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14.05.2018
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«Endlich» dachte ich, als es läutete, und stand vom Sofa auf. Neugierig ging ich Richtung Tür. Ich hatte eine schlechte Nacht hinter mir, war stundenlang wach gelegen. Aus dem Fenster sah ich nun die ersten Sonnenstrahlen am Horizont und tröstete mich über die düsteren Gedanken der letzten Nacht hinweg.

Als ich die Tür öffnete, erwartete mich das kleine grauhaarige Männchen wie jeden Morgen und grinste mich schief an. «Na, was gibt’s?» fragte ich, als er nicht zu sprechen begann. Jeden Tag dasselbe Spiel. «Süßen Sonnenschein und eine gute Portion Glück» flötete Herr Heute mit heller Stimme. «Außerdem werden Sie eine außerordentliche Bekanntschaft machen» versicherte er. Ich bedankte mich und schloss die Tür hinter mir.
Ein wohliges Gefühl machte sich in mir breit; nach der anstrengenden Nacht gab es doch noch Zuversicht. Was es wohl mit der außerordentlichen Bekanntschaft auf sich hatte?
Da läutete es nochmals. Ich zögerte kurz und öffnete dann doch erneut die Tür. «Entschuldigen Sie» stammelte Herr Heute, «ich habe mich in der Adresse geirrt.» Ein starker Luftzug wehte ihm durchs Haar. «Für Sie sind heute Gewitter und ein grösserer Verlust geplant!» schrie er mir durch den Wind zu. «Es sieht ganz so aus, als ob Sie heute einen Unfa-» Ich knallte ihm die Tür vor der Nase zu. Draußen donnerte es. Ich seufzte, verkroch mich im Bett und versuchte zu schlafen, doch die Gedanken von letzter Nacht holten mich wieder ein. Nach längerem hin- und herwälzen stand ich schließlich doch schlecht gelaunt auf – vielleicht würde mich die Arbeit ablenken.

Hektik. Lärm. Grelles Licht. Alles war weit weg. Nur die pochenden Schmerzen, die sich von meinem Arm in den ganzen Körper ausbreiteten, waren unangenehm nah.
Langsam ließ der Lärm nach, das Licht verdunkelte sich, das Pochen war nur noch dumpf zu vernehmen.

Ein regelmässiges Piepsen weckte mich aus unruhigem Schlaf. Eine unbekannte Stimme hatte im Traum zu mir gesprochen, doch das Piepsen verdrängte sie. Im Stillen verabschiedete ich mich von meinem neuen Traumfreund.
Vom Bettende her schimmerte mir ein weisses Etwas entgegen, das nur langsam Gestalt annahm.
«Sie hatten einen Unfall. Ein Baum wurde vom Blitz getroffen und stürzte auf ihr Auto. Sie wurden dadurch leicht am Kopf verletzt und haben den Arm gebrochen. Außerdem haben Sie verschiedene Quetschungen erlitten. Insgesamt ist Ihr Zustand erstaunlich gut – was man von Ihrem Fahrzeug nicht behaupten kann.» Bevor ich antworten konnte, klopfte es an die Tür, herein kam Herr Heute mit gelben Blumen im Arm. Ich war nicht sicher, ob ich mich freuen sollte.

Herr Heute lächelte mir zu. Von draussen hörte ich den Regen an das Fenster klopfen, die Sonnenblumen erhellten den Raum. Die Unfallbilder in meinem Kopf waren verflogen. Wage Erinnerungen an meinen Traum kamen zurück: eine ruhige Stimme, die wie zu sich selber sagte: «Jeder Tag liegt im Auge des Betrachters.» Ich blickte zu Herrn Heute und lächelte zurück.

 
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Guten Abend, Chnou

Und willkommen bei den Wortkriegern!

Deine Idee, dass jeder jeden Morgen Besuch vom Heute bekommt, das eine hübsche Andeutung macht (es ist doch so, oder?), finde ich auf jeden Fall sehr hübsch. Wer kennt sie nicht, die Ahnung, wenn man vor die Haustür tritt?

Erstmal Details:

Wenn Du mich kennenlernst, wirst Du merken, dass nichts mich schneller anlockt als Zeichensetzungsfehler, die bereits im Teaser zu sehen sind. Und bei Dir gibt es so was. :chaosqueen: Du hast Probleme mit der Zeichensetzung an der wörtlichen Rede. Die gute Nachricht: Die Regeln sind wirklich easy. Die einzige, die Du momentan konsequent missachtest, ist jene, dass bei nachgestelltem Redebegleitsatz zwischen der wörtlichen Rede und dem Redebegleitsatz ein Komma kommt. Also:

«Endlich», dachte ich,

Und genauso bitte im gesamten Text korrigieren. Im Übrigen ist es, soweit ich weiß, im Deutschen üblich, die Anführungszeichen andersherum zu machen als im Französischen, also »…«, aber ich weiß nicht, ob man sich sklavisch daran halten muss. Mir wäre es egal.

Ich hatte eine schlechte Nacht hinter mir, war stundenlang wach gelegen.

Ich finde dieses Plusquamperfekt unschön. Das liegt vielleicht daran, dass ich „gelegen“ immer mit „hatte/haben“ kombinieren würde und nicht mit „waren/sein“. Aber besonders schön wäre doch: „lag stundenlang wach.“ Ändert auch inhaltlich nichts, deshalb würde ich das einfach vorschlagen.

Außerdem sprichst Du immer wieder von dieser schlechten Nacht, sagst aber gar nichts darüber, außer dass Dein Prot nicht schlafen konnte. Wieso denn nicht? Zu heiß im Zimmer? Termindruck? Albträume? Ein Kratzen an der Wand? Das ist momentan doch noch sehr skizzenhaft, wie Du es hier beschreibst. Da könntest Du leicht Stimmung machen, indem Du das mit Details aufpolsterst.

als er nicht zu sprechen begann.

Vorher schreibst Du von dem Männchen, also muss es hier „es“ heißen. Wenn Du unbedingt „er“ haben willst, musst Du vorher schon von Herrn Heute oder von einem Mann sprechen.

Nach längerem hin- und herwälzen stand ich schließlich doch schlecht gelaunt auf

„Hin- und Herwälzen“ wird hier groß geschrieben.

Langsam ließ der Lärm nach,

Okay, Moment. Da Du im späteren Absatz konsequent auf ß verzichtest, nahm ich an, Du wärest Schweizer/in (?) und wollte das tolerieren. Da das offensichtlich nicht so ist:

Ein regelmässiges Piepsen weckte mich aus unruhigem Schlaf.
Vom Bettende her schimmerte mir ein weisses Etwas entgegen, das nur langsam Gestalt annahm.
Von draussen hörte ich den Regen an das Fenster klopfen, die Sonnenblumen erhellten den Raum.

Die markierten Wörter werden mit ß geschrieben.

So, kommen wir zum Inhaltlichen. Ich habe ja schon gesagt, dass ich die Idee wirklich putzig finde. Ich finde aber auch, Du machst nicht viel draus. Dein Prot verkriecht sich nach der miesen Vorhersage erst ins Bett und steigt dann doch ins Auto, hat dann den Unfall. Danach findet er, dass irgendwie doch alles gut wird.

Na ja. Ich weiß nicht genau, wie er zu diesem Schluss kommt, ich weiß auch nicht genau, warum er überhaupt ins Auto steigt. Ich hätte das sicher nicht gemacht. Ich habe das Problem, dass ich einfach keine Beziehung zu Deinem Prot aufbauen kann. Ich sehe ihn eine Tür zweimal auf und zu machen, danach liegt er im Bett und dann im Krankenhaus. Ich kriege keine Verbindung zu ihm.

Wäre es nicht super witzig und könntest Du da nicht wirklich Spannung reinbringen, er würde den ganzen Tag versuchen, Unfallquellen zu vermeiden, um sich dann, während er sich die Decke über den Kopf zieht, die Hand am Bettpfosten zu brechen, oder so? Das könnte man tragisch und spannend und humorvoll aufbauen. Und dann fühlt Dein Prot sich schrecklich, sitzt elend im Krankenhaus, bis Herr Heute ihm doch noch diesen wirklich schrecklichen Tag versüßt.

So, wie es momentan ist, merke ich nichts davon, dass Dein Prot irgendwie leidet, sich Sorgen macht. Ich verstehe auch nicht, warum es ihm plötzlich besser geht. Da müsstest Du einfach auf seine Gefühle mehr eingehen, und dafür wäre es in meinen Augen wichtig, dass Du den Hauptteil, den Unfall, nicht aussparst.

Das nur als kurzer Leseeindruck. Übrigens habe ich gesehen, dass Du gleich mehrere Geschichten eingestellt hast. Ich habe die andere auch gelesen. Nun sind sie zwar beide kurz, trotzdem würde ich Dir empfehlen, immer nur eine auf einmal einzustellen. Wir machen hier Textarbeit, und das kann wirklich kräftezehrend sein. Da wäre es doch schade, seine Kräfte auf mehrere Geschichten aufzuteilen, oder?

Also, Zeichensetzung an der wörtlichen Rede, ß und vielleicht ein bisschen mehr emotionale Nähe zum Prot, das könnte diese süße Idee wirklich rund machen. Make it work!

Gute Nacht,
Maria

 

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