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Wir treffen täglich Entscheidungen, aber jede Entscheidung, jede Wendung im Leben halt Folgen.
Bedenken wir das in Vorfeld?
Käfer, Spinne und eine Entscheidung
Überarbeitete Version vom 16.04.2023
Es gibt Stellen in der Wohnung, an die seltener geschaut wird. Man erwartet hier nichts Überraschendes oder gar Dramatisches, doch manchmal kommt es anders…
Alle Fenster standen um diese Jahreszeit weit offen. Staub und Blütenpollen paarten sich, mutierten zu Flusen, denen ich zu Leibe rücken wollte - alles Bewegliche einmal abrücken und die dahinter angesammelten Flusen feucht wegwischen. In der Hand den Putzlappen, fiel mein Blick auf eine dramatische Szene.
In der Ecke vor mir gab es einen Überlebenskampf. Ein Käfer wand sich im Netz einer Spinne, seine Beinchen darin verstrickt, gab es für ihn kein Entkommen. Die Jägerin näherte sich bereits, um ihre Beute für das große Fressen vorzubereiten. Ihr Körper war kleiner als der des unglückseligen Opfers und trotzdem würde sie als Siegerin aus diesem ungleichen Duell hervorgehen. Ich hatte ihr Vorhaben mit meiner Säuberungsaktion unterbrochen. Die Spinne hielt regungslos auf den Fäden ihres Netzes inne, innerer Vorsicht gehorchend.
Auf diese Situation war ich nicht vorbereitet. Lediglich ein dummer Zufall ließ mich Teil des Geschehens werden. Zunächst entfernte ich, wie geplant, einige Flusen, ohne die Szene zu beeinflussen. Der Lauf der Natur, sagte ich mir; die Spinne vollendet ungestört ihr Werk, der Käfer wird ihr Opfer.
Erlaubte diese Situation nicht auch eine andere Sichtweise? Errettung des Unterlegenen aus einer schier ausweglosen Situation - Gott spielen, den Käfer vor dem sicheren Tod retten, sein Leben verlängern. Für die Spinne hingegen wäre ich dann wohl der Teufel, der sie um ihre Beute betrog.
Ich befreite den Käfer sehr vorsichtig aus dem Netz, während die Spinne eiligst in ihrem Versteck verschwand. Der Käfer erstarrte umgehend und harrte der Dinge, die auf seine Befreiung folgten. Ich schob ihn sorgsam auf ein Stück Papier, ging damit hinaus auf den Balkon und setzte ihn auf einer Blume aus. Nur Augenblicke später war er unter den Blättern der Pflanze verschwunden. Eine Entscheidung, die ich aus dem Bauch heraus traf. Ein buddhistischer Mönch sagte mir vor Jahren: Achte alles Leben hoch, mag es dir noch so klein und unbedeutend erscheinen. Ich gab dem Geschehen eine Wendung. Für den Käfer war es ein Glücksfall, für die Spinne war es, wenigstens zeitweise, ein Desaster.
Hatte ich das Recht auf meiner Seite, als ich mich einmischte? Hatte ich über die Spinne nachgedacht? Wie weit lag ihre letzte Mahlzeit zurück? Vielleicht wäre der Käfer ihre Rettung gewesen. Gleichgültig, wie intensiv ich über mein Erlebnis nachdachte, mein Handeln war unumkehrbar und bereits tiefe Vergangenheit. Jede Entscheidung, die du triffst, jede Handlung, die du begehts, alles hat Konsequenzen für dich und die Welt, in der du wandelst. Das ist Samsara. Auch das hatte der buddhistische Mönch zu mir gesagt.