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Irrfahrt durch die Wolken

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21.05.2003
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Irrfahrt durch die Wolken

Irrfahrt durch die Wolken

Das Sandmännchen staunte nicht schlecht. „Das ist ja wirklich ein traumhaftes Ding!“, bewunderte es das nagelneue Wolkenschiff, das ihm die Sterne geschenkt hatten.
In den letzten Wochen war die Arbeit für den Sandmann immer beschwerlicher geworden. Während die Anzahl der Menschen, die schön schlummrige Träume gebracht haben wollten, stetig anstieg, verringerten sich gleichzeitig seine Kräfte. Jeden Tag wurde der Sandmann ein wenig langsamer und zum Schluss schaffte er es nicht einmal mehr, allen Menschen auf der Erde Träume zu bringen.
Dass es so nicht weitergehen konnte, erkannten die Sterne schnell und so bauten und sägten, hämmerten und nagelten sie dem Sandmann heimlich ein wunderbares Wolkenschiff. Über den Himmel schwebend konnte er nun, vom Schiff aus, den kostbaren Schlafsand auf die Erde streuen und somit viel schneller vorwärts kommen.
Freudig, aber auch ein bisschen beschämt, nahm der Sandmann das Geschenk der Sterne dankend an. Nur ungern gab er nämlich zu, dass ihm seine Arbeit langsam über den Kopf wuchs. Er winkte den Sternen, stieg in sein Schiff und machte sich mit seiner Traumsandladung auf die Reise.
Zumindest versuchte er es. Im Grunde genommen hatte er aber überhaupt keine Ahnung davon, wie man ein Wolkenschiff steuerte. Er war ja auch der Sandmann und kein Kapitän, und da er immer damit beschäftigt war, den Traumbaum zu pflegen und den Menschen ihre Träume zu bringen, hatte er keine Zeit gehabt, einen Segelschein oder gar eine Seemannsausbildung zu machen. Tja, sicherlich hätte er nun die Sterne um Hilfe bitten können, aber das tat er nicht. Es war ihm schon unangenehm, dass sie ihm bei der Sandverteilung aus der Patsche helfen mussten. Nun wollte er ihnen beweisen, dass er wenigstens nicht dumm war. Abgesehen davon konnte es doch nicht so schwer sein, ein kleines, blaues Wolkenschiff sicher auf die Erde zu lenken, oder?
Verwirrt blickte sich der Sandmann in seiner Kabine um, starrte auf ein Steuerrad und ein paar bunte Knöpfe, drückte hier und da mal drauf und war gespannt, was passieren würde. Es tat sich jedoch nichts. Lediglich ein schummriges Licht ging an, und aus einem Lautsprecher dudelte leise Einschlafmusik. Aber das Wolkenschiff selber bewegte sich keinen Millimeter vom Fleck.
Als der Sandmann unsicher durch sein Kabinenfester lugte, bemerkte er, dass die Sterne schon aufgeregt am Himmel zappelten, weil er immer noch nicht losgefahren war. Beschäftigt guckend trat er nach draußen und tat, als wollte er seine Ladung kontrollieren.
„Fährst Du jetzt los, lieber Sandmann? Setzt Du jetzt die Segel und reist auf die schlafende Erde?“, riefen die Sterne ihm zu.
„Die Segel setzen?“, murmelte der Sandmann und blickte sich um. Erleichtert entdeckte er eine lange Schnur, die von den Segeln herabbaumelte. Er grinste den Sternen zu, versicherte ihnen, dass er nur noch mal seine Ladung kontrolliert hatte und holte den Anker aus den Wolken. Dann zog er an der dicken Leine.
Ein Ruck, der ihn und seine Ladung erschüttern ließ, ging durch das Wolkenschiff. Die großen, blauen Segel bauten sich auf, füllten sich mit Abendwind und schon im nächsten Augenblick setzte sich das traumhafte Gefährt endlich in Bewegung.
Der Sandmann lächelte, obwohl er nicht wusste, ob er einen Grund dazu hatte. Er war zwar glücklich, auf dem Weg zu sein, jedoch hatte er nicht den blassesten Schimmer, wie er sein Wolkenschiff steuern sollte. Es war ein Wunder, dass er überhaupt gestartet war.
Während er unruhig über Deck lief und sein Gesicht in Sorgenfalten warf, segelte er an weißen Wolken vorbei. Wohin er fuhr, wusste er nicht. Er wusste nur, dass es nicht die richtige Richtung war. Er segelte nämlich der Sonne entgegen, und dort, wo die Sonne schien, brauchten die Menschen sicherlich noch keine Träume. Die erwartete man eher in der Gegend, die hinter ihm lag, wo der Mond voll und rund am Himmel stand und die Abendsterne blitzten.
„Oh nein, oh nein, oh nein!“, murmelte der Sandmann, hüpfte verzweifelt über das Schiff und überlegte, wie er seine Richtung ändern könnte. Aber immer wenn er versuchte, sein Wolkenschiff zum Mond zu lenken, flatterten die Segel laut und heftig und er kam kein Stück voran. Hilflos zupfte er an sämtlichen Stricken, doch der Wind blies nur noch kräftiger in Richtung Sonne und sein Schiff entfernte sich weiter vom großen Mond.
Warum auch hatte er die Sterne nicht um Hilfe gebeten? Sicherlich hätten sie ihm gerne das Segeln erklärt und er wäre erst gar nicht in dieses Dilemma gekommen.
Als er jammernd und ratlos an der Reling stand, kam eine Möwe vorbei geflogen, die sich wunderte, dass der Sandmann bei Tageslicht über den Himmel fuhr.
„Ist es denn schon Zeit zum Schlafen?“, fragte die Möwe verwirrt.
„Für Euch natürlich nicht!“, antwortete das Sandmännchen verzweifelt, „Aber für die Menschen auf der anderen Seite der Erde. Da muss ich jetzt hin und ich weiß nicht wie, denn ich habe ein neues Schiff, aber nicht die geringste Ahnung, wie ich es steuern kann!“ Beim Reden fuchtelte er so wild mit seinen Händen herum, dass er fast über Bord gegangen wäre. Im letzten Moment jedoch hielt er sich an einem Pfosten fest und blickte die Möwe erschrocken an. Diese kicherte kurz. Dann flog sie über das Schiff, begutachtete es von allen Seiten und grinste den Sandmann beruhigend an.
„Keine Sorge, lieber Sandmann, ich werde Dir helfen! Mit Booten und Schiffen kenn´ ich mich aus. Ich bin auf dem Meer groß geworden!“ Dann plapperte sie munter weiter, erklärte dem Sandmann genau, wie er die Segel setzten musste, um auf Kreuzkurs zickzack gegen den Wind zu fahren und begleitete ihn auf den Weg zur abendlichen Erde. Sie beobachtete den Sandmann, wie er seinen Sand sanft vom Himmel streute und, trotz kleinem Umweg, allen Menschen rechtzeitig ihre Träume brachte.
„Wie schnell so ein Schiff doch fahren kann!“, staunte der Sandmann.
„Ja! Wenn man weiß, wie es funktioniert!“, kicherte die Möwe.
„Und wenn man es nicht weiß, dann kann man ja fragen!“, erwiderte der Sandmann, kicherte ebenfalls und beschloss, das nächste Mal gleich um Hilfe zu bitten. Dann dankte er der hilfsbereiten Möwe und machte sich auf zu seinen leuchtenden Sternen. Von seiner ersten, aufregenden Segelfahrt wollte er ihnen berichten und davon, wie schön ihr Wolkenschiffgeschenk war. Aber vor allem wollte er ihnen sagen, wie glücklich er war, solch gute Freunde wie sie zu haben.

 

Hallo sumsebiene,
du weißt sicher schon, was ich zu schreiben habe. Eine wundervolle Geschichte, die du dir wieder ausgedacht hast. Du beschreibst sehr anschaulich die Not des Sandmanns, aber machst gleichzeitig Mut, sich in so einer Situation helfen zu lassen.
Eine kleine feine Gute Nacht Geschichte.
Herzliche Grüße! Marion

 

Hallo Sumsebiene,
diese Geschichte hat mich ein bisschen an Deine Mondgeschichte erinnert, da wo der Mond immer dünner wurde und die Sterne sich Sorgen gemacht haben. Nun haben sie dem Sandmann geholfen. Auch diese Geschichte finde ich wie immer sehr gelungen. Nur ein kleiner Fehler ganz am Anfang ist mir aufgefallen:

„Das ist ja wirklich ein traumhaftes Ding!“, bewunderte es das nagelneue Wolkenschiff, dass ihm die Sterne geschenkt hatten.
Dass schreibt man hier nur mit einem s.

LG
Blanca :)

 

Hallo sumsebiene,

mir, als alter Seglerin, hat Deine Geschichte sehr gefallen. Einen entzückenden, ein wenig eingebildeten Sandmann hast Du hier erfunden, der halt lernen muss, dass es manchmal doch ganz gut ist, wenn man um Rat fragt.

Mir gefiel die Idee der Sterne, die das Woklenschiff hämmernd und sägend bauten. Und mir gefiel die Möwe, die den Sandmann noch gerade rechtzeitig zum Kreuzen bringt.

Ich habe Deine Geschichte sehr gerne gelesen - wie fast immer halt :).

Zwei Bemerkungen habe ich noch:

"die schön schlummrige Träume gebracht haben wollten" --> "schön schlummrige Träume" - das ist eine feine Formulierung :) aber "gebracht haben wollten", das klingt so schwerfällig - vielleicht "die sich schön schlummerige Träume (von ihm) wünschten"?

"Ein Ruck, der ihn und seine Ladung erschüttern ließ," --> "der ihn und seine Ladung erschütterte" klingt für mich flüssiger ...

Liebe Grüße
al-dente

 

Hallo sumsebiene!

Sehr feine Geschichte! Ich hätte richtig Lust gehabt, mit dem Sandmann und der Möwe mitzufahren. Deine Ausdrucksweise kurbelt die Fantasie an! Klasse! Darf ich die Geschichte meinen Kindern morgen abend vorlesen? :)

Gruß,
Theo

 

Schön, dass Euch meine Geschichte gefällt. Die Anregungen von al-dente werde ich natürlich berücksichtigen und ändern.
Ich habe mich nur gewundert, dass Du, al-dente, den Sandmann als eingebildet empfindest. So war es gar nicht gemeint. Er sollte als älterer Mensch dargestellt werden, dem es peinlich ist nach Hilfe zu fragen.
Hm? Muss ich das noch klarer herausstellen? Schließlich soll man doch mit ihm sympathisieren.

Grüsse

Sabine

 

Hallo sumsebiene,

so total eingebildet fand ich Deinen Sandmann gar nicht - deshalb habe ich doch extra geschrieben "ein wenig eingebildet"! Und ich fand ihn wirklich sympathisch! Dass es ihm peinlich ist, um Rat zu fragen, das ist mir beim Lesen zwar nicht klar geworden, aber ich finde trotzdem, dass Du nichts an der Geschichte ändern müsstest - meine Meinung! :)

Lieben Gruß
al-dente

 

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