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Ins Dunkel

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Bas

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16.09.2018
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Ins Dunkel

Ich kannte Ulas Vater nur als den Mann hinter der Tür. Den Mann, der schlief. Der Grund, weshalb wir leise sein mussten, wenn wir nach der Schule vor dem Fernseher saßen und MTV schauten. Ulas Vater war Schichtarbeiter in der Klopapierfabrik. Er war dafür zuständig, dass die Maschinen funktionierten. Dass die Zahnräder ineinandergriffen. Die Schaltkreise weiterkreisten. Nein, ich hatte keine Ahnung, was ihr Vater in der Klopapierfabrik machte, ich kannte ihn nur als den Mann hinter der Tür und manchmal als den Mann, der nach der Spätschicht in der Küche stand und mir zulächelte, während das Fleisch in der Pfanne briet und die Fenster beschlugen. Der Mann, der keine Fragen stellte, nicht wissen wollte, warum ich mich in einem knielangen Backstreet Boys-Shirt an seinem Kühlschrank bediente.
Es fühlte sich komisch an, als er starb. Komisch, weil ich ihn nie richtig kennengelernt hatte und es jetzt keine Möglichkeit mehr dazu geben sollte. Und für Ula musste es sich noch viel komischer angefühlt haben. Weil es ihr Vater war. Weil sie zu ihrer Tante ziehen musste, die sie kaum kannte, weil sie die Schule wechseln musste, weil sie nicht mehr in der Wohnung leben durfte, in der sie ihr ganzes bisheriges Leben verbracht hatte.

Ulas Tante wohnte im Nordteil der Stadt, in Brann. In der guten Gegend. Da, wo die Rutschen auf den Spielplätzen nicht mit Graffiti beschmiert waren, wo man sich nicht fragen musste, wer das Mädchen war, das den Wagen schob: Die große Schwester oder schon die Mutter.
Ulas Tante war reich. Deshalb wartete Ula manchmal, bis die Tante den Müll runterbrachte und nahm sich dann Geld aus ihrem handtaschengroßen Portemonnaie.
»Die ist so reich, dass sie gar nicht bemerkt, wenn etwas fehlt«, erzählte Ula, als ich sie zum ersten Mal in Brann besuchen kam. »Und ich kenne jetzt einen, der Gras besorgen kann«, sagte sie noch.
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Obwohl ich mir in der Straßenbahn so viel vorgenommen hatte. So viele Wörter zurechtgelegt hatte. Ob sie ihren Vater sehr vermisst. Wie sich das anfühlt für sie. Ob sie es begreifen kann, ob sie sein Gesicht noch vor sich sieht und ob sie manchmal mit ihm spricht, obwohl er nicht mehr da ist.
»Er heißt Veit.«
»Warum willst du, dass Veit dir Gras besorgt?«
»Will ich ja nicht. Aber trotzdem.«

Veit hatte einen Oberlippenbart und wohnte alleine. Er bekam Waisenrente. Mit dem Dealen verdiente er sich etwas dazu, sagte er. Als ob Waise-sein ein Beruf wäre.
Veit saß auf der Couch, als würde er immer dort sitzen, als wäre er mit ihr verwachsen. Seine Augen waren kaum zu erkennen: Das Licht war gedämmt, die Haare hingen in sein Gesicht, aus der Anlage kam Metal, ganz leise. Was komisch war. So, wie wenn jemand in ein Megaphon flüstert.
»Haze«, sagte er, als er Ula den Joint reichte.
»Merkt man«, sagte Ula, als sie den Rauch einzog.
»Sabina will nicht«, sagte sie als nächstes, und sie hatte recht, aber ich wollte selbst entscheiden und deshalb nahm ich ihr den Joint aus der Hand und zog dran. Unterdrückte den Hustenreiz, ignorierte Veits und Ulas Grinsen, und war froh, als ich wieder in der warmen Straßenbahn nach Hause saß. Aber vor allem war ich sauer. Sauer auf Ula. Sauer auf Veit, und vor allem darauf, dass jetzt plötzlich alles anders war.

Wir telefonierten jeden Tag. Wir sprachen über Videospiele, über Zelda und über Kirby, wir diskutierten, wer besser aussah, Justin oder Nick, und wem wir lieber einen blasen würden. Wir sprachen über Detektiv Conan und Monkey D. Ruffy, aber niemals über ihren Vater. Und auch nicht über Veit. Manchmal hörte ich ihn. Hörte ihn im Hintergrund murmeln, irgendwie metallisch, so, als würde er in einer Blechdose sitzen, und dann sagte Ula nicht mehr viel. Sagte nur, sie müsse dann auflegen.
Dann wurden die Anrufe unregelmäßiger. Und auch die Fahrten nach Brann wurden seltener, der Winter kam, die Oberleitungen der Straßenbahn vereisten, Funken sprühten, wenn sie auf dem Weg zur Schule an mir vorbeifuhr, und ich dachte wieder an Ulas Vater. Sah ihn vor mir, überlegte, ob er manchmal eine dieser Boba-Fett-Masken tragen musste, ob er Nähte geschweißt, selbst Funken versprüht hatte, damit die Maschinen weiterliefen. Und ich dachte darüber nach, wie unfair es war, dass die Maschinen immer noch liefen und weiter Klopapier produzierten, während er seit fast einem Jahr unter der Erde lag, ich dachte immer wieder an das Fett, das in der Pfanne brutzelte und wie er jedes Mal kurz den Kopf durch die Tür steckte, bevor er ins Bett ging, kaum erkennbar, weil wir vom blauen Fernseherlicht geblendet waren: Nur ein Schatten, ein Geist, und wie er dann gute Nacht sagte und wir froh waren, wieder allein zu sein, wieder zu zweit zu sein.

Als ich heimkam, hielt meine Mutter mir das Telefon hin. Ulas Tante, sagte sie nur, und ich stand mit Mütze und Jacke in der warmen Wohnung und hörte Ulas Tante sagen, sie mache sich Sorgen. Und ob ich wüsste, wo Ula wäre.

***​

»Jetzt steht es schon in der Zeitung.«
Papa tippte mit dem Finger auf die Überschrift im Tagesblatt: Mädchen aus Brann vermisst.
Das Mädchen war Ula. Ula Henriksson. Meine Ula. Die Ula, die mal meine Ula war, und später klopfte es an der Tür und zwei Polizisten wollten mich sprechen. Sie hatten Schnee an den Schuhen, aber ich wusste ja nichts, und als sie wieder gingen, ließen sie kleine Pfützen zurück.

An dem Tag schwänzte ich die Schule. Fuhr nach Brann. Ich atmete tiefer und gleichzeitig flacher als sonst, die Scheiben beschlugen, und als die Funken herabregneten, konnte ich nicht mehr. Ich stieg zwei Haltestellen früher aus, als ich musste, und stapfte durch den Schnee, bis ich vor Veits Tür stand.
»Was willst du? Ich weiß nicht, wo sie ist. Hab ich auch der Polizei schon gesagt.«
»Wegen dir hat sie Gras geraucht!«
»Komm mal runter! Glaubst du, ich find das cool, dass sie weg ist?«
»Ist mir scheißegal, was du denkst!«, schrie ich ihn an und stürmte davon.

Ich irrte durch Brann. Ständig glaubte ich, Ula zu sehen, ich rief ihren Namen und schämte mich, wenn sich stattdessen ein Mädchen umdrehte, das ihr ähnlich sah, das mich ansah, als wäre ich verrückt. Ich sammelte einen Haufen vereiste Hundescheiße auf, ich riss ihn vom Boden und steckte ihn in meine Jackentasche, ich rannte zurück zu Veits Wohnung, so schnell, dass mir die Luft in der Lunge brannte und steckte den Scheißhaufen in seinen Briefkasten und drückte auf die Klingel, bis er wütend ins Treppenhaus brüllte: Verpiss dich, und ich schrie zurück: Hurensohn und Bastard.
Ich rannte weiter, rannte über die Brücke, wo mir der Wind ins Gesicht peitschte, rannte an der Schule vorbei, ohne daran zu denken, dass ich schwänzte und dass mich die Lehrer sehen konnten, und als ich im Dunkeln daheim ankam, schüttelte mich meine Mutter, dass mir der Schnee von den Haaren fiel, schrie mich an und fragte, wo ich gewesen wäre und was in meinem dummen Kopf vorginge und dann drückte sie mich an sich und entschuldigte sich und wir weinten und lagen auf dem Sofa, bis Papa nach Hause kam und mich ins Bett trug.

***​

»Wenn man die Wurzel aus x zieht, was kommt dann raus? Sabina?«
Frau Sander. Ich hatte nicht zugehört. Ich hatte seit drei Wochen nicht mehr zugehört. Ich fand es scheiße, dass der Unterricht einfach so weiterging. Dass die Erde sich einfach weiterdrehte, als wäre nichts passiert. Als wäre es das Normalste überhaupt, dass ein Mensch verschwindet.
»Sabina?«
Wie gerne würde ich ihr ins Gesicht spucken. Wie gerne würde ich jedem, der mich jetzt anglotzt, meinen Stuhl an den Kopf werfen, wie gerne würde ich kotzen, bis der ganze Raum voller Kotze ist und jeder mitkotzen muss. Wie gerne würde ich woanders sein. Alleine sein. Hauptsache alleine sein.
»Alles okay?«

Beim Abendessen redete nur der Fernseher. Ein Kerl hatte seine Freundin betrogen und jetzt wollte er sie wieder zurück. Er spielte schlecht. Es fiel ihm schwer, nicht in die Kamera zu gucken. Sie wollte ihn nicht mehr.
»Ist alles okay?«
Mama. Nicht Frau Sander. Ihr Glück.
»Nur nachgedacht.«
»Ula, stimmt’s?«
Ula. Ihren Namen zu denken, war die eine Sache. Ihn zu hören, in der echten Welt, kaum aushaltbar.
»Hör mal, wenn du magst, gehen wir morgen Abend Schlittschuh laufen. Den Kopf frei bekommen.«
Den Kopf frei bekommen. Klang gut. Und unmöglich.
»Ich geh nicht mehr in die Schule.«
»Warum?«
»Wegen der Sander. Ich hab ihr gesagt, dass sie sich ihre Wurzel in den Arsch stecken soll.«
»Dann wird sie es verdient haben.«
Mamas Verständnis machte mich wütend. Als ob sie wüsste, wie ich mich fühlte. Nicht mal ich selbst wusste das. Aber gleichzeitig war Mama die Einzige, die ich jetzt ertrug, und deshalb sage ich: Schlittschuh klingt gut.

Und am nächsten Abend drehte ich meine Kreise. Sah Bewegungen und Lichter. Sah Menschen in Mänteln mit Kapuzen auf und stellte mir vor, zwischen diesen Menschen Ula zu sehen, zusammen mit ihrem Vater, und wie sie Hand in Hand über das Eis fuhren und sich dabei ansahen. Stumm, weil es eh nichts zu sagen gab, weil sie eh schon alles wussten, und schloss mich ihnen an. Weg von den Lichtern. Rein in das Dunkel.

 

Salut @Bas,

das hat mir sehr gefallen. Am Anfang hab ich immer "Ulla" gelesen - wahrscheinlich so en Reflex. Und hier bin ich gestolpert:

»Merkt man«, sagte Ula, als sie den Rauch einzog, tief in die Lunge, und ihn dann wieder ausstieß.
»Sabina will nicht«, sagte (Ula) sie als nächstes, und sie (Ula) hatte recht, aber ich (Sabina) wollte selbst entschieden und deshalb nahm ich (Sabina) ihr (Ula) den Joint aus der Hand und zog dran. Unterdrückte den Hustenreiz, ignorierte Veits und Sabinas (eigentlich Ulas Grinsen) Grinsen
Müsste doch Ulas Grinsen sein, oder?

Aber egal. Ich war die ganze Zeit bei Sabina (nicht Ula :D). Auf Schritt und Tritt konnte ich alles nachvollziehen und das mit der Hundekacke war wohl ein weit verbreiteter Scherz an den ich mich auch gut erinnern kann. Genau so wie an die Väter (oder Elternteile), die schon halb aufgelöst durch die Wohnungen meiner Kumpels schlichen, kaum bemerkt, schon vergessen.

Also alles sehr real. Sogar wenn dann eine/r weg ist und man dann erst feststellt, was für Fragen zu ihm existieren. Sich einer Sache bewusst werden, dafür ist es oft zu spät.

Gute Geschichte.

Griasle
Morphin

 

Hey @Morphin,

ich staune Bauklötze - da haust du gefühlt jeden zweiten Tag eine neue Geschichte raus, keine kurzen Geschichten, tolle Geschichten, also keine Fließbandware, trotz Fließbandarbeit, und findest dann noch die Zeit, Kommentare zu schreiben ... Na, mich soll's nicht stören :shy: Ich hoffe nur, du hast beim Teufel einen halbwegs fairen Preis aushandeln können ...

Müsste doch Ulas Grinsen sein, oder?

Ja, klar, da hab ich mich wohl selbst kurz benebeln lassen an der Stelle :Pfeif:

Freut mich, dass du "auf Schritt und Tritt" dabei warst und auch oder besonders, dass du das alles als "real" empfunden hast. Ich erlaube mir ja gerne mal einen Hauch "Magie" in manchen meiner Texte, auch so eine ... magische Schrulligkeit in den Verhaltensweisen der Protagonisten, das macht es mir auch ein bisschen bequemer. So sehr realitätsnahe Dinger fallen mir da ungleich schwerer. Ja, deshalb freut mich diese Rückmeldung besonders.

Genau so wie an die Väter (oder Elternteile), die schon halb aufgelöst durch die Wohnungen meiner Kumpels schlichen, kaum bemerkt, schon vergessen.

Ja, spannend, wie - oder wie eben nicht - man die Eltern seiner Freunde damals wahrgenommen hat ... Schon halb aufgelöst ... Sehr treffend ausgedrückt.

Danke für deine Zeit!

Hey @Blaukehlchen,

bin noch ganz neu dabei und dachte, ich schau mal bei dir rein

Immer gerne! Ich habe dein "Ankommen" hier auch schon interessiert aus der Ferne beobachtet, super, dass du dich gleich ans Kommentieren machst :thumbsup:

eine Geschichte hat mich sehr berührt, auch aus persönlichen Gründen, die ich hier nicht näher beschreiben möchte. Es beschäftigt mich, ich habe sie heute schon zum dritten Mal gelesen.

Das sind so Rückmeldungen, bei denen ich kurz ins Straucheln gerate. Man - oder ich - schreibt ja ganz heimlich im stillen Kämmerchen, ich versuche dabei auch möglichst gar nicht an den potenziellen Leser zu denken (was natürlich nur bedingt funktioniert), aber ganz sicher kann ich mir währenddessen nicht vorstellen, dass mein Geschreibsel jemanden "berühren" könnte. Sind ja nur Buchstaben. Und dann werfe ich diesen Buchstabenklotz aus einer Laune heraus in die Welt hinaus und bekomme so eine Rückmeldung und denke kurz - was habe ich bloß getan? :shy: Na, aber umso besser. Es berührt dich, beschäftigt dich, wirkt noch über die Buchstaben hinaus, was kann es mehr an Bestätigung geben, dass das nicht nur Humbug ist mit dem Geschreibe? Ich hoffe jedenfalls, dass es nicht nur negative Gedanken sind, die bei dir angestoßen werden. Oder dass du die negativen Gedanken vielleicht sogar irgendwie in positive gewandelt bekommst.

Du hast über das Thema sehr lebensnah geschrieben, wie ich finde, vielleicht beschäftigt es mich auch gerade deshalb so sehr.

Etwas ähnliches hat auch Morphin geschrieben, freut mich, dass sich eure Eindrücke da decken.

Da war ich irritiert. Zuerst dachte ich der Ich-Erzöhler fliegt jetzt? In der Vogelperspektive?
Ich denke die gleiche Worte zu verwenden war deine Absicht, mich hat es aber rausgebracht. Ich musste noch mal zurück um zu verstehen, dass sie auf dem Eis ihre Kreise zieht.

Ja, das war Absicht, ist vielleicht auch nur ein lauer Kartentrick, der nicht recht funktioniert ... Rausbringen soll es dich jedenfalls nicht, deshalb schau ich da noch mal in Ruhe drüber.

Die Kleinigkeiten habe ich ausgebügelt, vielen Dank dafür, und danke für deinen ganzen Kommentar, hat etwas angestoßen!

Bas

 
Zuletzt bearbeitet:

Salü @Bas

Tolle Geschichte, hat mir gut gefallen. Du spielst virtuos mit Stilmittel und Perspektive. Das beginnt schon mit dem repetitiven "Sie", was dem Ende des ersten Absatz eine Dringlichkeit verleiht, die du dann im zweiten Absatz hoch hältst, wie sich Sabina Gedanken macht, wie Ula sich wohl fühlen muss und plötzlich dieses Kontra "Er heisst Veit".
Da war ich selber voll bei Sabina und dachte an Ulas Vater und im ersten Moment dachte ich, der Vater hiess Veit. Aber nein klar, der neuer Haschmichdingens und somit der Wendpunkt in Ulas und Sabinas Beziehung.

Oder zum Beispiel das Beobachten der (möglichen) Gewalttat im Wald aus einer auktorialen Vogelperspektive. Eben, keiner hat's gesehen ausser vielleicht ein Vogel auf Nahrungssuche, dem das herzlich egal ist. Das ist schon subtil gemacht, Chapaux!

, aus der Anlage kam Metal, ganz leise. Was komisch war. So, wie wenn jemand in ein Megaphon flüstert.
Herrlicher Vergleich, hab ich sofort ein Bild.

und sie hatte recht, aber ich wollte selbst entschieden
entscheiden

Ich sammelte einen Haufen vereiste Hundescheiße auf, ich riss ihn vom Boden und steckte ihn in meine Jackentasche, ich rannte zurück zu Veits Wohnung, so schnell, dass mir die Luft in der Lunge brannte und steckte den Eishaufen in seinen Briefkasten und drückte auf seine Klingel, bis er wütend ins Treppenhaus brüllte: Verpiss dich, und ich schrie zurück: Hurensohn und Bastard.
Diese Ohnmacht, diese Wut und dann der Hundekackestreich als einzige Möglichkeit ihr Ausdruck zu verleihen. Prima.

Beim Abendessen redete nur der Fernseher.
Herrlich.

»Ich geh nicht mehr in die Schule.«
»Warum?«
»Wegen der Sander. Ich hab ihr gesagt, dass sie sich ihre Wurzel in den Arsch stecken soll.«
»Dann wird sie es verdient haben.«
Mamas Verständnis macht mich wütend.
Auch so eine schöne Stelle, Sabinas Gefühlswelt auf Achterbahnfahrt.
Sabina provoziert mit Auflehnung und erntet als Reaktion unverständliches Verständnis. Das fühlt sich schlimmer an als eine (verbale) Ohrfeige. Sehr schön.

Hast mich gut unterhalten. Danke für diese feine Geschichte.
Liebe Grüsse, dotslash

 

(Anmerkung vorweg: Die Leiste oberhalb des eingestellten Textes ist bei mir erblasst und ich kann sie derzeit nicht nutzen. Ob das mit dem Update von LibreOffice - meinem Schreibprogramm zusammenhängt, kann ich noch nicht sagen, aber Behelfsweise setze ich " Gänsefüßchen vor und hinter ZItate,

lieber Bas.

"Als ob Waise-sein ein Beruf wäre."

Dass Du schreiben kannst, steht außer Zweifel, aber zwei, drei Stellen müsstestu nochmals beackern.

Da wäre zunächst die mehrmalige Verwendung des „komisch“ bis hin zur Wettbewerbsreife als

"Und für Ula musste es sich noch komischer angefühlt haben."

worauf ich antworten würde, träte ich denn in der Erzählung auf, „dann lach doch!“, und es bieten sich genug treffendere Ausdrücke wie seltsam, sonderbar/-lich, (ver)wunderlich an.

"Weil es ihr Vater gewesen war."

Obwohl meine Eltern, Bruder und Schwester tot sind, sind sie von ihren realen Rollen „befreit“ und doch immer noch in meinem Hirn als Vater, Mutter, Geschwister.
Aber auch sprachlich riecht mir ein „gewesen war“ sehr streng nach Verwesung, dass ich – ich glaub das erste Mal auf Sebastian Sick zurückgreif, und nicht so tu, als wäre folgendes auf meinem Humus geboren:
»Plusquamperfekt bedeutet wörtlich übersetzt „mehr als vollendet“ und wird auf Deutsch auch „vollendete Vergangenheit“ genannt. Es ist eine Art Aushilfszeit, die nur dann zum Einsatz kommt, wenn es gilt, zwei unterschiedliche Zeitabläufe in der Vergangenheit zu unterscheiden: das eine, das geschah, nachdem zuvor etwas anderes geschehen war. Dass das Römische Reich im Präteritum unterging, lag unter anderem daran, dass es zuvor im Plusquamperfekt von den Goten überrannt worden war.«1

kurz: weg mit dem Gewese!

Hier ist noch ein Dreher

"»Sabina will nicht«, sagte sie als nächstes, und sie hatte recht, aber ich wollte selbst entschieden* und deshalb nahm ich ihr den Joint aus der Hand und zog dran."
entscheiden

Gehn wir in die Konjunktiefen,
wie bereits hier

"… und hörte Ulas Tante sagen, sie mache sich Sorgen. Und ob ich wisse, wo Ula sei."

im Versuch zu, Konjunktiv I, der bereits am unscheinbaren „ob“ scheitern muss.
Warum?
Weil das unscheinbare „ob“ einen indirekten Fragesatz einleitet, der Ungewissheit anzeigt und zugleich zweifelt, kurz: das Gebiet des Konjunktiv II, ob als potentialis oder irrealis … Also besser

„Und ob ich wüsste, wo Ulla wäre.“

Gleiches gilt hier

"Ständig glaubte ich, Ula zu sehen, ich rief ihren Namen und schämte mich, wenn sich stattdessen ein Mädchen umdrehte, das ihr ähnlich sah, das mich ansah, als sei ich verrückt."
Auch hier besser „als wäre ich verrückt.“

& hier

"..., schüttelte mich meine Mutter, dass mir der Schnee von den Haaren fiel, schrie mich an und fragte, wo ich gewesen sei* und was in meinem dummen Kopf vorgehe* und dann drückte sie mich an sich und entschuldigte sich und wir weinten und schliefen auf dem Sofa nebeneinander ein, bis Papa nach Hause kam und mich ins Bett trug."

also besser
"..., wo ich gewesen wäre" und "was in meinem ... Kopf vorginge"

Das wärs schon vom

Friedel

 

Hey @dotslash,

freut mich, dass du vorbeischaust :)

Oder zum Beispiel das Beobachten der (möglichen) Gewalttat im Wald aus einer auktorialen Vogelperspektive. Eben, keiner hat's gesehen ausser vielleicht ein Vogel auf Nahrungssuche, dem das herzlich egal ist. Das ist schon subtil gemacht, Chapaux!

Wie blöd ist es, nach so einem Daumen-hoch-Kommentar genau diese Stelle zu streichen? :shy: Ich war von Anfang an super unschlüssig, was die Stelle betrifft. @AWM hat dazu geschrieben:

Würde das komplett raushauen. Ich finde das erstens deplatziert, weil es so aus dem Nichts kommt (außer ich habe eben was überlesen). Und zweitens nimmt es dem Text auch was. Es macht ihn ja gerade aus, dass man nicht weiß, was mit Ula passiert ist. So fühlt man mit der Protagonistin mit und teilt ihre Ungewissheit. Und durch diesen Absatz gibst du dem Leser durch etwas, was sich nicht aus der Handlung ergibt, mehr Informationen als der Protagonistin. Das distanziert mich und ich finde einfach, dass das nichts für deinen Text tut.

Und das hatte ich auch dauernd im Hinterkopf. Ich konnte nicht richtig einschätzen, ob Sabina ein so starker bzw. ein ausreichend fein gezeichneter Charakter ist, um den Großteil der Geschichte alleine stemmen zu können. Deshalb kam mir dann wohl der Gedanke, da noch einen Special-Kniff einbauen zu müssen, einen, der von dieser möglichen Schwachstelle ablenkt ... Ein buntes Feuerwerk am Himmel, dass den Dreck am Boden überblendet, sozusagen :shy: Jetzt habe ich aus den bisherigen Kommentaren - insbesondere aus deinem, und dafür danke ich dir - aber rausgelesen, dass man Sabina wohl doch sehr nah kommen kann. Und deshalb verzichte ich jetzt vorerst mal aufs Feuerwerk, in der Hoffnung, mir da selbst kein Bein zu stellen.

Vielen Dank jedenfalls, dass du in deinem Kommentar so nah dran warst und dabei auch noch mitgeschrieben hast, das hat mir sehr geholfen, eine neue Perspektive auf den Text zu bekommen :thumbsup: Bis bald!

Bas

 

Hey @AWM,

Allerdings habe ich ein wenig gebraucht, um den Protagonistinnen die Geschlechter zuzuordnen.

Da sagst du was. Ja, da gibt es echt 'ne ganze Weile keinen Hinweis auf Sabinas Geschlecht. Vielleicht das Backstreetboys-Shirt. Hm. Ich frage mich jetzt, ob das stört. Im blödesten Fall schon, weil man sich ja zu Anfang gleich ein Bild vom Erzähler macht, der dann aber plötzlich zur Erzählerin wird. Hm. Ich suche mal noch nach einer eleganten Lösung.

Zweitens gefällt mir der Bruch gegen Ende nicht so gut. Erstens ist da dieser Vogelabsatz, der für mich wie ein Fremdkörper wirkt.

Wie du vielleicht schon mitbekommen hast, habe ich den Absatz rausgehauen, dazu habe ich in meiner Antwort an Morphin schon etwas geschrieben. Ich bin mir noch nicht hundert Prozent sicher dabei, denke aber, dass das die richtige Entscheidung war, daher vielen Dank für den Hinweis, konnte ich sehr gut nachvollziehen, was du dazu gesagt hast.

Zweitens kommt dann dieser Zeitenwechsel der aber auch nicht stringent durchgezogen wird. Im letzten Absatz wechselst du da zwischen den Zeiten hin und her.

Und auch das kann ich nachvollziehen, aber egal, wie ich es drehe und wende, hört es sich für mich anders noch … falscher an. Ein bisschen mehr Stringenz habe ich reingebracht, ein bisschen weniger Hin und Her, aber ja, ich kann mich nicht dazu durchringen, da komplett in der Vergangenheit zu bleiben, frag mich nicht, warum. Kommt Abstand, kommt Rat, hoffe ich.

Fände hier etwas Konkreteres schön. Also eine bestimmte Sendung oder so. "... nach der Schule Viva Live! schauten"

Guter Hinweis – ist jetzt TRL, weil ich das immer cooler fand als Viva Live :cool:

Das finde ich gut und deswegen könntest du davor weglassen, dass die Küche dunstig ist.

Logisch, gekauft.

Die Begründung, warum es komisch ist, zieht bei mir nicht ganz. Sie könnte ja Ulla fragen. Was anderes wäre schon, wenn ihr bewusst wird, dass sie ihn nie richtig kennenlernen wird.

Hier auch

Würde ich streichen

Und hier

… Ja, und überall sonst auch. Gar nicht so viele Anmerkungen, die du da im Gepäck hattest, aber doch jede eine deutliche Verbesserung. Besonders die Vogelsache, wenn ich mich nicht irre. Daher tausend Dank fürs Vorbeischauen, hat mir und dem Text sehr geholfen!

Hey @Friedrichard,

(Anmerkung vorweg: Die Leiste oberhalb des eingestellten Textes ist bei mir erblasst und ich kann sie derzeit nicht nutzen. Ob das mit dem Update von LibreOffice - meinem Schreibprogramm zusammenhängt, kann ich noch nicht sagen, aber Behelfsweise setze ich " Gänsefüßchen vor und hinter Zitate,

Hab schon gesehen, dass du dein Problemchen lösen konntest, sehr gut :thumbsup:

Da wäre zunächst die mehrmalige Verwendung des „komisch“ bis hin zur Wettbewerbsreife als

"Und für Ula musste es sich noch komischer angefühlt haben."

worauf ich antworten würde, träte ich denn in der Erzählung auf, „dann lach doch!“, und es bieten sich genug treffendere Ausdrücke wie seltsam, sonderbar/-lich, (ver)wunderlich an.


Treffendere Ausdrücke, wohl wahr. Aber keiner, den ich Sabina in den Mund/Kopf legen wollte – ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass sie das als sonderbar empfindet oder als wunderlich, für sie ist das ganz eindeutig komisch. Auch, wenn deine Alternativen natürlich viel schöner sind, da gebe ich dir recht. Ich hoffe, du verzeihst mir meine Sturheit an der Stelle.

Dafür habe ich der Gewesungsverwesung ein Ende gesetzt und vor allem habe ich mich in die Konjunktiefen gestürzt, ich wusste gleich, dass ich da mal wieder Unsinn verzapfe, wusste aber auch, dass ich da auf dich zählen kann. Zumindest da hatte ich also recht.

Das wärs schon vom

Friedel


Wärs. Nicht seis. Wär ja auch noch schöner. Sei's drum. Bis bald, lieber Friedel, und danke dir!

Bas

 

Moin @Bas,

ein ungewöhnlicher Text für dich, so scheint es. Wenn ich an deine bisherigen Geschichten denke, habe ich einen anderen Sound im Ohr, dieser hier ist eher unaufgeregt. Es ist die Geschichte einer Vereinsamung, hervorgerufen durch die Abwesenheit der Mutter und den Tod des Vaters, der nicht erklärt wird, sondern beiläufig geschieht und doch so tragische Folgen nach sich zieht. Ula verliert ihr gewohntes Leben, driftet ab, unaufhaltsam, bis sie verschwindet und nicht mehr gefunden wird. Und indirekt für Sabina, die Ula nicht folgen kann und sie verliert.

Ulas Vater war Schichtarbeiter in der Klopapierfabrik.
Schichtarbeiter in der Klopapierfabrik. Da ist mir ein Register zu viel gezogen, das verschiebt den Fokus. Wäre es die neutrale Kartonfabrik statt dieser, würde ich nicht unnötig ans Klo denken, sondern an den Menschen.
Backstreetboys-Shirt
Backstreet Boys-Shirt
wo man sich nicht fragen musste, wer das Mädchen war, das den Wagen schob: Die große Schwester oder schon die Mutter
würde ich überdenken, unnötig platt.
»Warum willst du, dass Veit dir Gras besorgt?«
»Will ich ja nicht. Aber trotzdem.«
bissl unpräzis, Veit ist Dealer, besorgt ihr also das Gras nicht, er verkauft es ihr. Und wenn sie aus dem Portemonnaie der Tante dafür Geld klaut, wird sie es schon wollen, oder? Wenn es ihr nicht um das Gras ginge, sondern um Veit, müsste ich das irgendwo ablesen können. Mir wird das nicht so ganz klar.
Ich dachte darüber nach, wie unfair es war, dass die Maschinen immer noch liefen und weiter Klopapier produzierten, während er schon seit fast einem Jahr unter der Erde lag, ich dachte immer wieder an das Fett, das in der Pfanne brutzelte und wie er jedes Mal kurz den Kopf durch die Tür steckte, bevor er ins Bett ging, kaum erkennbar, weil wir vom blauen Fernseherlicht geblendet waren: Nur ein Schatten, ein Geist, und wie er dann gute Nacht sagte und wir froh waren, wieder allein zu sein, wieder zu zweit zu sein.
sehr schön geschrieben, sehr eindringlich und treffend. Dieses Bild des geisterhaften Gesichts als Andeutung dessen, was geschehen wird, ist nach dem ersten Lesen vor einigen Tagen hängengeblieben.
»Was willst du? Ich weiß nicht, wo Ula ist. Hab ich auch der Polizei schon gesagt.«
»Wegen dir hat sie Gras geraucht.«
»Na und? Du doch auch. Werd erwachsen.«
Dieses altkluge "Werd erwachsen" stört mich, da wäre mMn mehr drin im Dialog. An Veit prallt alles ab. Das ist so zack, Korken drauf und Ende. Eindimensional. Auch diese Fortführung mit der Hundescheiße ist mir zu unnötig simpel, Veit ist schuld und bekommt die Quittung. Die Hilflosigkeit und Verzweiflung, die da auch drin steckt, die könntest du stärker herausstellen, vllt. sogar auch bei Veit andeuten, vllt. auch schon im Dialog.
Wie gerne würde ich ihr ins Gesicht spucken. Wie gerne würde ich jedem, der mich jetzt anglotzt, meinen Stuhl an den Kopf werfen, wie gerne würde ich kotzen, bis der ganze Raum voller Kotze ist und jeder mitkotzen muss. Wie gerne würde ich woanders sein. Alleine sein. Hauptsache alleine sein.
gute Stelle, wie kann es sein, dass das Leben seinen normalen Lauf nimmt, erst beim Vater dann bei Ula, als würden sie sich auflösen, als wären sie nie dagewesen? Und niemand außer der Prota scheint es wahrzunehmen.
Ula. Ihren Namen zu denken, ist die eine Sache. Ihn zu hören, in der echten Welt, kaum aushaltbar.
Den Kopf frei bekommen. Klingt gut. Und unmöglich.
gute Schilderung, gefällt mir. Auch das hier:
Mamas Verständnis macht mich wütend. Als ob sie wüsste, wie ich mich fühle. Nicht mal ich selbst weiß das. Aber gleichzeitig ist Mama die Einzige, die ich jetzt ertrage, und deshalb sage ich: Schlittschuh klingt gut.
wirkt glaubhaft. Selbst Verständnis ist nicht hilfreich.
Nur der Gedanke, ob sie lesbisch sein könnte, tut für mich nichts dazu, da von körperlicher Anziehung davor keine Rede war. Trotz aller Konfusion, kaufe ich nicht, dass sie das denkt, auch das lenkt mich ab.
stelle mir vor, zwischen diesen Menschen Ula zu sehen, zusammen mit ihrem Vater, und wie sie Hand in Hand über das Eis fahren und sich dabei ansehen. Stumm, weil es eh nichts zu sagen gibt, weil sie eh schon alles wissen, und schließe mich ihnen an. Weg von den Lichtern. Rein in das Dunkel.
schönes Ausblenden, ein selbstzufriedenes Geisterpaar auf dem Eis, ein Hauch Poesie. Hat mir gefallen der Text.
Bissl irritiert war ich über das gänzliche Verschwinden des Vogels aus der ersten Version. Hatte der nicht ein Auto gesehen, das mit zwei Leuten in den Wald fuhr und nur mit dem Fahrer heraus? Wobei ich es deutlich passender finde, dass Ulas Schicksal nicht aufgelöst wird, sondern in der Luft hängt.

Peace, l2f

 

Hallo @Bas
Du hast ja bereits mit feiner Klinge nachjustiert, deshalb noch ne Rückmeldung zum strittigen Vogelteil.

Wie blöd ist es, nach so einem Daumen-hoch-Kommentar genau diese Stelle zu streichen? :shy: Ich war von Anfang an super unschlüssig, was die Stelle betrifft.

Bissl irritiert war ich über das gänzliche Verschwinden des Vogels aus der ersten Version. Hatte der nicht ein Auto gesehen, das mit zwei Leuten in den Wald fuhr und nur mit dem Fahrer heraus? Wobei ich es deutlich passender finde, dass Ulas Schicksal nicht aufgelöst wird, sondern in der Luft hängt.

Ich gehe jetzt total d'accord mit den anderen. Diese Andeutung eines Verbrechens aus dem Off braucht es wirklich nicht und auch das Ende, ohne Bezug zum Vogel wirkt stimmiger.

Gruss dot

 

Hey @linktofink,

ein ungewöhnlicher Text für dich, so scheint es. Wenn ich an deine bisherigen Geschichten denke, habe ich einen anderen Sound im Ohr, dieser hier ist eher unaufgeregt.

Interessant, dass du so empfindest. Der Text ist schon ein paar Wochen alt und ich weiß noch, dass ich damals ganz ähnlich empfunden habe, deshalb habe ich ihn dann auch zum Maskenball "angemeldet", einfach, weil ich auf die Reaktionen gespannt war. Die Anmeldung habe ich dann aber zurückgezogen :shy: Und dann hat es mich natürlich auch gefreut, als @Morphin in der Empfehlung schrieb, mich darin erkennen zu können.

Schichtarbeiter in der Klopapierfabrik. Da ist mir ein Register zu viel gezogen, das verschiebt den Fokus. Wäre es die neutrale Kartonfabrik statt dieser, würde ich nicht unnötig ans Klo denken, sondern an den Menschen.

Ja, guter Hinweis. Habe jetzt die Papierfabrik drauas gemacht, so hieß sie auch schon in einem anderen Text.

Backstreet Boys-Shirt

:thumbsup:

würde ich überdenken, unnötig platt.

Sehe, was du da als platt empfindest und werde es überdenken.

bissl unpräzis, Veit ist Dealer, besorgt ihr also das Gras nicht, er verkauft es ihr. Und wenn sie aus dem Portemonnaie der Tante dafür Geld klaut, wird sie es schon wollen, oder? Wenn es ihr nicht um das Gras ginge, sondern um Veit, müsste ich das irgendwo ablesen können. Mir wird das nicht so ganz klar.

Ja, auch hier sehe ich dein Problem. Das empfinde ich persönlich allerdings nicht als soo schlimm, aber ja, vielleicht finde ich da auch noch eine elegantere Lösung.

Dieses altkluge "Werd erwachsen" stört mich, da wäre mMn mehr drin im Dialog. An Veit prallt alles ab. Das ist so zack, Korken drauf und Ende. Eindimensional. Auch diese Fortführung mit der Hundescheiße ist mir zu unnötig simpel, Veit ist schuld und bekommt die Quittung. Die Hilflosigkeit und Verzweiflung, die da auch drin steckt, die könntest du stärker herausstellen, vllt. sogar auch bei Veit andeuten, vllt. auch schon im Dialog.

Auch hier - guter Hinweis. Ist noch nicht in Stein gemeißelt, aber ich habe es mal so verändert:

»Was willst du? Ich weiß nicht, wo sie ist. Hab ich auch der Polizei schon gesagt.«
»Wegen dir hat sie Gras geraucht!«
»Du doch auch, Mann! Komm mal runter! Denkst du, ich find das cool, dass Ula weg ist?«
»Ist mir scheißegal, was du denkst!«, schrie ich ihn an und stürmte davon.

So bekommt Veit ein bisschen mehr Kontur, denke ich. Die Hundescheiße bleibt :cool: Aber jetzt könnte man vielleicht eher darüber streiten, ob er sie verdient hat.

Nur der Gedanke, ob sie lesbisch sein könnte, tut für mich nichts dazu, da von körperlicher Anziehung davor keine Rede war. Trotz aller Konfusion, kaufe ich nicht, dass sie das denkt, auch das lenkt mich ab.

Gut, habe ich gestrichen, dadurch fehlt auch erst mal nichts, denke ich.

schönes Ausblenden, ein selbstzufriedenes Geisterpaar auf dem Eis, ein Hauch Poesie.

Wichtige Rückmeldung, ich war mir sehr unsicher, ob das neue Ende was taugt.

Bissl irritiert war ich über das gänzliche Verschwinden des Vogels aus der ersten Version. Hatte der nicht ein Auto gesehen, das mit zwei Leuten in den Wald fuhr und nur mit dem Fahrer heraus? Wobei ich es deutlich passender finde, dass Ulas Schicksal nicht aufgelöst wird, sondern in der Luft hängt.

Auch das ist eine gute Rückmeldung - ja, nach einem guten Hinweis von AWM habe ich das gestrichen, eben deshalb: Um Ulas Schicksal nicht aufzulösen, ein bisschen Nebel zu hinterlassen.

Vielen Dank für deinen Kommentar, hat dem Text noch mal geholfen, denke ich! Bis bald!

Und @dotslash,

super, insgeheim habe ich auf deine Rückmeldung gehofft, du warst ja Fan vom Vogel, umso besser, wenn du ihn nicht vermisst :thumbsup: Danke, das gibt noch mal Sicherheit.

Bas

 

Hallo Bas,
habe Deine Geschichte gerne gelesen. Du fängst stark an, als Du den Haushalt von dem Mädchen und ihrem alleinerziehenden Vater schilderst. Am meisten interessiert mich die Figur des Vaters. Es wird wenig über ihn ausgesagt und dadurch der Fantasie viel Spielraum gegeben. Das finde ich gut. Am Schluss interessiert mich, was aus dem verschwundenen Mädchen geworden ist. Der Mensch ist neugierig.
Gruß Frieda

 

Hallo @Bas, ich wollte deinen schönen Text schon viel länger kommentieren. Über die Empfehlung für dich habe ich mich sehr gefreut, auch, dass der Text so gut angekommen ist. Mir fiel es in letzter Zeit schwer, gute Texte zu finden und sie dann auch zu lesen, richtig zu lesen, irgendwie bin ich in letzter Zeit viel zu überkritisch geworden. Immer scheint mich etwas zu stören, immer piekst es irgendwo. Natürlich bist du so ein klassischer Leerstellen-Schreiber, der lieber weite Voids und weiße Flecken auf der Landkarte umrundet statt sie zu durchqueren. Was die Phantasie anregt, andererseits aber - logischerweise - einiges spekulativ werden lässt. Die größte Leerstelle, die man leicht überliest: Die Mutter Ulas (oder verstorben? Also Vollwaisen-Rente?)

Ich habe die Geschichte nicht als typische "Abstiegsgeschichte" oder Drama gelesen, Veit und sein Marihuana-Konsum, herrgott, das ist eben so. Dazu ist mir deine Ich-Perspektive viel zu subjektiv. Es steht, bei allen irren Geschehnissen, Sabina im Mittelpunkt und aus Sabinas Psyche erfahre ich, was passiert und wie sich Tod und Verschwinden auswirken. Gleichzeitig scheint Sabina in der Pubertät zu sein, sie wird erwachsen. Da ist viel Stoff, sehr viel Stoff, in dieser kleinen Story.

1. Sabina und Ulas Familie

Der Vater stirbt und die Ula verschwindet. Aber dann ist da ja, zentral platziert, die Protagonistin Sabina, die mir als Leser diese Ereignisse schildert. Irgendwo ist da eine Verbindung zwischen diesen Ereignissen - oder auch nicht - und irgendwie reagiert Sabina kraft ihrer emotionalen Erfahrung auf Ulas Vater wie auch Ula. Zum Tod von Ulas Vater wirkt sie recht distanziert, sie empfindet ihre Gefühle als "komisch". Andererseits schätzt sie die Gefühle Ulas für "noch komischer" ein. Sabina schildert nicht Ulas Reaktionen; Sabina beschreibt nicht, wie Ula geheult hat, nein, Sabina schließt von sich auf die Gefühle ihrer Freundin Ula. Da steckt überraschend viel Distanz zwischen Sabina und Ula, so dass mir die spätere sehr intensive Reaktion auf Ulas Verschwinden ganz eigenartig und ungewöhnlich vorkam. Hier scheint die Freundschaft, vergangene Freundschaft, doch wieder wichtig zu werden. Nicht falsch verstehen, ist auch nicht als Kritik gemeint, aber Sabina wirkt auf mich ungewöhnlich widersprüchlich auf diese Ereignisse. Mein Eindruck: Sabina ist ein vorsichtiger, schüchterner Mensch, dem es schwer fällt, sich anderen Menschen anzunähern, der vielleicht nicht weiß, wie man die Fragen stellt, aus deren Antworten eine Beziehung vertieft wird.

2. Sabinas Hintergrund

Ulas Familie scheint ungewöhnlich zu sein. Der Vater arbeitet in der Klopapierfabrik (warum wieder Klopapier, warum nicht einfach eine Fabrik, eine Metallfabrik, oder Siemens oder irgendwas), die Tante ist sehr reich, du verstärkst diese Distanz durch Verweise auf die städtische Geographie (Brann, die gute Gegend). Sabina wirkt auf mich wie die klassische Mittelschicht, ein Punkt, von dem die Beobachtungen berichtet werden. Besonders wichtig scheinen mir die ersten Zeilen zu sein, in denen Sabina die Arbeit des Vaters beschreibt:

Ich kannte Ulas Vater nur als den Mann hinter der Tür. Den Mann, der schlief. Der Grund, weshalb wir leise sein mussten, wenn wir nach der Schule vor dem Fernseher saßen und MTV schauten. Ulas Vater war Schichtarbeiter in der Klopapierfabrik. Er war dafür zuständig, dass die Maschinen funktionierten.
Aus einem einfachen Grund: Nähme sie die Arbeit als etwas sehr Normales wahr, würde sie Zahnräder und Schaltkreise nicht erwähnen. Aber irgendwo ist ja da etwas Interessierendes in Sabinas Wesen. Sie wirkt auf mich schüchtern, distanziert, jemand, der viel reflektiert, aber sich noch der Sprache aus der Kindheit bedient ("komisch"), aber erwachsene Erfahrungen sammelt ("blasen"). Pubertär halt. Da finde ich diese Stelle
»Wegen der Sander. Ich hab ihr gesagt, dass sie sich ihre Wurzel in den Arsch stecken soll.«
»Dann wird sie es verdient haben.«
Mamas Verständnis machte mich wütend. Als ob sie wüsste, wie ich mich fühlte. Nicht mal ich selbst wusste das. Aber gleichzeitig war Mama die Einzige, die ich jetzt ertrug, und deshalb sage ich: Schlittschuh klingt gut.
sehr gut, da steckt auch ein bisschen Entwicklungspsychologie mit drin, bisschen Pubertät, vielleicht auch der Wunsch nach Protest, der aber nicht erfüllt wird, Folge ist die große emotionale Achterbahn.

3. Sabina und Ula

Spontan gefragt: Was hat denn Sabina von der Freundschaft? Da hast du eine geniale Stelle,

»Sabina will nicht«, sagte sie als nächstes, und sie hatte recht, aber ich wollte selbst entscheiden und deshalb nahm ich ihr den Joint aus der Hand und zog dran.
, in der du das Verhältnis zwischen beiden ausleuchtest: Ula scheint hier eine dominante Kraft zu sein, ein Mensch, der Sabina mitzieht oder den Sabina bewundert. Hier bleibst du natürlich sehr vage, auch durch die sehr distanzierte Perspektive. Meiner Ansicht nach kann der Text vielleicht ein paar kräftige Beziehungspinselstriche vertragen. Aber gut, das ist subjektiv.

4. Veit

Jeder hat so seine Lesesicht, ich weiß, aber warum Veit, was bringt Veit der Geschichte. Ich fände es stärker, wenn Ulas Verschwinden mit dem Tod des Vaters zusammenhängt. Oder das das suggeriert wird. Auf mich wirkt Veit und sein Marihuana wie ein schwaches Zeichen, das einen Abstieg andeutet.

5. Details

Du schreibst:

Ulas Tante wohnte im Nordteil der Stadt, in Brann. In der guten Gegend. Da, wo die Rutschen auf den Spielplätzen nicht mit Graffiti beschmiert waren, wo man sich nicht fragen musste, wer das Mädchen war, das den Wagen schob: Die große Schwester oder schon die Mutter.
Ich wäre vorsichtig mit diesen einfachen Beschreibungen. Über Veit berichtest du, dass der Metal "ganz leise" hört, ein eigenartiges Detail, das die Aufmerksamkeit schürt. Hier vermittelst du über die Graffitis einen Eindruck der sozialen Lage. Das mit der großen Schwester ... hm ... ist schon arg klischeehaft. Vielleicht kannst du eher den Vorgarten oder das Haus der Tante beschreiben. Die Tante, wenn sie die Schwester des Vaters ist, hat ja vielleicht einen Aufstieg geschafft. Vielleicht studiert, vielleicht über den dritten Bildungsweg sogar Jura bestanden, ein Eigenheim aufgebaut oder eine Doppelhaushälfte gekauft. Irgendwas, bei dem ich als Leser merke, das hier jemand Vermögen aufgebaut hat. Aber klar, ist deine Sache.

Lg
kiroly

 

Hallo @Bas,
geschliffen gut und auch die Emotionen sehr gut nachvollziehbar, obwohl du Sabinas Emotionen gar nicht so genau beschreibst, sondern nur ihre Handlungen daraus. Das hält die Story in dieser Schwebe, die einen durch die Story trägt.
Es passiert so viel und doch bleibt der String der Story konstant richtungsweisend. Das erleichtert das Erleben und triggert die eigene Phantasie.
Hat mir gut gefallen und Deine Schreibe ragt doch auffallend heraus.
Grüße Detlev

 

Lieber @Bas

jetzt aber.
Toll geschrieben. Habe ich in einem Zug weggeatmet und fühle mich gesättigt. Wunderbar. Kritik habe ich nicht wirklich im Gepäck. Höchstens ganz Grobes, das gibt es immer, aber das zählt nicht wirklich. Also vielleicht am Ende. Vielleicht auch nicht ^^

Ich kannte Ulas Vater nur als den Mann hinter der Tür. Den Mann, der schlief. Der Grund, weshalb wir leise sein mussten

Super Einstieg

wer das Mädchen war, das den Wagen schob: Die große Schwester oder schon die Mutter.

Top

Als ob Waise-sein ein Beruf wäre.

Hat mich zum schmunzeln gebracht

aus der Anlage kam Metal, ganz leise. Was komisch war. So, wie wenn jemand in ein Megaphon flüstert.

Auch klasse

Nur ein paar ausgewählte Stellen. Die Story hat aber noch viel mehr Perlen zu bieten.
Ganz ganz ganz grob könnte man fragen, ob du eine weibliche Perspektive schreiben kannst bzw. ob das sinnvoll ist. Das frage ich mich bei meinen Texten (neuerdings?) zumindest auch. Ist aber unbeantwortet. Mehr habe ich nicht. Zählt auch nicht. Tolle Story!
Viele Grüße mit krebsigem Sonnenbrand aus ??
Carlito

 

Hey @Frieda Kreuz,

freut mich, dass du Gefallen an der Geschichte gefunden hast.

Am meisten interessiert mich die Figur des Vaters.

Interessant, dein Interesse :shy: , wo er ja nur so kurz eine "aktive" Rolle spielt - andererseits ist er ja Dreh- und Angelpunkt der Geschichte, durch ihn entwickeln sich die Dinge, wie sie sich einwickeln. Vermutlich deshalb.

Danke jedenfalls für die Rückmeldung!

Hey @kiroly,

eine fragwürdige Tradition, dass meine Antworten auf deine Kommentare in aller Regel mit starker Verspätung eintrudeln ... Tut mir leid, anders war es mir nicht möglich. Ich hoffe, du interpretierst das nicht als mangelnde Wertschätzung, das ist nämlich absolut nicht der Fall, im Gegenteil.

Natürlich bist du so ein klassischer Leerstellen-Schreiber, der lieber weite Voids und weiße Flecken auf der Landkarte umrundet statt sie zu durchqueren. Was die Phantasie anregt, andererseits aber - logischerweise - einiges spekulativ werden lässt.

Ich lese gerade ein (insbesondere für alle Wortkrieger sehr empfehlenswertes!) Buch von George Saunders, "Bei Regen in einem Teich schwimmen". Da schreibt er über die Erzählung/Kurzgeschichte: "Sie ist kein dokumentarischer oder präziser Rechenschaftsbericht darüber, wie die Zeit vergeht, oder ein abgewogener Versuch, das Leben so zu schildern, wie es wirklich gelebt wird; es ist eine radikal gestaltete, manchmal (im Vergleich zum öden realen Leben) sogar etwas karikatureske kleine Maschine, die uns damit begeistert, wie extrem entschlossen sie vorgeht."

Fand ich in dem Zusammenhang irgendwie passend.

Ich habe die Geschichte nicht als typische "Abstiegsgeschichte" oder Drama gelesen, Veit und sein Marihuana-Konsum, herrgott, das ist eben so. Dazu ist mir deine Ich-Perspektive viel zu subjektiv. Es steht, bei allen irren Geschehnissen, Sabina im Mittelpunkt und aus Sabinas Psyche erfahre ich, was passiert und wie sich Tod und Verschwinden auswirken. Gleichzeitig scheint Sabina in der Pubertät zu sein, sie wird erwachsen.

Freut mich, deine Lesart, eine Abstiegsgeschichte war hier nämlich sicher nicht meine Intention, sofern ich denn eine hatte. Ja, es geht um Sabinas Empfinden, das Gefühl von: Ich finde keinen Halt in einer echt weirden Welt.

Mein Eindruck: Sabina ist ein vorsichtiger, schüchterner Mensch, dem es schwer fällt, sich anderen Menschen anzunähern, der vielleicht nicht weiß, wie man die Fragen stellt, aus deren Antworten eine Beziehung vertieft wird.

So ganz weiß ich nicht, wie ich auf deinen superspannenden Kommentar reagieren ... kann, soll, muss, sieh es mir bitte nach. Deshalb kann ich auch hier nur sagen: Freut mich, dass du das so liest. Ja, da ist eine Distanz. Sabina ist vor allem in ihrem Kopf, mit ihrer eigenen Haltlosigkeit beschäftigt, klar ist da auch Mitgefühl für Ula, aber vor allem ... Unverständnis, denke ich. Im Sinne von: Nicht verstehen können. Die Situation, das große Ganze. In dieser Lebensphase kann das Sprießen von ein paar Härchen den Kopf schon zum Überlaufen bringen.

Meiner Ansicht nach kann der Text vielleicht ein paar kräftige Beziehungspinselstriche vertragen. Aber gut, das ist subjektiv.

Damit könntest du recht haben. Gleichzeitig empfinde ich diese Distanz als ... na, vielleicht DAS Charaktermerkmal Sabinas. Ich sehe sie ein wenig in diese Freundschaft "reingeworfen": Na, man ist eben mit Gleichaltrigen befreundet in dem Alter, das entwickelt sich so, hat so zu sein. Vielleicht lernt man sich schon im Kindergarten kennen, da gehen die Interessen fast zwangsläufig in ähnliche Richtungen: Spielen halt, Spaß haben. Einige Jahre später bemerkt sie vielleicht, dass sie nur wenig mit Ula gemein hat, vielleicht verabscheut sie ihre "Dominanz" sogar. Aber erkennt sie das jetzt schon so deutlich? Und würde das den Kurzgeschichtenrahmen sprengen, da mehr in die Tiefe zu ehen? Hm, ich denke nur laut nach, ich schaue mir das noch mal an.

Jeder hat so seine Lesesicht, ich weiß, aber warum Veit, was bringt Veit der Geschichte. Ich fände es stärker, wenn Ulas Verschwinden mit dem Tod des Vaters zusammenhängt. Oder das das suggeriert wird. Auf mich wirkt Veit und sein Marihuana wie ein schwaches Zeichen, das einen Abstieg andeutet.

Ich würde lügen, wenn ich behaupte, Veit landet in der Top 10 der von mir erdachten Menschen :shy:, aber ich empfinde ihn als wichtig für die Geschichte, ich würde nicht auf ihn verzichten wollen. Für mich sieht Ula in ihm einen Gleichgesinnten, einen, der ähnliches erlebt hat wie sie. Etwas, was Sabina nicht leisten kann.

Ein wenig eine Abschmetterantwort, aber nur im ersten Moment, meine Geschichten sitzen in aller Regel nervös in ihrem Ordner und warten nur darauf, nach Wochen der vermeintlichen Ruhe wieder angeklickt und über den Haufen geworfen zu werden :D Und da klingen dann sicher auch deine Ratschläge noch deutlich nach! Deshalb vielen Dank für deine Zeit und bis bald!

Hey @Detlev,

vielen Dank auch für deine Rückmeldung - du schaffst es regelmäßig in wenigen, sehr präzisen Worten dein Empfinden bzw. den von dir empfundenen Kern der Geschichten, das "Besondere", hervorzuheben, das lese ich immer sehr gerne und macht mich neugierig auf von dir erdachte Geschichten. Würde mich sehr freuen, da bald mal was aktuelles zu lesen zu bekommen!

Hey @Ronnie,

danke für deinen knappen Leseeindruck, "ohne Überfliegen und Langeweile" klingt gut :thumbsup:

Und zu guter letzt: Hey @Carlo Zwei,

schön, dich mal wieder zu lesen - sogar in Geschichtsform, über die ich mich bald hermachen werde.

Freut mich natürlich, dass die Geschichte dir gefallen hat, in einem Zug weggeatmet, gesättigt ... Wunderbar, mehr geht kaum.

Ja, die Frage der Perspektive. Nach der hundertundersten Geschichte durch die Augen eines Kerls kommt bei mir dann halt auch irgendwann der Punkt, wo ich denke: Echt jetzt? Wieder so ein langweiliger Kerl mit seinen langweiligen Kerlproblemen? Come on ... Gleichzeitig spüre ich aber auch immer, dass das Schreiben dann viel natürlicher kommt, dass ich mich weniger "anstrengen" muss. Weil ich ja selbst ein langweiliger Kerl bin. Aber wäre es nicht faul, den bequemeren Weg zu gehen? Oder muss Schreiben möglichst natürlich und ungezwungen daherkommen, um voll überzeugen zu können? Vielleicht findest du da, wo du bist, mit all den hoffentlich wunderbar (zu unzähligen Geschichten!!!) inspirierenden Eindrücken ja eine Antwort auf die Frage, dann lass es mich unbedingt wissen. Genieße die Zeit! Und bis bald!

Bas

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey @Bas,

ich finde den Text gut, hab aber ein paar Probleme damit. Werde versuchen sie genau zu erläutern. Vielleicht bin ich mit der falschen Erwartung reingegangen, nachdem ich deinen Text: "Loch" gelesen habe, den ich sehr gut fand. Habe jedenfalls irgendwas abgefahrenes erwartet. Bekommen habe ich einen Text über ein Mädchen, das auf die schiefe Bahn gerät und dann vermisst wird. Ist eine Handlung, die ich schon häufiger gelesen habe, was ich etwas schade fand. Hat aber, wie gesagt, vermutlich auch etwas mit meiner Erwartungshaltung zu tun. Was mir wiederum sehr gut gefallen hat ist, wie du den Vater charakterisierst. Das ist sehr gut gemacht und sehr stimmig.

Edit: Habe mit etwas Abstand den Kommentar nochmal durchgelesen und wollte noch anmerken, dass das meckern auf hohem Niveau ist. Die Empfehlung ist verdient.

Zu den Details:

Ich kannte Ulas Vater nur als den Mann hinter der Tür. Den Mann, der schlief. Der Grund, weshalb wir leise sein mussten, wenn wir nach der Schule vor dem Fernseher saßen und MTV schauten. Ulas Vater war Schichtarbeiter in der Klopapierfabrik. Er war dafür zuständig, dass die Maschinen funktionierten. Dass die Zahnräder ineinandergriffen. Die Schaltkreise weiterkreisten. Nein, ich hatte keine Ahnung, was ihr Vater in der Klopapierfabrik machte, ich kannte ihn nur als den Mann hinter der Tür und manchmal als den Mann, der nach der Spätschicht in der Küche stand und mir zulächelte, während das Fleisch in der Pfanne briet und die Fenster beschlugen. Der Mann, der keine Fragen stellte, nicht wissen wollte, warum ich mich in einem knielangen Backstreet Boys-Shirt an seinem Kühlschrank bediente.
Es fühlte sich komisch an, als er starb. Komisch, weil ich ihn nie richtig kennengelernt hatte und es jetzt keine Möglichkeit mehr dazu geben sollte. Und für Ula musste es sich noch viel komischer angefühlt haben. Weil es ihr Vater war. Weil sie zu ihrer Tante ziehen musste, die sie kaum kannte, weil sie die Schule wechseln musste, weil sie nicht mehr in der Wohnung leben durfte, in der sie ihr ganzes bisheriges Leben verbracht hatte.
Die Charakterisierung des Vaters gefällt mir sehr gut. Ein Schatten hinter der Tür, der nie so richtig in Erscheinung tritt. Den markierten Teil verstehe ich allerdings nicht so richtig. Es scheint mir der Erzähler würde hier einen Witz machen, aber ich verstehe nicht wieso. An wen ist der Text gerichtet? Wer spricht zu wem? Normalerweise gehe ich an einen Text ran in der Erwartung, das Gesagte ist ernst gemeint, aber wenn hier am Anfang dieser Teil kommt, verschiebt sich diese Erwartung und ich weiß eben nicht mehr, was ernst gemeint ist und was nicht. Du führst hier einen Erzähler ein, den du dann aber nicht durchziehst, wenn ich das richtig sehe.
Ich finde auch, dass dieses Witze machen zu der Geschichte insgesamt nicht so richtig passt. Der Job ihres Vaters ist ja direkt mit Ula verbunden, die verschwand. Wenn das hier eine Nacherzählung sein soll und der Text an jemanden gerichtet ist, kann ich mir irgendwie nicht vorstellen, dass Sabina Witze machen würde.

wer das Mädchen war, das den Wagen schob: Die große Schwester oder schon die Mutter.
aus der Anlage kam Metal, ganz leise. Was komisch war. So, wie wenn jemand in ein Megaphon flüstert.
Coole Beschreibungen. Gefallen mir.

Ich sammelte einen Haufen vereiste Hundescheiße auf, ich riss ihn vom Boden und steckte ihn in meine Jackentasche,
Echt? Sogar in die Jackentasche? Kann mir irgendwie kaum vorstellen, dass eine junge Frau das machen würde. Mit einem Tempo umwickelt aufheben ... okay ... aber einfach in die Jackentasche stecken?

»Wenn man die Wurzel aus x zieht, was kommt dann raus? Sabina?«
Dieses Kind-sitzt-in-Unterricht-hört-nicht-zu-und-wird-dann-aufgerufen-Ding ist auch sowas, was man schon häufig gelesen/gesehen hat. Könnte man vielleicht anders aufziehen.


Trotz meiner Kritikpunkte hat es Spaß gemacht, den Text zu lesen. Hoffe, bei meinen Anmerkungen ist etwas dabei, das dir weiterhilft.

Grüße
Klamm

 

Hey @Klamm,

danke für deinen Kommentar. Entschuldige die verspätete Antwort, ich habe gedanklich nur schon eine Weile mit dem Text abgeschlossen und da fiel es mir schwer, mich noch mal in Sabinas Welt reinzukämpfen :shy:

Danke auch für deinen Nachtrag:

Edit: Habe mit etwas Abstand den Kommentar nochmal durchgelesen und wollte noch anmerken, dass das meckern auf hohem Niveau ist. Die Empfehlung ist verdient.

Der mich natürlich freut - allerdings kann ich dein "Gemeckere" auch sehr gut nachvollziehen. Ich habe hier versehentlich aus einer Verdrängungsgeschichte eine Verdrängungsgeschichte gebastelt, ursprünglich sollte das mal eine Geschichte über den Vater werden, der Vater, der dann stattdessen in einer anderen Geschichte aufgetaucht ist und dort zumindest ein kleines bisschen aus seinem Schatten treten durfte, und ich selbst spüre dieses Abkommen vom Eigentlichen mittlerweile sehr deutlich - vielleicht ging es dir unterbewusst ähnlich.

Die Charakterisierung des Vaters gefällt mir sehr gut. Ein Schatten hinter der Tür, der nie so richtig in Erscheinung tritt. Den markierten Teil verstehe ich allerdings nicht so richtig. Es scheint mir der Erzähler würde hier einen Witz machen, aber ich verstehe nicht wieso. An wen ist der Text gerichtet? Wer spricht zu wem? Normalerweise gehe ich an einen Text ran in der Erwartung, das Gesagte ist ernst gemeint, aber wenn hier am Anfang dieser Teil kommt, verschiebt sich diese Erwartung und ich weiß eben nicht mehr, was ernst gemeint ist und was nicht. Du führst hier einen Erzähler ein, den du dann aber nicht durchziehst, wenn ich das richtig sehe.
Ich finde auch, dass dieses Witze machen zu der Geschichte insgesamt nicht so richtig passt. Der Job ihres Vaters ist ja direkt mit Ula verbunden, die verschwand. Wenn das hier eine Nacherzählung sein soll und der Text an jemanden gerichtet ist, kann ich mir irgendwie nicht vorstellen, dass Sabina Witze machen würde.

Interessant, dass du das als Witz wahrnimmst, das war nicht direkt meine Intention. Ich sehe da eher eine sehr jugendliche Sabina vor mir, vielleicht ist das der "Witz", den du da liest, dass sie eben keinen Plan hat von der Erwachsenenwelt und diese Distanz mit einer unterschwelligen Ironie überbrückt, einem jugendlichen: Whatever. Ja, ich finde es jedenfalls wichtig, dass das da steht, hoffe, du kannst das nachvollziehen, ich kann aber gleichzeitig auch nachvollziehen, was dich da "stört".

Echt? Sogar in die Jackentasche? Kann mir irgendwie kaum vorstellen, dass eine junge Frau das machen würde. Mit einem Tempo umwickelt aufheben ... okay ... aber einfach in die Jackentasche stecken?

Die durchschnittliche junge Frau vielleicht nicht, beim durchschnittlichen verzweifelten Mensch kann ich mir das vorstellen. Aber hast schon auch recht, vielleicht braucht es die Jackentasche nicht, die Sache selbst ist ja schon eindeutig genug ... Ich schau mal noch, ob ich es streiche.

Dieses Kind-sitzt-in-Unterricht-hört-nicht-zu-und-wird-dann-aufgerufen-Ding ist auch sowas, was man schon häufig gelesen/gesehen hat. Könnte man vielleicht anders aufziehen.

Ja, da hast du recht, würde ich so auch nicht noch mal schreiben, denke ich. :shy:

Vielen Dank für deinen Kommentar, Klamm, und bis bald :)

Bas

 

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