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In der Zauberküche

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22.09.2001
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In der Zauberküche

Letzte Nacht ist mir etwas Seltsames passiert. Ein schwarzer Rabe packte mich in seinen Schnabel und trug mich durch die laue Sommernacht über Flüsse, Dörfer und Wiesen, bis wir vor einem hohen Berg anhielten. Auf einen Flügelschlag des Raben hin öffnete sich die Wand.
Eine steile Wendeltreppe führte hinab in das Innere des Berges. Ich fröstelte ein wenig und sehnte mich zurück in mein warmes, gemütliches Bett. Doch der Rabe war schon auf dem Weg nach unten und krächzte: „Los, folge mir!“ Vorsichtig setzte ich einen Fuß vor den anderen. Hinter mir hörte ich, wie sich die Bergwand schloss. „Wo sind wir?“ fragte ich voller Angst. Keine Antwort. Immer tiefer gelangten wir in den Berg, bis wir irgendwann vor einer schweren Eisentür ankamen. Der Rabe murmelte etwas Unverständliches, woraufhin die Tür sich öffnete.

Von Innen blies mir eine gewaltige Dampfwolke ins Gesicht. Ich musste husten. Eine heisere Frauenstimme fauchte mich böse an und zog mich in den stickigen Raum hinein. Die Tür fiel mit einem lauten Donnern ins Schloss. Als der Dampf sich verzogen hatte, erkannte ich die Frau: sie war in altmodische Klamotten gekleidet, hatte eine große, krumme Nase, ein buntes Kopftuch, was ihre feuerroten Haare halb bedeckte, und mindestens zehn Warzen in ihrem schrumpeligen Gesicht. „Bist du eine echte Hexe“ fragte ich, den Mund vor Staunen weit geöffnet. Die Frau sah mich einen Moment verdattert an, dann kreischte sie: „Was bildest du dir eigentlich ein, unverschämtes Gör?! Erst platzt du mitten in das Experiment hinein und zerstörst es auf diese Weise und dann willst du auch noch frech werden!“
Die Hexe überschlug sich fast vor Schimpfen und Fluchen. Anfangs war ich sehr erschrocken, doch jetzt sah ich mich neugierig in dem geheimnisvollen Raum um. Ein schnarchender Zauberer lag in einem Schaukelstuhl. Auf dem Herd stand eine brodelnde Suppe. In den Wandregalen befanden sich staubige Reagenzgläser und zerfledderte Bücher, deren Aufschrift ich im Halbdunkel des miefigen Zimmers nicht entziffern konnte. Vermutlich Zauberbücher. Im ganzen Raum roch es verkohlt und moderig. Die Decke war spinnwebenverhangen und einzige Beleuchtung waren ein paar dunkelrote, tropfende Kerzen.
Die Hexe hatte sich nun wieder beruhigt und wurde langsam etwas freundlicher. Da fiel mir der Rabe ein. Ich konnte ihn nirgends erblicken. Vorsichtig fragte ich: „Wo bin ich hier? Und wie bin ich eigentlich hergekommen?“ Die Hexe erklärte: „Mein Rabe Satan hat dich gebracht, oder? Das ist sein Job. Er beschafft uns Kinder, die wir für unsere Versuche benötigen. Offensichtlich hat er sich schon wieder auf die Jagd gemacht. Ich bin übrigens Zora. Das da drüben ist Grufti. Jedesmal, wenn irgendetwas danebengeht, lümmelt er sich einfach in den Schaukelstuhl und fällt in Tiefschlaf – so wie jetzt. Unmöglich, wie ich finde...“ Ich nickte. Auf meine Frage, was das denn für Versuche seien, antwortete Zora nicht. Stattdessen räusperte sie sich. „Entschuldige meinen Wutausbruch vorhin. Aber Grufti und ich arbeiten zur Zeit an einem wichtigen Experiment, da darf uns niemand stören.“
Die Vorstellung von mysteriösen Versuchen mit Kindern beunruhigte mich, überhaupt war mir das alles nicht so ganz geheuer. Insgeheim hätte ich sehr viel dafür gegeben, wieder daheim zu sein, aber ich wollte der Hexe nichts vorjammern.
Gerade wachte der Zauberer auf. Er räkelte sich, gähnte und sah mich prüfend an. „Aha, das ist also unsere Testperson.“ „Intelligenzbolzen“ zischte Zora. Irgendwie flöste Grufti mir Angst ein. Ich spürte, dass eine Gefahr von ihm ausging. Nun stand er auf und probierte von der heißen Suppe auf dem Herd. Zora wies mich in den Schaukelstuhl. Dann flüsterte sie dem Zauberer etwas ins Ohr, worauf sich seine Stirn in Falten legte. Ich bekam Angst.
Der Zauberer trug hochhackige, schwarze Stiefel, einen langen, dunkelblauen Umhang und einen großen, schwarzen Hut. Sein Gesicht war kalkweiß. Gegen die Hexe wirkte er äußerst elegant.
Zora stand am Herd. Eine dicke fette Spinne krabbelte am Kochtopf hoch. Oben angekommen, plumpste sie über den Rand in die heiße Brühe. Fast hätte ich gelacht, doch als ich Gruftis düsteren Blick sah, verging mir jeglicher Spaß. Der Zauberer angelte sich ein Buch aus dem Regal, blies den Staub hinunter und blätterte in den Seiten. Zora schüttete derweil ein Pulver in den Topf, was den Inhalt laut aufzischen ließ.
Plötzlich rief Grufti: „Ich hab’s!“
Es folgte ein merkwürdiger Spruch, den ich nicht zu deuten wusste. Zoras Miene hellte sich schlagartig auf. Sie rieb sich die Hände und rief: „Na, dann an die Arbeit!“
Sie und Grufti liefen fortan geschäftig hin und her, streuten hier etwas in die Suppe, mischten dort ein dampfendes Elixier... Ich wurde unruhig. „Was macht ihr?“ wollte ich wissen. Grufti lachte schallend. Auch Zora grinste hämisch und erwiderte: „Wirst’ schon sehen.“ Meine Hände zitterten und begannen zu schwitzen. Die Totenköpfe in einem der Regale weckten in mir eine dunkle Vorahnung von dem, was mir bevorstand. „Bitte nicht“ flüsterte ich.
„Ich bin fertig“ sagte Zora schließlich zufrieden. Sie hielt eine Tonschale mit gemörserten Kräutern in der Hand. „Ich auch!“ Grufti kam mit einem Reagenzglas, in dem ich eine gefährlich glitzernde, schwarze Flüssigkeit erkennen konnte. Die Beiden kamen grinsend auf mich zu. Mein Herz klopfte bis zum Hals. „Lasst mich in Ruhe!“ schrie ich so laut ich konnte. Zora lachte. Ich hielt den Atem an. Grufti kam immer näher... „Nein!“ brüllte ich, und noch einmal „Nein!“ aus voller Kehle. Jetzt lachte auch Grufti gemein. Ich spürte schon Zoras heißen Atem an meinem Hals und stand kurz davor, ohnmächtig zu werden, als sie zu zählen begann: „Eins, zwei, drei! Jaa!“ Beide gossen ihr dampfendes Höllenzeug über mich und fielen dabei sofort wieder in dieses schreckliche Lachen. Mir wurde schwindelig. „Jetzt ist es aus“ dachte ich. Mit letzter Kraft schrie ich „Hiiiilfeee!“. Mein Kopf begann zu beben, als wolle er jeden Moment auseinanderspringen. Alles tat mir weh. Von weither vernahm ich Zoras und Gruftis fürchterliches Gelächter...

Und plötzlich, von einer Sekunde zur anderen, war alles totenstill. „Es ist vorbei“ war mein erster Gedanke. „Ich bin gestorben.“ Doch das konnte nicht sein, denn Tote können keine an ihrem Fußende liegenden Katzen schnurren hören. Erleichtert schaltete ich das Licht an. Jetzt war mir alles klar – ich hatte nur geträumt. Ich ging in die Küche und holte mir etwas zu trinken. Nun streichelte ich meine Katze und knipste das Licht wieder aus. Es war zwanzig vor vier. Von draußen hörte ich das Rauschen der Autobahn. Bald war ich wieder eingeschlafen.

 

Hallo Eroica,


Die Geschichte ist sehr flüssig geschrieben und enthält große Wortgewandtheit. Auch Fehler konnte ich keine finden, wenn ich nicht ein paar übersehen habe. Vom Formalen her ist die Geschichte tipptopp, wenn man mal davon ausgeht, dass sie auf Grund ihrer für die Kinderrubrik übrigens ungewohnten (?) sprachlichen Komplexität eher für Kinder des höheren Grundschulalters geeignet ist. Und auch die würden zumindest beim aktiven Lesen ihre Schwierigkeiten haben.

Inhaltlich hat die Geschichte ein ganz großes Manko: Sie ist zu banal! Selbst für so alte Kinder, davon bin ich (gefühlsmäßig) überzeugt, ist sie nicht sehr lesenswert, im schlimmsten Falle schlicht belanglos. Als Kind hat man solche Träume schließlich hundertfach, wofür die sich entwickelnde Phantasie verantwortlich ist (mein letzter phantasiereicher Traum, lange her, war soweit erinnerbar ein Besuch in einem Zwergenland, richtig mit Krokodilschächten und Regentonnenachterbahnen *g* - das nur nebenbei).

Aus meiner Sicht hast Du zwei Möglichkeiten:
1. Um sie niedrigeren Altern schmackhaft zu machen, empfehle ich eine sehr viel einfachere Sprache. Fest verknüpfte, reibungslos ineinander übergehende Hauptsätze, höchstens einmal pro Absatz in eine Kommaebene verzweigt, wäre ein Anhaltspunkt - und auf keinen Fall Fremdwörter wie z.B. "mysteriös".
2. Die Geschichte insgesamt interessanter zu gestalten. Wie wäre es beispielsweise mit einer heiklen Rettungsaktion? Oder dem Clou, dass es sich letzten Endes um ein liebes, tattriges und merkwürdiges Zaubererpärchen handelt, das das Ich nur zum Zwecke eines bedingt leckeren, geselligen Abendessen hat fangen lassen. Freilich könnte das Ich beim ersten Bissen aufwachen, wie das oft so ist. Und vor allem: Charakterisiere Dein Ich. Jetzt ist es noch farblos wie Luft. Und den Zauberer "Grufti" zu nennen... :rolleyes:
Vielleicht könntest Du dich provokativ von den verwendeten Klischees abwenden, zum Beispiel, indem Du Zora über die pechtaumelnde Spinne fluchen und sie in letzter Sekunde vom Topfrand entfernen lässt.

Ansonsten hätte ich erstmal nichts weiter auszusetzen. Nur halt ärgere ich mich, dass solche, an sich reizvolle Grundideen sich nie in meinen Kopf verirren ;).

Würde mich über Resonanz von Dir freuen :).


FLoH.

 

Hallo Eroica,

ich finde deine Geschichte sehr spannend geschrieben. Sie wird Kindern bestimmt gut gefallen.
Als Erwachsene hat mich allerdings der Schluss geärgert, ich finde es immer enttäuschend, wenn sich die ganze Angst die man um den Protagonisten hat, als Traum herausstellt. Ein Hinweis, was die Hexe und ihr Mann mit den Kind vorhatten, wäre nicht schlecht. Der Hinweis mit der Intelligenz war ja schon gut, vielleicht hättest du das noch ausbauen können. Vielleicht könnten die beiden die Frage untersuchen, ob Intelligenz ansteckend ist, oder wie man sie bekommt.

Aber ansonsten ganz gut erzählt finde ich. Du solltest weiter schreiben, da kommt bestimmt noch was feines dabei raus.

Herzliche Grüße! Marion

 

Liebe Eroica,

was Deinen Schreibstil angeht, schließe ich mich FLoH an. Du schreibst recht sicher und flüssig.

Was die Zeichensetzung betrifft, solltest Du Dich vielleicht noch mal mit den Regeln für die wörtliche Rede vertraut machen, da fehlen bei Dir öfter mal Fragezeichen oder Kommata.

Inhaltlich hat mir die Geschichte nicht so gut gefallen. Du hast eine Menge Klischees verarbeitet (Hexe, Zauberer, Zauberküche) ohne dass Du eigene, pfiffige Aspekte herausgearbeitet hast. Deshalb fand ich das Ganze beim Lesen schnell langweilig. Ich konnte mir nämlich nicht vorstellen, dass etwas richtig Gefährliches passiert (dass das fiese Paar z.B. die Protagonistin verspeisen würde), denn das würde man doch kaum in einer Kindergeschichte schreiben, die vermutlich sogar Abends vor dem Einschlafen vorgelesen wird... Ich war also über das Ende "Haha! Alles nur ein Traum!" überhaupt nicht überrascht.

Trotz allem wünsche ich Dir weiter viel Spass auf KG.DE.

Liebe Grüße
Barbara

 

Hallo Leute,
erstmal vielen Dank fürs Lesen und für eure Kritiken!

Es ist so, dass diese Geschichte ursprünglich eine Hausaufgabe war, sie stammt also aus meiner Förderstufenzeit.
Als ich sie neulich zufällig wiedergefunden hab, dachte ich mir, sie spaßeshalber mal hier in der Kinderrubrik zu veröffentlichen.
Dass sie klischeebeladen ist, stimmt natürlich, aber das halte ich bei Kindergeschichten dieser Art nicht für sonderlich schlimm. Meinen Klassenkameraden hat sie damals jedenfalls gefallen. :)

Liebe Grüße,
Eroica

 

hallo Eroica!
Ich habe Deine Geschichte gerne gelesen. Das Ende jedoch, hat mir auch nicht so gefallen. Die ganze Zeit habe ich mich gefragt, was die beiden wohl experimentieren. Das jetzt alles nur ein Traum gewesen sein soll, fand ich schade. Vielleicht könntest Du aus dem Versuch wirklich etwas machen (Vielleicht sogar etwas lustiges/komisches). Den Vorschlag mit der Intelligenz untersuchen fand ich gut, aber vielleicht fällt Dir ja noch etwas ultimatives ein, womit niemand in Zusammenhang mit Hexen und Zauberern gerechnet hätte.

gruss

Sabine

 

Hallo Eroica,

durch die Klischees und das Düstere Deiner Geschichte hatte ich schon vermutet, der Text wird eine Art Anti-Kindergeschichte, eine Satire auf die lieblichen Kindertexte.
So ist sie mir zu unentschieden, für welche `Zielgruppe´ soll sie sein?

LG,

tschüß... Woltochinon

 

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