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Joghurt
Jakob hatte den Hof geerbt nachdem sein Vater gestorben war. Eigentlich hatte er weder vorgehabt ihn, noch all die Schulden zu übernehmen. Aber kaum war er auf dem Land gewesen, war ihm etwas aufgefallen. Er konnte atmen. Er tat es sogar gerne. Alles schmeckte nach Heu, Dünger und dem Apfelkuchen seiner Großmutter. In diesem Moment beschloss er Bauer zu werden. Die längste Zeit seines Lebens war Jakob Banker gewesen. Nicht der Erfolgreichste, aber erfolgreich genug um sich ein teures Auto leisten zu können. Jakob verkaufte es um die Schulden abbezahlen zu können und sich in Agrarwirtschaft fortzubilden. Im Nachhinein hatte er es nicht bereut. Der Wagen hatte furchtbar nach Leder geschmeckt, furchtbar neu.
Die nächsten Jahre waren ein Kampf. Er war Freunden hinterhergelaufen, die ihm zu lange auf der Tasche gelegen hatten. Die meisten warfen Jakob sein Geld und ihre Freundschaft hin. Er vermisste sie nicht, genauso wenig wie ihren Geschmack nach Fusel und fettigem Fraß. Als er seiner Freundin von seinen Plänen erzählte, sagte sie zum Scherz, sie habe wohl kaum die richtigen Schuhe für den Bauernhof. Später zeigte sich, dass sie tatsächlich nicht dafür geeignet waren, aber dafür ihn zu verlassen waren sie gerade gut genug. Nur der Geschmack von billigem Parfüm und Make-up, den er verlor.
Schon früh war Jakob klar geworden, dass er nicht genug Geld machte, wenn er die Milch seiner Kühe an eine Molkerei verkaufte. Stattdessen beschloss er seinen eigenen Joghurt und seine eigene Milch zu vertreiben. Aus Weidehaltung und Bio, außerdem lokal produziert. Die Leute würden ihm aus der Hand fressen.
Um all das finanzieren zu können, nahm er Kredite auf und verschuldete sich. Höher als sein Vater es bei seinem Tod gewesen war. Er ließ sich das Erbe seines Onkels auszahlen und überzeugte seine Schwester davon in den Hof zu investieren. Jakob verabscheute den Geschmack der Bitten und des Flehens, ganz besonders aber den des Geldes. Aber er wusste, dass er ihn ertragen musste.
Und dann schließlich, nach all den Jahren harter Arbeit und all den Opfern, konnte er endlich seinen ersten Joghurt vom Band nehmen. Er atmete ein und aus. Dann probierte er.
Der Joghurt schmeckte scheiße.