Was ist neu

Gute Texte verändern den, der sie liest

Unser Leben ist voll von Texten, die große Macht bezeugen und doch kommt eine Zeit, da der gleiche Text jegliche Macht verliert, obwohl der Text nicht verschwindet!
Ja – und? Es gibt Zeiten, in denen uns Bärlauch schmeckt, während uns in anderen nicht einmal die Existenz dessen bekannt ist. Spricht das gegen Bärlauch bzw. einen bestimmten Text?

Unser Leben ist voll von Beispielen, wo der gleiche Zweck ohne einen Text erreicht wird.
Das sagt uns nur, dass wir von verschiedenen Speisen satt werden können.

Unser Leben ist voll von allen Texten und doch werden ständig neue erzeugt, obwohl alte Probleme nicht gelöst sind und neue hinzu kommen.
Dies ist eine unzulässige Vermischung - was haben alte und neue Texte mit alten oder neuen Problemen zu tun?

Ist die Wirkung des Textes nur eingebildet und er nur zufällig anwesend? Wenn dem Text eine eigene Macht innewohnen würde, dann könnte ich die Probe machen.
Warum gibt es dann schlechte Schüler? Warum gibt es Rentner, die sich zur Kaffeefahrt eine überteuerte Heizdecke aufschwatzen lassen, obwohl davor schon hundert Mal in guten Texten gewarnt wurde? Warum essen viele Menschen Nahrungsmittel, die eigentlich als Sondermüll gekennzeichnet werden müssten, Texte mit Beweisen darüber gibt es genug? Warum gibt es im Tierreich keine schlecht erzogenen Kinder, obwohl die Tiere ohne Texte auskommen müssen?
Das sind menschliche Schwächen oder Unzulänglichkeiten, aber was hat das mit Texten zu tun? Die Tatsache, dass Texte manche Menschen verändern, andere aber anscheinend nicht, spricht nicht gegen grundsätzlich mögliche verändernde Funktion dieser Texte.

Das Bewusstsein bestimmt das Sein oder das Sein bestimmt das Bewusstsein?
Beides stimmt.


Selbst wenn man sich für die erste Variante entscheidet, ist ein Text nur ein symbolischer Bestandteil des Bewusstseins. Es gibt darüber hinaus noch einige Bestandteile, die nicht nur symbolisch sind, sondern real und unabhängig vom Text und der Sprache existieren. Reize, Instinkte, Triebe, Gefühle und die materiellen Lebensbedingungen.
Man lebt nicht vom Brot allein. Schon dieser Satz sagt, dass es mehr gibt auf dieser Welt als Texte, aber spricht das gegen die Letztgenannten?

Die Welt ist ein Nebeneinander von vielen Dingen und der Mensch hat 5 Sinne, um sie wahrzunehmen und ev. durch sie etwas zu lernen. Das hat der Mensch gemeinsam mit Tieren, doch er unterscheidet sich dennoch fundamental von diesen: Er hat Texte. In diesen bewahrt er seine Erfahrung und kann durch sie von Erfahrung anderer lernen. Er muss also nicht mehr alle Erfahrungen selbst erfahren - es genügt von diesen Erfahrungen zu lesen oder zu hören.

Die Voraussetzung dafür ist: Jemand muss zuvor etwas aufgeschrieben haben. Und dieses Aufschreiben hat nichts mit deinem (minderwertigen) Papierschwert zu tun, selbst wenn der Schreibende das denkt oder die Leser es so empfinden.

Texte sind real auch dann, wenn sie Fiktion beschreiben, also von Dingen handeln, die es (noch) gar nicht gibt. Ob diese (aufgeschriebenen) Ideen jemals gelesen - und damit die Chance bekommen, (verändernd) zu wirken -, ist eine Frage, die zu stellen hier wohl der falsche Ort ist.

Doch insgesamt gebe ich Seytania recht, dass das kein Sofort ist, sondern bestenfalls ein Baustein, der sich zu anderen hinzufügt und irgendwann vielleicht eine Veränderung bewirkt, doch zu diesem Zeitpunkt kann man höchstwahrscheinlich nicht einmal den Ursprung benennen, da dazwischen zu viel passiert ist.
Das stimmt sicher in vielen Fällen, aber gerade das Beispiel mit dem Buch Solschenizyns zeigt uns, dass ein einzelner Text auf viele Menschen bewusstseinsverändernd wirken kann.

Ein bisschen bekam ich den Eindruck beim bisher Gesagten, das Dions ursprüngliche Frage eine Vermischung erfahren hat. Es wurden kg.de-Texte genannt, die mitunter beeindruckend waren, die nachdenklich gemacht haben. Aber damit ist sicher noch keine persönliche Veränderung verbunden.
Mir ist nicht klar, was du mit „persönliche Veränderung“ meinst – vielleicht kannst du das präzisieren?

Ich habe auf kg.de bei manchen Texten überrascht feststellen müssen, dass sie von KritikerInnen oft fertig gemacht wurden mit der Argumentation, jenes (das Erzählte, Beschriebene) gäbe es nicht und mit der Geschichte würde versucht, brutal eine Meinung zu oktruieren, die ja nie und nimmer wahr wäre. …
Das sind kleine menschlichen Schwächen, die sich in einem Literaturforum natürlich auf diese Weise äußern – wir wollen gnädig sein und darüber hinweg sehen. :D

 

Wenn zwei selbstbewusste Menschen sich unterhalten, dann will keiner von seinem Modell ablassen, welches sich in seiner Welt bewährt hat. Mein Text hat keine Macht über Dich und Deiner keine über mich, das meinte ich mit "erwachsen" und "kontrollieren".
In diesen Kategorien denke ich nicht. Es geht allein um Argumente. Wenn du anfängst, Argumente aus ideologischen Gründen nicht anzuerkennen (damit sie keine „Macht“ über dich haben können), hast du schon verloren, denn du verbleibst damit automatisch in deinem (vermeintlich sicheren) Schneckenhäuschen. Das ist schlicht Angst vor Veränderung und das ist das Gegenteil von Selbstbewusstsein, von dem du in diesem Zusammenhang sprichst.

Sagt der Christ zum Heiden: Du musst nicht an Gott glauben, aber aus Respekt könntest zumindestens die Möglichkeit anerkennen, dass es ihn geben könnte. (Religiös wertungsfreie Metapher!)
Aus Respekt? Vor Christen etwa? Und außerdem: Wo, wie in deinem Beispiel, von Gott die Rede ist, kann es keine religiös wertungsfreie Metapher geben.

 

Wenn zwei selbstbewusste Menschen sich unterhalten, dann will keiner von seinem Modell ablassen, welches sich in seiner Welt bewährt hat. Mein Text hat keine Macht über Dich und Deiner keine über mich, das meinte ich mit "erwachsen" und "kontrollieren".

Wenn jeder die These des anderen verneint und dies vorhersagbar passiert, ist es ähnlich, als würde er sie immer bestätigen und das geschähe vorhersagbar. Einmal wäre die Kommunikation ausschließlich symmetrisch und einmal konsequent komplementär. Kommunikationen, deren Verlauf vorhersagbar ist, sind gestört. Kommunikationen, in denen sich Symmetrie und Komplementarität ablösen und sowohl der Verlauf wie der Inhalt unvorhersagbar sind und neues generieren, sind gesund. Das sagt sinngemäß Paul Watzlawick in "Menschliche Kommunikation", etwa 1968, hier in Kurzfassung.
Übrigens: vorhgersagbare Kommunikationen sind langatmig und langweilig. Mit Selbstbewußtsein haben sie nichts zu tun.

 

@Setnemides: Das ist eine hervorragende Beschreibung der Quote Wars, die auch auf kg.de manchmal ausbrechen, wenn Leute mit Zähnen und Klauen ihre Behauptungen verteidigen und sie mit langatmigen und bedeutungsleeren Überlegungen und/oder irrelevanten Zitaten "beweisen", um nur ja nicht zugeben zu müssen, dass sie einmal vorschnell geurteilt oder sich sogar geirrt haben könnten. Denn das wäre nämlich ganz schlimm. Da würde die Welt untergehen!

 

Er ist auch der Meinung, dass man das Geschlecht und eine Gesellschaft nicht durch Texte ändern kann. Wieso diese Beispiele? Wer hat je davon gesprochen? Es ging bisher nur um den Einzelnen und dessen geistige Eigenschaften, kein Mensch hat von körperlichen Eigenschaften gesprochen, wozu das Geschlecht und die Sexualität auch gehört, denn Homosexualität ist keine Erziehungsfrage, sondern eine genetische Frage.
Du hattest davon gesprochen, indem du sinngemäß postuliertest, die Menschen läsen seit ewigen Zeiten Bücher und dich wundertest, weshalb die Menschheit (ein noch viel abstrakterer Begriff als "Gesellschaft" sich trotz unzähliger Bücher nicht änderte. Auch führtest du die Körperlichkeit (Fortpflanzung, Ernährung) in die Diskussion ein, nicht ich. Über die Bemerkung zur genetischen Verantwortung für die sexuelle Präferenz kann ich mich nur wundern, weder hat man bisher ein Heterosexuellengen noch (trotz Forschung danach) ein Homosexuellengen gefunden. Das aber führte wirklich zu weit vom Thema. Ob ich eine Haltung "erlauben" möchte, davon habe ich allerdings nicht gesprochen, nur davon, dass ich sie nicht in dieser Konsequenz für möglich halte. Die Antwort dazu, warum, lieferst du übrigens selbst:
Ich sage damit nicht, dass ich mich überhaupt nicht verändere und dass ich Informationen nicht berücksichtige und nur in einer isolierten Welt lebe, ich sage nur, dass ich in einer kontrollierten Welt lebe und dass ich die Kontrolle habe bzw. mich darum bemühe !
Letztlich ist es doch der Absolutheitsanspruch der Aussage "Ich vermeide, dass mich Texte verändern", der ganz anders klingt als "Ich kontrolliere, in wieweit mich Texte in meinem Meinungsbild und meinem Charakter verändern dürfen". In deiner eigenen Zusammenfassung zu #12 hast du deine Aussage von #12 so selbst relativiert.
merkst Du, was passiert?
Wenn zwei selbstbewusste Menschen sich unterhalten, dann will keiner von seinem Modell ablassen, welches sich in seiner Welt bewährt hat. Mein Text hat keine Macht über Dich und Deiner keine über mich, das meinte ich mit "erwachsen" und "kontrollieren".

Herzliche Grüße von einem Textinhaber, Textmachthaber

die Macht, die ein Text ausübt, liegt vielleicht nicht alleine in der Übernahme der Meinung, sondern schon darin, dass man sich gezwungen sieht, darauf zu antworten, selbst, wenn, oder gerade, weil man anderer Meinung ist. Macht übt Geschriebenes schon aus, wenn es zur Auseinandersetzung zwingt, nicht erst, wenn es zur Meinungsübername überzeugt, manipuliert, demagogisiert, was auch immer.

Liebe Grüße
sim

 

Zu deinem Beitrag, Udo, vom 19.08.2010, 09:56 nur ein Satz: Wir verstehen uns nicht.

Damit unserer Disput zumindest von meiner Seite her ein Ende hat, hier ein letztes Wort:

Wenn der angeschriebene Mensch erwachsen ist, sollte er in der Lage sein, jede nicht gewollte Beeinflussung durch fremde Texte abzuwehren.
Also auch hier: Du wehrst Texte ab, die dir nicht passen, selbst wenn das, was drin steht, richtig sein könnte.

Das erinnert mich an die christlichen Fundamentalisten, die von der Wiege bis zum Tode darauf achten, sich ja nicht mit fremdem Gedankengut zu kontaminieren. Zu diesem Zweck werden sie als Kinder in die eigenen christlichen Kindergärten und Schulen geschickt und gehen später selbstverständlich auf eigene christlichen Universitäten. In all diesen Institutionen hören sie z.B. nie etwas über die Evolutionstheorie, und wenn doch, dann nur im Zusammenhang mit „Beweisen“, die dieser Theorie angeblich widersprechen.

Abgesehen davon, dass ich das Vorgehen solcher Eltern gegenüber ihren Kindern für unchristlich halte, berauben diese Menschen sich selbst der Freiheit des Denkens - sie leben in einem selbstgewählten Gefängnis. Das ist die eigentliche Tragödie.

 

Hallo Dion

Zitat:
Zitat von Lev
Ein bisschen bekam ich den Eindruck beim bisher Gesagten, das Dions ursprüngliche Frage eine Vermischung erfahren hat. Es wurden kg.de-Texte genannt, die mitunter beeindruckend waren, die nachdenklich gemacht haben. Aber damit ist sicher noch keine persönliche Veränderung verbunden.

Mir ist nicht klar, was du mit „persönliche Veränderung“ meinst – vielleicht kannst du das präzisieren?


Damit meinte ich, dass, auf deine Ursprungsfrage bezogen, ich glaube, dass die von dir oder anderen bereits genannten kg.de-Texte, nicht wirklich "persönliches" Verhalten der LeserInnen zwingend verändert haben, bestenfalls die (Be)Denkweise über Inhalte von Geschichten, was aber schlussendlich zu keiner unmittelbaren Veränderung der Persönlichkeit führt.
Hoffe, du weißt, was ich meine.

lg
lev

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Udo,

Ich kenne keinen Wissenschaftler mit zwei Köpfen oder sechs Ohren oder einem grundsätzlich anders aufgebautem Gehirn. Die Realität zu betrachten, sich ein Modell zusammen zu reimen und in der Realität zu testen, kann ich auch, dazu muss ich mich nicht anderen ausliefern und schon gar nicht Leichen!

Hut ab vor dem Anspruch, alles selbst herzuleiten oder zumindest grundlegend zu prüfen. Ich bin auch naturwissenschaftlich geprägt und vermeide es, Dinge zu übernehmen, besonders, wenn sie der eigenen Fähigkeit der Herleitung erreichbar sind. Andererseits ist es doch so, daß Intelligenz aus dem wechselseitigen Austausch vieler Informationen und Kombinationen entwickelt wird, das geschieht in einem Gehirn wie in vielen; eine Gruppe in intensiver Interaktion kann intelligenter und besonders kreativer sein als ein einzelner. Das gilt auch für die Helden im Alleingang: sie haben fast immer den von anderen erarbeiteten Wissensstand intensiv genutzt (Einstein z.B.).
Insofern haben für mich die Informationen und Gedanken anderer einen hohen Wert, besonders, wenn ein Austausch möglich ist: sie fördern die Entwicklung. Dabei ist es, bis auf das Dilemma des fehlenden Austausches der Gedanken, gleichgültig, ob der Partner mir gegenüber sitzt, im Forum schreibt oder weit weg in der Toscana Bestseller ausbrütet oder schon unter der Erde vergammelt. Letztere sind mir eigentlich am liebsten; wenige lesen sie und man bekommt Anregungen, die man sonst nicht erhält.
(Das Zitat der Leiche Watzlawick finde ich nur insofern bedeutsam, als er unter tausenden, die so etwas von sich gegeben haben, der erste war, der dies in der Neuzeit in unserem Kulturkreis systematisiert aufgeschrieben hat. Die Botschaft ist eigentlich trivial.)

Falls jetzt jemand meint, ich wäre weit offtopic verdriftet; ich habe "Veränderung" durch "Entwicklung" ersetzt, und eigentlich denke ich, das ist mit dem Thread auch gemeint. Gute Literatur fördert mich in meiner Entwicklung, wohin auch immer, aber nach Möglichkeit selbstbestimmt (!).
Vielleicht nähern wir uns ja doch noch an; Deine Mauern einzureißen traut sich wohl niemand zu, aber es gibt ja auch Katzentüren.

Gruß Set

 

Sind wir wieder bei der Ex-Tagesschau-Sprecherin Eva Herman und dem Salzburger Weihbischof Andreas Laun gelandet?

Eigentlich, Udo, wollte ich dir gegenüber schweigen, aber so viel Unsinn auf einen Haufen, wie du ihn in deinem letzten Beitrag zusammen getragen hast, verlangt nach Zurückweisung:

Irgendwann schrieb einer einen Text, der Gerechtigkeit forderte. Dieser Inhalt wurde in allen Varianten publiziert. Ist die Welt dadurch gerechter geworden? Ich sage nein, denn

-noch nie gab es so große Unterschiede in der Sterblichkeitsrate unter den Völkern wie heute. Es gibt Gegenden, wo es eine Ausnahme ist, dass ein Kind die ersten drei Jahre nicht überlebt und Gegenden, wo es eine Ausnahme ist, dass es überlebt.
-noch nie gab es so große Unterschiede in dem Umsatz von Rauschgift und Getreide wie heute. Ca. 500 Milliarden Dollar Rauschgift, ca.100 Milliarden Dollar Getreide.
-noch nie gab es eine Spezies, deren Anspruch auf die Ressourcen der Erde gegenüber den anderen Spezies so dominant war wie heute. Unter dem Deckmantel der Errungenschaften der Technik bedeckt der Kot der Menschen die ganze Erde und verseucht oder verringert den Lebensraum für andere Lebewesen.
-noch nie gab es soviel unnötige Arzneimittel wie heute und soviel resistente Krankheitserreger wie heute.
-noch nie gab es eine so große gesellschaftliche Bereitschaft für die Finanzierung von strittigen Maßnahmen wie z.B. Weltraum, Waffen und Währung und eine so kleine Bereitschaft für unstrittige Maßnahmen wie z.B. Hunger, Haus und Heilung wie heute.
-usw.

Das Schreiben des Textes mit dem Ruf nach Gerechtigkeit hat den Menschen nicht dazu gebracht, gerechter zu werden, also dieser Text ist absolut machtlos, weil es augenscheinlich andere Mächte zu geben scheint, die den Menschen, wenn überhaupt, verändern. Also entweder kann man die Menschen nicht verändern und deshalb auch nicht durch Texte, oder es gibt andere Mächte, die den Text alt aussehen lassen.


Große Sterblichkeitsrate hat es früher überall gegeben, und wenn das jetzt nicht mehr überall der Fall ist, dann ist das dem sehr hohen Stand im Hygiene- und Medizinbereich in der technologisch entwickelten Staaten zu verdanken. Sollen wir jetzt darauf verzichten, damit der alte Zustand wiederkehrt, oder diese Technologien um jeden Preis exportieren, damit die Sterblichkeitsrate ab- und die ohnehin vorhanden Überbevölkerung weiter zunimmt?

Es ist ein Naturgesetz, dass jede Spezies sich vermehrt, wenn die Umweltbedingungen günstig sind – bis sich diese Bedingungen ändern, z.B. durch Ressourcenknappheit. Und dominant waren einst Dinosaurier – sie beherrschten die Erde Millionen von Jahren, wir Menschen erst 100, wenn überhaupt.

Und was die Bereitschaft angeht, gegen Hunger und Mortalitätsrate der Kinder in der Welt vorzugehen, so war diese noch nie größer als heute. Wobei man sehen muss, dass positive Ergebnisse dieser Bereitschaft auch negative Folgen haben: Überbevölkerung, vor allen in den Teilen der Welt, die sich selbst nicht ernähren können, was zu immer größeren Hilfsaktionen führt und dazu die von dir gegeißelte Überbevölkerung weiter anheizt.

Früher starben Menschen überall wie die Fliegen (durch die Pestepidemien wurde allein die Bevölkerung Europas innerhalb weniger Jahre um ein Drittel vermindert), dass jetzt weltweit vielleicht ein paar tausend durch resistent gewordene Krankheitserreger sterben, ist zwar bedauerlich, aber im Vergleich zu früher ist dieser Zustand fast paradiesisch zu nennen.

Der Menschheit geht es heute besser denn je, sonst hätte es die exorbitante Bevölkerungszunahme in den letzten 200 Jahren nicht gegeben. Und hätte es in dieser Zeit Bücher für weite Teile der Bevölkerung nicht gegeben, gäbe es auch die technologischen (z.B. Medizin) und ethische (z.B. Abschaffung der Sklaverei) Fortschritte nicht, die unsere westlichen Gesellschaften heute prägen.

Und da kommst du und verkündest, früher wäre alles besser gewesen (durch deine Formulierung "noch nie") und andere Mächte hätten, wenn überhaupt, dafür gesorgt, dass sich die Menschen veränderten. Dabei sind wahrscheinlich für die schlechten Dinge die dunklen Mächte verantwortlich, und für die guten die guten.

Wenn dem so wäre, dann hätte diese gütige Macht ihren eigenen Text schlecht aussehen lassen, denn es steht geschrieben: „Denn wer da hat, dem wird gegeben, dass er die Fülle habe; wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat.“ (Mt 13,12).

Zum Glück glaubt die Menschheit dank anderer Texte nicht mehr, dass diese angeblich von gütiger Macht verkündete Ungerechtigkeit ein Naturgesetz sei und handelt entsprechend. Aber das mit der Menschheit ist vielleicht zu viel gesagt – es gibt immer noch Menschen, die zwar behaupten, an Texte nicht zu glauben, aber zugleich glauben sie an eine Macht, die in einem dieser Texte beschrieben und bejubelt wird.

 
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@Udo: Ich frage mich vor allem, warum jemand, der so ueberzeugt von der absoluten Wirkungslosigkeit von Texten ist, soooo viel schreibt. :D
Meinst Du auch, dass Texte, wie die von Voltaire oder Rosseau keinerlei Einfluss auf die Entwicklung der Geschichte gehabt haben?

@Dion: Ich finde den Textbegriff wie er hier gefasst wird zu weit, um noch sinnvoll diskutieren zu koennen. Mich wuerde eher die Frage interessieren, wie gerade fiktive, literarische Texte einen veraendern koennen. Und dann auch nicht so absolut und allgemein, sondern wie einzelne kgler von einzelnen Texten veraendert wurden. Deshalb hab ich auch nachgefragt, wie das bei den von Dir zitierten Texten vor sich ging. Haben die Deinen Blick auf die Welt veraendert? Das waer schon was. Wenn es aber nur darum geht, dass ich einen Text ueber Pferdezucht im 18. Jh. lese und danach eben mehr ueber Pferdezucht im 18. Jahrhundert weiss, ohne dass mich das irgendwie in meinem Handeln oder meiner Wahrnehmung meiner Umwelt beeinflusst, finde ich das wenig spektakulaer und diskussionswuerdig. Gerade daher haette ich persoenlich eine Einschraenkung des Begriffs "Veraenderung" begruesst.

Aber seis drum, ich kann eh nichts beitragen, weil ich kei keinem kg.de Text ein Aha-Veraenderungserlebnis hatte, obwohl sie mich wahrscheinlich alle irgendwie, vielleicht auch nur mikroskopisch, in meiner Entwicklung beeinflusst haben (was ich aber keineswegs als heimliche Infiltration durch fremdes Gedankengut, sondern als ganz normalen menschlichen Entwicklungsprozess empfinde - schon lustig in welche Richtungen solche Diskussionen da teilweise abdriften).

 

Wo bleibt libertas Bavariae?

@Udo: Ich frage mich vor allem, warum jemand, der so ueberzeugt von der absoluten Wirkungslosigkeit von Texten ist, soooo viel schreibt. :D
:thumbsup:

Mich wuerde eher die Frage interessieren, wie gerade fiktive, literarische Texte einen veraendern koennen.
Bist aber lästig, feirefiz. ;) Aber okay, ich sage dir jetzt, warum ich z.B. sims Geschichte Körperwahn als mich verändernd nannte: In dieser Dystopie werden Mechanismen des Kollektivwahns auf einer Weise beschrieben, die einen schaudern lässt und zugleich nachdenklich macht.

Obwohl die Geschichte utopisch ist, wird einem klar: Ja, so funktioniert diese Welt - man muss sich nur anschauen, wie wir aus Rauchern binnen wenige Jahre fast Asoziale gemacht haben.

Dabei ist das Volk nicht etwa einem Verführer anheimgefallen, sondern von sich aus mit Gesundheitsargumenten (wie in der sims Geschichte!) solange Politik gemacht, bis auch der letzte (über 60% Mehrheit) von der Richtigkeit der Propaganda überzeugt war und an der Wahlurne entsprechendes Kreuz machte. Jetzt haben wir in Bayern das totale Rauchverbot in allen öffentlichen Räumen – Zitat Wikipedia: „Am 1. August 2010 ist das durch den Volksentscheid beschlossene neue bayerische Gesetz zum Schutz der Gesundheit vom 23. Juli 2010 in Kraft getreten. Es sieht ein striktes Rauchverbot für alle Gaststätten vor. Die mit Wirkung zum 1. August 2009 geschaffenen Ausnahmeregelungen für Bier-, Wein- und Festzelte und für getränkegeprägte kleine Einraumgaststätten sind ebenso entfallen wie die zur gleichen Zeit geschaffene Möglichkeit, Rauchernebenräume einzurichten.“

Wenn man Teil einer Gesellschaft also Zeitgenosse ist, sieht man die Veränderungen der Gesellschaft, die eher schleichend vor sich gehen, meistens als folgerichtiger Fortschritt an, doch mit dem Abstand von einigen Jahrzehnten kann man sehen (wenn man gewillt ist und lange genug lebt), dass diese Fortschritte auch als Rückschritte gedeutet werden können – von der einstigen Unverletzlichkeit der Wohnung, dem Post- und Fernmeldegeheimnis ist z.B. so gut wie nichts mehr übriggeblieben.

Das lange gepflegte und gehegte „Leben und leben lassen“ unserer Gesellschaft wird immer mehr eingeengt, bis wir wieder in einer Gesellschaft landen, in der wie einst bestimmte Wörter nicht mehr gebraucht werden dürfen. Und wenn das geschieht, also wenn in der Öffentlichkeit nicht nur für saubere Luft, sondern mit Pieptönen in Interviews für saubere Sprache gesorgt wird, dann sind wir wieder in dem 19ten Jahrhundert angekommen – und dabei wollten wie alle immer nur das Beste.

Wenn es aber nur darum geht, dass ich einen Text ueber Pferdezucht im 18. Jh. lese und danach eben mehr ueber Pferdezucht im 18. Jahrhundert weiss, ohne dass mich das irgendwie in meinem Handeln oder meiner Wahrnehmung meiner Umwelt beeinflusst, finde ich das wenig spektakulaer und diskussionswuerdig.
Das kann man nicht im Voraus wissen - wenn auch nicht gerade über Pferdezucht des 18. Jahrunderts, aber ein Text über jene Zeit der gewaltigen gesellschaftliche Veränderungen sowie die Zeit danach, könnte dir die Augen öffnen helfen für die heutigen gesellschaftliche Veränderungen.

 

Hallo Dion,

ja, laestig bin ich gerne. :D Das liegt aber auch daran, dass ich mich noch gut an die Diskussion zu sims Geschichte erinnern kann. Und da Du mir hier im Forum immer als jemand mit stark ausgepraegten Meinungen aufgefallen bist, hab ich mich gefragt, ob die Geschichte Dich persoenlich tatsaechlich veraendert hat. Bist Du erst durch die Geschichte zu Deiner oben ausgefuehrten Meinung gelangt, oder findest Du die Geschichte eigentlich genau deshalb gut, weil sie das ausdrueckt, oder eindruecklich macht, was Du sowieso schon gedacht hast? Und meinst Du vielleicht eher, es sei eine lehrreiche Geschichte, nicht weil Du selbst etwas daraus gelernt hast, sondern weil Du meinst, dass andere etwas daraus lernen koennten, was Dir schon vorher klar war?

Das ist jetzt natuerlich groesstenteils Spekulation und ich kann auch danebenliegen - berichtige mich in diesem Fall bitte. Aber als ich das Beispiel las, hatte ich eben diesen Verdacht, dass es Dir gar nicht so um Deine eigene Veraenderung gegangen sein koennte. Diese eigentliche Frage wird natuerlich nicht dadurch beantwortet, wenn Du ausfuehrst, was "man" aus der Geschichte lernen kann - aber ich haette vielleicht direkt etwas praeziser und persoenlicher fragen koennen.

Ich selbst kann mich uebrigens nur an einen Text erinnern, der meinen Blick auf die Welt veraendert hat (es gibt sicher mehr, wo das unbewusst ablief), und das war das "Focaultsche Pendel" von Eco, das ich als Roman eigentlich missraten finde - also aesthetisch gesehen. Aber es geht da um so grundlegende Dinge wie die Dynamik von Verschwoerungstheorien, falsche Logik, die Beliebigkeit von Analogien etc., die mir vorher tatsaechlich so nicht klar waren. Seit ich das Buch gelesen habe (das ist jetzt ca. 10 Jahre her), betrachte ich vieles in Politik, Kultur und Wissenschaft mit kritischeren Augen, eben auch weil das Gelernte abstrakt genug ist, um auf unterschiedlichste Gebiete uebertragbar zu sein. Ich habe eben mehr gelernt, als einige Fakten ueber Tempelritter, Rosenkreuzer und Pferdezucht.


Das kann man nicht im Voraus wissen - wenn auch nicht gerade über Pferdezucht des 18. Jahrunderts, aber ein Text über jene Zeit der gewaltigen gesellschaftliche Veränderungen sowie die Zeit danach, könnte dir die Augen öffnen helfen für die heutigen gesellschaftliche Veränderungen.
Jooooo, theoretisch. Ich sprach aber von einem Text ueber Pferdezucht, nicht ueber gewaltige gesellschaftliche Veraenderungen. Ist auch egal, ich denke Du weisst schon, welchen Unterschied ich hier zwischen verschiedenen Veraenderungsgraden machen wollte, ne? ;)

lg,
fiz

 

Ich finde: Texte können nur gut zureden. Und man entschließt sich dann, ob man zuhört, oder ob man es ignoriert.

Vielleicht kommt aber einmal ein Text daher, gerade dann, wenn man an einer Schwelle steht. Und er schiebt einen weiter, einen Schritt nur, aber manchmal reicht das schon. Und dann denkt man: Jesus, was für ein Text! Und übersieht, dass er nur das letzte Glied in einer Kette war, der letzte Fußabdruck der heißen Spur, die einen über die Schwelle geführt hat.

Wenn Texte Menschen zuverlässig ändern sollen, dann müssen sie permanent auf ihn einwirken. Und das macht zum Beispiel Werbung. Wieviele denken bei Cowboys am Lagerfeuer an Marlboro Country? Oder sehen ein grünes Segel und bekommen Durst auf ein Beck's?

Menschen muss man permanent daran erinnern, was sie tun sollen - wenn das das Ziel ist, das man erreichen möchte. Darum muss Werbung auch überall präsent sein. In so einem Fall können Texte aber sehr wirkungsvoll sein.

 
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Endlich ent-trollt sich der thread mal. :)

Kluge Anmerkung, yours, was die Schwelle angeht. Ich sehe es ohnehin nicht so, daß ein Text mein Hirn entert und ungebeten mein gesamtes Selbstverständnis umkrempelt. Dachte, das wäre so allgemeiner Konsens ...

KG.de-Texte kann ich nicht anführen, aber eine handvoll Bücher, die ich seit Jugendzeit immer mal wieder alle Jahre lese. Das sind teils ganz banale Romane, aber sie haben mein Selbstverständnis, meine Sicht auf die Welt, auf Zusammenhänge, Psychologie, Ästhetik etc. radikal erweitert. Manchmal muß ich die Bücher wieder weglegen, beim Wiederlesen, weil mir die Handlung und die Bilder nur banal erscheinen, und wenn ich wieder an einem anderen Punkt (vllt so eine "Schwelle") angekommen bin, kann ich sie noch ein paar Jahre später wieder genießen. Sowas finde ich ganz interessant, weil die Wirkung hier nicht mit reinem Geschmack (gut/schlecht, banal/komplex) erklärt werden kann, sondern tatsächlich auf eine innere Haltung des Lesers verweist.

Sprache, die sich nicht verändert, ist tot. Und eine der härtesten Strafen für Lebewesen ist Isolationshaft - und sensorische Deprivation ist sogar eine schreckliche Folter, die einen Menschen psychisch und physich zerstören kann. Der Umkehrschluß für mich ist, daß selbst heute - wo Veränderung und Lernen nicht mehr lebensnotwendig ist - emotionale & intellektuelle Weiterentwickung eine der wichtigsten Dinge sind, die wir im Leben leisten können. Dazu braucht es, zumindest für mich, nicht nur Austausch im Gespräch, sondern die "Einbahnstraße" des Textlesens. Der erstmal nicht in Dialog mit mir tritt, sondern mich quasi mit mir selbst allein fordert. Das erwarte ich von guten Texten, egal ob Fiktion oder facts.

.....
Werbung sollte mAn hier nicht reingemixt werden: sie läuft über Bilder - auch die hier angesprochene - daher würde ich sie nicht mit der Wirkung von KGs oder Romanen in Verbindung bringen (selbst wenn diese zu einem maniplulativen Zweck verfaßt sein sollten). Daher *cross-thread-remark zu Sprachveränderung* ist dem Verbraucher piepegal, ob auf der Packung Cornflakes, Cerealien, Frühstücksgetreideflocken oder Müsli steht, solange das Bild auf der Packung, auf dem Plakat, ihm zeigt, was er da Tolles essen soll. Und wenn Bild & TV-Spot gut gemacht sind, ist das wording völlig unwichtig.

 
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Hei Udo,

Werbung und Literatur funktionieren leider unterschiedlich. Deine Vergleiche treffen daher nicht zu.

Und da diese site Kurzgeschichten.de heißt, und nicht Gruppentherapiestündchen.de, würde ich Dich bitten, einfach Deine Meinung zu sagen, am thread-Thema zu diskutieren, aber nicht laufend die Aussagen der User hier von Deiner Warte aus zu interpretieren. Das nutzt keinem etwas, und es interessiert sicher auch niemanden. Dein Gequatsche hier über Dion in Pakistan ist jedenfalls sinnlos und OT. Gleiches gilt für die apokalyptischen Warnungen vor Textbeeinflussung.

:troll:
Danke. Katla

 
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Natuerlich muss eine bestimmte Affinitaet bestehen, damit ein Text einen veraendern kann. Er muss einen im richtigen Moment der eigenen Entwicklung erwischen und kann dann als Katalysator wirken, was allerdings nicht unbedingt heisst, dass die (graduelle) Veraenderung auch ohne den Text so, nur langsamer vonstatten gegangen waere.

Beide richten sich an den Menschen und müssen die Eigenschaften des Menschen berücksichtigen, verschieden ist höchstens die Zielstellung, aber selbst darüber kann man berechtigt streiten!
Eine Schnittmenge (richten sich an den Menschen) begruendet noch keine Identitaet. Das waere nur unpraezise.

Auch das Pakistan/Soldaten-Gleichnis ist logisch murks, denn die Tatsache, dass man sich auch gaenzlich ohne Texte radikal veraendern kann, laesst nicht den Umkehschluss zu, das Texte das nicht koennen. Und natuerlich spielen eigene Erfahrungen und Texte immer zusammen, das wuerde glaube ich, auch keiner leugnen.

Du hast mich aber zumindest davon ueberzeugt, dass Du Dich erfolgreich gegen die Invasion anderer Ideen verteidigen kannst. Herzlichen Glueckwunsch zur abgeschlossenen Persoenlichkeitsentwicklung!

P.S. Hier uebrigens noch ein interessanter Beitrag zur Veraenderungsresistenz unter bestimmten Voraussetzungen

 

Na komm, es gab jetzt einen einzigen Trollvorwurf, damit kann man sich noch nicht zum unterdrueckten Maertyrer stilisieren.

 

Hallo feirefiz,
The phenomenon — known as “backfire” — is “a natural defense mechanism to avoid that cognitive dissonance.
steht in dem von Dir angegebenen Text. Das gilt nicht nur für die Politik,
sondern ganz allgemein; wir erleben es auch in diesem Thread. Was in dem Artikel wenig beleuchtet wird: Informationen werden in eine gedankliches System eingenbaut und stärken dieses; wenn sie nicht passen, werden sie passend gemacht, wenn dies nicht geht, werden sie entwertet oder ignoriert.
Gedankliche Systeme - Weltanschauungen - haben auf diese Weise immer eine selbstverstärkende Tendenz. Jede weitere Information oder Auseinandersetzung stärkt sie. Aktuell fällt das besonders im Fall der Verschwörungstheorien auf.
Wenn ein literarischer Text verändern soll, muß er es schaffen, eine Anschauung so viel infrage zu stellen, daß eine Änderung angeregt wird, und so wenig, daß die Änderung nicht abgewehrt wird. Am besten, der Text unterstützt eine Tendenz, die ohnehin kurz vor dem Durchbruch steht. Das ist mit anderen Worten in diesem Thread mehrfach gesagt worden; hier nochmal unter dem Blickwinkel der cognitive dissonance.

Trolle sind liebe Zeitgenossen; habe ich aus der Literatur über sie erfahren.

 

Hallo Setnemides,

der Text zeigt aber auch, dass diese Veraenderunsresistenz bei unterschiedlichen Menschen unterschiedlich ausgepraegt ist - zum Glueck gibt es nicht nur die extrem Festgefahrenen, die mir richtig Angst machen. Man kann sich daher, denke ich, auch gegen diese menschliche Grundanlage um Flexibilitaet bemuehen (auch um den Preis des Seelenfriedens, wenn man Sichergeglaubtes in Frage stellen muss), und dafuer ist es wahrscheinlich gut, sich ueberhaut dieses Mechanismus bewusst zu werden, um die eigene Meinungsbasis kritisch zu ueberprufen.

 

Bist Du erst durch die Geschichte zu Deiner oben ausgefuehrten Meinung gelangt, oder findest Du die Geschichte eigentlich genau deshalb gut, weil sie das ausdrueckt, oder eindruecklich macht, was Du sowieso schon gedacht hast? Und meinst Du vielleicht eher, es sei eine lehrreiche Geschichte, nicht weil Du selbst etwas daraus gelernt hast, sondern weil Du meinst, dass andere etwas daraus lernen koennten, was Dir schon vorher klar war?
Keine Ahnung, was ich mir damals dachte – ich habe die Geschichte Körperwahn hier genannt, ohne nachdenken zu müssen oder noch einmal zu schauen, was ich in jenem Thread schrieb. Das gleiche gilt übrigens auch für Quinns Geschichte Pupur.

Wenn dir die Geschichten nach einem Jahr spontan einfallen, dann haben sie Eindruck hinterlassen, d.h. sie haben dich verändert. Wie weit oder wie tief diese Veränderung geht, das vermag ich nicht zu sagen, aber die beiden Geschichten sind sicher auf vorbereiteten, sprich weichen Boden gefallen, so dass die Eindrücke tiefer waren, als wenn ich von diesen Dingen keine Ahnung gehabt hätte – in einem solchen Fall wären aber wahrscheinlich sie die Bodenbereiter.

Ich habe eben mehr gelernt, als einige Fakten ueber Tempelritter, Rosenkreuzer und Pferdezucht.
Das ist bei einem Autor wie Eco fast immer der Fall, denn er ist nicht nur eine Art Historiker (habe keine Lust, nachzuschauen), sondern aufmerksamer Begleiter und Kritiker der Politik bzw. der Gesellschaft, in der er lebt. Will sagen, seine historischen Romane sind nie nur historisch.

Texte können nur gut zureden. Und man entschließt sich dann, ob man zuhört, oder ob man es ignoriert.
Das ist eine egobetonte Sichtweise: Der denkende Mensch als Herrscher über sein Denken - es ist dein Hirn, der das über sich selbst sagt. :D

Vielleicht kommt aber einmal ein Text daher, gerade dann, wenn man an einer Schwelle steht. Und er schiebt einen weiter, einen Schritt nur, aber manchmal reicht das schon. Und dann denkt man: Jesus, was für ein Text! Und übersieht, dass er nur das letzte Glied in einer Kette war, der letzte Fußabdruck der heißen Spur, die einen über die Schwelle geführt hat.
Ja, das ist möglich – und trotzdem mindert dies nichts an der Bedeutung des Textes, denn ohne ihn wäre die Kette unvollständig geblieben.

Wenn Texte Menschen zuverlässig ändern sollen, dann müssen sie permanent auf ihn einwirken. Und das macht zum Beispiel Werbung. Wieviele denken bei Cowboys am Lagerfeuer an Marlboro Country? Oder sehen ein grünes Segel und bekommen Durst auf ein Beck's?
Wenn überhaupt, dann nur die, die rauchen und Beck’s Bier trinken. :D Ich dagegen denke bei Marlboro Werbung an den Marlboro Cowboy, der an Lungenkrebs starb und bei Beck’s Bier an das Bier, das in den neuen, hellen und in Supermärkten dem Licht ausgesetzten Flaschen leichter verdirbt bzw. an Geschmack verliert als in den herkömmlichen, dunkeln.

Ich sehe es ohnehin nicht so, daß ein Text mein Hirn entert und ungebeten mein gesamtes Selbstverständnis umkrempelt.
Auch für dich gilt: Es ist dein Hirn, der sich hier als starker Mann aufspielt und dich solche Sätze sagen lässt. :D

Sowas finde ich ganz interessant, weil die Wirkung hier nicht mit reinem Geschmack (gut/schlecht, banal/komplex) erklärt werden kann, sondern tatsächlich auf eine innere Haltung des Lesers verweist.
Und wie bist du zu dieser Haltung gekommen?

Der Umkehrschluß für mich ist, daß selbst heute - wo Veränderung und Lernen nicht mehr lebensnotwendig ist - emotionale & intellektuelle Weiterentwickung eine der wichtigsten Dinge sind, die wir im Leben leisten können.
“Lernen nicht mehr lebensnotwendig“ – wie kommst du drauf?

Werbung sollte mAn hier nicht reingemixt werden: sie läuft über Bilder
Sagen wir’s so: Sie läuft überwiegend über Bilder, aber die Slogans kommen nach wie vor in Wörtern daher. :D

Daher *cross-thread-remark zu Sprachveränderung* ist dem Verbraucher piepegal, ob auf der Packung Cornflakes, Cerealien, Frühstücksgetreideflocken oder Müsli steht, solange das Bild auf der Packung, auf dem Plakat, ihm zeigt, was er da Tolles essen soll. Und wenn Bild & TV-Spot gut gemacht sind, ist das wording völlig unwichtig.
Nein - ohne den Begriff Marlboro Country gäbe es diese nicht, jedenfalls nicht mit diesem Namen. Und Cerealien ist in Deutschland ein neues Wort, das dem Sprecher modern erscheinen lässt, auch weil es nicht so verstaubt klingt wie Getreide.

Ja - :thumbsup: - das musste mal gesagt werden: :troll:

Was in dem Artikel wenig beleuchtet wird: Informationen werden in eine gedankliches System eingenbaut und stärken dieses; wenn sie nicht passen, werden sie passend gemacht, wenn dies nicht geht, werden sie entwertet oder ignoriert.
Gedankliche Systeme - Weltanschauungen - haben auf diese Weise immer eine selbstverstärkende Tendenz. Jede weitere Information oder Auseinandersetzung stärkt sie. Aktuell fällt das besonders im Fall der Verschwörungstheorien auf.
Wenn ein literarischer Text verändern soll, muß er es schaffen, eine Anschauung so viel infrage zu stellen, daß eine Änderung angeregt wird, und so wenig, daß die Änderung nicht abgewehrt wird. Am besten, der Text unterstützt eine Tendenz, die ohnehin kurz vor dem Durchbruch steht.
Dem stimme ich zu. Und zu dem zuletzt Gesagtem passt hervorragend das kürzlich erschienene und vielfach besprochene Buch „Fleisch essen?“. Dabei hat es gab es schon vor Jahren einen Film, der diese Thematik viel besser beleuchtete: „Unser täglich Brot“ – es lief, wie könnte es anders sein, auf irgendeinem Kultursender oder im dritten Programmen. Wenn man so will, war dieser Film ein Wegbreiter zum o.g. Buch.

Und weil es in diesem Zusammenhang so gut passt, hier ein schon bekannter Link: Je intelligenter Menschen sind, umso eher sind sie bereit, sich auf Neues einzulassen.

 

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