommentar mit “schöne Idee“.

Vielen Dank für dein Feedback.

Liebe Grüße
Marcel

 

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