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Im Treffpunkt der Zeit

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31.08.2008
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Im Treffpunkt der Zeit

Die Unterscheidung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ist nur eine Täuschung, wenn auch eine hartnäckige – Albert Einstein


Der Monitor flackerte, die Arbeit der letzten Viertelstunde war vernichtet – wie oft hatte ich diese Serverabstürze schon erlebt? Es war nicht genug, dass man sich mit immer neuen und völlig veränderten Programmen herumärgern mußte; besonders das MS-Office Paket nervte mich nachhaltig. Dazu gab es regelmäßig Serverprobleme; ich hatte schon oft mit der Systemverwaltung gesprochen, das abzustellen – es ging einfach jedesmal viel Arbeit verloren. Da kamen schon Zweifel auf, ob wir wirklich ein die Effektivität steigerndes Arbeitsgerät in der Hand hielten, oder ob hier das Gerät und alle, die daran verdienten, uns in der Hand hielten. Haben nicht die Wissenschaften bis in die Neuzeit alle grundlegenden neuen Erkenntnisse auf Papier berechnen und beschreiben können? Und konnte man nicht auch auf einer Tafel Abbildungen und Skizzen zeichnen, oft mit mehr Aussagekraft als diese moderne bunte Bildershow?

Ich war müde und hatte Termindruck: morgen vormittag sollten die Ergebnisse fertig bei dem conference organizing committee sein, per mail. Früher hätte das den Postweg erfordert, Zustellung in einer Woche. Aber früher hatte man ja auch Zeit…

Ich ertappte mich dabei, daß mir immer wieder die Augen zufielen. Der der Bildschirm flackerte erneut; der Hinweis „no host available“ verschwand. Endlich konnte ich weiterarbeiten. Da läutete es an der Tür. Es war gegen Mitternacht, und um diese Zeit besucht mich eigentlich nie jemand - auch sonst eher selten. Ich brauchte einen Augenblick, um zu sortieren, ob da jetzt, um diese Zeit, wirklich meine Klingel betätigt worden war. Es läutete erneut. Ich stand auf und ging zur Tür, suchte den Schlüssel – jedesmal lag er woanders - und schloß auf. Die Tür ließ sich nur einen Spalt öffnen; ich hatte die Kette noch eingehängt. Ich drückte die Tür wieder zu, hängte die Kette aus und öffnete sie nun ganz. Draußen stand – ich!
Natürlich nicht ich, denn ich stand ja im Flur. Und mein Gegenüber hatte kräftige lockige Haare und einen langen Bart. Seine braungebrannten Arme schauten aus einem einfarbigen blauen Gewand heraus, vielleicht war es auch nur ein Tuch, das dieser Fremde um sich geschlungen hatte. Trotzdem, sah man mal von dieser theatermäßigen Aufmachung ab, hatte er eine unerhörte, mich sprachlos machende Ähnlichkeit mit meinem Spiegelbild, bis auf die Seite, auf der sein Haar gescheitelt war – aber das kannte ich ja vom Spiegel. Deshalb empfindet man sich auf Fotos oft so fremd: wegen der Seitenrichtigkeit.
„Guten Abend“, sagte der Mann. „Darf ich eintreten?“
„Ja…schon…wer sind Sie?“, entgegnete ich.
„Ich bin Setnemides sed Reteuh und komme, dich zu befragen“, antwortete er.
„Jetzt?“, stammelte ich und wandte meinen Blick vorwurfsvoll zu meiner Armbanduhr.
„Es tut mir leid. Es geht nur jetzt“, antwortete er mit einer mir bekannten Höflichkeit; so hatte ich als Student oft mit meinen Professoren gesprochen, wenn ich etwas von ihnen wollte. Er sah dabei sehr freundlich aus und zeigte offensichtlich Verständnis für meine Lage.
„Bitte, treten Sie ein“, sagte ich verwirrt. Ich gíng voran und versuchte, mit wenigen Handgriffen den Eindruck zu erzeugen, als wäre dieses Zimmer, diese Wohn- und Arbeitsstube, zumindest einigermaßen geordnet. Es mißlang gründlich. Als ich die Zeitungsstapel vom Sofa nahm und in eine Zimmerecke beförderte, lösten sich einige dazwischenliegende CDs aus dem Stapel und fielen herunter, wobei die Hüllen zerbrachen. Man sollte nur die flexiblen Hüllen verwenden, schimpfte ich vor mich hin. Das Aufräumen des Couchtisches war undurchführbar; ich schob die Sachen zusammen, so daß eine Hälfte frei wurde. Ich bat meinen Gast, der meinem Tun gelassen zugeschaut hatte, sich zu setzen, ging in die Küche und setzte Wasser auf. Diese einfache Beschäftigung lenkte mich für einen Moment von dem aufregenden Ereignis ab und ich begann mich zu sammeln. Mit einem Tablett schaffte ich Gläser, Kaffetassen, Kekse und Weintrauben in das Wohnzimmer. Es war eine Tageszeit, zu der alles und nichts paßte; mal sehen, was mein Gast zu sich nehmen würde.

Ich stellte die Sachen auf dem freigeschobenen Ende des Tisches ab. Mein Gast sah mich erstaunt an, sagte aber nichts. Das Wasser begann zu kochen; ich ging zurück in die Küche und goß den Kaffe auf. Ich suchte noch den braunen Zucker und nahm Sahne aus dem Kühlschrank. Haltbar bis 3.1.; das war vorgestern und wird schon noch gehen, dachte ich. Ich habe immer Sahne, denn ich hasse Kondensmilch. So kam ich nun ein zweites Mal ins Wohnzimmer. Mein Gast hatte sich inzwischen umgeschaut. Nach einer kurzen Runde entlang meiner Bücherregale hatte er sich eine Ausgabe der „Zeit“ gegriffen und las aufmerksam. Es war der Artikel von Urs Willmann, „Auf den Fersen des Gilgamesh“. Wie lange lag der hier schon herum? Drei Jahre? Hatte ich so lange nicht aufgeräumt? Ein kurzer Blick auf die rechte obere Ecke des Artikels verriet mir: 18.4. 2002 – bald sieben Jahre her. Aber nein, ich hatte ihn aus dem Regal gezogen, um ihn nochmal zu lesen. Aber auch das war wohl schon ein Jahr her. Während ich die Sachen auf dem Tisch anordnete, fragte ich meinen Gast, ob er statt Kaffee lieber Wein oder etwas anderes trinken und auch etwas essen möchte. Er antwortete nicht, sondern las mit angespanntem Gesicht weiter. Als ich wieder zu ihm aufschaute, bemerkte ich, daß er gar nicht den Artikel las, vielmehr sah er unverwandt auf eine Abbildung. Neugierig schaute ich, was er so gespannt anblickte: es war die Fotografie einer Tontafel mit einem Teil des Gilgamesh-Epos in Keilschrift. Mein Gast schien diese Tafel zu lesen!

Schließlich sah er auf. „So, du weißt also schon von mir“, stellte er fest. „Ich bin Setnemides“, stellte er sich nochmals vor. „Dein Schriftstück berichtet von der Verlegung des Euphrat zur Errichtung der Grabstätte des Gilgamesh mitten im Flußbett, um sie so vor Räubern zu schützen. Das gehört zu meinen Aufgaben in Uruk. Ich bin zuständig für die Haltung des Wassers in der Stadt. Wir haben nicht viel Zeit, darum will ich es kurz machen. Ich habe es geschafft, Uruk für immer schiffbar zu machen. Dafür habe ich eine besondere Belohnung erhalten: mir hat die erste Dienerin im Tempel der Ishtar einen Wunsch gewährt. Ich wünschte mir, einen Traum zu haben, in dem ich mich in der Zukunft erlebe und daraus lerne, sowohl für meine Arbeit als auch für mein Leben. Diesen Traum habe ich nun; hier bin ich, ich bin du, und du bist ich. Erzähle mir von dir; ich möchte so viel wie möglich von dir lernen, in der kurzen Zeit, die uns verbleibt.“ Ich schluckte.
„Also? Was machst du?“, fragte mein Gegenüber und nahm sich von den Weintrauben.
Ich erzählte ihm, daß ich gerade am Rechner gesessen hatte. Was das sei? Nun, man kann damit rechnen, schreiben, Briefe verschicken, Briefe bekommen, Literatur lesen, Landkarten einsehen.
„Zeige mir das!“, befahl er. Ich mußte passen.
„Im Augenblick geht es nicht, er tut es nicht immer“, entschuldigte ich mich.
Setnemides schüttelte mißbilligend den Kopf. „Unsere Methoden funktionieren immer“, gab er an.
„Und wenn du einen Brief um die halbe Welt schicken willst? Werden nicht auch die Boten von Feinden gefangenen genommen, kommen nicht auch Schriften abhanden?“, setzte ich dagegen. Er staunte.
„Du kannst damit einen Brief um die Welt schicken? Wie lange dauert das?“, platzte es aus ihm heraus.
„Ein paar Sekunden“, prahlte ich.
Es beeindruckte ihn nicht. „Aber Arbeit ist nicht, etwas zu verschicken; davon erledigt sich nichts. Also was machst du? Was schreibst du anderen auf, was du so schnell verschicken kannst?“, wollte er wissen. Ich berichtete ihm, daß ich über Flüsse schreibe, daß ich rechne, wie man sie am besten tief hält für die Schiffe, wie man mit dem Sand und Schlick fertig wird, der in die Häfen treibt. Und bei all dem haben wir uns auch um die belebte Natur zu sorgen, daß die Fische weiter durch den Fluß schwimmen können und die Vögel Nahrung finden. Ein Widerspruch, der nicht zu lösen ist.
Er wunderte sich, daß wir die Flüsse ausbaggern: „Wie macht ihr das?“, fragte er.
Ich erzählte ihm, daß wir zuerst mit großen Schaufeln vom Schiff aus gebaggert hätten, aber jetzt mit Schiffen, die Sand in sich hinein saugen könnten, die Flüsse und Häfen ausbaggern. „Das geht nicht. Wir haben es probiert. Flüsse gräbt man am besten, wenn sie trocken sind. Es ist da einfachste“, stellte er fest.
Ich erklärte ihm, daß unsere Flüsse, anders als in einige in südlichen Ländern, nie trocken fallen.
„Dann legt sie doch trocken“, meinte er.
Jetzt war ich an der Reihe, zu fragen: „Was machst du? Erzähle mir von deiner Arbeit am Fluß“, bat ich ihn.

Er erzählte zunächst von seiner Stellung in der Stadt. Bestimmend für alles, was geschah, waren der Herrscher Gilgamesh, die Priester und eine Beamtenkaste, die um diese buhlte und ihren Willen in Handlungen umzusetzen hatte. Hierbei achtete sie oft mehr auf ihr eigenes Wohl als auf die Arbeiten zum Wohle der Stadt.
„Okay, es gibt doch Konstanten in der Geschichte“, nickte ich ihm zu. Er selbst sei nur ein Ratgeber der Stadt, d.h. der Beamtenschaft. Diese würde ihn immer fragen, wenn Not wäre, aber seinen Rat vergessen, wenn alles zur Zufriedenheit liefe.- Auch das kannte ich.

Interessanter waren seine Ausführungen zur Wasserhaltung der Stadt: „Wir haben die gesamte Stadt mit Kanälen durchzogen. Das erspart uns die Esel, die wir sonst zum Transport der Güter benötigen würden. Außerdem ermöglicht es den Anbau von Gemüse in der Stadt, so daß wir uns im Falle einer Belagerung für einige Zeit versorgen können. Das Umland stellt uns die Rohstoffe für die Herstellung der Gebäude, der Werkzeuge, der Waffen, auch die Arbeitskräfte und die Soldaten holen wir von dort. Aber die Nahrung kommt aus der Stadt und der unmittelbaren Umgebung. Das ist einfach und sicher.“
Ich erzählte ihm, daß heute die meisten Länder der Welt die Nahrung mit Schiffen austauschen oder heranfahren, wobei die Entfernungen um den halben Globus reichen.
„Wozu so einen Aufwand?“, schüttelte er den Kopf.
Ich zuckte mit den Schultern. „Laß´ uns zur Wasserhaltung zurückkehren“, schlug ich vor, „ich habe verstanden, daß ihr die Kanäle im Trocknen baut. Dann leitet ihr den Fluß in die Kanäle und erweitert so die Stadt. „Und wo bleibt das gebrauchte Wasser, das aus den Häusern kommt?“ Das interessierte mich nun wirklich.
„Wir leiten es mit Rohren in den Fluß“, sagte er, als wäre es das selbstverständlichste der Welt. „Genau wie das Trinkwasser, das wir mit Rohren von weiter oben liegenden Teilen des Flusses in die Stadt leiten.“
„Und wie haltet ihr die Kanäle schiffbar?“, wollte ich wissen. „Im Wasser baggern geht bei euch nicht, das habe ich jetzt verstanden. Aber der Fluß trägt viel Sand und Lehm mit sich, der die Kanäle zusetzt.“
Seine Augen leuchteten auf: „Wir halten den Wasserspiegel in der Stadt höher als den des Flusses“, antwortete er. „Dadurch haben wir keine Strömungen, die Sand oder Lehm in die Kanäle führen. Wir nutzen dafür die hohen Wasserstände. Wir leiten das Wasser in ein großes Absetzbecken oberhalb der Stadt und von dort in die Kanäle.“
„Und wie sperrt ihr die Kanäle vom Fluß ab?“, wollte ich wissen. Ich war immer gespannter geworden.
„Dafür haben wird die Fluttore“, berichtete er. „Anfangs haben wir nur mit denen gearbeitet. Die Tore hielten den Sand aus der Stadt. Das war schwer durchzusetzen gegen die Beamtenschaft. Niemand wollte glauben, daß das geht. Sie wollten noch nicht mal glauben, daß der Sand vom Fluß her kam. Dann gab es einen Überfall von Truppen einer feindlichen Stadt, die Räuber kamen auf Schiffen bis mitten in die Stadt gefahren. Danach haben wir die Tore als Befestigung gegen Feinde vorgeschlagen, und sofort ging es. Ein schwimmender Querbalken hätte gereicht, um die Feinde abzuhalten. Aber jetzt bauten wir die Tore, massiv und groß; sie reichen vom Grund der Kanäle bis fast auf die Höhe der Stadtmauer. Jedes Schiff, das in die Stadt will, muß sich erst beim Torwächter melden. Der prüft die Dokumente, inspiziert die Besatzung und die Ladung, nimmt ihnen die Waffen ab, und erst dann öffnen sich die Tore. Alles etwas übertrieben, aber es gibt vielen Menschen Arbeit. Und: seitdem bleiben die Kanäle immer schiffbar. Erst nach dem Bau der Fluttore sind wir daran gegangen, den Wasserspiegel in der Stadt anzuheben, um auch die restlichen Sandeintreibungen zu verhindern.“
Natürlich ging das nicht vollständig. Langsam wuchsen die Kanäle auf. Aber auch die Stadt wuchs ja, mit jeder Generation wurde sie höher. Und auch die Landschaft am Euphrat wuchs, die Felder und das Flußbett landeten mit jedem Hochwasser ein paar Zentimeter auf. Trotzdem hatte man die Stelle, wo das Wasser zur Versorgung von Uruk entnommen wurde, immer weiter stromauf legen müssen.

Mir schwirrte der Kopf. Ich dachte an Venedig, die Handelsstadt mit den Kanälen, wie auch die Hansestädte mit ihren Fleeten. Ich dachte an Antwerpen, wo man die Hafenbecken mit Schleusentoren abriegelt, weil man mit dem eintreibenden Schlick sonst nicht fertig wird. Der Ursprung all dieser Erfindungen sollte das fünftausend Jahre alte Uruk sein? Wer hatte hier von wem zu lernen?

„Und du?“, fragte Setnemides. „Eigentlich bin ich hier, um von dir zu lernen.“
„Warum du von mir?“, fragte ich zurück.
„Weil ich zu dir gekommen bin. Weil dieser Besuch die Erfüllung meines Wunsches ist. Weil du in der Zukunft lebst“, entgegnete er. „Also: was hast du über die Flüsse herausgefunden? Über deinen Fluß?“
Ich zögerte. Ich hatte ihm ja schon erzählt, daß wir heute vom Schiff aus baggern. Wie viel wir untersuchen, um den Sand an die richtigen Stellen zu bringen, damit wir ihn nicht am nächsten Tag wieder baggern müssen. Das hatte man oft gemacht, und den Beamten hat´s gefallen. „Viel Bagger, viel Ehr“, schienen sie sich gedacht zu haben. Aber jetzt war das alles zu teuer geworden. Wir haben die Strömungen auf dem Computer berechnet; das klappte einigermaßen. Die Sandbewegungen zu kalkulieren, war schon schwieriger. Man versuchte sogar, die Entwicklung des Flußbettes auf dem Computer zu simulieren, um daraus zu lernen. Das war von fragwürdigem Wert; man brauchte nur den Anfang einer Simulation geringfügig zu verändern, und schon kam etwas völlig anderes heraus. Was hätte Setnemides mit all dem anfangen sollen? In Uruk gab es keine Saugbagger und keine Computer. Aber ich hatte etwas anderes herausgefunden: daß die Flüsse schwingen, daß sie mit ihren Schwingungen dem Flußbett seine Form geben. Darüber hatte ich publiziert. Wie sollte ich ihm das übersetzen? Schließlich sagte ich: „Ich habe herausgefunden, daß die Flüsse singen, daß sie mit ihrem Gesang ihr Flußbett gestalten.“
„Ja und?“, antwortete Setnemides. „Das wußtet ihr nicht?“
Nein, das wußten wir nicht.
„Könnt ihr sie denn nicht hören?“, fragte er nach. Er ließ seinen Blick durch mein Zimmer schweifen. „Wenn ich so leben würde wie du, würde ich sie auch nicht hören.“ Das saß.
„Aber ich habe nachgewiesen, daß sie singen“, antwortete ich kleinlaut. „Ich habe Messungen ausgewertet, gerechnet, die Töne dargestellt.“
„Und? Hast du sie gehört?“
„Nein, aber das ginge – theoretisch. Ich könnte etwas berechnen, das sich in eine hörbare Musik verwandeln ließe. Natürlich ist das nicht wirklich der Gesang der Flüsse. Aber etwas, was ihm ähnlich ist und was wir hören können.“ Ich dachte dabei daran, daß Einstein gesagt hatte, eine Beethovensymphonie sei in der Betrachtung des Physikers nur eine Serie von Luftdruckschwankungen. Viel weiter war ich mit meiner Analyse bisher nicht gekommen.
„Wie lange hat Siddharta am Fluß gesessen und gelauscht?“, begann Setnemides plötzlich wieder. „Zehn Jahre? Zwanzig Jahre?“
„Den kennst du auch?“, fragte ich. „Ja, er hat mich einmal besucht. Irgendwann kennt man alle, die lange an den Flüssen sitzen und ihnen lauschen, aus allen Zeiten. Nur dich kennen wir noch nicht: du hast keine Zeit.“

Der Rechner gab ein akustisches Signal und verkündete, daß ich weiter arbeiten konnte. Ich stand auf und sah nach; Setnemides stand ebenfalls auf.
„Du hast gesagt, daß du alles mit dieser Maschine machst, daß auch eure Karten auf dieser Maschine sind“, sagte er. „Ich würde gern wissen, wie Uruk heute aussieht“, setzte er hinzu.
„Nichts leichter als das“, erwiderte ich, „endlich kann ich dir auch etwas zeigen, wenn es auch nicht von mir ist.“ Ich startete Google Earth, zoomte in den Süden Iraks an den Euphrat, dann auf Uruk zu. Setnemides starrte gebannt auf den Monitor.
„Hier war Uruk“, verkündete ich.
Setnemides war entsetzt. Ich hatte das Bild auf einer gelben, trocknen Wüstenfläche angehalten, auf der mit Mühe einige Hügel erkennbar waren.
„Also ist es untergegangen im Sand“, stellte er betrübt fest. „Und wo ist der Euphrat?“
Ihm war aufgefallen, daß auf dem Bild sogar der Fluß fehlte.
„Der Euphrat ist nicht versiegt“, beruhigte ich ihn, „nur nach Osten gewandert“, ich verschob das Bild mit der Maus, „hier hast du ihn.“
„Gibt es dort heute noch Städte, so groß wie Uruk?“ wollte er wissen, „Uruk hat sechzigtausend Einwohner.“
Ich zeigte ihm Al Basra. Es lag Uruk am nächsten. „Zwei Millionen Menschen leben dort.“
„Es scheint hier in deiner Zeit mehr Menschen zu geben“, bemerkte er. „Ist Al Basra auch ein wichtiger Hafen? Ich meine, so bedeutend wie Uruk?“, wollte er noch wissen.
„Nein entgegnete ich, „Uruk war sicher zu seiner Zeit einer der bedeutendsten der Welt.“
„Zeige mir einen, der heute bedeutend ist“, bat er.
Ich zeigte ihm Singapur. Beim Heranzoomen wurden die großen Containerschiffe sichtbar, die zur Beladung an den Kais klagen.
„Wie groß sind diese Schiffe?“, wollte er wissen. „Unsere können einhundert Kamelladungen aufnehmen. Wie viele kann so ein Schiff wie dieses fassen?“ Aufgeregt tippte er mit dem Finger auf ein Containerschiff.
Ich versuchte, im Kopf zu überschlagen, wie viele Kamelladungen wohl achttausend Standardcontainern entsprächen. „Zwei Millionen“, schätzte ich. Aber Setnemides war nicht mehr zu beeindrucken. Er hatte sich damit abgefunden, daß in dieser Zeit, in die er hier schaute, an alle Zahlen ein paar Nullen anzuhängen waren. Machte das einen grundsätzlichen Unterschied? Eigentlich nicht.-

Wir nahmen wieder Platz. Ich hatte versucht, seinem Wunsch, in die Zukunft zu schauen, einen Sinn zu geben. Er hatte von dieser Exkursion wertvolles Wissen mitbringen wollen, dabei hatte nur er mir solches geben können, ich ihm nichts. Wir schwiegen eine Weile. Setnemides kratzte sich am Bart und erinnerte mich dadurch wieder an mich selbst: so musste es aussehen, wenn ich mich am Bart kratzte.-
„Wie ist es eigentlich möglich, daß wir uns begegnen?“, fragte ich ihn. „Wenn ich du bin und du bist ich, dann gibt es uns doch nur einmal.“
„Ja, einmal in jeder Zeit, das heißt viele tausend Male. Zwei Zeitpunkte haben sich hier getroffen.“
„Was sind das: Zeitpunkte?“, fragte ich ihn.
„Ja, was ist überhaupt Zeit?“ gab er zurück.
Ich konnte nicht mehr darüber nachdenken, mit welcher philosophischen Erörterung welchen abstrakten Zeitbegriffs ich ihm antworten könnte, denn stattdessen läutete es an der Tür. Es war weit nach Mitternacht, und dieses Läuten war nicht weniger überraschend als das vorige. Aber was war schon nicht überraschend in dieser Nacht?
Als ich die Tür öffnete, erwartete ich natürlich nicht den Postboten oder den Jungen mit den Brötchen. So spät am Morgen war es ja auch noch nicht. Setnemides hatte keine Miene verzogen, als die Klingel ertönte; umso erregter war ich. Draußen stand ein großer, streng wirkender Mann in einem silbernen glänzenden Anzug. Er sah mich hart und unpersönlich an; seine Haltung war starr.
„Guten Abend, Sie wünschen?“, versuchte ich mich in einer Begrüßung.
„Mein Name ist Kaerf Snoitalumis. Ich führe eine Inspektion durch.“
Bevor ich ihn bitten konnte, einzutreten, war er auch schon an mir vorbei in die Wohnung gegangen, ging so sicher, als würde er hier alles kennen, in das Wohnzimmer und blieb etwa zwei Meter vor dem Computerarbeitsplatz stehen. Sofort wechselten auf dem Monitor die Bilder; innerhalb von Sekunden liefen dort die Inhalte meiner letzten Arbeiten, meiner Mails und andere aktuelle Seiten, die ich besucht hatte, ab.
Kaerf wandte sich zu mir: „Ich führe regelmäßig Inspektionen durch, zur Szenarienkontrolle. So stellen wir sicher, daß die Simulationen nicht unnötig instabil werden. Außerdem – es ist immer wieder nett, in diesen alten Szenarien zu spazieren. Alles sehr primitiv hier, aber – nett.“
Er sah sich im Zimmer um. Die Bücher fanden nicht sein Interesse, die Bilder an der Wand auch nicht. Setnemides hatte er noch keines Blickes gewürdigt. Ich versuchte mit einer Geste, ihm etwas anzubieten, aber er reagierte nicht. Sein Blick blieb an den Topfpflanzen in der Fensterbank haften: „Was man sich hier noch alles leistet – so ein Unsinn. Die Rationalisierungen waren wirklich nötig.“
„Wovon sprechen Sie? Was für Rationalisierungen?“, fragte ich.
„Anfangs haben wir unsere Simulationen frei laufen lassen. Alles konnte sich ohne Kontrollen entwickeln. So ergab sich eine große Vielfalt. Vielfalt der Arten, Pflanzen und Tiere. Vielfalt der Landschaften. Dafür keine Vielfalt der menschlichen Lösungsversuche.“
„Lösungsversuche … für welches Problem?“, fragte Setnemides. Er war inzwischen wieder aufmerksam geworden.
„Das Überleben und die Freiheit“, antwortete Kaerf. „Früher haben wir die Menschen einfach recycelt – wir haben die Bewußtseinseinheiten, die bei den erfolgreichen Simulationen entwickelt worden waren, wiederverwendet. Das sparte Rechenzeit. Ihr habt das dann irgendwann gemerkt – es gibt immer Fehler - und eine Religion daraus gemacht.“
„Die Lehre von der Wiedergeburt“, sagte Setnemides.
„Dann habt ihr die Malerei immer weiter getrieben, jeder, der etwas auf sich hielt, ließ sich porträtieren, und schließlich auch noch die Fotografie entdeckt – eine Katastrophe, zunächst. Jetzt mußten wir ständig neue Gesichter generieren, damit ihr nichts merkt. Wenn ihr es gemerkt hättet, wären Übertragungen unausweichlich geworden, es hätte die gesamte Simulation gestört. Als Lösung haben wir einfach vorhandene Gesichtsmuster randomisiert – so haben wir die Rechnerkapazität geschont und konnten den Versuch weiter laufen lassen.
„Gibt es uns also – nicht wirklich?“, wollte ich jetzt genau wissen.
„Nein, Sie sind simulierte Wirklichkeit. Genügt ihnen das nicht? Macht es denn überhaupt einen Unterschied?“
„Und Sie?“, fragte ich.
„Ich bin auch simuliert. Ich jedoch, ich arbeite mit den Simulatoren zusammen. Sie schicken mich in alle ihre Simulationen, um sie zu inspizieren und manchmal auch, um die entscheidenden Hinweise für die Rettung zu geben.“
„Für die Rettung zu geben?“ Ich bekam meinen Mund nicht wieder zu.
„Ja, es gibt immer wieder numerische Instabilitäten. Nur durch sorgfältige Inspektion können die Ursachen gefunden und vermieden werden. Daß es Ihren Rechnerlauf und Sie und das alles hier“, er machte eine nachlässige, auf das Zimmer deutende Handbewegung, „noch gibt, haben Sie nur mir zu verdanken.“
„Wie das?“
„Nun gut, es geht Sie nichts an, aber wir haben ja Zeit. Ja, wirklich! Viel Zeit! Eure Zeit zählt nicht dort, wo ich herkomme. Ich könnte lange hier bleiben, wenn ich es ertragen könnte.“
Er setzte sich zurecht. Setnemides war nicht sonderlich gerührt. Mit skeptischer Distanz sah er dem Eindringling zu.
Kaerf fuhr fort: „Ich habe die Fähigkeit, direkt mit dem Computer zu kommunizieren, ohne das lächerliche Equipment, das Sie dort haben.“ Er warf einen verächtlichen Blick auf meinen neuen Flachbildschirm. „Ich kann mit meinen Gedanken die Rechenläufe verändern. So setzen sich meine Erkenntnisse sofort in die Programmoptimierung um. Warten Sie, ich zeige es Ihnen.“
Er bat uns beide, ans Fenster zu treten. Wir sahen hinaus, über einen schummrigen Hinterhof auf Obstbäume und Straßen. Im Hintergrund war etwas Landschaft zu erhaschen; man hörte die ersten Vögel zwitschern.
„Ich habe eine Elementbereinigung eingeführt. Das macht die Programmläufe übersichtlicher und stabiler. Ich führe es Ihnen vor…“, währenddessen verschwanden die Bäume und die Katze auf der Mauer. Auch die Vögel hörten auf zu zwitschern. Wo eben noch der Rasen war, war jetzt eine graue Fläche. „Wir benötigen nur etwa 6 Tier- und 10 Pflanzenarten, haben wir herausgefunden. Die Einsparung ist erheblich. Unfaßbar, was in diesen alten Szenarien für Rechenzeit verbraten wird. Man sollte sie abstellen.“
„Und wozu dient das alles?“, wollte ich wissen.
„Worum es geht, ist das Entwicklungspotential der Individuen. Durch die eingesparte Rechenzeit haben wir die Möglichkeit, menschliche Bewußtseinseinheiten mit mehr Vielfalt zu simulieren und aus den Ergebnissen der Prozesse Erkenntnisse abzuleiten. Diese nutzen die Simulatoren für sich – wie, weiß ich auch nicht. Außerdem können wir so die Bewußtseinseinheiten langfristiger entwickeln.“
„Können Sie ihre Korrekturen auch wieder rückgängig machen?“, fragte ich zaghaft.
„Natürlich, Sie sind das ja nicht gewohnt.“ Im selben Augenblick waren der Rasen und die Obstbäume, die Katze und die Vögel wieder da.
„Wie und wo leben Sie denn?“, wollte ich wissen.
„Ich lebe zwischen den Szenarien. Aber ich habe natürlich auch eine Lieblingswelt, in der ich mich meist aufhalte. Die ist allerdings besser durchgestylt als diese hier…. mit weniger altem Firlefanz. Die Rechenkapazität kommt voll unserem Leben und der Entwicklung der menschlichen Individualität zu Gute.“-

Mir war sein Anzug unangenehm; jetzt fiel mir auf, daß man ihn nirgendwo öffnen konnte. Ich fragte ihn danach. Er berichtete, daß man diesen Anzug nie wechselt. Er enthalte alle notwendigen Technologien zur Versorgung des Körpers.
„Und … gibt es bei Ihnen … Liebe?“, fragte ich.
„Das haben wir abgeschafft; es erwies sich als unnötig. Wir haben rationellere Methoden gefunden, die mentalen Entitäten zu stabilisieren.“
„Da wird aber auch bei Ihnen kräftig an Rechnerleistung gespart“, sagte ich halblaut, fast zu mir selbst. Setnemides funkelte mich zustimmend an.

„Das wichtigste in meinem Job ist die Vermeidung der Programmabstürze“, fuhr Kaerf fort, „die numerischen Instabilitäten. Immer, wenn etwas nicht den Erwartungen entsprechend läuft, machen wir mit einer Simulation einen Neustart. Die Bewohner der Simulation merken natürlich nichts davon. Wir lassen schon alle Simulationen vielfach parallel laufen, damit nicht alles verloren ist, wenn ein Lauf daneben geht; manchmal hilft es nicht. Wir haben etwa eintausend parallele Rechenläufe installiert, um die Zeit zwischen dem Jahr Null und dem Jahr 2000 zu simulieren; jedesmal gab es eine Katastrophe. Ab 1986 war immer Schluß.“
„Und warum?“, wollte ich wissen.
„Wegen des Atomkrieges“, antwortete Kaerf. „nach 1945, spätestens 1986 gab es immer den vollständigen atomaren Krieg. Egal, was wir auch geändert haben, weiter liefen die Simulationen nicht. Nach dem Atomkrieg drückten wir regelmäßig Neustart, denn der Fortgang danach interessierte uns nicht. Die steinzeitlichen Entwicklungsprozesse haben wir ausreichend erforscht.“
„Aber jetzt sind wir doch weiter? Wir schreiben das Jahr 2009!“ Langsam wurde ich unruhig.
„Ja“, erklärte er, „das ist meine Leistung. Ich habe den Weg gefunden, 1986 zu überwinden.“ Er setzte sich in Positur und wuchs um einige Zentimeter dabei.
„Sie müssen dafür folgendes wissen: die Übertragung von mentalen Einheiten geschieht über die Spuren in der Materie. So, wie die Haarschuppen und was Sie sonst alles ausstreuen, den gesamten Bauplan ihres Körpers enthält, enthalten alle Dinge, die Sie mit den Händen geschaffen haben, die Informationen ihres gesamten Bewußtseins. Es ist, als wäre Ihr Bewußtsein und alle von Ihnen selbst, mit der Hand, geschaffenen Dinge Teile einer einzigen Holographie. Wenn also eine Simulation neu gestartet wird, werden die meisten Bewußtseinseinheiten neu generiert. Diejenigen, die materielle Spuren hinterlassen haben, werden über diese neu erstellt – mit den alten Inhalten.“
„Wer schreibt, der bleibt“, zitierte ich eine Wissenschaftlerweisheit.
„Ja, Sie haben es erfaßt. Sogar die Wissenschaft in Ihrer Zeit findet manchmal etwas Essentielles. Aber fahren wir mit der Geschichte fort: die Geister, die etwas Materielles hinterlassen haben, entwickeln sich also weiter und prägen die Geschichte weiter mit. Es sei denn, wir würden auch die Simulation der Entwicklung der unbelebten Welt neu starten – das geschieht nicht, wäre völlig unökonomisch – diese Entwicklungsaufgabe ist lange abgeschlossen.“ Er schüttelte bei dem Gedanken mit dem Kopf.
„Auf diesen Sachverhalt aufbauend, fand ich die Lösung: ein Großteil der Bewußtseinsinhalte, die die Geschichte immer wieder zum Absturz brachten, war in den ptolomäischen Schriftrollen gespeichert. Durch die selektive Eliminierung dieser Schriftrollen wurde die Simulation stabilisiert.“
Langsam dämmerte mir, was er meinte. So war es mir mit Zynikern schon öfter ergangen: wenn man sich auf sie einläßt, klären sich schnell die Rätsel, die sie selbstgefällig präsentieren, denn Zyniker sind einfach strukturiert. „Der Brand der Bibliothek von Alexandria“, sagte ich müde und ohne besondere Regung.
„Genau!“, rief Kaerf begeistert aus. „Dieser Brand, der in Wirklichkeit gar nicht stattgefunden hat, war die Lösung. Wir ließen Cäsar die 700.000 Schriftrollen bergen und nach Rom bringen. Und da diese natürlich vermißt würden, wurde ein Feuer inszeniert, gleich hinterher. In Rom wurden die Schriftrollen abgeschrieben – das Wissen darin wollten wir natürlich nicht aus der Simulation nehmen. Nur die mentalen Spuren, die die Schreiber selbst hinterlassen hatten, mußten eliminiert werden.“
„Und die haben Sie dann vernichtet?“, fragte ich. Setnemides sah derweil Kaerf böse an. Er mochte nichts mehr sagen.
„Ja, natürlich. Sie mußten verschwinden. Auf diese Weise wurden auch die Kräfte, die mit den Schreibern wirksam waren, ausgelöscht. Das Böse bekam so viel Übergewicht, daß es auf den atomaren Krieg verzichten konnte. Seine Übermacht war gesichert, und so liefen die Simulationen weiter.“
„Und die Schriftrollen – haben Sie sie wirklich ganz vernichtet?“, fragte ich ungläubig nach.
„Nein, nur aus dieser Gruppe von Simulationen entfernt – auf anderer Ebene haben wir sie gespeichert. Kann schon sein, daß sie nochmal benötigt werden…“
„Ja, zur Lösung der nächsten numerischen Instabilität: dem Klima“, warf ich ein.
Kaerf schüttelte mit dem Kopf. „Nein, dafür wohl nicht.“

Ich streckte mich und versuchte, mich zu besinnen. Setnemides war mir vertraut geworden; ich konnte sein Schweigen mitfühlen. Kaerf blieb mir unheimlich. Doch eine gewisse Verbindung empfand ich auch mit ihm. Ich öffnete eine Flasche Bier. Irgendetwas Irdisches mußte jetzt her, etwas, das mir das Gefühl gab, daß diese meine Welt wirklich war: ein kühles Bier konnte das erfüllen.

„Es ist schade, daß die Querinformationen nicht mehr klappen. Der Abgleich der Szenarien untereinander hatte eine sehr stabilisierende Wirkung. Aber, seit es die Schamanen nicht mehr gibt…“, setzte Kaerf seinen Bericht fort. „Sehr anstrengend für mich, diese Inspektionen, diese Berichte, diese Eingriffe…früher war alles einfacher. Die Schamanen besuchten ständig die parallelen Simulationen und tauschten die Erfahrungen aus. Sehr hilfreich war das, kann ich nur sagen.“ Kaerf überlegte einen Augenblick, ob er uns das folgende auch anvertrauen sollte. „Mit Carlos Castaneda haben wir einen letzten Versuch gestartet: wir ließen diesen Hippie bei einem Yaqui-Zauberer in die Schule gehen und das Wissen über die Wanderungen zwischen den Simulationen in die weite Welt hinaus posaunen: schamanische Technik für jedermann, in Taschenbüchern. Aber was machten die jugendlichen Leser damit? Sie fanden es amüsant, kifften, aßen Kakteen und dröhnten sich dabei mit elektronischer Musik voll. Keiner nahm die Aufgabe an und bereiste regelmäßig parallele Welten. Das Projekt war ein Flop.“ Er senkte betrübt seinen Blick und führte seine Hand an das Kinn, als wollte er einen Bart streichen, den er nicht hatte; dabei sah er wie Setnemides aus. Der Mißerfolg des Castaneda-Projektes ging auf seine Rechnung; das sah man ihm an. Direkt hinter ihm standen die Bücher in meinem Regal, die Carlos Castaneda über die Lehre des mexikanischen Yaqui-Medizinmannes Don Juan geschrieben hatte. Mußte er sich ausgerechnet davor setzen!

Draußen dämmerte es. Bald würde die Sonne aufgehen. Ich stand auf und ließ frische Luft herein. Setnemides gesellte sich zu mir an das Fenster. Wir sahen uns an. Bald würden wir uns verabschieden müssen; das fühlte ich. Das Licht an der Decke flackerte. Was für eine Zeit! Man hatte Hochleistungsrechner, aber eine gleichmäßige Stromversorgung war nicht möglich, dachte ich. Als ich mich zur Couch umdrehte, war Kaerf nicht mehr da. Setnemides meinte nur trocken: „Wieder so einer seiner Neustarts!“ Ich sah immer noch entsetzt auf das Sofa. Wohin war Kaerf verschwunden?

„Daß er ausgerechnet heute Nacht kommen musste…“, wunderte ich mich.
Sednemides sagte: „Ich habe Ishtar auch gebeten, mir einen Einblick in den Zusammenhang der Welt zu geben…und das soll die Antwort sein? Seit sie nicht mehr den höchsten Platz unter unseren Göttern hat, benimmt sie sich etwas merkwürdig…“
„Vielleicht hat sie Dir eine Antwort gegeben – und sie in der Sprache meiner Zeit formuliert“, vermutete ich.
Setnemides sah erschreckt auf; schüttelte mit dem Kopf: „Nein das kann, das darf nicht die Antwort auf meine Frage sein.“
Ich ließ nicht locker, denn mir war eine Idee gekommen: „Es gibt eine Lehre, die in Indien entstanden ist … nach deiner Zeit, nach Uruk, aber lange vor meiner Zeit … die besagt, daß alles, was wir sehen, nur Täuschung sei, daß es viele parallele Welten gäbe, die genauso Täuschungen seien, austauschbar, Trugbilder, oder, wie die Inder es nennen, Maya … die Wirklichkeit, das einzige, was Bestand habe, liege dahinter. Was Kaerf uns hier vorgeführt hat, ist doch genau dasselbe … bis auf den Quatsch mit den Computern. Den mußt du wohl Ishtars Launen zuschreiben, aber das andere könnte ihre ernstgemeinte Antwort sein.“ Setnemides schüttelte nochmal den Kopf, sagte aber nichts weiter dazu.

„Was ich trotzdem nicht deuten kann, ist dieser Kaerf …“ rätselte ich, „warum mußte sie uns so einen blöden Kerl schicken?“
„Vielleicht als Warnung“, meinte Setnemides.
„Wovor?“
„Davor, wie wir uns entwickeln können, wenn wir uns nicht bemühen…“
„Wir?“, fragte ich.
„Was denkst Du denn, wer Kaerf war?“, fragte er zurück.

Wir gingen zur Tür. „Übrigens“, sagte er zum Abschied, „alles in der Natur singt und gestaltet auf diese Weise seine Form: Ein Wunder wäre es, wenn ausgerechnet die Flüsse das nicht täten … nein … wenn du mal wirklich etwas Neues findest, schick´ mir eine Nachricht.“
Aber wie? dachte ich. Die Fragezeichen in meinen Augen reichten ihm.
„Setz´ dich für einige Tage an deinen Fluß, denke an deine neuen Erkenntnisse, denke an mich. Das wird mich erreichen“, sagte er aufmunternd. „Schneller als deine Mails.“ – Nachdenklich schloß ich die Tür und setzte mich wieder an den Computer.

Ich rieb mir die Augen. Waren sie mir doch schon wieder für einen Augenblick zugefallen! Ich habe keinen Bock mehr auf Nachtarbeit, keinen Bock mehr auf die Termine. Der Monitor meldete immer noch „no host available“. Mißmutig schob ich das Keyboard weg, warf die Maus auf den Ablagenstapel, zog aus dem Drucker einige Blätter Papier heraus, suchte - und fand – einen Kugelschreiber und fing an zu schreiben - ja, richtig mit der Hand schreiben; das hatte doch etwas. So wollte ich die Zeit nutzen, bis das System wieder lief. Aber über ein paar triviale Stichworte kam ich nicht hinaus; mir fiel nichts ein. Was hatte ich nur geträumt? Egal. Ich ging in die Küche und setzte die Kaffeemaschine in Gang.


Epilog:

Um 3000 v. Chr.: Erste Besiedlung in Uruk.

2600 v. Chr.: Gilgamesh baut Uruk zu einer wehrhaften Stadt aus und versieht sie mit einer 11km langen und 6m hohen Mauer aus gebrannten Ziegeln.

1600 v.Chr.: Früheste erhaltene Tontafeln mit schriftlichen Fassungen des Gilgamesh-Epos. Es berichtet u.a. von der Verlegung des Flusses, der durch Uruk fließt, zum Zwecke der Errichtung des Grabmals für Gilgamesh mitten im Fluß, um es vor Räubern zu schützen. Nach der Rückverlegung des Flusses sollte das Grabmal unter dem Wasser verborgen liegen.

Um 700 v. Chr.: In Indien entsteht die Religion des Vedanta. Vorstellungen des Maya-Begriffes erhalten zunehmend Bedeutung.

1973: Rainer Werner Faßbinder erstellt den Film „Welt am Draht“, der erstmalig die Simulation menschlichen Lebens auf Computern thematisiert. Vorlage ist der 1964 erschienene Science-Fiction-Roman Simulacron-3 von Daniel F. Galouye.

2002: Magnetische und seismische Untersuchungen des ehemaligen Stadtgebietes von Uruk im südlichen Irak ergaben 2002, daß das Kanalsystem der Stadt mit Fluttoren abgesperrt war und höher als die Landflächen der Umgebung lag. Ein großes, mitten im Fluß liegendes rechteckiges Bauwerk ist dabei ebenfalls entdeckt worden; es könnte sich um das Grab des Gilgamesh handeln.

 
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Liebe Leser,

ich habe eine Geschichte, die fast am Anfang meines Schreibens steht und bald ein Jahr alt ist, gründlich überarbeitet, so daß ich jetzt hoffe, überhaupt einige von Euch zu erreichen.

Zur Rubrik: natürlich könnte man an Fantasy oder Science-Fiction denken, aber das außer-alltägliche geschieht ja in einem Traum und ist nicht wesentlich. Die Inhalte der Geschichte sind historisch, im ersten Teil geht es um die Entwicklung des Wasserbaus in der Antike, im zweiten Teil um eine Veranschaulichung des Maya, also einem religionshistorischen Thema.
Deshalb also Historik.

Gruß Set

 

Hi Set,

ein sehr interessante Geschichte über ein interessantes Thema. Von der Stadt Uruk hatte ich zum Glück schon mal gehört bzw. einen historischen Roman gelesen, in dem sie vorkam.

Die Idee oder vielleicht muss ich sagen der Wunsch, dass einem Menschen aus Vergangenheit bzw. Zukunft Informationen in Träumen übermitteln, ist ja nicht neu, aber trotzdem spannend. Die Menschen in der Antike wussten bestimmt über manche Dinge besser Bescheid als die Wissenschaftler heute.

Heute verlässt man sich wahrscheinlich zuviel auf Computersimulationen u.ä., wie Du das ja angedeutet hast. Die früheren Menschen haben durch Beobachtungen und einfache Berechnungen bestimmt oft ähnliche Ergebnisse erzielt. Aber in der Antike hatte man auch noch viel mehr Zeit, als man heute zu haben glaubt.
Ich denke auch, dass uns heutigen Menschen viele Fähigkeiten verloren gegangen sind, die die antiken Menschen bzw. Naturvölker noch hatten (haben). Das zeigt das Beispiel mit dem Fluß und den Kanälen in Deiner Geschichte, aber auch wenn man sich die Lebensweise heutiger "Naturvölker" ansieht, die die Möglichkeit haben, noch weitgehend ihre alte Lebensweise umzusetzen. Leider werden die immer weniger!

Es fallen mir aber auch noch andere Orte ein, wo sich die Wissenschaft bis heute nicht einig ist, z.B. die Figuren auf den Osterinseln oder die Linien von Nasca, selbst bei den Pyramiden von Giza wird über die Bauweise immer noch gestritten.

Ein paar RS-Fehler habe ich entdeckt, die ich nicht näher aufführen will.
Am meisten hat mir jedoch die Länge zu schaffen gemacht. Wenn ein Text so lang ist, muss ich Pausen einlegen, sonst bekomme ich Kopfweh oder mir fallen die Augen zu.
Es ist also eher eine LG als eine KG ;).
Da könntest Du vielleicht das eine oder andere noch etwas kürzen.

Überwiegend hat mir die Geschichte aber gefallen. Historische Themen reizen mich immer, also insgesamt gerne gelesen.

LG
Giraffe.

 
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wo sich die Wissenschaft bis heute nicht einig ist, z.B. die Figuren auf den Osterinseln oder die Linien von Nasca

Hallo Giraffe, das ist nun richtig offtopic, aber es gibt ein Buch, in dem ausführlich und stichhaltig dargestellt wid, daß die Osterinseln zwischen 1000 v.Chr. und 700 v.Chr. von Naxos (!!!) aus besiedelt worden sind. Die Sprache der Osterinsulaner, wie sie im 19. Jahrhundert dokumentiert worden ist, war mit 1500 Vokabeln indentisch zu der Sprache, die die Minoer 700 v.Chr. gesprochen haben. Seitdem interessieren mich sogar die Griechen.

Zur Länge: ich weiß, daß sie überladen ist mit Einzelheiten. Aber die haben mich gereizt; der Plot bringt es nicht.

Danke für die große Mühe,

Gruß Set

 
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Hallo Set,

wenn Du es für "Offtopic" hältst, kann ich nichts machen, aber ich glaube, Du hast mich missverstanden. Ich meinte nicht die Zeit der Besiedelung der Osterinsel oder die Sprache etc., sondern es ging mir um die berühmten Figuren und um deren Aufstellung in der damaligen Zeit. Da gibt es - wie ich gelesen habe - mehrere Möglichkeiten, wie die Menschen damals die tonnenschweren Steinfiguren bewegt und aufgestellt haben könnten, aber letztlich einig ist sich die moderne Wissenschaft darüber nicht und doch stehen sie da.
Das ist mir im Zusammenhang mit Deinen Ausführungen zum Wasserbau in der Antike eingefallen. Einfach, dass die Menschen damals mit einfachsten Mitteln Dinge geleistet haben, für die wir heute einen enormen technischen Aufwand betreiben (müssten).

Ich wollte damit auf die Frage Deines Prots eingehen, wer denn von wem zu lernen hätte, der heutige Mensch vom antiken, oder umgekehrt?
Die heutige Menschheit ist oftmals recht überheblich nach dem Motto:
Wir können mit unserem technischen Fortschritt (fast) alles erreichen, zum Mond fliegen etc., dabei habe ich gerade vor der Leistung der antiken Menschen einen Heidenrespekt. Das ist mE ja auch ein Aspekt in Deiner Geschichte.

Ich habe mal eine Sendung darüber gesehen, was es bedeuten würde, die Cheops-Pyramide mit heutigen Mitteln aufzubauen. Wie lange würde es dauern, was würde es kosten? Es wäre heute ein schier unmögliches, vor allem unbezahlbares Unterfangen so ein gigantisches Bauwerk errichten zu wollen. Ich bin 2001 davor gestanden und kann die Leistung der Menschen gar nicht hoch genug einschätzen.

Das wollte ich ausdrücken, ich hoffe, das ist jetzt klar geworden.

LG, Giraffe

 

Ja, war schon klar, mit Offtopic meinte ich hauptsächlich, was ich dann geschrieben habe.
Die allgemeine Verunsicherung, zu erkennen, daß man nach Studium und Beruf einen Wissensstand in seinem Fach hat, der an das Niveau vor 5000 Jahren nicht heranreicht, wollte ich mitteilen; die hat mich reichlich erwischt. Aber ein bißchen kann ja der Ich-Erzähler dem Besucher auch erzählen, muß er ja, wegen der Balance.

Lieben Gruß,

Set

PS: weil ich das Offtopic nicht lassen kann: weißt Du, daß die Figuren auf den Osterinseln in einer regelmäßig schwingenden Schaukelbewegung, an Seilen geführt, an ihren Platz gebracht worden sind? Auf die Weise können wenige Menschen Tonnen bewegen.

 

Hallo set,

Auch wenn die Geschichte lang ist, ich habe sie gerne gelesen. Mythen sind mehr als nur Geschichten. Ich mag es, wenn sie Grundlage zu weiteren Geschichten werden. Die Babylonische Mythologie habe ich wiedererkennen können, Gilgamesch, zwei Drittel Gott, ein Drittel Mensch, König von Uruk, Göttin Ischtar hat er als Braut verschmäht ...

LG
GD

 

Salve Set,

ich kann mich dem Lob der Vorredner nur anschließen. Ganz klar, Historisches liegt Dir (außerdem weiß ich jetzt endlich, was Dein Nick zu bedeuten hat :thumbsup:).

Da noch ganz frech Kaerf a la Matrix reinzumischen, muss man sich in dieser Rubrik erst mal trauen :D.

Weil ich aber das Meckern nie ganz lassen kann: irgendwo kam mir eine Kaffetasse unter. Außerdem ein, zwei klein geschriebene Satzanfänge, flasch gesetzte Anführungszeichen und fehlende Kommata nach eingebetteter wörtlicher Rede. Aber in anbetracht der Textlänge darfst Du die selbst suchen :).

Gruß, der Leopard

 

hallo goldene Dame, hallo Pardus,
freut mich natürlich, wenn die Kommentare mir die Geschichte nicht in der Luft zereissen.

"Da noch ganz frech Kaerf a la Matrix reinzumischen, muss man sich in dieser Rubrik erst mal trauen"

Als ich das geschrieben habe, kannte ich dieses Forum und den harten Wind hier noch nicht. Meine Sorge war vielmehr, daß die Geschichte an dem Spagat zwischen den beiden unterschiedlichen Besuchern und Themen, die mit ihnen verbunden sind, auseinanderfällt. Aber ich begegne mir selbst zweimal, es gehört so und ihr habt es gefressen.

Danke,

Gruß Set

 

"(...)
Hat Kunde gebracht von der Sintflut,
...
Auf einen Denkstein die ganze Mühsal gemeißelt.
Die Mauer um Uruk-Gart ließ er bauen",

die nach meinen Unterlagen (ha!) nur neun, statt der von Set vertretenen elf km maß, was der kulturellen Leistung der Sumerer - immerhin haben sie über Bilder- und Silbenschrift - die Keil-Schrift erfunden - keinen Abbruch tut,

"Um das heilige Eanna, den strahlenden Hort.
(...)
Nahe Dich Eanna, dem Wohnsitz Ischtars -
Keines späteren Königs, keines Menschen Werk gleicht ihm!
(...)
Elf Ellen war lang sein Wuchs,
Die Breite der Brust, ihm maß sie neun Spannen.
Zwei Teile sind Gott an ihm - Mensch ist sein dritter Teil!
Ragend ist die Gestalt seines Leibes
(...)",

sind ein paar Verse aus 3.600 aus dem Gilgamesch Epos, dessen Thema die Suche nach dem ewigen Leben ist und,

hallo Set,

hier legstu uns auf neun Manuskriptseiten DINA 4 ein Treffen im Hier und Jetzt mit der Vergangenheit und Zukunft vor, bei dem ich mich nurmehr den Vorrednern anzuschließen vermag. Selbst - ist da schon jemand drauf gekommen? - selbst wenn die Katgorie "Historik" riskant erscheint, der Text thematisiert und belehrt uns über ein archäologisch-historische Problematik und (mehr oder weniger) vergleichbarer heutiger Problematik bis hin zu SF, wenn nämlich ein Typ auftaucht aus Faßbinders "Welt am Draht", um die virtuellen Kanäle quasi schiffbar und freizuhalten. Die Anfälligkeit der Welt wird angerissen (Uruk, nach dem Epos gegen 2.700 gegründet, verschwand im 5. Jhdt. vor der Zeitwende, nicht weil es mal wieder von fremden Völkern erobert wurde, sondern weil die "Kanalisation" vers(l)andete und der Euphrat aufgrund einer Verlegung "abhanden" gekommen war), was auf die Bedeutung des Prots in seinem Beruf hinweisen mag. Aber viel Wesentlicher zeigt sich doch, dass wir zwar immer noch sind und bleiben werden wie unser armer Cousin homo sapiens neandertalensis, wenn auch auf techisch/technologisch höherem Niveau.

Gelungen!, behaupte ich, wobei ich die These zur Osterinsel abenteuerlich finde, aber die soll hier nicht angeschnitten werden ...

Gruß

Friedel

 
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Hallo Friedel,

es hätte mich doch a bisserl verwunde(r)t, wenn Du gerade diesen Text rechts liegen gelassen hättest…

bei dem ich mich nurmehr den Vorrednern anzuschließen vermag
Danke Dir dafür.

Selbst - ist da schon jemand drauf gekommen? - selbst wenn die Kategorie "Historik" riskant erscheint
Ja, den Steinhagel habe ich vorweggenommen, Asche selbst aufs Haupt streuen hilft (manchmal), aber ich habe es auch nachhaltig (das heißt: nachdrücklich) begründet.
Und möchte ergänzen, daß ja alles ein Werk Ishtars ist, daß sie eindeutig eine historische Figur(ine) ist, und damit all ihr Wirken historisch.
Sie hat den Menschen einträchtig mit ihrem männlichen Gegenspieler begleitet, seit er die Bäume verlassen hat, hat auf die Geburten und die Fruchtbarkeit geachtet, war als vollbusige „Venus von Willendorf“ schon vor 30.000 Jahren den Österreichern vertraute Unterstützerin. In Mohenjo-Daro war sie vielleicht auf dem Höhepunkt ihrer Macht, als der Ackerbau entdeckt war und die Männer nur nutzlos im Weg standen.
Doch schon kurz darauf haben die das Spiel wieder übernommen, denn Wohlstand bringt Expansion bringt Krieg bringt den Männern Macht…
So erleben wir in Ishtar aus Uruk nur noch eine neurotische Zicke, die den toten Faßbinder aus der Kiste kramt, um dem alten Setnemides die Vedanta zu erklären…
In unseren Landen war sie die gute Fee, die über die Felder wacht, und dann die Maria, die an ihre Stelle trat (man sehe sich mal all die Marienbilder im Münsterland an, wie sie unter Holzdächern weilen und die Felder bewachen); sie bäumte sich als Deirdre noch einmal auf, die starke schöne Frau der untergegangenen Zeit, der gerade eine Autorin hier ein Denkmal gesetzt hat, oder den ersten Stein dafür, und die Kritiker haben vor lauter Brombeergestrüpp der Germanistik nicht die Wärme des Lichtes gespürt, das da hindurchschien.
Auch heute ist sie aus dem Bewußtsein nicht entschwunden, wird doch immer noch auf sie angespielt, wenn auch Angela Merkel mehr die Vorgängerin aus Willendorf zum Vorbild nimmt, zumindest bei ihrem Auftritt in Oslo, denn die steckt am tiefsten in uns drin, da spricht Angela direkt mit unserem Stammhirn…

was auf die Bedeutung des Prots in seinem Beruf hinweisen mag.
Danke, ja, der Beruf des Prot. ist die Grundlage allen Übels, die Grausamkeit, tausende, zigtausende Menschen auf einem Platz zusammenleben zu lassen, wird erst möglich, wenn das Thema Wasser beherrscht wird, sauberes Wasser täglich zum Trinken, schmutziges gefahrlos entfernt wird…und die Flüsse schiffbar sind, damit Kriegsschiffe einen Hafen haben, und Handelsschiffe das Plündergut heranfahren können.

Aber viel Wesentlicher zeigt sich doch, dass wir zwar immer noch sind und bleiben werden wie unser armer Cousin homo sapiens neandertalensis, wenn auch auf techisch/technologisch höherem Niveau.
Genau das wollte ich ja in Frage stellen: ist es höheres Niveau, wenn mit einem Hochleistungsrechner Ergebnisse erzielt werden, die man in der Antike mit einem Stock im Sand rechnen konnte? Was wir das technologisch hohe Niveau der Neuzeit nennen, ist oft nur die Erreichung derselben Ziele mit mehr Aufwand.

Gelungen!, behaupte ich, wobei ich die These zur Osterinsel abenteuerlich finde, aber die soll hier nicht angeschnitten werden ...
danke nochmal, aber lies mal Nors Sigurd Josephson: Eine archaisch-griechische Kultur auf der Osterinsel, Heidelberg 1999 (ein Exemplar wird gerade im www angeboten), da gerät die Lektüre zum Abenteuer, nicht die These!

Gruß Set

 
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Hallo Set,

manchmal kommt man eben zu nix ... & nix zu danken. Ja, die Götterwelt, unerklärlich, -begreifbar, kurz: geheimnisvoll, aber dass es vor eintausend Generationen bereits Österreicher gab ...

>Aber viel Wesentlicher zeigt sich doch, dass wir zwar immer noch sind und bleiben werden wie unser armer Cousin homo sapiens neandertalensis, wenn auch auf techisch/technologisch höherem Niveau.< (Schönes Zitat) >Genau das wollte ich ja in Frage stellen: ist es höheres Niveau, wenn mit einem Hochleistungsrechner Ergebnisse erzielt werden, die man in der Antike mit einem Stock im Sand rechnen konnte? Was wir das technologisch hohe Niveau der Neuzeit nennen, ist oft nur die Erreichung derselben Ziele mit mehr Aufwand.<
Isset m. E. schon, aber die Folge ist schon bewundernswert, wenn Mama einkaufen geht und für ihr bisschen addieren den Taschenrechner bedienen muss ... Oder einer sein Gedächtnis für Nippes schont, weil's ja Google gibt ... Da kann dann auch schon mal vorkommen, dass man Luther-Deutsch mit mhd. gleichsetzt ...
Schon der Mathe-Dozent während des Studiums sagte etwa wäährend des Themas >lineare Optimierung<, dass wir nur den Weg kennen müssten, das Rechnen übeerließ er den >Japanern<.

Den >Nors Sigurd Josephson< werd ich mir mal anschauen. Wahrscheinlich ist er über die Arier darauf gekommen, heißt die Adelskaste doch "arii" - aber für alle Polynesier.

So weit, so gut.

Gruß vom

Friedel

 

Hallo Friedel,

aber dass es vor eintausend Generationen bereits Österreicher gab ...
die haben halt sehr tiefe Wurzeln...

dass wir nur den Weg kennen müssten, das Rechnen übeerließ er den >Japanern<.

Und später den Indern - dummerweise überholen uns alle, und wir träten an ihre Stelle, wenn wir so flink rechnen könnten...

Gruß Set

 
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So isset & so könnt's kommen, denn im Bemühen, Frau Conti-Schaeffer zu retten, Herrn Merckle in den Tod zu treiben (er hat eben nicht Flack entführt!), Banker vor der Bank im Stadtpark zu retten, Blechkisten zu verschrotten und zugleich wieder neu aufzulegen, Straßen, Gebäude u. a. zu flicken, Herrn Zumwinkel freilaufen zu lassen, wird nicht nur Umweltschutz, sondern auch Bildung vernachlässigt.

Aber ist mir jetzt gerad' erst folgendes aufgefallen: >verwunde(r)t<. Wer lehrte Dich solch' Wortspiel? Und der Klammerausdruck ist ja nunmehr erledigt, tät' mir auch leid ...

Gruß & schönes Wochenende wünscht

friedel

 

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