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Jazz, Lyrik und wir

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13.06.2006
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Jazz, Lyrik und wir

Ich war nie sparsam, mit meinen Gefühlen. Trauer und Freude sollten sich in der zweiten Lebenshälfte die Waage halten. Ich drehe die Anlage laut auf, höre Musik von Dave Brubeck, Gerd Westphal spricht Gottfried Benn. Je lauter, desto schöner. Ja, das ist meine Freude. Ich sitze hier und trauere um Mutter, Bruder, Schwester, Freundin und um Dich, Weggefährte.

Ich lege noch eine von den Schallplatten auf, die du mir zu meinem 16. Geburtstag geschenkt hast. Einst haben wir sie gemeinsam gehört. Ich kenne sie in und auswendig. Dave spielt, Gerd spricht: Hans-Magnus Enzensberger, Lyrik und Jazz. Ich drehe auf, so laut, bis kein anderes Geräusch mehr zu hören ist auch nicht mein Weinen. Musik, Stimme, Musik. Ich jazze mit, rezitiere: „Was habe ich hier verloren, und was suche ich hier in diesem Land, dahin mich gebracht haben meine Väter durch Arglosigkeit" - "Oh dai da io," schallt die Stimme. Die Freude kommt, Du bist in mir, wenn unsere Musik schreit und die Verse brüllen.

Ich habe Lust, Dich zu sehen, jetzt sofort. Doch wo soll ich suchen. Ich verwandle mich in eine Wildbiene und nasche Honig. Das ist mein Nektar, er ist süß. Ja, ich weiß, wie man aus dem Glas leckt, ohne sich die Flügel zu verletzen. Die Füße sind klebrig, das macht nichts. Ich schwinge mich in die Luft und fliege in meine Fantasie. Hoch hinaus bis an den Himmel. Doch Dich finde ich nicht..

Mein Radius endet, bevor der Himmel weit wird und ich keine Blumen mehr finde. Ich spüre Grenzen, erschrecke, und fliege zurück zu den Jasminblüten in unserem Garten. Wusstest Du, wie oft der Duft von Jasmin mich getröstet hat, wenn die Musik nicht mehr reichte, meinen Schmerz in die Welt zu schreien?

Im Anflug sehe ich das Bäumchen, die weißen Blüten und kehre zurück zu den Blumen, dem Honig und der Musik. Jetzt gebe ich Speed und kehre zurück in mein Ich.

Da steht ein Mann im Garten, sieht aus wie Du. Bist du es? Ich blinzle in die grelle Sonne, dann renne ich los und umarme

Deinen Sohn

 

Hi Kejacothie,

geht mir wie jynx, deine geschichte ist wie ein gedanke, wie ein tagebucheintrag, zuweinig für eine geschichte.
aber dein sprachstil gefällt mir sehr gut und darum warte ich auf deine nächste geschichte.

liebe grüße
katinka

 

HI!

Zwei kleine Sachen, die mir aufgefallen sind.

in und auswendig
in- und auswendig

Doch wo soll ich suchen.
Doch wo soll ich dich suchen? (?! falls als rhetorische Frage gedacht)

Ein kurzer und nachdenklicher Text mit einer schönen Metapher. Ließ sich gut lesen. Die Erzählperpektive stört nicht, mir kommt der Text wie ein Brief vor, das wird nach dem ersten Absatz deutlich. Vielleicht solltest du im Text noch eine Briefüberschrift wählen, wie z.B. "Lieber Weggefährte", so hast du ihn ja genannt, dann ist es von vornerein offensichtlich und es kommt keine Verwirrung auf.
Also alles in allem, eine gute KG.

MFG Steeerie

 

Hallo kejacothie

Ja, ich weiß, wie man aus dem Glas leckt, ohne sich die Flügel zu verletzen.

Das ist der einzig gelungene Satz in der Geschichte. Dafür sehr gelungen. Ich hoffe, er ist auch von dir.

Ansonsten ist an der Geschichte nur noch zu loben, dass sie so kurz ist.

Im Rentenalter noch das Schreiben anfangen, das finde ich wunderbar.

Zuerst einmal würde ich nicht so viele Sätze mit ich anfangen. Das ist einfach eine Frage der Ehre.

Dann so Umschreibungen wie "in - und auswendig". Sind überholt und ausgelutscht. Genau hier setzt poesie an, Kreativität zu fordern.

Und wenn Leute in ihren Geschichten auflisten, was sie so alles für Musik hören, das hat mich schon immer genervt. Interessiert doch keinen. Schon gar nicht in einer so kurzen Geschichte.

Der Übergang von Musik zur Biene zum lyrischen Ich, und dann ist es auch noch der Sohn, und nicht der Angebetete, das wirkt so aneinandergenäht.

Aber doch finde ich das Thema schön. Es würde sich für dich lohnen, das mal vernünftig auszuarbeiten.

lieben Gruß

 

Für einen Sänger und Jazzliebhaber jedoch hat die Geschichte einen schönen Inhalt. Sie ist voll von Bildern, Klangbilder braucht der Sänger um den bestmöglichen und glaubwürdigsten Ton zu erzeugen.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Kejacothie,

der Text gibt Gedanken preis, die Gefühl, Tiefe und Wehmut erahnen lassen, doch du bietest nur wenig Worte, an denen sie sich wirklich festhalten und Bilder erzeugen können. Zweifellos ist die Bienen-Metapher ein richtiges Juwel in der Geschichte, aber drum herum wirkt die Schilderung etwas zu spröde, um wirklich eine Stimmung zu erzeugen. Es ist mir eine etwas zu pragmatische Herangehensweise, z. B. eine Konstellation aus Musik und Lyrik nur zu nennen - der Grund aber, warum es solch Faszination ausübt und diese Bedeutung hat, wird nicht nachvollziehbar in deinen Worten. Trauer wird benannt. Gründe der Trauer werden aufgezählt. Es ist eine kühle, analytische und mit einem Hauch von Wehmut durchzogene Betrachtung, durch die für einen Augenblick in Form einer Biene Lebendigkeit und Farbe summt.

Dennoch hat der Text mich angesprochen, will ich ein Gespür habe, für die Gedanken hinter den Worten, und einen Faible für Melancholie.

Und ich habe das Gefühl, meine Kritik ist jetzt fast schon länger als deine Geschichte.

Grüße von Rick

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo,

ich war lange nicht hier und deshalb sitze ich jetzt staunend vor diesen vielen Kommentaren und vermag wenig zu sagen. Ich bin in meiner Generation die erste Jazz-Fanatikerin gewesen. Vielleicht habe ich mich anfangs damit in einen Gegensatz zu meiner klassisch-musikalischen Familie gesetzt.

Ich habe immer gejazzt, wenn ich glücklich war und wenn ich traurig gewesen bin. Diese kleine Geschichte sollte so etwas wie ein Song an einen Menschen sein, der eine Lücke hinterlassen hat. Unsere Verbindung ist der Jazz und die Lyrik, speziell die von Gottfried Benn und Hans-Magnus Enzensberger. Ich höre die Schallplatte und jazze drauf los, wenn ich glücklich und wenn ich traurig bin.

Ja, auch die Wildbiene ist von mir. Sie ist mein Avatar auf meinem klitzekleinen Lieblingsforum. Ich mag Bienen, vor allem Wildbienen, die oft nur einen Sommer lang leben oder sterben, weil sie ihren Stachel einsetzen. Ich werde diese kleine Geschichte überdenken und sie bestimmt noch einmal vornehmen, deshalb danke ich für Euere Anregungen und für die Kritik

LG Keja

 

Hallo keja

mir ging es mit deiner Geschichte ganz ähnlich wie Rick. Obwohl sie so knapp gehalten ist und die Nachvollziehbarkeit der Melancholie sich deswegen nicht auszubreiten vermag, hat sie mich angesprochen, irgendwo berührt.
Vielleicht würde es gar nicht so vieler Ergänzungen benötigen, um deiner Kg den letzten Schliff zu geben. Hier und da einen ausdrucksstarken Satz, der die Beliebigkeit in eine nachvollziehbare Richtung lenkt.
Und dann das Ende.
Ja, es handelt sich schon um eine Pointe, aber sie bleibt blass. Was mir fehlt, sind die Emotionen, die durch die Erkenntnis ausgelöst werden.
Vielleicht summt der Sohn ja eine Melodie der alten Platten, oder er hat den gleichen Gesichtsausdruck, wie der Verblichene, so dass die Musik einfach um ihn herum zu entstehen scheint, oder oder...
Sind jetzt nur zwei banale Möglichkeiten, aber ich hoffe du verstehst, was ich damit zum Audruck bringen möchte.

summsumm
weltenläufer

 

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