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Gute Texte verändern den, der sie liest

Seniors
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10.11.2003
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Gute Texte verändern den, der sie liest

„Gute Texte verändern den, der sie liest“, wird heute in der Süddeutschen Zeitung behauptet - gilt das auch für Texte auf kurzgeschichten.de? Und wenn ja, welche?

Sicher gibt es viele, die es wert wären, hier erwähnt zu werden, aber ohne groß zu überlegen, fallen für mich in diese Kategorie die Geschichte Purpur von Quinn, und dann natürlich sims Körperwahn.

Vielmehr als die Geschichten, haben mich jedoch Recherchen zu meinen eigenen Geschichten verändert, auch zu denen, die ich (noch) nicht geschrieben habe. Damit kann ich auf jeden Fall den Spruch bestätigen: Lesen bildet – und verändert damit den Leser.

Klugscheißer werden hier einwenden, jedes Lesen verändert einen (womit sie sicher Recht haben), aber das ist in diesem Thread nicht gemeint – gemeint ist ausschließlich das bewusst wahrgenommene Verändern.

 

Hallo Dion, vielleicht wuerde es helfen, wenn Du mal exemplarisch erklaerst, wie Dich Sims und Quinns Geschichten veraendert haben. Dann versteht man vielleicht besser, um welche Art Veraenderung es Dir hier geht.

 

Hallo Dion, vielleicht wuerde es helfen, wenn Du mal exemplarisch erklaerst, wie Dich Sims und Quinns Geschichten veraendert haben. Dann versteht man vielleicht besser, um welche Art Veraenderung es Dir hier geht.
Wie ich bereits schrieb, geht es um Veränderungen, die einem bewusst sind – über die, die einem nicht bewusst sind, kann man ja nichts schreiben, oder? :D Ich könnte meine zwar hier schildern, aber das würde vielleicht langweilen, zu weit führen oder andere nötigen, sich auch auf diese Weise zu offenbaren. Nein, es reicht, wenn man hier sagt, diese oder jene Geschichte hat mich beeinflusst und/oder verändert, in welche Richtung dies ging, kann zwar gesagt werden, aber ein Muss ist das nicht.

 

Ich meine nicht kurzfristige Veränderungen in der Gefühlslage, die bald wieder verschwinden, sondern nachhaltige Veränderungen in einem. Es ist das, was du, Jynx, Horizonterweiterung nennst, „hin zu mehr Verstehen, mehr Mitfühlen“ von und mit Dingen/Menschen/Situationen, die man zuvor anders gesehen hatte.

Einfaches Beispiel: Du liest eine Geschichte, in der du erfährst, wie bei Rodeo Pferde dazu gebracht werden, sich wie wild zu gebärden, um den Reiter so schnell wie möglich los zu sein. Wenn du vorher Rodeo lustig fandest, wirst du hinterher das sicher nicht mehr - und das hat allein der Text in dir bewirkt.

 

Eine Xte Auflage einer Weltliteraturliste wollte ich eigentlich nicht ins Leben rufen :D sich auf kurzgeschichten.de zu beschränken, hat für uns mehr Aussagekraft, denke ich.

 

Hallo Dion,

spontan fallen mir da einige Geschichten von Jo Black ein, da sie es schaffen, einen eine andere Kultur aus deren Blickwinkel betrachten zu lassen. Aber auch Zukunftsszenarien finde ich spannend und sie können zum Umdenken anregen. „Was wäre, wenn es ab morgen kein Erdöl mehr gäbe?“
Da du hier keine Liste stehen sehen willst, verzichte ich mal auf die Nennung des Titels und des Autors. Trotzdem ist es eine spannende Frage, und wir alle setzen uns unbesorgt ins Auto, ohne uns Gedanken zu machen.

Ein weiterer Punkt ist das Thema Recherche. Diesen Aspekt des Schreibens empfinde als besonders spannend, und ich kann dir da zustimmen. Nur gilt dieser Punkt meiner Meinung nach aus der Sicht des Autors. Will ich als Autor über ein bestimmtes Thema schreiben, dann muss ich mich vorher schlau machen, es sei denn, ich will es riskieren, Blödsinn zu verfassen. Das Thema zwingt mich also, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen.
Den Leser interessiert die Recherche nicht, der will einfach eine gute Geschichte lesen. Worauf ich hinaus will: lesen bildet – und kann einen verändern – schreiben verändert aber noch mehr.

Als Autor liest man zudem einen (fremden) Text anders. Man merkt, was in einem guten Text funktioniert und in einem schlechten nicht. In dem Sinne hat mich das Lesen von unzähligen Geschichten auf KG.de verändert, da man dadurch einfach ein Sprachgefühl entwickelt. Kurz gesagt: Wer schreiben will, der muss vor allem viel lesen.

 
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Es gibt hier eine ganze Menge Texte, die mich rückhaltlos begeistert, nachdenklich gemacht, überrascht, gut unterhalten haben. Aber hier soll es ja nicht um gut oder schlecht gehen, sondern um Texte, die nachhaltig verändern, und das ist auf dieser site ganz genau ein einziger. Und nichts, was auch nur annährend Ähnliches auslöste: leider durch die Accountlöschung des Autors nicht mehr öffentlich -
SamS Wiebkes grausame Kinder.

Wie bei allen Texten des Autors versucht mein Kopf, so viele Bezüge gleichzeitig herzustellen, daß ich den Eindruck habe, nicht genug Synapsen dafür zu haben; wobei mein Gefühl schon längst kapiert hat, worum es geht. Die Geschichte hat meine Sicht wie auch sinnliches Erleben von Raum, Zeit und innen/außen von lebenden Körpern vs. Material auf wirklich grundlegende, umfassende Art verändert und erweitert. Ebenso meine emotionale Auffassung/Verbindung zu diesen Themen - mit denen ich mich immerhin seit über 20 Jahren beschäftige.

Generell steht aber Fiktion nicht an erster Stelle, was diese intellektuellen und emotionalen Veränderungen betrifft - sondern Musik, Bilder/Photos, Architektur, dann theoretische Texte, dann erst Literatur. (Natur fehlt, weil sie nicht künstlich Geschaffenes ist).

Allerdings: es gibt eine unübersehbare Masse an Texten hier, die mich negativ verändern, auf andere Weise: ich mache so viele Fehler wie nie zuvor, weil ich mir nie über Regeln, sondern über reines Lesen (= Gedrucktes) Sprache aneigne. Gar nicht lustig. :dozey:

 
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Die bewegten auch immer etwas, in Richtung von Verstehen, Mitfühlen oder Vertrauterfühlen (mit mir völlig fremden Kulturen, Landschaften). Hmm

damit kommen wir m.E. dem Thema näher: wirkliche Veränderungen laufen ja nicht auf der intellektuellen Ebene ab; die Eindrücke müssen schon tiefer gehen. Wenn sie in guter Resonanz zum Leser stehen, kennt er sie schon, tun sie es überhaupt nicht, erreichen sie ihn nicht. Der Text, der verändert, wird sich also dazwischen ansiedeln müssen.

Für jeden werden das andere Texte sein, logisch. Wenn ich spontan etwas nennen soll: Jutta Ouwens, Das Warten auf die vorletzte Bahn, aber auch andere von ihr.

 

Ich vermeide aber immer, dass Kunst oder Handwerk mich verändert.
Na, wenn du es "vermeidest", räumst du die Möglichkeit ein, es könnte geschehen, du hütest dich halt nur davor.
Um sich oder seine Entwicklung von niemandem beeinflussen zu lassen, muss man schon recht dicke und hohe Mauern um sich bauen. Denn diese Beeinflussung läuft ja in den seltensten Fällen über den Intellekt.

Ich könnte schwer ein Werk hier nennen, das mich wirklich verändert hat, wenngleich mich sicher viele Texte beeindruckt haben und mir viele auch Denkanstöße waren. Auf Anhieb fällt mir dazu "abcacba" von Harkhov Syndrom ein.

 

Diese Unterscheidung zwischen Kunst und Handwerk ist sicher nicht rational begründet. Es würde mich mal interessieren, eine halbwegs durchdachte Definition von Kunst zu lesen.

 

Ich denke, dass alles, was man liest, egal ob gut oder schlecht, einen verändert, mehr oder weniger. Genauso wie jegliche Kommunikation verändert.

Es ist ja niemand ein abgeschlossenes und autarkes System. Wenn ich zum Beispiel ein Buch lese, dann fange ich in einer ähnlichen Sprache zu denken an, wie ich sie in dem Buch finde. Und damit verändert sich natürlich auch mein Denken. Kein einzelnes Buch wird starke Veränderungen hervorrufen, aber dass das Lesen grundsätzlich das Denken, die Ideen, die Vorstellungskraft eines jeden beeinflusst und verändert, wird doch keiner bestreiten können.

 
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Hallo Udo,

wenn es um Veränderung geht, sind natürlich die Triebe ausgeschlossen. Auch bedarf es bei durch Enkulturation angelegten Eigenschaften oft mehrere Generationen, bevor sie sich ändern.
Um grundlegende Veränderung kann es nicht gehen, kein Homosexueller wird durch ein Buch oder durch Umerziehungsmaßnahmen zum Heterosexuellen* oder umgekehrt. In sofern sind wir uns einig.
Ebenfalls einig sind wir uns darin, dass Bücher (oder ein Buch oder ein Text allein) soziale Strukturen von Gesellschaften oder sogar global verändern kann. Dieser Anspruch wäre vermessen.
Dennoch können sie Denkanstöße geben, die etwas bewirken. Auch dabei mag die Anlage schon intern geschlummert haben,, etwa bei einem Raucher, der schon lange aufhören möchte, durch ein bestimmtes Buch aber den Weg dahin findet.
Mir stieß bei deinem Kommentar die Verschlossenheit auf, die den Eindruck erweckte, sich möglichst gegen jede (möglicherweise) verändernde Erfahrung schützen zu müssen. Der in ihrem Sinn bei mir so angekommenen Aussage: "Ob und wie ich mich verändere bestimme einzig und allen ich" kann ich in dieser absoluten Form aber nicht zustimmen, denn ob und wie ich mich verändere ist immer auch von den Anreizen abhängig, die mir dazu gegeben werden. Und wir können uns durch eigenen Willen genau so wenig verändern, wie wir durch Bücher verändert werden können. Noch nicht einmal intellektuelle Einsicht hilft uns dabei. Weshalb die meisten psychotherapeutschen Ansätze eben den Weg über "Erfahrungen" gehen, nicht den über den Intellekt.
Genau aus diesem Grund bezweifle ich die Aussage, die wenigen Möglichkeiten könnten ausschließlich deiner Regie unterliegen. Verändernde Erfahrungen kannst du nicht beeinflussen, du kannst höchstens im Rahmen der dir durch Triebe und frühkindliche Prägung mitgegebenen Anlagen beeinflussen, wie du dich ihnen stellst. Und im Falle dessen, dass die nicht so funktioniert, wie du es gern hättest, kannst du natürlich versuchen, die Strategien zu verändern und wirst selbst dabei merken, wie schwer das fällt, wenn man es nur über den Willen versucht.
Es gibt dabei immer noch eine Menge Spielraum für die eigenen Entscheidungen und die eigene Regie, sonst könnte man ja jede Verantwortung für eigenes Handen verweigern.

Aber das alles führt viel zu weit vom Thema weg, denn ich glaube nicht, dass Dion derart grundlegende Veränderungen gemeint hatte.

Liebe Grüße
sim

* sehr wohl kann sich aber ein junger Homosexueller durch ein gutes Buch darin ermutigt fühlen, seine Sexualität zu akzeptieren und diese Veränderung der Lebensqualität als persönliche Veränderung erfahren, die er dem Buch mit den Worten es hätte sein Leben verändert zuschreibt.

 
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Sicher, Udo, hast du vor deinen Synapsen Torwächter stehen, die dem Gelesenen (ich nehme an, dass du hin und wieder liest) den Eintritt verwehren und sagen, so, bis hierhin und nicht weiter, hier sind die Heiligen Hallen von Udos Persönlichkeit, Eintritt strengstens verboten.

Literarische Texte haben nicht die Absicht, Menschen zum Guten zu verändern oder sollten sie nicht haben, sie versuchen nur, eine gewisse Art von Wahrheit zu vermitteln. Wenn ich glaube, was ich lese, dann gewähre ich dem Gelesenen Eintritt in mein Denken. Das wird aber sicher nicht nur bewusst gesteuert.

 
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Die Torwächter vor den Synapsen habe ich auch, brauche ich auch, wo käme ich hin, wenn alles einfach so hereinstürmen dürfte??? Unsere Synapsen und die ÄUSSEREN Einflüsse machen das Leben aus, Veränderungen sind Leben, und alles, was daran Teil hat, und sei es mit dem Medium Literatur, verändert sich laufend. Wenn ich mich abschließe, bin ich nur noch dem ausgeliefert, was ich in mir habe, eine regressive Entwicklung ist noch möglich, alles andere ausgeschlossen: das Ziel der Regression ist bekannt (hier knüpfe ich direkt an Andrea an, die "heiligen Hallen" sind nicht anders als der Tod).
Aber worüber geht dieser Thread? Ich habe die Frage so verstanden, daß nicht solche Gemeinplätze gemeint sind, sondern die Frage lautet:

kann ein Text mir wesentliche Anstöße geben (eine Möglichkeit, schon erwähnt) oder
mich in einer anstehenden Entwicklung bestärken (siehe das Beispiel von Sim)?

Ich halte die Diskussion in diesem Sinne für sinnvoll und empfand sie bisher auch fruchtbar, soweit sie sich darauf bezog. Texte können grundsätzlich neues in meine Leben bringen, und sie können Prozesse einleiten, die bevorstehen, oder bereits laufende Prozesse beschleunigen. Sie können eigentlich fast alles, was eine tiefe Begegnung mit Menschen auch kann. Gute Texte sind ja auch nichts anderes.

 

wenn Du an Dein Modell glaubst, dann kann ich Dir nur raten, möglichst schnell die richtigen Bücher zu lesen und Du wirst eine Prinzessin, womit ich nicht sagen möchte, dass Du ein Frosch bist. Genau diese Sorte Menschen, die sich von Texten nennenswert beeinflussen lassen, sind ein gefundenes Fressen für die Unterhaltungsindustrie und werden täglich gemolken. Ich glaube nicht, dass Du dazu gehörst, Du überschätzt in der Wirkung nur die anderen und unterschätzt Dich. So wirst Du Dich auch nicht von meinem Text beeinflussen lassen, obwohl ich mir die größte Mühe gebe.
Ja, dieses Verhalten, sich selbst als abseits der Masse stehend zu erhöhen, ist ein typisches Syndrom des Blogzeitalters. Und hier bei diesem konkreten Beispiel haben wir das "Ich bin Ronaldo"-Syndrom.
Es gehört ja zu den Standard-Fragen jedes Journalisten den Künstler, Sportler oder irgendwen nach seinen Vorbildern zu fragen. Und da gibt es immer welche, die brav antworten: "Joh, hier Maradonna, Pele und der Beckenbauer war auch nicht schlecht." Und es gibt welche, die sagen: "An Niemandem! Ich bin einzigartig!"
Wenn man nun Ronaldo ist und als einer der besten Spieler der Welt gilt, dann mag man damit durchkommen. Wenn man allerdings Mittelfeldspieler bei Buchonia Aachen in der Kreisliga B ist, dann ... wirkt man ein bisschen wie ein Depp.

Das Verhalten konsequent als Autor umgesetzt, würde dazu führen, dass man nichts lesen darf (man könnte sich ja beeinflussen lassen) und die eigenen Texte dürfte man dann auch nicht veröffentlichen, weil man - wenn das konsequent zu Ende gedacht ist - ja auch niemanden beeinflussen sollte. Also wäre man ein Autor, der weder liest noch schreibt. Von der Sorte gibt es tatsächlich eine ganze Menge (auch ein Phänomen des Internetzeitalters), aber darum geht es hier sicher nicht.

 

Ich bekomme sogar viel Besuch, aber alle haben inzwischen erkannt, der Hausherr bin ich und wer das nicht akzeptiert, der fliegt in hohem Bogen raus!
Die Aussage dieses Satzes steht diametral zu der von mir praktizierenden Weise: Bei mir ist der Gast König. Und ich lade Leute ein, die ich interessant finde, das gute Benehmen ist zweitrangig bis nicht wichtig. Einfaches Beispiel: Ich erkläre normalerweise, dass bei mir nicht geraucht werde, aber wenn sich ein Gast trotzdem eine Zigarette anzünden würde, dann brächte ich ihm den Aschenbecher. Aus dem Konjunktiv ist zu ersehen, dass dieser Fall noch nie eingetreten ist, obwohl wir in meiner Wohnung schon oft Feste mit mehr als 12 Leuten gefeiert haben.

Das soll jetzt keine Kritik sein: Menschen sind halt verschieden. Deswegen überrascht es mich nicht, dass es hier so viele verschiedene Stellungnahmen gibt. Ich habe anfangs bewusst auf eine genaue Angabe, was unter einer Veränderung zu verstehen sei, verzichtet. Die einzige Bedingung ist: Man sollte die (längerfristige) Veränderung selbst bei sich bemerkt haben. Wie weit diese Veränderung gehen muss, um als Folge des Lesens gewertet zu werden, bleibt jedem selbst überlassen.

Um eine Lanze für die Wichtigkeit des geschriebenen Wortes zu brechen: Ideen verändern die Welt. Sie werden durch Texte verbreitet, und wären sie nicht wichtig, hätte Zensur nichts zu tun. Stalin sagte dazu: "Ideen sind gefährlicher als Gewehre. Wir würden unsere Feinde nie Gewehre besitzen lassen, warum sollten wir ihnen erlauben, Ideen zu haben?" Konsequenterweise konnte das Buch Ein Tag im Leben des Ivan Denissowitsch von dem damals unbekannten Alexander Solschenizyn erst nach Stalins Tod erscheinen.

Das Buch hat nur etwas mehr als 100 Seiten und könnte als Novelle durchgehen – oder als etwas längere Kurzgeschichte von sim. :D Auf jeden Fall hat dieses Buch sehr, sehr viele Menschen verändert, Millionen allein in Russland haben dadurch zum ersten Mal von Gulags in ihrem Land erfahren.

Okay, ich habe dieses Beispiel gebracht, um zu zeigen, wie wichtig Texte sein können – gewissermaßen als Verstärkung des Beispiels mit Rodeo. Hier sollte es jedoch darum gehen, welche Texte auf kurzgeschichten.de einen verändert haben. Dazu haben sich nur wenige geäußert - es wird stattdessen mehr theoretisiert ob und wie diese Veränderungen geschehen. Ich will die Diskussion darüber keineswegs abwürgen (dafür diskutiere ich zu gerne :D), aber wenn wir mehr Beispiele hätten, dann wüssten wir alle (vielleicht nur indirekt) besser, was Sache ist.

 

Udo:Weiterhin weise ich darauf hin, dass hier ein kompliziertes Thema angeschnitten wird und ich über die komplizierten Vorgänge in mir die Kontrolle behalten möchte.

Ich glaube, das gelingt nicht einmal denen, die sich diszipliniert um eine ausgerichtete Prsönlichkeitsentwicklung bemühen, etwa in einem Kloster.

Aber nun zu Dion, denn ich denke, mit den letzten beiden Kommentaren wird eine Runde abgeschlossen und eine neue eingeläutet:

aber wenn wir mehr Beispiele hätten, dann wüssten wir alle (vielleicht nur indirekt) besser, was Sache ist.

Für mich ist die absolute Präsens etwas , was so tief geht, daß es mich berührt und verändert. Wenn es dazu noch ein Rätsel birgt, an dem ich weiterarbeiten muß, wirkt der Einschlag nachhaltig. Alles offen auf dem Tisch und klar, das bewegt nicht lange. Deswegen habe ich empfohlen, die Texte von Jutta Ouwens anzusehen: sie bringt die Präsens der Akteure und der Texte, verbunden mit tiefen Rätseln. "Warten auf die vorletzte Bahn"oder "Die Putzteufelin", aber auch viele andere.

 

Ob Texte einen verändern können, ist nämlich eine interessante Frage – und ich tendiere zu einem relativ klaren Nein.
Ehrlich gesagt fände ich es sogar erschreckend, wenn das möglich wäre. Schließlich würde das voraussetzen, dass bereits kleine Impulse ausreichen, um mich zu verändern. Und soweit ich weiß, habe ich einige Jahre gebraucht, um die (nennen wir es) Grundsubstanzen meines Ichs aufzubauen. Viele, viele Mosaiksteinchen …
Und wie denkst du, wie das mit dem Aufbauen deines Ichs ging? Ich schätze, hättest du nichts gelesen, wärst du heute eine andere.

Sicher berühren uns bestimmte Texte tief gehend, aber damit das zu einer Veränderung führt muss meiner Meinung nach eine gewisse Basis schon vorhanden gewesen sein.
Auch hier die Frage: Wie ist diese Basis entstanden?

Wenn mich etwas interessiert, anspricht oder anderweitig betrifft, schlägt eine Geschichte vielleicht mit Wucht in diese Kerbe beziehungsweise schafft eine neue Kerbe, die irgendwann zu einer Veränderung führt. Doch trotzdem ist der Text „nur“ eine Beeinflussung (eine Erweiterung) und erst viele Beeinflussungen zusammen rufen eine wirkliche Veränderung hervor.
Du meinst, wenn das Fass nicht ganz voll von gelesenen Texten ist, gibt es bei dir keine Veränderung?

Ich sage: Schon bevor du selbst lesen konntest und dir die Märchen daher nur vorgelesen wurden, haben dich Texte verändert – und zwar grundlegend, weil die beharrende Basis, die sich dagegen stemmen könnte, noch sehr klein war. Als Kind saugt man Texte in ein beinahe leeres Fass, wo sie ein Leben lang bleiben, selbst wenn sie später nicht mehr sichtbar sind, weil andere Texte sie überlagert haben.

 

Als Kind saugt man Texte in ein beinahe leeres Fass, wo sie ein Leben lang bleiben

Finde ich gut. Damit erweiterst Du Deinen Thread gewaltig: Literatur als Träger der Mythen und Symbole, die unsere Kultur ausmachen, als Bewahrung der Märchen, als Gestalter der Grundelemente unserer Psyche von Kindesbeinen an ... so hast Du Deine Frage wohl nicht gemeint, aber es wirft doch einen wichtigen Aspekt auf.

 

Natürlich können Worte eineEn verändern und beeinflussen, egal, ob in schriftlicher oder in mündlicher Form.
Doch insgesamt gebe ich Seytania recht, dass das kein Sofort ist, sondern bestenfalls ein Baustein, der sich zu anderen hinzufügt und irgendwann vielleicht eine Veränderung bewirkt, doch zu diesem Zeitpunkt kann man höchstwahrscheinlich nicht einmal den Ursprung benennen, da dazwischen zu viel passiert ist.

Ein bisschen bekam ich den Eindruck beim bisher Gesagten, das Dions ursprüngliche Frage eine Vermischung erfahren hat. Es wurden kg.de-Texte genannt, die mitunter beeindruckend waren, die nachdenklich gemacht haben. Aber damit ist sicher noch keine persönliche Veränderung verbunden.

Ich habe auf kg.de bei manchen Texten überrascht feststellen müssen, dass sie von KritikerInnen oft fertig gemacht wurden mit der Argumentation, jenes (das Erzählte, Beschriebene) gäbe es nicht und mit der Geschichte würde versucht, brutal eine Meinung zu oktruieren, die ja nie und nimmer wahr wäre. Die jeweiligen AutorInnen haben sich verteidigt, vereinzelt wurde ihnen von anderen KritikerInnen Recht gegeben (die eventuell ähnliche Situationen aus ihrem eigenen Umfeld wiedererkannten), aber letztendlich hat sich die Meinung jener KritikerInnen durchgesetzt, die eben den Wahrheitsgehalt der beschriebenen Situationen angezweifelt haben. Und oft blieb dann der Frust der VerfasserInnen und manche von ihnen haben dann aufgegeben. Ja, auch so kann Text Veränderungen herbeiführen, aber ich nehme an, um das ging es nicht so ;)

Fazit: Texte verändern einEn, aber nicht allein und nicht sofort und außerdem eher unbewusst.

lg
lev

 

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