- Beitritt
- 10.11.2003
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Ja – und? Es gibt Zeiten, in denen uns Bärlauch schmeckt, während uns in anderen nicht einmal die Existenz dessen bekannt ist. Spricht das gegen Bärlauch bzw. einen bestimmten Text?Unser Leben ist voll von Texten, die große Macht bezeugen und doch kommt eine Zeit, da der gleiche Text jegliche Macht verliert, obwohl der Text nicht verschwindet!
Das sagt uns nur, dass wir von verschiedenen Speisen satt werden können.Unser Leben ist voll von Beispielen, wo der gleiche Zweck ohne einen Text erreicht wird.
Dies ist eine unzulässige Vermischung - was haben alte und neue Texte mit alten oder neuen Problemen zu tun?Unser Leben ist voll von allen Texten und doch werden ständig neue erzeugt, obwohl alte Probleme nicht gelöst sind und neue hinzu kommen.
Das sind menschliche Schwächen oder Unzulänglichkeiten, aber was hat das mit Texten zu tun? Die Tatsache, dass Texte manche Menschen verändern, andere aber anscheinend nicht, spricht nicht gegen grundsätzlich mögliche verändernde Funktion dieser Texte.Ist die Wirkung des Textes nur eingebildet und er nur zufällig anwesend? Wenn dem Text eine eigene Macht innewohnen würde, dann könnte ich die Probe machen.
Warum gibt es dann schlechte Schüler? Warum gibt es Rentner, die sich zur Kaffeefahrt eine überteuerte Heizdecke aufschwatzen lassen, obwohl davor schon hundert Mal in guten Texten gewarnt wurde? Warum essen viele Menschen Nahrungsmittel, die eigentlich als Sondermüll gekennzeichnet werden müssten, Texte mit Beweisen darüber gibt es genug? Warum gibt es im Tierreich keine schlecht erzogenen Kinder, obwohl die Tiere ohne Texte auskommen müssen?
Beides stimmt.Das Bewusstsein bestimmt das Sein oder das Sein bestimmt das Bewusstsein?
Man lebt nicht vom Brot allein. Schon dieser Satz sagt, dass es mehr gibt auf dieser Welt als Texte, aber spricht das gegen die Letztgenannten?Selbst wenn man sich für die erste Variante entscheidet, ist ein Text nur ein symbolischer Bestandteil des Bewusstseins. Es gibt darüber hinaus noch einige Bestandteile, die nicht nur symbolisch sind, sondern real und unabhängig vom Text und der Sprache existieren. Reize, Instinkte, Triebe, Gefühle und die materiellen Lebensbedingungen.
Die Welt ist ein Nebeneinander von vielen Dingen und der Mensch hat 5 Sinne, um sie wahrzunehmen und ev. durch sie etwas zu lernen. Das hat der Mensch gemeinsam mit Tieren, doch er unterscheidet sich dennoch fundamental von diesen: Er hat Texte. In diesen bewahrt er seine Erfahrung und kann durch sie von Erfahrung anderer lernen. Er muss also nicht mehr alle Erfahrungen selbst erfahren - es genügt von diesen Erfahrungen zu lesen oder zu hören.
Die Voraussetzung dafür ist: Jemand muss zuvor etwas aufgeschrieben haben. Und dieses Aufschreiben hat nichts mit deinem (minderwertigen) Papierschwert zu tun, selbst wenn der Schreibende das denkt oder die Leser es so empfinden.
Texte sind real auch dann, wenn sie Fiktion beschreiben, also von Dingen handeln, die es (noch) gar nicht gibt. Ob diese (aufgeschriebenen) Ideen jemals gelesen - und damit die Chance bekommen, (verändernd) zu wirken -, ist eine Frage, die zu stellen hier wohl der falsche Ort ist.
Das stimmt sicher in vielen Fällen, aber gerade das Beispiel mit dem Buch Solschenizyns zeigt uns, dass ein einzelner Text auf viele Menschen bewusstseinsverändernd wirken kann.Doch insgesamt gebe ich Seytania recht, dass das kein Sofort ist, sondern bestenfalls ein Baustein, der sich zu anderen hinzufügt und irgendwann vielleicht eine Veränderung bewirkt, doch zu diesem Zeitpunkt kann man höchstwahrscheinlich nicht einmal den Ursprung benennen, da dazwischen zu viel passiert ist.
Mir ist nicht klar, was du mit „persönliche Veränderung“ meinst – vielleicht kannst du das präzisieren?Ein bisschen bekam ich den Eindruck beim bisher Gesagten, das Dions ursprüngliche Frage eine Vermischung erfahren hat. Es wurden kg.de-Texte genannt, die mitunter beeindruckend waren, die nachdenklich gemacht haben. Aber damit ist sicher noch keine persönliche Veränderung verbunden.
Das sind kleine menschlichen Schwächen, die sich in einem Literaturforum natürlich auf diese Weise äußern – wir wollen gnädig sein und darüber hinweg sehen.Ich habe auf kg.de bei manchen Texten überrascht feststellen müssen, dass sie von KritikerInnen oft fertig gemacht wurden mit der Argumentation, jenes (das Erzählte, Beschriebene) gäbe es nicht und mit der Geschichte würde versucht, brutal eine Meinung zu oktruieren, die ja nie und nimmer wahr wäre. …
