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Himmelsschafe

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20.10.2002
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Himmelsschafe

„Bähhh“, sagte das kleine Schaf, legte den Kopf schief und blickte nach oben. Von da kamen nämlich lauter kleine, weiße Flocken nach unten geschwebt, so etwas hatte das kleine Schaf noch nie erlebt. Eins der kalten Gebilde sank auf seine Nase, woraufhin es vor Schreck einen Luftsprung machte und niesen musste.

Die anderen Schafe standen im gemütlichen Unterschlupf, fraßen an den großen Heuraufen und kuschelten sich eng zusammen, denn es war kalt. Sie blickten nach draußen, wo das eine kleine Schaf ganz alleine die ersten Schneeflocken des Winters erkundete.

„Wisst ihr“, sagte eins der älteren, weiseren Schafe, das sich ganz dicht an das warme Heu anschmiegte, „Wisst ihr eigentlich noch, was der Schäfer vor ein paar Jahren über den Schnee gesagt hat?“

Die anderen Schafe begannen nachzudenken. Aber keins von ihnen wusste noch von den Worten des alten Mannes. Sie hatten auch nie zugehört, wozu auch, die beiden flinken Mischlingshunde hatten ihnen schon gezeigt, wo´ s hinging, und sie waren schließlich immer nur einander nachgetrottet. Wozu hätte da jemand auf diesen Menschen hören sollen?

„Was denn?“ fragte schließlich ein jüngeres Schaf mit einem vorwitzigen braunen Fleck am Maul.

„Er hat erzählt, dass der Schnee eigentlich nur gefrorenes Wasser ist.“

„Was?! Gefrorenes Wasser?“ Die Empörung war groß.

„Wie kann er so etwas nur sagen?“, blökte das junge Schaf mit dem braunen Fleck erschrocken und blickte hinaus, wo sein kleiner Bruder immer noch damit beschäftigt war, die weißen Flocken anzusehen.

„So dumm kann er doch gar nicht sein!“

„Er ist ein Mensch.“, warf eins der ältern Tiere bedächtig ein. „Er weiß es eben nicht besser.“

„Aber alle wissen es doch! Jeder weiß, dass der Schnee von den Himmelsschafen kommt!“

Mittlerweile blickten sie alle nach draußen, um dem kleinen Schaf dabei zuzusehen, wie es versuchte, mit seiner Nase möglichst viele der weißen Gebilde aufzufangen. Das, das den brauen Fleck auf der Nase hatte, drängelte sich dicht an ein altes, weises Tier mit dichtem, weichem Fell.

„Das stimmt doch, oder?“, fragte es leise, und stupste in den wolligen, warmen Bauch neben sich.

„Natürlich stimmt es... Wenn eins von uns Schafen hier zu müde für das Leben wird, dann legt es sich nieder, zum ewigen Schlaf. Dann träumt es von einer großen Herde, mit all seinen Brüdern und Schwestern, und sie laufen alle gemeinsam über die Wiesen des Himmels... mit zarten Kräutern... und Gänseblümchen... manchmal, im Frühjahr und im Herbst, wenn der Wind weht, kann man sie am blauen Himmel laufen sehen...“

Das alte Schaf hatte die Augen voller Sehnsucht zum Himmel gerichtet, aus dem immer mehr Schneeflocken herabschwebten, um auf dem kargen Gras liegen zu bleiben.

„... und dann... wenn es Winter geworden ist, denken sie an uns. Sie schenken uns ihre Wolle und erinnern uns daran, dass auch wir einmal, wenn wir alt sind, mit ihnen laufen dürfen... “

Verträumt blickten sie alle hinaus auf die Wiese. Das kleine Schaf spielte immer noch mit der Wolle der Himmelsschafe.
Zögernd trat das Tier mit dem Fleck hinaus, tappte auf seinen Bruder zu. Bald drauf spielten beide fröhlich zusammen, bis sie atemlos zu den anderen in den Unterschlupf zurückkehrten.

„Mama denkt an uns...“ sagte das Tier mit den braunen Fleck am Maul leise. „Ja... alle diese Flocken sind nur von ihr. Für uns.“ Und erschöpft schmiegten sie sich zusammen und schliefen in einer windgeschützten Ecke nahe bei den Heuraufen ein.

„Wir sollten dem alten Mann wirklich nicht mehr zuhören.“, stelle das alte Schaf fest. „Er erzählt uns nur Sachen die gar nicht stimmen, und die uns traurig machen.“

Die anderen Schafe stimmten ihm zu. „Er weiß es nicht besser... Menschen verstehen das einfach nicht...“

Und kurze Zeit später waren sie nach diesem langen Tag alle eingeschlafen, wärmten sich gegenseitig mit ihrem weichen Fell und dachten an die Himmelsschafe.
Und die schickten weiterhin ihre weiße Wolle auf die Erde, als sie über die Wiesen trabten, und sich an die Herden auf der Erde erinnerten.

 

Aloah Anne!

Hast eine sehr schöne, kleine Legende geschaffen - besonders schön finde ich den Schluss der Geschichte; als die Himmelsschafe an die Herden auf der Erde denken. Die Stelle führt einem vor Augen, wie logisch es eigentlich ist, dass im Winter natürlich die Wolle der Himmelsschafe herunterrieselt. Dumm, wer da an gefrorenes Wasser denkt. :)
Auch sehr gelungen finde ich den kleinen Umschwung in der Geschichte - am Anfang spielt das kleine Schaf mit Schneeflocken, später dann mit der Wolle der Himmelsschafe. Der Übergang von "Schneeflocken" zur "Wolle" ist so sanft, dass man ihn erst dann mitbekommt, wenn man den Himmel längst selbst nach Schäfchen absucht...

Bis dann,
Johnny :cool:

 

Hallo Johnny!

Vielen Dank für das Lob... ich weiß ja gar nicht mehr, was ich bei so vielen positiven Kritiken antworten soll... :)

liebe Grüße, Anne

 

Hallo Anne,
ich habe deine Geschichte gelesen, ich bin begeistert von deiner Idee mit den Himmelsschafen. Ich empfand die Geschichte als sehr tröstend. Gerade zu Ostern, finde ich deine Geschichte gut, um den Kindern die Auferstehung behutsam näher zu bringen.

L.G
Goldene Dame:)

 

Hallo Goldene Dame!

... ich hab leider erst jetzt Deine Antwort gesehen, ich schau halt nicht täglioch nachm, was sich bei den "Kindern" so tut...

Ich freu mich sehr, dass Dir die Geschichte gefallen hat, vielen Dank für Dein Lob. :)

Die Geschichte ist nicht extra für Ostern, für den christlichen Glauben entstanden und eigntlich auch nicht darauf zugeschnitten, von meiner Idee her, aber sie passt, das stimmt... In vielen Religionen gibt es ja den Glauben, dass es nach dem Tod nicht vorbei ist. Ich glaube, dass das für Kinder tröstlich sein kann...

Vielen Dank und schöne Grüße
Anne

 

Hallo Maus!

Eine sehr schöne Geschichte, die du hier geschrieben hast!
Ich wundere mich nur, warum sie noch nicht bei den "Empfehlungen" steht... (darf ich selber ja nicht dort eintragen).

Folgende Stelle hat mich berührt:

Das alte Schaf hatte die Augen voller Sehnsucht zum Himmel gerichtet, aus dem immer mehr Schneeflocken herabschwebten, um auf dem kargen Gras liegen zu bleiben.
Vielleicht ist das alte Schaf des Lebens ja schon müde und überdrüssig geworden, oder es hat eine schwere Schafskrankheit - das "karge Gras" wäre dann eine Metapher für sein Leiden hier auf Erden.

Es gibt noch andere Weisheiten, die in deiner Geschichte verborgen liegen - wirklich: da steckt viel drinnen!

Leider hab ich jetzt auch nichts mehr zu meckern (oder besser gesagt: zu bäähen!)

Liebe Grüße,
Wolf

 

Ich wundere mich nur, warum sie noch nicht bei den "Empfehlungen" steht... (darf ich selber ja nicht dort eintragen).
Wenn Du den Moderatoren eine PM schickst (wie im Thread erklärt), tragen sie Deine Empfehlung ein.

 

Wolf, ok, ich nehme mal dein Post als Empfehlung, brauchst keine PM mehr schreiben. Aber für die Zukunft: wenn dir eine Geschichte gefällt, einfach kurze PM an einen der Moderatoren des jeweiligen Forums.
Das kannst du auch im Empfehlungsthread nachlesen.

Kitana

 

Hallo!
Ein süße Geschichte! Auf so eine Idee muß man erstmal kommen. Habe sie meinem 8jährigem Nachbarskind zu lesen gegeben.
Sie fand sie toll! Sie hat mich gefragt:"Wenn der Schnee von den weißen Schafen kommt, was wird denn aus den Schwarzen, wenn die mal tot sind?
(keine üble frage *grins*)
Gruß Joker

 

Merkwürdig, ich war mir fast sicher, Dir eine Kritik geschrieben zu haben...

Ich hab die Geschichte gelesen, als sie noch ganz frisch war. Und ich fand sie sehr schön. (Find ich übrigens immer noch. :D)
Bezaubernd, was Du hier geschaffen hast.

Ich freue mich immer über Kindergeschichten, die ohne moralischen Zeigefinger auskommen. Deswegen drucke ich sie mir auch jetzt aus, um sie heut abend meiner Tochter vorzulesen.

Liebe Grüße
Sav

 

Hallo kleiner Wolf, Joker und Sav...

Vielen Dank für Eure Rückmelung, und das Lob, freut mich sehr...

:"Wenn der Schnee von den weißen Schafen kommt, was wird denn aus den Schwarzen, wenn die mal tot sind?
- hmmm... ich glaube, die Antwort, die mir drauf momentan einfällt, gefällt Kindern nciht besonders... :D
Vielen Dank fürs Probevorlesen, das ist ja der eigentliche Zweck.
Danke auch für den Eintrag in die Empfehlungen, Bib, Kitana. Ich weiß langsam echt nicht mehr, was ich da antworten soll... :shy:

schöne Grüße
Anne

 

ja was wird mit den schwarzen Schafen?
Muss nicht irgendwer die weißen Schafe wärmen dort oben im Himmel, wenn sie ihre Wolle so sorgsam zu den Erdenschafen haben fallen lassen?

Ich mochte deine Geschichte auch wirklich sehr, liebe Maus. Mehr kann ich dazu gar nicht schreiben. Aber mitteilen wollte ich es dir schon.

Lieben Gruß, sim

 

Danke, sim... ich hab mich sehr über Deine Antwort gefreut. :)
liebe Grüße
Anne

 

von mir kriegt keiner eine Kritik ;)

...deshalb habe ich den Text ausgedruckt und werde ihn meinen Nichten zu lesen geben. Mal sehen, vielleicht wollen sie dir ja etwas dazu sagen :)

Heli

 

...danke für Deine nicht-Kritik :D freut mcih sehr. Wenn Deine NIchten was dazu sagen, würds mich frruen, wenn Du mir das mitteilst :)

alles Liebe
Anne

 

Hey Maus, schöne geschichte. ich war grad am schluss so in gedanken bei der geschichte. hab mir alles ausgemalt - mh, wunderschön. tut richtig gut. mach weiter so, ich hoffe auf mehr solcher geschichten. LG ciocco

 

hallo cioccolatini!

ich hab mich sehr über Kommentar und Lob gefreut. Danke - und ich hoffe selbst, dass ich vielleicht nocheinmal so eine Idee habe. :bounce:

schöne Grüße
Anne

 

Hallo Maus!
Deine Geschichte gefällt mir ganz gut. Wenn meine 4-jährige Enkeltochter das nächste Mal hier übernachtet, werde ich ihr die Geschichte unbedingt vorlesen
Von Dir kann man als "Anfänger" viel lernen.
Liebe Grüße
Stauni

 

Hallo Stauni!

Lieben Dank für das Lob... ich freu mich total. :shy:

schöne Grüße
Anne

 

Hallo Maus,
Meine Enkeltochter, die sonst nur ganz kurzen Geschichten aufmerksam zuhört, hat bis zum Schluß durchgehalten und die Sache auch verstanden.
Super! Weiter so!
Gruß Stauni

 

Hi Maus,
nachdem ich so oft von dieser Geschichte gehört hatte, musste ich einfach mal nachlesen.

Da ich ja ständig auf der Suche nach guten, kurzen Geschichten für den Kindergarten (Besonders für Mittagessen und Ruhephase - ich habe ca. 10 Mins für eine Geschichte) bin, habe ich die Geschichte zum Lesen direkt ausgedruckt, da mir schon vorher versichert wurde, sie würde sich eignen.

Leider ist sie für meine Zwecke nicht geeignet und ich finde es schade, dass es in den bisherigen Kritiken nur eine Person gab, die sich darüber Gedanken gemacht hat.

Nein, sie wird den Kindern auch nicht enormen Schaden zufügen, aber immerhin ist da die Mutter von zwei kleinen Schafen (was die Kinder direkt auf Menschen übertragen) tot. Wir haben viele Kinder mit Verlustängsten und viele, die leicht welche kriegen könnten. Es gibt auch Kinder, die während einfach so anfangen zu weinen und dann erzählen sie von ihren verstorbenen Großeltern. Ein Kind beschäftigt sich überdurchschnittlich viel mit dem Tod.

Ich stelle aber diesen Blickwinkel mal auf gleiche Stufe mit Bambi oder Littlefoot. Filme, die viele kleine Kinder gesehen haben.

Im Kindergarten würden wir zur Trauerverarbeitung eher "Abscheid von Rune" vorlesen. Ein echt trauriges Buch, in dem ein kleiner Junge ertrinkt und die beste Freundin um ihn trauert. (Naja, Eltern, Schwester ect. natürlich auch) Es ist aber sehr realistisch. Es geht auch um Beerdigung ect. Als die Mutter dem Kind erzählt, dass aus Rune jetzt wunderschöne Blumen werden, findet das Kind das zwar zunächst schön, bricht dann aber in Tränen aus und ruft: "Ich will aber, dass Rune hier ist." Naja, ich habs nur einmal gelesen, weiß netmehr so genau.

Ich habe ja noch keine Ausbildung, aber ich denke, dass es einen Grund hat, dass dieses Buch in dem Zusammenhang fast immer erwähnt wird, deshalb erwähne ich es.

Ich denke auch, dass die Kinder die Geschichte mögen würden, aber aus den erwähnten Gründen würde ich sie nicht einfach so vorlesen. Ich sie aber mal meinen Kolleginnen vorstellen, die haben da mehr Ahnung von. ;)

Bis denne
Anika

 

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