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Karma-Gutschein

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18.01.2009
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Karma-Gutschein

So ein verfluchter Scheiß!
Da karre ich diese blöde Kuh bis nach Nepal, und DAS hat man nun davon! Okay, es war nicht Nepal. Nicht mal Asien. Nepal ist weiter entfernt als die 36 Kilometer, die ich gerade voll in den Sand gesetzt habe.
Buddhistische Zen-Meister würden jetzt mit einer unglaublichen Arsch-Ruhe ihre Kalligrafie in den Haufen Dreck pinseln, der mal mein Leben war.
Ich bin dagegen bin weit vom Meister-Titel entfernt. Zen kotzt mich an, was mich in diesem Augenblick eine ganz andere Schiene fahren lässt.
Stopp! Ich fahre nicht. Genau das ist mein Problem!
Ich möchte all diesen friedfertigen Heiligen da draußen ihre gutmütige Fresse polieren bis der weiche Blick unter Bergen geschwollener Zellmasse begraben liegt.
Nach dem Abend sollte ich beim Karma ja einiges gut haben.
Scheiße, Ich müsste sogar Gandhi verprügeln dürfen!
Es beginnt zu regnen. Natürlich, das muss kommen! Ist ja noch nicht Klischee genug, die ganze Sache. Manchmal reicht es eben nicht aus, sich mit wehenden Fahnen zum Idioten zu machen.

Dabei hätte ich es wissen müssen, als sie mich anrief.

Ihre Stimme zittert und sie klingt, als würde der Rotz aus allen Öffnungen sickern. »Kannst Du vorbeikommen?« Ob ich kann?! Mein aufgesparter Restverstand verrät mir sofort, worum es geht.
Können? … Ich will! Ich darf!!!
Für die Reaktion bleibt jetzt allerdings kein Verstand mehr übrig. Wie in einem schlechten Film antworte ich übertrieben trocken. »Klar! Jetzt?« Natürlich jetzt, Du Idiot! Als würde sie langfristig Termine machen! »Ich bin bei Hannes. Bitte beeile Dich!«, schnoddert der Hörer.

Ihr schleimiger Provinz-Van Damme hat wohl mal wieder bewiesen, wie sehr er ihre Gesellschaft verdient. Das ist meine Chance, einen Fuß in die Tür zu bekommen. Fuß in die Tür...vielleicht nicht die beste Umschreibung für meine Pläne. Ich will ihr nicht nur ans Höschen, oder so. Meine Absichten waren vom ersten Tag an aufrichtig. Ich hab da nie ein Geheimnis draus gemacht. Okay, ich hab sie auch nie direkt darauf angesprochen, aber ich bin mir sicher, sie weiß davon.

Jedenfalls ist ihr Kerl wohl mal wieder ausgetickt und sie braucht meine Hilfe. Ich stelle mir vor, wie er sie bedroht, nur, um mich mental in Form zu bringen. Wenn Du nicht gerade Brandenbruger Landesmeister im C-Movie-Schmierheld-Karate bist, hast Du kaum eine andere Möglichkeit. Für das Training in den 36 Kammern der Shaolin bleibt jedenfalls keine Zeit. Ausreichend in Rage gedacht stürze ich aus meinem Zimmer um unmittelbar mit Norman zu kollidieren.
Pupillen so groß wie Tellerminen starren durch mich hindurch.
»Wo willst'n hin?« Typisch, noch keine 20 Uhr und schon total stoned! »Alter, Nadja hat angerufen! Es gab wohl Krieg im Paradies! Ich soll hin!«
»Bringste Bier mit?! Und vielleicht Schokolade? Oder nur Schokolade? … Und Bier?« Verflucht, ich muss mich doch beeilen! Die Bombe tickt! »Keine Zeit, Alter!« Ich schieße an ihm vorbei. Er nuschelt mir nach. »Ey, wohin willst'n?«

Schwebende Lautsprecher begleiten mich und spielen lautstark das Titel-Thema der alten Batman-Serie. Es ist eine Stunde für Helden! Meine Stunde! Der blasse Corsa sieht das anders, denn die Karre und ich sind selten gleicher Meinung.
Das Batmobil schweigt beharrlich. Was würde Bruce Wayne tun?
Als wäre sie es, die ich trösten will, rede ich der Müllschleuder behutsam zu. Ich gebe mir Mühe, besonders zärtlich zu sein, als der Schlüssel ins Zündschloss eindringt. Kurzes Aufheulen, dann Stille. Ich habe sie wohl unvorbereitet getroffen.
Ein zweiter Versuch: Heulen, wieder Stille. Der dritte Anlauf gelingt. Aller guten Dinge sind drei!
Scheiß Klischee!

Die Fahrt ist kurz, doch genügt, um alle erdenklichen Szenarien zu simulieren. Auf jede zu erwartende Aktion ihrerseits speichere ich eine bestmögliche Reaktion. Am Ende bleiben 36 Situationen mit 36 Lösungen. Die Kammern der Shaolin! Scheiße, das MUSS klappen!
Ich halte vor Van Dammes Haus und hupe!
Der Penner ist kaum 30 Jahre alt und hat sich echt ein ganzes verschissenes Haus hinstellen lassen. Er wohnt allein drin, soweit ich weiß. Würde mich aber nicht wundern, wenn er hinter Nadjas Rücken noch zwanzig russische Nutten bei sich wohnen ließe. Seine Schwanzverlängerung steht nicht im Carport, deshalb kann ich wohl davon ausgehen das verletzte Reh allein anzutreffen. Ich hupe nochmal und Nadja erscheint.
Gott, sie ist sogar schön, wenn sie scheiße aussieht!

»Hey!«, schnieft sie an meinen 36 Simulationen vorbei.
Auf ein »Hey« bin ich nicht vorbereitet.
»Selber Hey!« Sie lächelt mit traurigen Augen, die Kriege verhindern würden. »Kannst Du mich nach Hause fahren?«
»Was ist mit Hannes?«
»Der hat den Küchentisch zusammengeschlagen und ist abgehauen.«
Beschissener Wahnsinniger! Ich meine, wer tut sowas?! Eigenes Haus mit 29, die schönste Frau der Welt als Freundin und dann brüllt er sie an und zerdrischt seine Möbel. »Spring rein!«

Die Beifahrertür klemmt natürlich erstmal. Der Corsa spielt betrogene Ehefrau. Gleich morgen jage ich das Teil in 'nem gigantischen Feuerball zur Hölle. Nadja fällt mir um den Hals und fängt an zu heulen. Ihr Körper zittert. Ich will irgendwas sagen, doch ihr Duft bringt mich aus dem Konzept. Die 36 Kammern stürzen ein. Wir sitzen eine Weile so da. Sie weint, ich genieße ihre Nähe. Sollte ich mich schämen, weil mein Mitgefühl aussetzt? Das Ende ihrer Beziehung ist doch der Beginn der unseren!
Ich zerkloppe wenigstens keine Tische.
Sie beruhigt sich und beginnt zu reden. Sie erzählt vom Beginn ihrer Beziehung. Von Rosen und all dem gekünstelten Schrott. Ich sage »Ich liebe Dich«, doch heraus kommen andere Worte.
Keine Offenheit, nur geheucheltes Verständnis.
Sie erklärt, dass es in letzter Zeit nicht so gut läuft mit Hannes. Er wäre so im Stress wegen der ganzen Arbeit. Darum würde er oft gereizt reagieren. Ich bin mir sicher, das liegt eher an den ganzen Steroiden, die er heimlich frisst...gemeinsam mit den russische Nutten. Aus den Trümmern der 36 Shaolin-Kammern zerre ich einen Trumpf. »Weißt Du, er hat Dich echt nicht verdient!«
Ja, ich weiß...besonders originell ist das nicht. Aber es kommt von Herzen und erfüllt seinen Zweck. Nadja erkennt das. Sie lächelt.
Das habe ich gebraucht! In mir steigt Sicherheit auf. Wir reden ewig weiter und die tiefschwarzen Wolken hinter ihren Augen lösen sich langsam auf. »Weißt Du was? Du hast Recht! Soll er sich doch 'ne Nutte besorgen!«
»Zwanzig Nutten!', denke ich.
»Ich habe Besseres verdient! Gleich morgen hole ich mein Zeug ab. Dann sieht der Penner mich nie wieder!«
Ich kann es kaum fassen. War ich das? Ist das echt passiert? Ich stehe auf dem höchsten Gebäude von Gotham City und mein Cape flattert im Wind.
»Wollen wir los?«, fragt sie schließlich sanft.

Los. Zu Ihr. Sie und ich. Gemeinsam.

»Jap!«, antworte ich und versuche, mir die Aufregung nicht anmerken zu lassen. Der Corsa startet problemlos. Waffenstillstand! Ganz so, als würde er mir seinen Segen erteilen.
Die Fahrt über schweigen wir. Kein gezwungenes oder verkrampftes Schweigen. Eines dieser guten! Allein das einlullende Brummen des Motors begleitet uns auf unserem Weg durch die Nacht.
Nadja atmet ruhig. Ich höre es nicht, aber ich bilde mir ein, es zu spüren.
Die nächste Abfahr links.
Noch knappe 500 Meter. Ich schaue zu Nadja rüber. Sie erwidert meinen Blick.
300 Meter.
»Zu Hause!«, schnaufe ich.
»Jep, da ist es!«
200 Meter.
Da steht irgendwer.
150 Meter.
Nein!
100 Meter.
Fuck!
50 Meter!
Hannes!
0 Meter!
Endstation, dieser Zug endet hier. Bitte alle aufhängen!
»Was willst Du?«, möchte Nadja wissen.
»Ich hab Scheiße gebaut!«, wimmert er.
»Erzähl das deinen Nutten!«, möchte ich ihm an seine hässliche Visage klatschen.
»Das fällt Dir ja früh auf!«, wirft sie von oben herab.
»Ja sorry, du weißt doch mit meiner Arbeit und so. Das ist alles so stressig momentan. Und der ganze Scheiß blabla laber sülz!«
Ich habe aufgehört, ihm zu folgen. Aus seinem fettigen Gesicht tropft eine glitschige Entschuldigung nach der anderen.
»Heul bla scheiß schleim bin doch auch immer nett gewesen schluchz zwanzig Nutten und Steroide!«

Nadja fällt ihm um den Hals. Sie küssen sich. Wieso rutscht sie nicht ab? Mir wird schlecht. Es folgt eine ewige Versöhnungs-Orgie, an deren Ende die rituelle Opferung meines Herzens steht. Hämisch brüllend reißt sie den Klumpen aus meinem bebenden Brustkorb. Ihr Idiot steht daneben und grinst dämlich.
Habe ich erwähnt, dass mir wirklich echt verflucht schlecht ist?
Wie sieht es wohl aus, wenn ich mich jetzt geschmeidig aus dem Seitenfenster übergebe? Wird mir das Ihre Liebe sichern? Scheinbar steht sie ja auf ekelhaft.
Ich beschließe zu kotzen. Nur ein kleines Bisschen. Innerlich.

»Danke fürs Bringen. War echt lieb von Dir.«
Ich antworte nicht. Schaue sie nur an und warte.
Auch sie wartet ... als würde sie dem noch etwas hinzufügen wollen. »Ich geh dann jetzt besser rein. Danke nochmal.«
Ein glatter Kopfschuss und ich sinke zu Boden.
»Ja, Danke, Meister!«, pinkelt Hannes auf meinen Leichnam.

Batmobil, bring mich hier raus!
Störrisch setzt sich der Leichenwagen in Gang.
Wenn ich nicht schon tot bin, ersaufe ich in einem Tank voll Hass.
Meister?! Dem werd ich seinen bekackten Meister zeigen!
Ich latsche aufs Gas doch der Wagen wird nicht schneller.
Er denkt sich wohl: »Nö, Freundchen! So nich! Nich mit mir!«.
Das Vieh sieht nicht ein, dass ich meine Wut an ihm auslasse.
Er hustet noch zwei mal kräftig und verreckt dann einfach so mitten in der Pampa.
Nachdem ich fluchend alle »Fucks« dieser Welt aufgebraucht habe schreibe ich einen Zettel und hefte ihn an die Windschutzscheibe:
»Bitte nicht auch noch klauen!«
Ich gehe zwar nicht davon aus, dass jemand 'nen kaputten Corsa will, aber man kann ja nie wissen. Hoffentlich ist die zittrige Handschrift lesbar.

Hier bin ich. Latsche ich durch den verfluchten Regen. Gebeutelt von Klischees und mit einem ganzen Sack gesammelter Karma-Gutscheine.
Einmal kräftig geopfert werden = Früherkennung einer gefährlichen Krankheit.
Einmal Auto in der Nacht verreckt und durch den Regen rennen müssen = Gewinn eines Haushaltsgerätes beim Kreuzworträtsel-Wettbewerb.
Alles addiert = einmal Gandhi verprügeln.
Die Entscheidung fällt leicht!

...
5:24 Uhr. Endlich ist mein Heim in Sicht. Ich kaufe noch eben schnell Bier und Schokolade. Norman wartet.

 

Moin Nerdilicious,


Na sowas... eine wirklich lustige Geschichte in der Humorecke. Ich bin im Paradies ;)

Okay, der Plot ist so dünn, wie Angelina Jolie ohne Lippen und an manchen sehr wenigen Stellen bist du mit dem Timing der Gags nicht ganz auf meiner Linie, aber insgesamt hat mir dieser Text sehr gefallen.
Böse Frauen, gescheiterte (Anti)Helden, die am Wahnsinn einer ungerechten Welt verzweifeln, ein Schuß Melancholie, endlich mal wieder deutliche Sprache (wobei ich finde, daß du den Schimpfworteauswurf am Anfang ein wenig überstrapaziert hast) und keine gewalttätig auf lustig gebürstete, dafür aber umso lustigere Pointe. Die kam überraschend, war leise und perfekt(!) vorbereitet.
Und ein paar wirklich witzige Formulierungen hatte es auch noch. Fein fein.

und DAS hat man nun davon! Okay, es war nicht Nepal. Nicht mal Asien.
Hier ein Beispiel fürs Timing. Der gag ist toll, aber so funktioniert er für mich nicht, weil die Auflösung "es war nicht Nepal" mir einfach zu schnell kommt. Ich würde da noch irgendwas zwischenfummeln, um das Bild deines Helden in Nepal noch ein wenig auszuwalzen.
Wenn Du nicht gerade Brandenbruger Landesmeister im C-Movie-Schmierheld-Karate bist, hast Du kaum eine andere Möglichkeit.
Den hab ich nicht verstanden, ehrlich gesagt.
Ein zweiter Versuch: Heulen, wieder Stille. Der dritte Anlauf gelingt. Aller guten Dinge sind drei!
Scheiß Klischee!
Hier fände ichs reizvoller, wenn er nicht sauer wäre, sonder resigniert: "Aller guten Dinger sind drei. Na klar, Klischee..." oder so.
Gott, sie ist sogar schön, wenn sie scheiße aussieht!
:D
Ich kaufe noch eben schnell Bier und Schokolade.
Kleinigkeit, aber ich würde aufs "schnell" verzichten. Klingt irgendwie besser, find ich.

 

Hallo nerdilicious,

trotz Deiner doch teilweise sehr flapsig/deftigen Ausdrucksweise,
habe ich Deine Geschichte gerne gelesen.
Bei den gelungenen Gags habe ich mich köstlich amüsiert
und auch die Schlusspointe fand ich gelungen.

Während mir zwar C-Movie-Helden geläufig sind, hatte ich etwas
Probleme bei der Auswahl/Vergabe Deiner Karma-Gutscheine.
Mir würden da ganz spontan eine ganze Menge anderer Personen einfallen,
die man vllt. einmal verprügeln könnte. ;)

MfG
Darkeyes

 

hallo nerdilicious,

um ehrlich zu sein: mit der geschichte kann ich wenig anfangen. sie ist für mich ziemlich platt.

dafür gefallen mir einige formulierungen sehr gut. sie sind witzig, ohne an den haaren herbeigezogen zu sein. z.b.:

Buddhistische Zen-Meister würden jetzt mit einer unglaublichen Arsch-Ruhe ihre Kalligrafie in den Haufen Dreck pinseln, der mal mein Leben war.

Fuß in die Tür...vielleicht nicht die beste Umschreibung für meine Pläne.

Seine Schwanzverlängerung steht nicht im Carport,

Endstation, dieser Zug endet hier. Bitte alle aufhängen!

gut gefällt mir auch den einsatz von angaben zur entgfernung (300m....0m) um die spannung zu steigern. ist dir gelungen!

beste grüße
ernst

 

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